Hinweise des Tages

Jens Berger
Ein Artikel von:

Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “Mehr” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (MB/WL/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Wird durch Steuersenkungen das Wirtschaftswachstum gefördert?
  2. Olaf Storbeck: Im Teufelskreis des Dauersparens
  3. Weimarer Verhältnisse in Griechenland
  4. Rating-Agenturen: Fundiert kritisieren statt anti-amerikanisch beschimpfen
  5. Helga Spindler: “Der Staat verzerrt den gesamten Arbeitsmarkt”
  6. Joseph Stiglitz – Der geldpolitische Irrweg
  7. Stefan Schulmeister – Spekulanten als Sargtischler der Altersvorsorge
  8. Irland hofft auf Geldspritze aus Europa für marode Banken
  9. Dierk Hirschel – Politik für eine faire Leistungsgesellschaft
  10. Risiko Staatsanleihen: Reformbedarf bei der EU-Bankenregulierung
  11. Arm und reich in Deutschland mit Prof. Dr. Michael Hartmann
  12. Filderbahnhof droht S-21-Kostendeckel zu sprengen
  13. Sachverständiger: Mafia wäscht Milliardenbeträge in Deutschland
  14. Demokratie lernen statt pauken
  15. Google-Krieg der deutschen Medien: Die Masken sind jetzt gefallen
  16. ZDF schummelt bei Beitrag über Steinbrück-Rede
  17. Robert Misik – Was ist uns guter Journalismus wert?
  18. zu guter Letzt: Stromwut

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Wird durch Steuersenkungen das Wirtschaftswachstum gefördert?
    Ausgerechnet eine Studie des Congressional Research Service über die Wirtschaftsentwickelung seit 1945 zeigt, dass an dem neoliberalen Mantra nichts dran ist.
    Ständig heißt es von den Marktliberalen, dass man nur die Steuern senken müsse, um die Wirtschaft wachsen zu lassen. Und wenn es Wirtschaftswachstum gibt, dann profitieren irgendwie Alle davon, nicht nur die Reichen. Greift der Staat zu viele Gewinne ab, um die Kluft zwischen Arm und Reich zu verkleinern, die Chancengleichheit zu vergrößern und die Armut zu mildern, dann schrumpft der Anreiz, etwas zu unternehmen. Hinter der wirtschaftsliberalen Ideologie vom freien Markt, der fast alles besser macht, wenn das Eigentum durch Polizei, Rechtsprechung und Militär gesichert wird, steckt die Ansicht, einzig das Versprechen auf Profit und Reichtum und die Angst vor dem Absturz bewege die Menschen. […]
    Das Ergebnis der Studie ist also ziemlich eindeutig: “Die Veränderungen der Grenzsteuersätze für Einkommen und Kapitalgewinne scheienen nicht mit dem Wirtschaftswachstum verbunden zu sein. Die Reduktion der Höchststeuersätze scheint nicht mit Sparen, Investitionen und Produktivitätswachstum zusammenzuhängen. Die Höchststeuersätze scheinen wenig oder nichts mit der Größe der Wirtschaft zu tun zu haben.”
    Quelle 1: Telepolis
    Quelle 2: Taxes and the Economy: An Economic – Analysis of the Top Tax Rates Since 1945 [PDF – 352 KB]
  2. Olaf Storbeck: Im Teufelskreis des Dauersparens
    Die Wirtschaftspolitiker in Europa hadern mit sich selbst. Strenges Sparen soll nun auf jahrelanges Prassen folgen. Fragt sich nur, wie sinnvoll diese Strategie ist – und ob sie überhaupt als solche zu bezeichnen ist…
    Aggressive Austeritätspolitik beschädigt die Wirtschaftsleistung demnach deutlich stärker, als Volkswirte bislang geglaubt haben. Das gelte offenbar vor allem in wirtschaftlichen Krisenzeiten mit wenig Wachstum und dann, wenn die traditionelle Geldpolitik ihr Pulver weitgehend verschossen hat, so der IWF…
    Gerade für die Euro-Zone sind all diese Ergebnisse wirtschaftspolitisch hochgradig brisant. Denn sie stellen ein Grundprinzip der Rettungspolitik nachhaltig infrage. Die EU-Kommission, die Europäische Zentralbank und auch der IWF knüpfen Finanzhilfen für Krisenländer bislang an eiserne Sparauflagen – und drohen Ländern, die ihre Versprechen nicht erfüllen, damit, den Geldhahn zuzudrehen…
    Es häufen sich die wissenschaftlichen Indizien dafür, dass Europas Sparpolitik die Probleme, die sie lösen soll, verschärft und dass der Austeritätskurs exzessiv und kontraproduktiv ist – „self-defeating“, wie es die Angelsachsen sagen.
    Quelle: Handelsblatt

    Anmerkung WL: Vielleicht dämmert es allmählich, selbst in einem konservativen Wirtschaftsblatt.

    Ergänzende Anmerkung JB: Olaf Storbeck ist der einzige Grund, hin und wieder einmal im Handelsblatt zu lesen. Den Rest des Blattes hat Ex-SPIEGEL-Enfant-terrible Gabor Steingart erwartungsgemäß streng auf neoliberale Linie gebracht. Wobei man natürlich eingestehen muss, dass sein Amtsvorgänger Bernd Ziesemer diesbezüglich kaum besser war.

  3. Weimarer Verhältnisse in Griechenland
    Mit dem harten Sparprogramm steuert Griechenland auf eine Depression zu – so extrem wie 1930er Jahren in Deutschland oder den USA. Experten fordern daher von der EU, das Ruder rasch umzulegen. […]
    „Die Sparprogramme haben die Steuereinnahmen einbrechen lassen und daher den beabsichtigten Effekt vereitelt“, erklärt Charles Dumas, Vorsitzender des Beratungsunternehmens Lombard Street Research in London. „Es gibt jedoch keine Möglichkeit, die Sparprogramme zu umgehen, weil sie nicht kreditfähig sind. Die Defizite sind nun mal da.“ […]
    Unter den Geldgebern Griechenlands hat ein Umdenken eingesetzt. So sagte etwa der französische Präsident Francois Hollande am 19. Oktober, er sei offen für eine Lockerung der Regeln zum Haushaltsdefizit. Auch beim IWF ist ein Sinneswandel feststellbar. Der Fonds geht inzwischen davon aus, dass staatliche Ausgabensenkungen mehr als dreimal so große Wirkung entfalten wie bisher angenommen. Das bedeutet, dass eine Ausgabensenkung einen größeren Verlust an Wirtschaftsleistung und damit geringere Staatseinnahmen und ein höheres Haushaltsdefizit zur Folge haben kann.
    Quelle: Handelsblatt

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Daß Austeritätspolitik nicht funktioniert, sondern nur zu noch mehr Schulden, zu noch mehr wirtschaftlichen Problemen und zu krassen gesellschaftlichen Verwerfungen führt, ist ja alles nicht neu, sondern seit 80 Jahren bekannt – eben seit den “Weimarer Verhältnissen”. Da das alles bekannt ist und die Troika nicht von Idioten geleitet wird, muß man annehmen, daß die Folgen nicht unbeabsichtigt, sondern fest eingeplant waren, solange das wirkliche Ziel, die radikale Schleifung von Löhnen und von Arbeitnehmerrechten, erreicht werden konnte.

    passend dazu: Alexis Tsipras – Merkels Sparkurs ist die Krise
    Europa braucht einen neuen Impuls. Einen Impuls der Solidarität und der Demokratie. Das ist unsere gemeinsame Pflicht, schreibt der Vorsitzende des linken griechischen Parteienbündnis SYRIZA.
    Deutschlands Regierungskoalition weigert sich, das Londoner Schuldenabkommen von 1953 zu wiederholen. Damals war die Bundesrepublik von ihrer Schuldenlast erlöst worden, der Weg zum wirtschaftlichen Erfolg Westdeutschlands nach dem Zweiten Weltkrieg wurde frei.
    Heute zwingt Schwarz-Gelb stattdessen ganz Europa eine Politik der Austerität auf. In Griechenland tragen zweieinhalb Jahre unerbittlicher Sparzwänge und die Deregulierung des Arbeitsmarktes bereits bittere Früchte: Die öffentlichen Schulden steigen unkontrollierbar. Griechenland ist im internationalen Vergleich auf dem Abstiegspfad, obwohl die Lohnstückkosten drastisch gesenkt wurden. Große Firmen verlassen das Land.
    Sparpolitik ist keine Lösung in der Krise. Sparpolitik ist die Krise. Sie riskiert gleichermaßen den Ausschluss von Staaten aus der Eurozone – und damit deren Existenz. Die Geister von Weimar ragen bedrohlich auf über Griechenland. Schwarzhemden der rechtsradikalen »Sturmabteilung« bringen jetzt schon Gewalt in die Straßen von Athen und in die Dörfer des Landes.
    Und: Die Sparpolitik geht auch in den beiden kommenden Jahren weiter. Ein solcher Kurs Brüningscher Art ist nicht geeignet, einer schon fünfjährigen Rezession entgegenzuwirken – er wird vielmehr in eine Tragödie münden.
    Quelle: Neues Deutschland

  4. Rating-Agenturen: Fundiert kritisieren statt anti-amerikanisch beschimpfen
    Die Rating-Agenturen sind mit der aktuellen Wirtschafts- und Finanzkrise in die Kritik geraten – zu Recht, so weit es sich um ökonomisch fundierte Kritik handelt. Doch haben politische Äußerungen zu den – überwiegend ja US-amerikanischen – Rating-Agenturen bisweilen einen deutlich anti-amerikanischen, wenn nicht gar nationalistischen Unterton. Der ist nicht nur fehl am Platze, sondern sogar kontraproduktiv, denn er lenkt von den wirklichen Problemen ab.
    Glaubt man den Ideologien der neoliberalen Apologeten des freien Marktes, so dürfte es Rating-Agenturen eigentlich gar nicht geben. Schließlich ist es eine Grundvoraussetzung des Neoliberalismus, an die vollständige Effektivität von Märkten zu glauben – und deren Grundvoraussetzung ist wiederum, dass allen Marktakteuren alle relevanten Informationen vollständig vorliegen. Nur unter dieser Bedingung nämlich ergeben sich adäquate Preissignale, im Falle von Krediten adäquate Zinsen, die wiederum als neoliberale Begründung für die Effektivität von Märkten dienen.
    Quelle: annotazioni

    Anmerkung RS: Na endlich sagt es einer! Die dämliche Vorstellung, die USA wollten die europäische Wirtschaft und den Euro schwächen oder gar zerstören, sind reine Projektionen. Es ist in Deutschland offenbar Allgemeingut, dass der wirtschaftlicher Erfolg eines Landes heißt, andere Länder wirtschaftlich zu “besiegen”. Nur so kann man das deutsche Beharren auf Merkantilismus überhaupt verstehen. Daher ist es nicht schwer zu verstehen, wenn Deutsche diese Mentalität von wirtschaftlichen Siegern und Besiegten auf andere Länder, wie die USA, projizieren. Dabei bleibt es aber eine Projektion der deutschen Vorstellung, dass es dem eigenen Land nur dann gut geht, wenn man andere Länder besiegt. Früher war das militärisch gedacht, heute wirtschaftlich. Diese Mentalität ist bei der deutschen Europapolitik mit Händen zu greifen. Das merkt man schon an dem Vergleich zwischen dem amerikanischen und dem deutschen “Marshall-Plan”. Beim ersteren wusste man, dass es im Eigeninteresse war, dem damaligen Gegner zum Erfolg zu verhelfen. Doch die Deutschen sind in diesem Zusammenhang nicht nur grob undankbar, sie meinen immer noch, “Sünder” müssen brutal bestraft werden, und dass man andere Länder oder Regionen wirtschaftlich “besiegen” müsse. Und diese Mentalität wird im Bezug auf die amerikanische Haltung zur Eurokrise auf uns projiziert. Dabei geht es nicht um Sieg und Niederlage, sondern um gegenseitige Wohlstandsmaximierung.

  5. Helga Spindler: “Der Staat verzerrt den gesamten Arbeitsmarkt”
    Wahrscheinlich wird dieses Jahr die Anzahl der Sanktionen gegen Hartz IV-Bezieher erstmals die Millionenmarke erreichen. Weniger bekannt ist, dass diese Sanktionen mehrheitlich nicht wegen Arbeitsverweigerung, sondern harmloser Vergehen wegen wie Meldeversäumnissen ausgesprochen werden und dass sich der Entzug des Existenzminimums über Monate hinziehen kann, weil der Widerspruch dagegen keine aufschiebende Wirkung besitzt…
    Heutzutage werden Sanktionen sehr rasch und ohne größere Prüfung ausgesprochen und die häufigeren Behördenkontakte werden offenbar nicht vornehmlich zur Beratung und Unterstützung genutzt, sondern bewirken als sichtbarstes Ergebnis nur deutlich mehr Sanktionen. Zusätzlich hat man auch Familienmitglieder, die für sich selbst genug verdienen, aber nicht alle in der Bedarfsgemeinschaft ernähren können, gesetzestechnisch mit hilfebedürftigen Langzeitarbeitslosen gleich gestellt, um auch sie mit Pflichten und Sanktionen konfrontieren zu können.
    Durch alle diese Änderungen hat sich die Anwendung und Auswirkung der Regel verschärft, was noch dadurch verstärkt wird, dass heute Firmen, die sich wegen ihrer unattraktiven Arbeitsangebote früher bei einem Jobcenter nicht gemeldet hätten, übereifrig “beliefert” werden, da diese Vermittlungserfolge produzieren…
    Es kann nicht beruhigen, dass nur wenige Sanktionen wegen Verweigerung zumutbarer Arbeit ausgesprochen werden, wobei sogar schon Versuche einen höheren Lohn zu fordern als sanktionswürdig eingestuft werden. Denn schlimmer sind die Auswirkungen da, wo Stellen nur wegen dieses Sanktionsdrucks angenommen werden. Dort unterbindet der Staat einseitig das Aushandeln der Arbeitsbedingungen und verzerrt damit den gesamten Arbeitsmarkt.
    Wenn wir heute das Anwachsen von Hungerlöhnen, Befristungen, tarifloser Beschäftigung beklagen, dann ist das nicht der Globalisierung geschuldet ist, sondern dem staatlichen Druck, der dazu geführt hat, dass solche Stellen auch mit qualifizierten Kräften besetzt werden konnten.
    Quelle: Telepolis
  6. Joseph Stiglitz – Der geldpolitische Irrweg
    Fed und EZB tragen an der Krise eine erhebliche Mitschuld. Und die bisherigen geldpolitischen Maßnahmen haben sich als unwirksam erwiesen. Jetzt sind die Regierungen an der Reihe. […]
    Tatsächlich sind sowohl die Befürchtungen der Kritiker als auch die Euphorie der Optimisten unbegründet. Angesichts nicht ausgelasteter Produktionskapazitäten und der düsteren wirtschaftlichen Aussichten in naher Zukunft ist das Risiko einer ernsten Inflation minimal.
    Trotzdem sind mit den Maßnahmen von Fed und EZB drei Botschaften verbunden, die den Märkten Anlass zum Nachdenken hätten geben sollen. Die Erste: Es ist ein Eingeständnis, dass die bisherigen Maßnahmen nicht funktioniert haben. Tatsächlich tragen die wichtigen Notenbanken an der Krise eine erhebliche Mitschuld. Die Fähigkeit, ihre Fehler wieder gut zu machen, ist allerdings begrenzt.
    Zweitens impliziert die Ankündigung der Fed, die Zinsen bis Mitte 2015 auf außergewöhnlich niedrigem Niveau halten zu wollen, dass sie nicht an eine baldige Konjunkturerholung glaubt. Das sollte Europa eine Warnung sein, weil seine Wirtschaft inzwischen viel schwächer ist als die Amerikas.
    Und schließlich haben Fed und EZB mit dieser Entscheidung zum Ausdruck gebracht, dass die Märkte allein keine Vollbeschäftigung herstellen werden. Das sollte denjenigen in Europa und Amerika, die nach dem genauen Gegenteil rufen – nämlich noch mehr Austerität fordern – zur Antwort dienen.
    Quelle: FTD
  7. Stefan Schulmeister – Spekulanten als Sargtischler der Altersvorsorge
    Wer mehr ausgibt, als er einnimmt, muss sparen. Diesen Grundsatz verankern die EU-Eliten seit 20 Jahren in Regeln – von den Maastricht-Kriterien bis zum Fiskalpakt.
    Wenn die Arbeitslosigkeit steigt, dann ist Arbeit zu teuer, also sollen die Reallöhne schwächer wachsen als die Produktivität. Dies ist seit 30 Jahren der Fall: die Lohnquote sinkt.
    Wenn die Lebenserwartung steigt, dann muss man länger arbeiten, sonst ist das Pensionssystem in Gefahr.
    Ist das so? Symptomtherapien können die Krankheit verschlimmern: Seit sich die EU dem Sparen verschrieben hat, ist die Staatsschuldenquote stärker gestiegen als je zuvor. Das Gleiche gilt für das Rezept der Lohnzurückhaltung: Seit die Reallöhne hinter der Produktivität zurückbleiben (seit 30 Jahren!), steigt die Arbeitslosigkeit immer mehr.
    Grund: Die einfachen Therapien können wesentliche Kettenreaktionen nicht berücksichtigen.
    Quelle: derStandard.at
  8. Irland hofft auf Geldspritze aus Europa für marode Banken
    Auch wenn Europa über Griechenland, Spanien und Portugal diskutiert, kämpft kaum ein Land mit einer so hohen Verschuldung und einem so gewaltigen Defizit wie Irland. Berlin und Paris deuten nun eine nachträgliche Hilfe für Dublin bei der Bankenrettung an.
    Es ist ein absoluter Negativrekord: 64 Milliarden Euro hat die Rettung der irischen Banken gekostet, was rund 41 Prozent der Wirtschaftsleistung des Landes entspricht. In keinem anderen EU-Land war die Hilfe für den Finanzsektor auch nur annähernd so teuer. Vier Jahre nach dem Platzen der gigantischen Blase scheint Irland nun eine realistische Chance auf eine Teilung dieser Kostenlast zu haben.
    Eine Möglichkeit dazu bietet seit kurzem der Eurorettungsschirm ESM. Die Regierungschefs der Euroländer haben sich Ende Juni darauf verständigt, dass der Rettungsschirm Banken künftig direkt rekapitalisieren darf, das heißt ohne, dass die Kosten für die Bankenhilfen dem Staat als Schulden umgehängt werden.

    Quelle: derStandard.at

    Anmerkung JB: Wenn der ESM irischen Banken Eigenkapital zur Verfügung stellt, ist die Gefahr, dass der ESM sehr reale Verluste verbuchen muss, groß. Das hat eine ganz andere Qualität als die vergleichsweise risikolosen Bürgschaften für Staatsanleihen, für die der ESM konstruiert wurde. Hoffentlich ist das den Abgeordneten des Bundestages auch klar, die über das irische Gesuch abzustimmen haben.

  9. Dierk Hirschel – Politik für eine faire Leistungsgesellschaft
    Die Millionärsabgabe ist ein wichtiges Instrument einer anderen Steuerpolitik, die große Einkommen und Vermögen in die Pflicht nimmt
    Quelle: Frankfurter Rundschau
  10. Risiko Staatsanleihen: Reformbedarf bei der EU-Bankenregulierung
    Die Kreditrisiken von Staaten und ihren heimischen Bankensektoren sind eng miteinander verknüpft und verstärken sich gegenseitig. Die wechselseitigen Ansteckungseffekte werden durch die Neigung der Banken verschärft, überwiegend in Staatsanleihen des Heimatlandes zu investieren. Dies sind die zentralen Ergebnisse einer aktuellen Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin). „Staatsanleihen sind keine risikolosen Anlagen. Die künftige EU-Bankenregulierung sollte Schluss machen mit ihrer systematischen Verharmlosung“, sagt DIW-Experte Sören Radde, der die Studie zusammen mit Johannes Pockrandt, Referent im Europäischen Parlament, verfasst hat.
    Quelle: DIW

    Anmerkung Orlando Pascheit: Vielleicht erinnern Sie sich an dicke Bertha Draghis, mit der die Banken der Eurozone mit einem Billionenkredit der EZB mit drei Jahren Laufzeit versorgt wurden. Offiziell sollte dadurch eine Kreditklemme im Euroraum verhindert werden. Tatsächlich haben Spanien und Italien das Angebot vor allem dazu genutzt, Staatsanleihen ihrer Länder gekauft – eine durchaus erwünschter Nebeneffekt. Das war durchaus auch ein gutes Geschäft, denn die Staatsanleihen rentierten sich weit über dem Zins der der Zentralbank für diese Kredite. Italienische Banken stoppten diese Käufe erst, als der Markt diesen Vorgang zunehmend mit Skepsis beurteilte und anfing italienische Banken herabzustufen. Auch wenn dicke Bertha vorübergehend der südeuropäischen Peripherie Erleichterung verschaffte, so gilt doch festzuhalten, dass dadurch ein reichlich paradoxer „circulus vitiosus“ entstanden ist, den Joseph Stiglitz als Voodoo-Ökonomie bezeichnete: „Die spanische Regierung rettet die spanischen Banken, und die spanischen Banken retten die spanische Regierung.“ Der in Aussicht gestellte Aufkauf von Staatsanleihen der Krisenländer durch die EZB zeigt, dass sich die mit der „dicken Bertha“ verknüpften Erwartungen auf eine Senkung der Renditen der richtungsweisenden Staatsanleihen nicht erfüllten.

  11. Arm und reich in Deutschland mit Prof. Dr. Michael Hartmann
    Die Kluft zwischen Arm und Reich hat sich im letzten Jahrzehnt in Deutschland so schnell vertieft wie in kaum einem anderen Industrieland. Inzwischen besitzt das oberste Promille der Bevölkerung fast ein Viertel des gesamten Vermögens. Die untere Hälfte dagegen hat so gut wie nichts. Auf der einen Seite verdienen Topmanager Millionen, auf der anderen haben wir einen Billiglohnsektor mit Stundenlöhnen von maximal sieben Euro. Dort arbeitet inzwischen jeder neunte Beschäftigte. Diese Entwicklung schlägt sich auch in den Wohnbedingungen und in der Gesundheit nieder. Arme sind häufiger krank und sterben durchschnittlich zehn Jahre früher. Maßgeblich verantwortlich sind, so Michael Hartmann, politische Beschlüsse zur Besteuerung von hohen Vermögen und Einkommen sowie die Hartz-Gesetze.
    Quelle: Tele-Akademie (Video)
  12. Filderbahnhof droht S-21-Kostendeckel zu sprengen
    Stuttgart 21 kommt nicht voran. Die neue Variante für einen Filderbahnhof kostet weit mehr als gedacht. Zwar scheint sie kundenfreundlicher als die bisherige Version, doch wäre sie deutlich teurer.
    Quelle: Welt
  13. Sachverständiger: Mafia wäscht Milliardenbeträge in Deutschland
    Für internationale Verbrechersyndikate wie die Mafia ist Deutschland für Zwecke der Geldwäsche eines der gefragtesten Länder. „Es gibt unglaubliche Geldströme von Italien nach Deutschland“, erklärte Roberto Scarpinato, leitender Oberstaatsanwalt im Anti-Mafia-Pool in Palermo, am Montag in einer öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses. Dabei gehe es um Milliardenbeträge. Seine Behörde habe bei Ermittlungen in den vergangenen 20 Jahren allein in Palermo über vier Milliarden Euro sichergestellt. Dass Deutschland eines von der Mafia für die Geldwäsche ausgesuchten Länder sei, hätten auch 45 Kronzeugen in Vernehmungen bestätigt.
    Zu den Gründen zählte Scarpinato das deutsche Strafrecht, das nicht über geeignete Instrumentarien zur Beschlagnahme von Vermögen verfüge wie zum Beispiel das italienische. Der Staatsanwalt verwies auf einen Fall, in dem in Deutschland lagerndes Vermögen italienischer Mafiosi nicht beschlagnahmt werden konnte. Besonders intensiv zur Geldwäsche genutzt würden Spielhallen und Online-Spielbanken, die die Mafia über Strohmänner aufkaufe. Die Herkunft von Mafia-Geldern werde auch durch viele Zwischenstationen verschleiert. So würden die Gelder zum Teil durch über 90 internationale Finanzinstitutionen geschleust, um die Rückverfolgung unmöglich zu machen…
    Der Schweizer Sachverständige Andreas Frank (Frank Consultancy Services) warf der Bundesregierung vor, das Geldwäschegesetz auch 19 Jahre nach seinem Inkrafttreten nicht umzusetzen: Deutschland verletze die EU-Geldwäscherichtlinie und täusche die EU über die Umsetzung…
    Der Bund deutscher Kriminalbeamter zweifelte am Erfolg der Gesetzgebung: „Die große Masse des Online-Glücksspielangebotes wird nach wie vor illegal angeboten und nachgefragt werden.“ Nur wenige Anbieter hätten durch die Marktöffnung in Schleswig-Holstein den Weg in die Legalität gesucht. Das illegale Glücksspiel sei aus Sicht der Betreiber erheblich günstiger anzubieten: „Es fallen weder Lizenzabgaben, noch Steuern oder gar Implementierungskosten zur Erfüllung von geldwäscherechtlichen Sorgfaltspflichten an.“…
    Wie Geldwäsche bei Glücksspielen funktioniert, erläuterte die Organisation „Tax Justice Network“ in ihrer Stellungnahme. Danach gibt es zwei Formen der Geldwäsche: 1. Der Anbieter täuscht überhöhte Umsätze vor und bringt auf diese Weise illegal erworbene Geldmittel in den legalen Kreislauf. 2. Ein Teilnehmer an Glücksspielen setzt illegal erworbenes Geld bei Glücksspielen ein und erhält im Gegenzug Glücksspielgewinne steuerfrei gewaschen zurück.
    Quelle: Deutscher Bundestag
  14. Demokratie lernen statt pauken
    Politikunterricht an Schulen schreckt ab, sich politisch zu engagieren, findet der Autor Wolfgang Gründinger. Unterricht müsse wie eine Gratis-Kostprobe eines Schokoriegels sein, um wahre Demokratie zu verstehen. Daher fordert Gründinger, den Politikunterricht zu verzwölffachen!
    … hinsichtlich der Stundenzahl fällt an bayerischen Schulen Sozialkunde kaum ins Gewicht. In den Klassen 5 bis 9 gibt es weder in der Realschule noch im Gymnasium Sozialkunde. Erst in der zehnten Klasse gibt es an Realschulen zwei Wochenstunden, an Gymnasien sogar nur eine (!) Wochenstunde, wofür im Gegenzug das Fach Geschichte um eine Wochenstunde gekürzt wird. An Hauptschulen hat man sich gleich entschieden, all das gesellschaftliche Gedöns im Hybridfach Geschichte/Sozialkunde/Erdkunde zusammenzu­legen, mit insgesamt zwei bzw. drei Wochenstunden in den Klassen 5 bis 10, wovon aber nur ein Bruchteil der demokratischen Bildung gewidmet ist.
    Quelle: Was bildet ihr uns ein?
  15. Google-Krieg der deutschen Medien: Die Masken sind jetzt gefallen
    Die überaus umfassende und sachliche Berichterstattung der (alten) Medien zum Thema “Leistungsschutzrecht & Google” hat einen neuen Höhepunkt erreicht.
    Zu den vielen bemerkenswerten Aspekten des geplanten Presse-Leistungsschutzrechts, das ein Lobbyvorstoß der Springer AG und ein von unabhängigen Rechtsexperten mehrheitlich abgelehnter Gesetzesvorschlag ist, gehört die kritiklose, oft teilweise ins Groteske abgleitende Berichterstattung in eigener Sache in fast allen deutschen Print-Massenmedien.
    Sie zeigen damit unwillentlich auf, wie schlecht eigentlich kommerziell orientierte Massenmedien für die öffentliche Meinungsbildung und damit als Stützen der Demokratie geeignet sind.
    Das jüngste Beispiel ist ein Artikel von Jürg Altwegg in der FAZ mit dem Titel “Frankreichs Google-Krieg: Die Masken sind jetzt gefallen” über den Streit zwischen Google und der französischen Regierung.
    Quelle: Carta
  16. ZDF schummelt bei Beitrag über Steinbrück-Rede
    Im Sommer sorgte die Uefa für Empörung, als sie Archiv-Bilder in die Live-Übertragung eines Spiels der Fußball-EM schnitt. Das ZDF legte Protest ein – und hat nach FOCUS-Informationen jetzt trotzdem in einem Beitrag des „heute journal“ falsche Bilder in einen Beitrag über SPD-Kanzlerkandidat Steinbrück montiert.
    Quelle: Focus
  17. Robert Misik – Was ist uns guter Journalismus wert?
    Was ist uns der Journalismus wert? Was ist uns guter Journalismus wert? Die Frage steht auf pervertierte Weise auch hinter den skandalträchtigen Regierungsinseraten. Denn diese sind ja auch so etwas wie versteckte Presseförderung, die aber in überwiegenden Maße in die Schatulle von Krawallblättern fließt. Und sie steht, auf andere Weise, auch hinter der Auseinandersetzung um den Journalisten-Kollektivvertrag, der jetzt von den Verlegern gekündigt wurde, wogegen die Journalisten jetzt demonstrieren. In der Branche haben sich längst skandalöse Zustände eingeschlichen, Zustände, die wohl in keiner anderen Branche toleriert würden. Da würden empörte Artikel geschrieben. Aber wenn es um die eigene Sache geht, wird gerne weggeschaut. Aber es ist einfach nicht mehr länger tragbar: Wir haben eine Zwei-Klassengesellschaft im Journalismus geschaffen. Bestens bezahlte Langzeit-Angestellte sitzen neben prekär Beschäftigten, die die gleiche Tätigkeit verrichten, aber nur einen Bruchteil des Einkommens erzielen. Die ökonomisch in chronischer Unsicherheit leben. Die damit oft auch gar nicht in der Lage sind, selbstbewußt “Nein” zu sagen, wenn von ihnen Handlungen gefordert werden, die gegen ihr berufliches Ethos verstoßen. Weiter wegschauen geht nicht mehr.
    Quelle: derStandard.at
  18. zu guter Letzt: Stromwut
    Oliver Welke und Claus von Wagner diskutieren, warum die Franzosen in puncto Strom billiger weg kommen.
    Quelle: Heute-Show (ZDF-Mediathek)

    Anmerkung unseres Lesers J.Z.: 187 Milliarden an steuerlichen Subventionen haben wir in Deutschland in den Atomstrom gepumpt: Der Sportreporter und Bockwurstfan Oliver Welke übernimmt mal wieder die Arbeit, die man sich eigentlich von den Leitartiklern der „Qualitätsmedien“ erhofft. Auch erschreckend Günther Öttinger: Im Gegensatz zu seinen Pannenmeilern scheint er bereits abgeschaltet.

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