Die Macht der „Krake“ Bertelsmann als Beratungsinstitution und politischer Einflussfaktor wird regelmäßig unterschätzt – sie reicht in fast alle gesellschaftliche Bereiche und alle staatliche Ebenen

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

Wir haben schon erwähnt, dass in einschlägigen Texten der Machtfaktor Bertelsmann nicht oder ungenügend vorkommt.
Bertelsmann, meist deklariert als Bertelsmann Stiftung, nimmt als Beratungseinrichtung und als politischer Machtfaktor wesentlichen Einfluss auf politische Konzeptionen und ihre Umsetzung. Bertelsmann ist ein demokratisch nicht legitimierter politischer Machtfaktor. So war die Bertelsmann Stiftung zum Beispiel schon in der Benchmarking Gruppe des Bündnisses für Arbeit im Frühstadium der Regierung Schröder an der Vorbereitung der späteren Hartz-Reformen beteiligt.
Glücklicherweise haben die NachDenkSeiten aufmerksame Nutzer, die uns immer wieder Hinweise auf das Wirken von Bertelsmann geben. Drei Beispiele werden hier im Folgenden wiedergegeben. Ich verbinde diese kurz Dokumentation mit der Anregung, uns ähnliche Fälle der Einflussnahme von Bertelsmann zu nennen. Wir würden diese dann gelegentlich gesammelt dokumentieren. Allerdings übernehmen wir nur solche Hinweise, die mit Links oder in anderer Form ausreichend belegt sind.

Wir geben im Folgenden drei E-Mails von Nutzern der NachDenkSeiten, die Bertelsmann betreffen, im Original wieder:

1. Betreff: Einflussnahme der Bertelsmann-Stiftung vom 29.5.2006

Liebe Redaktion der Nachdenkseiten,

bei einigen Recherchen im Zusammenhang mit den Aktivitäten der Bertelsmann-Stiftung ist mir wieder einmal deutlich geworden, wie tiefgreifend inzwischen die Einflussnahme der Stiftung auf Entscheidungen von Regierungen und Parlamenten in unserem Land geworden ist, von Einwirkungen auf Kommunen, Schulen und viele andere Lebensbereiche ganz zu schweigen. Jüngstes Beispiel Schleswig Holstein:
am 17. Mai hat Dr. Johannes Meier, Mitglied des Vorstandes der Bertelsmann-Stiftung in einem Interview mit den Kieler Nachrichten über Haushaltsrisiken, die Tücken des Rotstiftes und moderne Politikberatung gesprochen, auf ein von der Bertelsmann-Stiftung in Auftrag gegebenes Gutachten zur Finanzlage des Landes hingewiesen und dabei u.a. ausgeführt:

Politik ist souverän in der Entscheidung, aber eine neutrale Instanz kann dabei helfen, Licht ins Dunkel zu bringen, insbesondere wenn es um langfristige Entwicklungen geht. Mit dem vorliegenden Finanzgutachten machen wir der Politik in Schleswig-Holstein das Angebot, sich im Zeichen des demographischen Wandels über mittel- und langfristige haushaltspolitischen Entwicklungen des Landes zu informieren. Eine solche Beratung dient der Politik wie auch den Bürgern des Landes. Die Konsequenzen ziehen und umsetzen muss die große Koalition in Kiel.


Quelle: www.bertelsmann-stiftung.de

Am 18. Mai gab es eine Pressemeldung der Bertelsmann-Stiftung zur finanzpolitischen Lage Schleswig-Holsteins.
Quelle: www.bertelsmann-stiftung.de

Bereits am 24. Mai hat die Schleswig-holsteinische Landesregierung “Konsequenzen gezogen” und genau das Sparprogramm mit einem Sparvolumen von 600 Millionen € beschlossen, das von der Bertelsmann-Stiftung vorgeschlagen wurde. Der NDR hat darüber berichtet.
Quelle: NDR

Vielleicht können Sie diese Hinweise in den Nachdenkseiten berücksichtigen.

Mit freundlichen Grüßen
D. D.

2. Betreff: Zur Gründung der Deutschen Gesellschaft für Informationsfreiheit vom 2.6.2006

Hallo,
gestern hab ich im Heise News-Ticker die folgende Schlagzeile gefunden: “Deutsche Gesellschaft für Informationsfreiheit gegründet”.

Ich dachte mir, das klingt doch gut, und habe den Artikel gelesen. Aber gegen Ende des Ersten Absatzes wurde mir etwas anders, als ich lesen musste: “Zu den bekennenden “Förderern und Freunden” der Informationsfreiheit, die sich in der Gesellschaft zusammengeschlossen haben, zählen zudem etwa der Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, Peter Schaar, Christoph Bruch von der Humanistischen Union, mehrere Fraktionsreferenten sowie zwei Mitarbeiter der Bertelsmann-Stiftung.”

“Wie bitte? – Die Bertelsmannstiftung!? – Was soll da denn für eine Informationsfreiheit bei heraus kommen??” – Waren meine spontanen Gedanken. “Wahrscheinlich solche, die die “NeoCons” in besseres Licht rücken…” ging der Gedankengang weiter. Und wenn die Bertelsmänner und -frauen irgendwo mitmischen, dann auch richtig, wie man später lesen kann: “Zum ersten Vorsitzenden wählten die Vereinsgründer Sven Berger, … Zu seiner Stellvertreterin wurde Caroline Welzel von der Bertelsmann-Stiftung gekürt.” Ja Bravo! – Mal Abwarten, was daraus wird. Wahrscheinlich hat dieser Kommentator hier Recht, den ich jetzt nicht zitiere, weil der Beitrag im Heise-Forum etwas länger ist.

Mit freundlichen Grüssen,
J.G.P.

3. Betreff: Bertelsmann und das Bundesarbeitsgericht vom 29.5.2006

… steuert die vom Unternehmen Bertelsmann natürlich völlig unabhängige, gleichnamige Stiftung in nahezu allen Bereichen von Gesellschaft und Politik den öffentlichen Diskurs. Stets völlig uneigennützig …

Guten Tag,

das möchte ich ein wenig illustrieren:

Vor einigen Tagen nahm ich mit einer Gruppe von Betriebsräten an einem Seminar in Erfurt teil. Wir besuchten einen Verhandlungsvormittag des Bundesarbeitsgerichtes und hatten anschließend Gelegenheit zur Diskussion mit einem der Richter. Dabei kam die Frage auf, inwieweit das BAG Einflussnahmen unterliege. Lächelnd wurde uns erklärt, die höchsten deutschen Richter auf dem Gebiet des Arbeitsrechts seien natürlich völlig unabhängig, obwohl es immer wieder Versuche gebe, daran zu rütteln. Natürlich nehme man aber noch nicht einmal Einladungen zum Abendessen an.

Sehr interessant hingegen und der Weiterentwicklung der Rechtsprechung förderlich sei aber z.B. ein Symposium gewesen, veranstaltet von der Bertelsmann-Stiftung, zum Themenkreis Weiterentwicklung/Reform des Arbeitsrechts.

Für Sie ist das sicher nichts Neues, ich aber war überrascht in der Praxis tatsächlich von den handelnden Personen die Naivität/Dreistigkeit vorgeführt zu bekommen, mit der diese Dinge betrachtet und abgehandelt werden.

Mit freundlichen Grüßen und Dank für Ihre Arbeit
H.-J. P.

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