Angela die „Willige“

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„Charmeoffensive“ nennt man das in Deutschland, wenn Angela Merkel zum zweiten Mal vom US-amerikanischen Präsidenten empfangen wird und sich „der mächtigste Mann der Welt“ herablässt, BamS, Bild und Christiansen ein paar unkritische Fragen zu beantworten. Was will Bush von Merkel? Was hat Bush von Merkel? Was hat Merkel Bush zugesagt? Soll die „besondere Verantwortung“ (Süddeutsche Zeitung) Deutschlands für Israel als „strategischer“ Hebel genutzt werden, die Bundesregierung auf eine gemeinsame Linie mit den USA in der Iran-Politik zu zwingen, in der „alle Optionen“ (Bush), also auch der Krieg, „auf dem Tisch liegen müssen“.

Bush steckt im eigenen Land in einem einmaligen Tief, die Mehrheit der US-Amerikaner zweifelt inzwischen am Sinn des Krieges gegen den Irak und der militärischen Besetzung dieses Landes im Bürgerkrieg. Die „Koalition der Willigen“, mit einer lügnerischen Begründung und völkerrechtswidrig in den Irak einmarschiert, ist am Widerstand der Bevölkerungen in Spanien, in Italien und in England zerbrochen. Der spanische Regierungschef Aznar, einer der engsten Verbündeten Bushs im Krieg gegen den Irak, ist abgewählt. Bushs treuer Vasall Berlusconi musste trotz seiner Ankündigung, die italienischen Truppen zurück zu ziehen, aus dem Amt weichen. Der „Pudel“ Blair erlebt seine Götterdämmerung.

Bushs Stützen aus dem „alten Europa“ (Rumsfeld) sind weggebrochen. Daher jetzt sein Werben um Angela Merkel, die sich schon als Oppositionsführerin im Jahre 2002 hinter Bushs damalige „Drohkulisse“ gegen den Irak gestellt hat. Auch deshalb sieht Bush auf seinem neuen Konfrontationskurs gegen den Iran in Merkel einen neuen „partner in leadership“: „Deutschland spielt im Krieg gegen den Terror eine entscheidende Rolle.“

Bush sagt selbst, er sehe seine Aufgabe darin, „unsere Partner in ihrer Entschlossenheit zu bekräftigen. Das ist bei Ihrer Bundeskanzlerin einfach: Sie ist fest entschlossen.“ (Quelle: bild.de)

Und Merkel passt sich in diese Aufgabe Bushs vollständig ein und sagte bei ihrem Besuch in Washington nahezu wortidentisch „dass die Entschlossenheit der internationalen Gemeinschaft mit Geschlossenheit gezeigt werden muss“ (Merkel, Quelle: welt.de).

Mehr Einklang kann es gar nicht geben.

Aber: Das ist bislang nur ein Einklang zwischen Bush und Merkel. Bush weiß inzwischen, „dass die Deutschen Krieg verabscheuen.“

Zwar haben die Deutschen inzwischen erfahren müssen, dass auch die Regierung Schröder – wie Bush mit entwaffnender Offenheit eingesteht – „im Krieg gegen den Terror eine entscheidende Rolle“ spielte. „Wir pflegen mit Deutschland – ganz gleich ob unter dieser oder der vorigen Regierung – eine enge Zusammenarbeit und einen intensiven Austausch zwischen unseren Nachrichtendiensten und unserer Polizei.“

“Wichtig ist der Wille Deutschlands“ und da hat Bush jetzt in Angela Merke eine „Willige“ gefunden.

Jetzt gilt es „nur“ noch, die Deutschen von seinen hehren Zielen zu überzeugen, „den Gedanken der Freiheit (zu) verbreiten“ (Quelle: bild.de).

Deshalb seine „Charmeoffensive“, deshalb seine für die Verhältnisse des amerikanischen Präsidenten ungewöhnlichen Interviews mit drei der meinungsprägendsten Medien BamS, BILD und Christiansen, von denen er sicher sein konnte, dass dort keine kritische Frage zu erwarten war.

Gerade zu helotenhaft, werfen sich BILD-Cheredakteur und BamS-Herausgeber Kai Diekmann und Sabine Christiansen „dem mächtigsten Mann der Welt“ zu Füßen.

Unter der Schlagzeile „Dieses Büro ist der Schrein der Demokratie“, lässt sich der nicht nur im Haar gelackte Diekman im „Oval Office“ ablichten.

Dieses Bild ist angesichts von Guantanamo, von Geiselverschleppung, von einer neuen Verfolgungshysterie Andersdenkender durch den sog. Patriot Act schon unfreiwillig komisch. Ob Bush und Diekmann überhaupt wissen, was ein „Schrein“ ist? Ist Schrein nicht ein Gefäß oder ein geschmückter Sarg, in dem Reliquien, etwa die Knochen von Heiligen oder sonstige als heilig verehrte Gegenstände aufbewahrt und angebetet werden? Was ist also „der Schrein der Demokratie“? Ein Sarg oder eine Archivtruhe, in dem eine längst verstorbene Demokratie ruht, die die vorbeiziehenden Pilger nur noch als ehrwürdiges Relikt anrufen können? Könnte man sich über die Blödheit dieser Balkenüberschrift noch lustig machen, so sind die dicken Lettern auf Seite 3 der BILD nur noch geschmacklos. Am 8. Mai, dem Jahrestag der Beendigung des Zweiten Weltkrieges in Europa und des Endes der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, nimmt Bild Bushs „Ruf zu den Waffen“ als Schlagzeile.

Im 61. Jahr nach Kriegsende sind wir also wieder so weit, dass man ohne daran Anstand zu nehmen Bush sagen lässt: Der 11. September: „Das war ein Ruf zu den Waffen! Es war für Amerika die erste Schlacht im Krieg des 21. Jahrhunderts.“ Wir befinden uns also „im Krieg des 21. Jahrhunderts“ und der ersten Schlacht folgen bekanntermaßen weitere. Auf einen Widerspruch oder eine auch nur nachdenkliche Anmerkung zu solchen und ähnlichen Sätzen über „den Krieg gegen den Terror“ wartete man sowohl bei Diekmann als auch bei Christiansen, aber auch bei Angela Merkel vergeblich.
Es geht ja offenbar vor allem, darum Stimmung bei den Deutschen für Bush und dessen „Kriegs“- Politik zu machen. Wie könnte man aber ein Volk von dem Bush „langsam erkannt (hat), dass es in der Natur der deutschen Bevölkerung ist, dass sie Krieg verabscheut“ davon überzeugen, dass der Krieg des 21.Jahrhunderts geführt werden muss?

Dazu könnte eine geradezu perfide Logik beitragen, über die der Leiter des Außenressorts der Süddeutschen Zeitung sicher nicht ohne deutliche Hinweise räsoniert: Es ist die „besondere Verantwortung Deutschlands gegenüber Israel.“

Bush spricht diese Logik in seinem Interview in der BamS unumwunden an:

Wenn Ahmadinedschad sagt, „er will Israel zerstören, dann muss die Welt dies sehr ernst nehmen. Das ist eine ernsthafte Bedrohung, die sich gegen einen Verbündeten der USA und Deutschlands richtet.“

Es ist so, als griffe Bush Merkels Rede vor dem American Jewish Committee auf. Sie hatte dort gesagt: Es sei «unerträglich und nicht hinnehmbar», dass der iranische Präsident das Existenzrecht Israels in Frage stelle. Die Kanzlerin bezeichnete dabei die Verantwortung für Israel als «unverrückbare Konstante» der deutschen Außenpolitik (Quelle: netzeitung.de). Schon in seiner Erwiderung griff Bush die Aussagen Merkels auf und würdigte sie im Zusammenhang mit einer Bedrohung Israels durch eine möglich Atombombe unter dem tosenden Applaus des Publikums als eine „starke Verbündete“.

„Wer das große Wort zugunsten Israels führt, muss sich auch an seinen Taten messen lassen“, resümiert die Süddeutsche Zeitung.
Wenn Bush sagt, „alle Optionen müssen auf dem Tisch liegen“, dann hat er die Deutschen, jedenfalls aber ihre Regierung wenige Tage nach den 61. Jahrestagen zur Befreiung der Konzentrationslager in tragischer Weise bei einer „zweiten Schlacht“ gegen den Iran an ihrer „historischen Verantwortung“ gepackt und in seine „Strategie“ verstrickt. Welche Partei und welche ernstzunehmende politische Kraft, welche moralische Stimme in Deutschland könnte sich dieser „Verantwortung“ dann noch entziehen?

Irans Präsident tut mit der Infragestellung des Holocausts und seinen Äußerungen, Israel solle “von der Landkarte getilgt werden”, das Seine dazu, damit sich die Bundesregierung an die Seite Bushs schlagen kann, der in diese weitere Schlacht vielleicht sogar den Staat Israel selbst ziehen lässt.

Da könnte es bald keine Rolle mehr spielen, ob das Bedrohungsszenario mit einer iranischen Atombombe genauso getürkt ist, wie die angeblichen Massenvernichtungswaffen Saddams.

Wenn bei Frage der Atomanreicherung durch den Iran keine diplomatische Lösung gefunden wird, ist Merkel Bush in die Falle gelaufen. Und das Schlimme für die Deutschen ist, die Kanzlerin will es so, weil sie schon von Anfang auf der Seite Bushs und dessen Präventivkriegsstrategie gestanden ist. Die behauptete Bedrohung Israels durch den Iran – die durch den geografisch viel näher liegenden Irak mit seinen vor drei Jahren angeblich vorhandenen Raketen und Massenvernichtungswaffen allerdings eine viel größere war – kommt da als Begründung gerade recht.

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