Hinweise des Tages

Jens Berger
Ein Artikel von:

Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “Mehr” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (MB/WL/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Altkanzler Schröder warnt Sozialdemokraten vor Hollande
  2. Fiskalpakt trifft auch Städte und Gemeinden
  3. Deutschland: reale Einzelhandelsumsätze mit -3,8%
  4. Mindestlohn ade
  5. Niedriglohnbranchen und Hochlohnbranchen: Enorme Lohnunterschiede
  6. Arbeitszeiten von Frauen und Männern deutlich auseinandergedriftet
  7. Paul Krugman: Langfristig sind wir alle tot
  8. „Es gibt eine enorme Anti-Merkel-Stimmung“
  9. Geschäfte im Schatten
  10. Ausplaudern erwünscht
  11. Wir brauchen eine möglichst breite Einbeziehung der Partei
  12. Ich habe gezeigt, dass ich integrieren kann
  13. Summa cum gaudi?
  14. Am Medienpranger
  15. Links auf Youtube-Videos können 1000 Euro kosten
  16. Die Radioretter: Ohne Rücksicht auf Verluste: Programmausschuss und Rundfunkrat unterstützen Programmabbau
  17. Rezension: Dilettantismus oder Komplizenschaft? und “Das kleine Lexikon der ökonomischen Sprachtäuschung”

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Altkanzler Schröder warnt Sozialdemokraten vor Hollande
    Der ehemalige Kanzler Schröder sieht das Programm des französischen Präsidenten Hollande mit großer Skepsis. Er rät der SPD, die Ideen des Franzosen nicht aufzugreifen.
    Quelle: Zeit

    Anmerkung unseres Lesers S.P.: Da formieren sich ja genau die Richtigen und es ist bezeichnend, was die Herren am meisten stört: die Absicht Herrn Hollandes, Einkommen über 1 Mio. Euro mit einem Spitzensteuersatz von 75% zu belegen. Armseliger geht es nicht…

    Anmerkung unseres Lesers A.S.: Irgendwie klingt dies wie ein Adelsschlag für Hollande. Wenn er diese Art von Feinden hat, kann er nicht viel falsch gemacht haben.

    Ergänzende Anmerkung MB: Rückblickend muss es ja besonders die Agenda-Politik Schröders gewesen sein, welche die SPD so erfolgreich machte – zum Verlust der Kanzlerschaft, Verlust der Regierungsbeteiligung und mit Glück zum Juniorpartner der Bundeskanzlerin Merkel.

  2. Fiskalpakt trifft auch Städte und Gemeinden
    Ab 2014 darf das gesamtstaatliche Defizit nur noch rund 13 Milliarden Euro betragen. Kommunen wären ebenso betroffen wie Bund und Länder, denn der Fiskalpakt unterscheidet nicht zwischen den staatlichen Ebenen. Der deutsche Städte- und Gemeindebund fürchtet um die Handlungsfähigkeit der öffentlichen Hand.
    Der Fiskalpakt trifft Deutschland härter als gedacht! Bisher ließ die Bundesregierung es so aussehen, als sei Deutschland von dem neuen Spar-Pakt nicht betroffen. Schließlich schreibe der Fiskalpakt vor allem die Einführung einer Schuldenbremse vor, die ja in Deutschland schon im Grundgesetz verankert sei. Wenn nur andere Staaten unter den Folgen des neuen Spardiktats leiden – so das Kalkül der Bundesregierung – dann muss es auch den Oppositionsparteien leichter fallen, dem Pakt im Bundestag zuzustimmen. Jetzt stellt sich raus: Alles Irreführung! Tatsächlich wird der Fiskalpakt auch deutsche Städte und Gemeinden angreifen.
    Der Hintergrund: Die deutsche Schuldenbremse schreibt zwar dem Bund und den Bundesländern vor, die öffentlichen Haushalte zu konsolidieren, nicht aber den Kommunen. Der Fiskalpakt differenziert hingegen nicht zwischen den staatlichen Ebenen. Er schreibt lediglich vor, dass der „gesamtstaatliche Haushalt“ – also Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherungen zusammengerechnet – ein maximales Defizit von 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) aufweisen darf. Das heißt: Wenn die Bundesregierung neue Schulden in Höhe von 0,35 Prozent des BIP aufnehmen will, wie es ihr die deutsche Schuldenbremse auch künftig erlaubt, dann bleiben nur noch 0,15 Prozent des BIP an möglicher Neuverschuldung für Länder, Kommunen und Sozialversicherungen übrig.



    Quelle: DGB klartext

  3. Deutschland: reale Einzelhandelsumsätze mit -3,8%
    Wie heute Morgen das Statistische Bundesamtes (Destatis) berichtete sind die deutschen Einzelhandelsumsätze für den Monat April 2012 schwach ausgefallen, von einem XXL-Konsumboom ist weiter nichts in Sicht. Die nominalen Einzelhandelsumsätze sanken um -2,0% und die realen Umsätze um -3,8% zum Vorjahresmonat. Allerdings hatte der April 2012 mit 23 Verkaufstagen einen Verkaufstag weniger als der Vorjahresmonat. Berücksichtigt man also auch die Saison- und Kalendereffekte (Census X-12-ARIMA Verfahren) ging es im Vergleich zum Vormonat nominal um +0,7% aufwärts und real um +0,6% zum Vormonat. Weiterhin dokumentieren aber diese Daten für Deutschland eindeutig die langanhaltende Konsumschwäche der privaten Haushalte, denn immer noch liegen die saisonbereinigten und realen Einzelhandelsumsätze um -1,0% unter dem Niveau von 2000 und um -1,2% unter dem Jahr 1994, dem Beginn der langen Datenreihe!
    Quelle: Querschüsse

    Anmerkung unseres Lesers G.K.: Im Zeitraum Januar bis April 2012 ist der reale Einzelhandelsumsatz gegenüber dem entsprechenden Vorjahreszeitraum gerade einmal um 0,8 Prozent angestiegen. Auch hier die Anmerkung: Ein „XXL-Konsumboom“ sieht anders aus! Die Frankfurter Rundschau titelt wegen des realen Anstiegs des Einzelhandelsumsatzes zum Vormonat um 0,6 Prozent schönfärberisch: „Die Deutschen kaufen wieder mehr ein“. Die FR verweist auf die „zurückgehende Arbeitslosigkeit“ und auf die „höheren Tarifabschlüsse“ als Stützen des Einzelhandelsumsatzes. Fragen zum Wahrheitsgehalt der offiziellen Arbeitslosendaten und zur Qualität der Arbeitsplätze bleiben außen vor, ebenso der Hinweis aus dem heutigen Handelsblatt, daß der „deutsche Jobmotor zu stottern beginnt“. Der permanente Verweis unserer Medien auf die „hohen Tarifabschlüsse“ kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß die durchschnittlichen Löhne und Gehälter der Arbeitnehmer im laufenden Jahr nur knapp obehalb der Inflationsrate liegen werden (so die Financial Times Deutschland in einem kürzlich erschienenen Beitrag). Nach dem bereits seit Monaten rückläufigen deutschen Einkaufsmanagerindex ist im Mai nun auch der ifo-Index stark eingebrochen. Diese Art von Information passt jedoch nicht in das von der Politik und zahlreichen Mainstreammedien verbreitete Stimmungsbild und wird daher eher kleingeschrieben. Zahlreiche Medien möchten durch das Instrumentalisieren der „boomenden“ deutschen Wirtchaft und durch den ständigen Verweis auf das angebliche „Jobwunder“ die neoliberalen deutschen „Strukturreformen“ gegenüber der deutschen und europäischen Bevölkerung als „alternativlos“ erscheinen lassen.

  4. Mindestlohn ade
    Geringverdiener im Einzelhandel müssen ihre Hoffnung aufgeben, bald besser bezahlt zu werden: Die Einführung eines Mindestlohns in der Branche ist vorerst gescheitert. Nach wie müssen viele Arbeitnehmer im Einzelhandel mit einem Stundenlohn unter sieben Euro auskommen.
    Quelle: Frankfurter Rundschau
  5. Niedriglohnbranchen und Hochlohnbranchen: Enorme Lohnunterschiede

    Kurz gefasst:

    • Die Analyse von Niedriglöhnen in Deutschland, ihrer Struktur und Entwicklung, macht deutlich, dass sich niedrige Stundenentgelte auf bestimmte Branchen konzentrieren: Niedriglöhne finden sich vor allem in Niedriglohnbranchen. In diesen Niedriglohnbranchen befindet sich das gesamte Entgeltgefüge auf einem unteren Niveau. Insgesamt wird nur sehr wenig verdient, dies gilt nicht nur für Beschäftigte mit fehlender oder niedriger Qualifikation, sondern auch für Beschäftigte mit einem beruflichen Abschluss und einer anspruchsvollen Tätigkeit.
    • Das Gastgewerbe und der Handel zählen eindeutig zu den Niedriglohnbranchen. Im Gastgewerbe wird über alle Tätigkeiten und Qualifikationen hinweg im Schnitt gerade einmal ein Stundenlohn von 10,91€ erzielt, im Handel sind es 17,25€.
    • Demgegenüber fallen die höchsten durchschnittlichen Bruttostundenlöhne mit 20,11€ im (stark exportorientierten) produzierenden Gewerbe an. Die Werte variieren hier zwischen 16,39€ im Baugewerbe und 25,98€ in der Energieversorgung. Damit liegt das Entgeltniveau in der Energieversorgung um fast 140 % höher als im Gastgewerbe.
    • Im Bereich der nicht-marktbestimmten Dienstleistungen liegen die Branchenstundenlöhne mit 17,89€ im Gesundheits- und Sozialwesen sowie 21,67€ im Bereich von Erziehung und Unterricht deutlich enger bei einander.
    • Diese enorme Spannweite der Verdienste lässt sich nicht allein durch unterschiedliche Anforderungen der Tätigkeiten und das Qualifikationsniveau der Beschäftigten erklären. Hinzu kommt, dass in den Niedriglohnbranchen überwiegend Frauen beschäftigt sind (geschlechtertypische Bewertung der Arbeit) und Teilzeitarbeit sowie geringfügige Beschäftigung eine hohe Bedeutung haben.
    • Einen weiteren Teil zur Erklärung der Diskrepanzen tragen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und institutionellen Gegebenheiten der einzelnen Branchen bei. In diesen Branchen herrschen kleinbetriebliche Strukturen vor und die gewerkschaftlichen und betrieblichen Interessenvertretungen (Betriebsräte) sind nur schwach entwickelt.

    Quelle: Sozialpolitik aktuell in Deutschland [PDF – 135 KB]

    Anmerkung WL: Auf Sozialpolitik aktuell finden Sie viele neue interessante Dokumente, Grafiken und Statistiken.

  6. Arbeitszeiten von Frauen und Männern deutlich auseinandergedriftet
    Die Arbeitszeiten in Deutschland haben sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten deutlich polarisiert. Einerseits haben im Vergleich zum Anfang der 1990er Jahre lange Arbeitszeiten jenseits von 41 Wochenstunden zugenommen, andererseits sind sehr kurze Arbeitszeiten unter 15 Stunden weiter verbreitet. Da von sehr langen Arbeitszeiten vor allem Männer, von sehr kurzen ganz überwiegend Frauen betroffen sind, hat diese Entwicklung dazu beigetragen, dass die Arbeitszeit-Schere zwischen den Geschlechtern weiter aufgegangen ist: 2010, so die aktuellsten vorliegenden Daten, arbeiteten weibliche Erwerbstätige im Durchschnitt 30,6 Stunden pro Woche – 9,5 Stunden weniger als männliche Erwerbstätige. 1991 hatte der Unterschied noch weniger als sieben Stunden betragen. Im gleichen Zeitraum stieg die Quote der Frauen mit sehr kurzen Teilzeitjobs von 5,8 auf 13,9 Prozent (Männer: 0,7 auf 3,8 Prozent). Das zeigt eine Auswertung im neuen WSI GenderDatenPortal des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung (siehe auch Links unten).
    “Heute sind deutlich mehr Frauen erwerbstätig als vor 20 Jahren. Viele arbeiten aber Teilzeit, und davon haben etliche nur Jobs, die schon wegen der kurzen Arbeitszeiten nicht für eine eigenständige Existenzsicherung ausreichen”, erklärt Dr. Christina Klenner, Genderforscherin am WSI. Zwar hätten sich die Arbeitszeiten zwischen Männern und Frauen in den vergangenen Jahren wieder geringfügig angenähert. “Aber die Differenz ist nach wie vor sehr groß. Die längerfristigen Trends unterstreichen, dass Deutschland sowohl bei der Gleichberechtigung auf dem Arbeitsmarkt als auch bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie noch großen Nachholbedarf hat”, sagt Klenner.
    Quelle 1: WSI Gender Daten Portal
    Quelle 2: Starker Anstieg von kurzer Teilzeit bei Frauen
    Quelle 3: Merh Teilzeit – aber kürzere durchschnittliche Arbeitszeiten
  7. Paul Krugman: Langfristig sind wir alle tot
    Ökonomen machen es sich zu leicht. Das Gerede über strukturelle Probleme am Arbeitsmarkt ist meist nur eine Ausrede, um nichts gegen die Arbeitslosigkeit zu tun.
    Quelle: Frankfurter Rundschau
  8. „Es gibt eine enorme Anti-Merkel-Stimmung“
    „Wut im Bauch“, „krasse Erpressung“, „riesige Lüge“ – vor der Abstimmung der Iren über den Fiskalpakt findet der irische EU-Parlamentarier Paul Murphy deutliche Worte. Vor allem mit Deutschland geht er hart ins Gericht
    Quelle: Handelsblatt

    Anmerkung unseres Lesers G.K.: Wahrscheinlich wird die irische Bevölkerung wegen der Notwendigkeit weiterer Hilfen aus dem Rettungsfond ESM trotz erheblicher Wut im Bauch dem „Fiskalpakt“ zustimmen, wohl wissend, daß diese „Hilfen“ nicht den irischen Bürgerinnen und Bürgern sondern dem Bankensystem zu Gute kommen. Unsere rechtskonservativen und neoliberalen Ideologen in Politik, Medien und „Wissenschaft“ hatten über viele Jahre hinweg der hiesigen Bevölkerung Irland als neoliberales „Musterland“ mit Penetranz unter die Nase gerieben. Daran möchten unsere arroganten, selbstgerechten und besserwissserischen Ideologen heute allerdings nicht mehr erinnert werden.

  9. Geschäfte im Schatten
    Findige Spekulanten haben außerhalb jeder Finanzkontrolle Billionen im sogenannten Schattenbanken-System angelegt.
    Quelle: ZDF-Mediathek
  10. Ausplaudern erwünscht
    Gammelfleischskandale und Mängel in der Altenpflege: Solche Missstände in Unternehmen haben in der Vergangenheit Arbeitnehmer aufgedeckt. Doch wie weit dürfen sie dabei gehen?
    Quelle: Frankfurter Allgemeine

    Anmerkung MB: In einer aktuellen Entscheidung des Landesarbeitsgerichtes wurde ein spektakulärer Fall von 2006 (!!!) endlich beendet. Glückwunsch. Die Whistleblowerin bekommt die fristlose Kündigung revidiert und erhält eine Abfindung im hohen fünfstelligen Bereich, welche sie bestimmt als Vermögen auf Entgeltersatzleistungen aller Art angerechnet bekommt. Dafür hat sie einen Jahre langen Kampf um ihren Arbeitsplatz hinter sich, ist wahrscheinlich mit den Nerven fertig und steht vermutlich auf einer schwarzen Liste der Altenpflegebranche. Das kommt dabei heraus, wenn die Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber einen höheren Stellenwert bei deutschen Arbeitsgerichten hat als die Aufdeckung von Menschenrechtsverletzungen im Altenpflegeheim und/oder anderen Missständen.

  11. Wir brauchen eine möglichst breite Einbeziehung der Partei
    Im Gespräch: Hilde Mattheis, Vorsitzende des Forums „DL 21 – Die Linke in der SPD“, Bundestagsabgeordnete, Mitglied im SPD-Parteivorstand, über den Fiskalpakt, Alternativen und die Diskussion darüber in der SPD
    Quelle: Wirtschaft und Gesellschaft
  12. Ich habe gezeigt, dass ich integrieren kann
    Dietmar Bartsch ist stellvertretender Fraktionsvorsitzender der LINKEN im Bundestag. Der 54-jährige Stralsunder hatte im November vergangenen Jahres erklärt, für den Parteivorsitz kandidieren zu wollen.
    Quelle: Neues Deutschland

    Anmerkung unsere Lesers Martin Lesch (ver.di-Sekretär a.D.): Der BundesprecherInnenrat der PDS-AG Betrieb & Gewerkschaft, dessen Mitglied ich damals war, hatte im Mai 2002 mehrfach vergeblich versucht, Bartsch zur Korrektur seines Vorpreschens i.S. Arbeitsmarktflexibilisierung zu bewegen. Er hüllte sich in vornehm-distanziertes Schweigen. Auch die damals vom BundesprecherInnenrat der PDS-AG Betrieb & Gewerkschaft um Intervention gebetenen Parteigrößen Gysi und Bisky konnten oder wollten ihn damals nicht zur Korrektur seiner neoliberalen Eskapade bewegen.

  13. Summa cum gaudi?
    Studierende seien selbstbezogene Wassertrinker, ärgerte sich Christiane Florin in der „Zeit“. Bullshit! Eine Replik
    […] Wir versuchen den Stoff für eine der zehn Klausuren zum Semesterabschluss zu notieren und denken dabei schon an das nächste Referat. Nebenbei arbeiten wir, um Berufserfahrungen zu sammeln und unseren Eltern finanziell nicht zu sehr zur Last zu fallen, und versuchen die Regelstudienzeit einzuhalten. Den Bachelor gibt es nicht für kritisches Diskutieren, sondern für 180 Leistungspunkte. Das waren in meinem Studium 48 Scheine. Wie viele davon hat die 68er Generation gemacht? […]
    Diese Form politischer Macht, die Frau Florin noch immer an Gewerkschaften und das Amt von Kanzlern und Ministern bindet, hat tatsächlich nicht mehr viel mit unserer Lebenswirklichkeit zu tun. Im Netz dagegen kann jeder zum Gestalter werden, schneller und direkter als alle vier Jahre mit einem Kreuzchen für Menschen, die sich derselben Codewörter in blau, grün und rot bedienen und an deren immergleichen Singsang uns langsam das Interesse verloren geht. Diese Form der Repräsentation, sie fühlt sich nicht mehr echt an. Unsere Generation, die durch die Teilhabe im Internet gesellschaftliche und politische Autoritäten nicht mehr als gegeben hinnimmt, ist durchaus aktiv und gestaltet in mächtigen Netzwerken die Gesellschaftsformen aktiv mit. Auch ohne Politikwissenschaftlerin zu sein, scheint mir das eine große Chance zu sein, Demokratie und Politik neu zu denken.
    Quelle: Der Freitag

    Anmerkung JB: Die Autorin Juliane Löffler spricht viele richtige und wichtige Argumente an, flüchtet sich jedoch in ihrer Replik leider auch in beliebte Phrasen, die einer näheren Überprüfung so nicht standhalten. Die zweifelsohne schlechten Studienbedingungen und die Entwicklung, sich mehr und mehr ökonomischen Zwängen zu unterwerfen, sind zwar Gründe aber noch lange keine Entschuldigung für die fortschreitende Entpolitisierung einer ganzen Generation. Die von Löffler beobachte Transformation des politischen Diskurses von der Strasse ins Netz findet auch nur in bescheidenem Umfang statt. Mir sind zumindest nur sehr wenige Studenten bekannt, die beispielsweise politische Blogs betreiben oder sich auf Facebook Gedanken zu politischen Themen abseits der Freiheit des Netzes und der Urheberrechtsdiskussion machen. Ausnahmen bestätigen die Regel. Auch wir von den NachDenkSeiten stehen diesem Problem weitestgehend ratlos gegenüber.

  14. Am Medienpranger
    Warum wirken die Medien in ihrem Urteil oft so konformistisch? Lassen sich Journalisten und Politiker von der Macht des Internets treiben? Sind die Piraten gut oder schlecht? Und welche Verantwortung trägt die Generation “Babyboomer”, zu der auch Frank Schirrmacher und Giovanni di Lorenzo gehören? Ihr Gespräch moderiert Katrin Göring-Eckardt […]
    Schirrmacher: […] Die Menschen haben seit den Finanzkrisen gelernt, dass es keine Kompetenz gibt, die wir noch ohne Weiteres anerkennen können. Das ist auch ein Produkt von Frau Merkel, die in einer Mediengesellschaft durch Schweigen regiert. Die Erfahrung, dass zweimal die Weltfinanzsysteme fast zusammenbrechen – von Fukushima ganz zu schweigen! – und selbst Eingeweihte sagen, sie wissen nicht, was wirklich passiert, schürt das Misstrauen einer Gesellschaft gegenüber Kompetenz. […]
    Schirrmacher: Wir müssen erkennen, dass der sogenannte Empfänger ein Medium geworden ist, das selbst senden kann. Ein Blog kann genauso wichtig sein wie ein Leitartikel in der FAZ oder ein Spiegel-Artikel. Wir alle begreifen erst allmählich die Wirkung dieser Technologie auf unsere Gesellschaft. Die Adaption des Menschen an diese Technologien kostet viele Opfer. Die unabhängigen, privat finanzierten Medien, auch die Buchhandlungen und Verlage, stehen in einem darwinistischen Überlebenskampf. Das Phänomen der Internetökonomie ist ja dieses Matthäus-Prinzip: Wer hat, dem wird gegeben. Ganz wenige werden ganz groß, und viele Kleine, das ist meine größte Sorge, werden verschwinden. Denn die Finanzierbarkeit ist ja immer noch unklar. Im schlimmsten Fall sind Blog und Zeitung nichts anderes als die Galeerensklaven gigantischer Aggregatoren.
    Quelle: ZEIT

    Anmerkung JB: Auch wenn man den Herren di Lorenzo und Schirrmacher sicher nicht in allem Punkten zustimmen muss, bietet dieses Gespräch viele interessante Gedanken und Anhaltspunkte.

  15. Links auf Youtube-Videos können 1000 Euro kosten
    Ein Urteil des Hamburger Landgerichts eröffnet Abmahnkanzleien ganz neue Möglichkeiten. Deutsche Blogger sammeln innerhalb von 48 Stunden einen fünfstelligen Betrag für das Berufungsverfahren.
    Quelle: Welt

    Anmerkung MB: Die Besonderheit in diesem betreffenden Fall ist die Klage eines im Fernsehbeitrag kritisierten Arzt. Die Fernsehmacher dürften trotz aller Kopiererei und Urheberrechtsverletzungen im Einzelfall eher nicht so viel dagegen haben, dass ihre Reportagen bei YouTube länger zu sehen sind als auf der Internetseite des eigenen Senders.

    Ergänzende Anmerkung JB: Dank einer spontanen Spendenaktion des Bloggers Fefe hat Markus Kompa das Geld zusammen, um Berufung gegen das Urteil einzulegen und nach Karlsruhe zu gehen.

  16. Die Radioretter: Ohne Rücksicht auf Verluste: Programmausschuss und Rundfunkrat unterstützen Programmabbau
    Der Rundfunkrat des WDR hat gestern, am 30. Mai, beschlossen, dem weiteren Programmabbau im Kulturprogramm von WDR 3 in allen entscheidenden Punkten zuzustimmen. Er entschied sich damit gegen das Plädoyer der WDR3-Radiomacher und Autoren, gegen das Votum von annähernd 19.000 Hörern, gegen tausende Kulturschaffende, gegen die Stimmen von ver.di, der Redakteursvertretung, des Feuilletons.
    Wir verweisen auf unsere Stellungnahme zu den Empfehlungen des Programmausschusses vom 25. Mai, denen der Rundfunkrat ohne Einschränkung folgte. Dieser Stellungnahme (1) ist nichts hinzuzufügen. Sie gibt einen genauen Überblick über die Verödungen des Programms, die nun bevorstehen.
    Haben die „Radioretter“, hat die öffentliche Opposition mit dieser Entscheidung des Rundfunkrats eine Niederlage erlitten? Zweifellos, wenn man sein Urteil von den Beschlüssen eines solchen Gremiums abhängig macht. Wie verlogen sie sind, stellen die Erklärungen unter Beweis, mit denen man sie jetzt öffentlich „verkaufen“ will. Kein Wort enthalten sie über tatsächliche Streichungen, Kürzungen und Einebnungen. Stattdessen brüsten sie sich mit „Neuerungen“, die entweder keine sind oder aber nicht annähernd ersetzen, was zuvor zerstört wurde. Dies kann jeder nachvollziehen, der sich den Tatsachen stellt. Rundfunkrat und Hörfunkleitung betreiben in ihren Erklärungen eine kalkulierte Desinformation, die an bewusste Lüge grenzt.
    Quelle: Die Radioretter
  17. Rezension: Dilettantismus oder Komplizenschaft? und “Das kleine Lexikon der ökonomischen Sprachtäuschung”
    Wir befinden uns in der schwersten Krisen seit 1929. Mindestens seit der Weltfinanzkrise von 2008 stehen wir am Abgrund. Und dieser blickt – frei nach Nietzsche – in uns zurück. Schwer, die Zusammenhänge zu verstehen? Professor Günther Moewes erklärt das scheinbar Komplizierte so: Was uns als „Eurokrise“, „Finanzkrise“ oder „Schuldenkrise“ präsentiert wird, sei in Wirklichkeit nur eine „Verteilungskrise“. Moewes erklärt das in einem überschaubarem Büchlein, welches überdies „Das kleine Lexikon der ökonomischen Sprachtäuschung“ beinhaltet.
    Quelle: Readers Edition

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