Griechenland kauft seine Anleihen zurück – europäischer Dilettantismus in Reinkultur

Jens Berger
Ein Artikel von:

Vor nicht einmal einem Jahr führte Griechenland seine erste große Umschuldung durch. Teil dieser Umschuldung war es, dass die Anleihen im Besitz privater Gläubiger „freiwillig“ gegen einen bunten Strauß neuer Papiere umgetauscht wurden. Neben soliden Papieren des EFSF gehörten auch die sogenannten „neuen Griechenland-Anleihen“ zum obligatorischen Tauschangebot. Genau diese Papiere soll Griechenland nun nach Willen der Troika zu einem Preis zurückkaufen, der weit über dem Tauschwert vor einem Jahr liegt. Grund für den Preisanstieg ist das dilettantische Vorgehen der Troika. Grund für den Rückkauf dürfte die Angst vor Klagen der Hedge-Fonds sein. Europa verhält sich wieder einmal absolut marktkonform und die Zeche zahlt der Steuerzahler. Von Jens Berger.

Die Idee hört sich auf den ersten Blick ja verlockend an. Griechenland leiht sich 10 Mrd. Euro vom EFSF und kauft dafür die eigenen Anleihen auf den Finanzmärkten zurück, die heute nur zu einem Bruchteil des Nennwertes gehandelt werden. Mit 10 Mrd. Euro, so die Theorie, kann Griechenland Papiere im Nennwert von rund 30 Mrd. Euro kaufen. Damit würde sich die Staatschuldenquote auf einen Schlag um zehn Prozentpunkte verringern. Wie so oft unterscheiden sich hier jedoch Theorie und Praxis grundlegend. Daher lohnt es sich auch, einen näheren Blick auf das Rückkaufangebot zu werfen.

Um welcher Anleihen geht es?

Zunächst ist es wichtig, zu betrachten, um welche Anleihen es beim Rückkaufangebot überhaupt geht. Während zwei Drittel der griechischen Staatsschulden mittlerweile beim sogenannten „offiziellen Sektor“ liegen, ist Athen immer noch mit rund 100 Mrd. Euro bei privaten Investoren verschuldet. Mit rund 62 Mrd. Euro nehmen dabei die „neuen Griechenland-Anleihen“ aus der Umschuldung in diesem Frühjahr den größten Teil ein. Diese Papiere sind aufgeteilt in zwanzig nahezu gleichgroße Tranchen („Strips“) mit Laufzeiten, die zwischen 2023 und 2042 enden. Die Zinsen für diese Papiere sind für Athen überschaubar – bis 2015 sind sie mit 2,0%, bis 2021 mit 3,0% verzinst und danach fallen Zinsen in Höhe von 4,3% pro Jahr an.

Wichtige Hintergrundinformationen und eine Erklärung der Fachausdrücke finden Sie im Artikel „Ergänzungen und Erklärungen zum Artikel »Der „Schuldenschnitt“ und das Kleingedruckte«

Für Spekulanten ist jedoch nicht der Zinssatz, sondern der niedrige Marktwert der Papiere von Interesse. Je nach Kaufdatum lassen sich mit diesen Papieren zwischen 13% und mehr als 25% Gewinn pro Jahr erzielen, wenn sie denn am Ende der Laufzeit voll bedient werden.

Wer hält diese Anleihen?

Interessant ist daher zu wissen, wer diese Anleihen hält. Nach Aussagen des griechischen Finanzministers Giannis Stournaras halten alleine die vier größten Banken des Landes Papiere im Nennwert von 17 Mrd. Euro. Offizielle Schätzungen gehen davon aus, dass das griechische Bankensystem rund ein Drittel der „neuen Griechenland-Anleihen“ hält. Ein weiteres Drittel soll von griechischen Lebensversicherungen und Pensionsfonds gehalten werden. Wer die restlichen Papiere im Nennwert von rund 20 Mrd. Euro hält, ist unbekannt. Experten gehen jedoch davon aus, dass diese Papiere mittlerweile nahezu komplett von Hedge-Fonds gehalten werden. Schaut man auf das Handelsvolumen einer solchen „neuen Griechenland-Anleihe“, erkennt man, dass sie vor allem kurz nach der Umschuldung im März dieses Jahres rege gehandelt wurden. Die Vermutung, dass sich bereits damals vor allem Spekulanten und Hedge-Fonds die Taschen gefüllt haben, dürfte anlässlich der Zahlen schwer von der Hand zu weisen sein.

Hedge-Fonds bestimmen den Preis

Im Mai dieses Jahres als nach dem Erfolg der griechischen Linkspartei Syriza ein Schuldenschnitt noch eine realistische Option war, sank der Marktwert dieser Papiere auf bis zu 11,6% des Nennwertes. Hedge-Fonds, die damals kauften, können heute dank des überaus großzügigen und keineswegs freiwilligen Rückkaufangebots der griechischen Regierung Kasse machen. Das heutige Angebot [PDF – 57,9 KB] sieht vor, diese Papiere für bis zu 40,1% des Nennwertes zurückzukaufen. Wer die Papiere im Mai für (je nach Laufzeit) 11,6% bis 15% gekauft hat, kommt so auf eine Traumrendite von 267% bis 345%. Aber auch fast alle anderen privaten Gläubiger gehen mit Gewinn aus dem Rückkaufangebot. Die der Ausgabe der neuen Anleihen wurde im Rahmen der Umschuldung zu einem durchschnittlichen Marktpreis in Höhe von 31,5% des Nennwertes vorgenommen. Somit liegen die heute angebotenen Rückkaufpreise noch über dem „Emissionskurs“ vor wenigen Monaten. Warum hat man eigentlich nicht schon damals komplett umgeschuldet? Obgleich sich die Solvenz Griechenlands seit März dieses Jahres massiv verschlechtert hat, haben die wenigen verbliebenen privaten Gläubiger ein ordentliches Geschäft mit den Anleihen Griechenlands gemacht. Das ist Markwirtschaft paradox.

Ebenso paradox sollte es eigentlich sein, dass die meisten Hedge-Fonds dieses überaus großzügige Angebot wohl ablehnen werden. Doch paradox ist das Verhalten der Spekulanten keineswegs. Sie sind auf den Jackpot aus und spekulieren darauf, dass die Papiere am Ende der Laufzeit zum vollen Nennwert bedient werden. Und selbst wenn dies nicht der Fall sein sollte, spekuliert man auf ein weiteres, besseres Angebot der Troika. Wenn die Hedge-Fonds mit dieser Strategie durchkommen – wovon auszugehen ist – gehören sie zu den ganz großen Gewinnern der Griechenlandkrise. Hätte sich Europa mit den Hedge-Fonds anlegen wollen, hätte es dies bereits zum Zeitpunkt der Umschuldung getan. Nichts dergleichen ist jedoch geschehen. Stattdessen hat man die Spekulanten Blut lecken lassen, als man im Mai eine exotische Anleihe aus dem Jahr 2002, die nicht Bestandteil der Umschuldung war, zum vollen Nennwert bedient hat. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war klar, dass weder Griechenland noch die Troika es wagt, sich mit den Hedge-Fonds anzulegen. Und bislang ging die Strategie der Spekulanten ja auch voll und ganz auf.

Dilettantismus in Reinkultur

Der Dilettantismus, mit dem das heutige Rückkaufangebot vorbereitet wurde, ist himmelschreiend. Bereits vor Wochen sickerte durch, dass ein Rückkauf der Anleihen eine Grundbedingung für die Bereitstellung der nächsten Auszahlungstranche der Troika sein wird. Seitdem ist der Marktwert der Papiere um rund 50% gestiegen. Hätte man es ganz einfach unterlassen, die Spekulanten im Vorfeld zu informieren, hätte Griechenland viel Geld sparen können. Anfang November lag der Marktwert der neuen Anleihen im Schnitt bei rund 20% des Nennwerts. Mit dem geplanten Volumen von 10 Mrd. Euro hätte man demnach Anleihen im Nennwert von 50 Mrd. Euro kaufen können – und somit 80% der ausstehenden Papiere. Hätte man den Rückkauf bereits im Mai dieses Jahres vorgenommen, hätte man sämtliche Papiere im vollen Nennwert von 62 Mrd. Euro für vergleichsweise günstige 8 Mrd. Euro zurückkaufen können. Darauf hat man jedoch wohlweislich verzichtet. Sollten die Gläubiger auf das aktuelle Angebot eingehen, wird man die Papiere zu einem Preis, der ungefähr 33% des Nennwertes entsprich, zurückkaufen – für 10 Mrd. Euro erhält man somit Papiere im Nennwert von 33 Mrd. Euro. Ohne dieses marktkonforme Gebaren hätte Griechenland somit bis zu 31 Mrd. Euro sparen können. Dilettantismus hat seinen Preis und dieser Preis wird einmal mehr dem Steuerzahler aufgebürdet.

Doch nicht nur der Troika ist Dilettantismus in Reinkultur vorzuwerfen – die griechische Regierung agiert um kein Jota klüger. Bereits vor einigen Tagen erklärte der griechische Finanzminister die Annahme des Rückkaufangebots für die griechischen Banken zur „patriotischen Pflicht“, während Staatschef Samaras gleichzeitig eine Beteiligung der griechischen Pensionsfonds ausschloss. Die Botschaft an die Spekulanten könnte klarer nicht sein: Athen plant, das Volumen der „neuen Griechenland-Anleihen“ zu reduzieren und sie in voller Höhe zu bedienen. Dies werden die Hedge-Fonds gerne hören und das großzügige Rückkaufangebot ignorieren. Warum sollten sie sich mit einem ordentlichen Gewinn abspeisen lassen, wenn Athen und Brüssel ihnen den Jackpot feilbieten?

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