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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (RS/WL)

Hier die Übersicht. Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert.

  1. Finanzmarktkrise : 1998 – Generalprobe für den Kollaps
  2. Selbst in Vollzeit reicht der Lohn nicht
  3. Leiharbeiter als billige Amazon-Massenware? Koblenzer Zeitarbeitsfirma klagt an – Ein Blick in die Verträge
  4. Deutliche Zunahme der Arbeitskämpfe im Jahr 2012
  5. DIW: Demokratie und Arbeit sind den Menschen wichtiger als Wirtschaftswachstum
  6. Die Auswirkungen der Krisenbearbeitung in Griechenland
  7. Dringender Korrekturbedarf: Ungleiche Verteilung und unterfinanzierte öffentliche Haushalte
  8. Fraktion Die Linke will Riester-Förderung in die gesetzliche Rente überführen
  9. Nicht-EU-Ausländer: Fachkräfte sollen leichter nach Deutschland kommen
  10. Deutsche Bahn hält an Stuttgart 21 fest
  11. Senat stoppt Geburts-TV im Klinikum Friedrichshain
  12. Bertelsmann: Adressenjagd auf Minderjährige?
  13. Heiner Flassbeck: Den USA droht ein “mörderi­sches Spar­pro­gramm” — was aber droht Europa?
  14. Wolfgang Münchau: Wahl in Italien: Die Verliererin heißt Angela Merkel
  15. Clowns-Äußerung – Napolitano sagt Gespräch mit Steinbrück ab
  16. Sahra Wagenknecht: Steinbrück ist keine Alternative zu Merkel”
  17. Viel Nähe, wenig Distanz: Journalisten sind Teil der Elitenetzwerke
  18. Welch eine Verschwendung: Nachruf auf die Studiengebühren
  19. Stéphane Hessel ist tot


Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Finanzmarktkrise : 1998 – Generalprobe für den Kollaps
    War die Gefahr des Finanzmarkt-Crashs vor Ausbruch der Krise 2007 wirklich nicht absehbar?
    Eine Studie von Nigel F.B. Allington u.a. “Lessons not learned” im Journal of Post Keynesian Economics (4 / 2012) zeigt: Bereits 1998 beim Zusammenbruch des Hedgefonds LTCM traten die Schwächen der laxen Regulierung zutage. Gelernt hat die Politik daraus nichts.
    Die Probleme, die 2007 zur Immobilienkrise und bald zur Weltfinanzkrise führten, sind den Forschern zufolge im Fall LTCM schon klar erkennbar gewesen. Nämlich dass „Regulierung light“ zu nahezu unbegrenzter kredtifinanzierter Spekulation mit kaum mehr durchschaubaren „Finanzinnovationen“ führt – und dass am Ende staatliche Stellen einspringen müssen, um den Kollaps des Bankensystems zu verhindern. „Aber die Lektion fand keine Beachtung“, konstatieren die Wissenschaftler. Jedenfalls gelte das für die Politik, die keine Anstrengungen unternahm, die Regulierung zu verbessern. Bei Investment Bankern und den Managern von Hedge-Fonds habe das LTCM-Debakel die Risikofreude möglicherweise sogar noch etwas gesteigert. Denn nun sei klar gewesen, dass im Ernstfall mit Hilfestellung zu rechnen ist. So war es für Finanzinstitute – nicht nur für Hedge-Fonds – 2008 „völlig normal“, mit dem Dreißigfachen des Eigenkapitals verschuldet zu sein.
    Quelle: Böckler-Impuls [PDF – 174 KB]

    Anmerkung WL: Bei uns in Deutschland wurde ja ständig behauptet, die Finanzkrise habe uns wie ein „Spring-ins-Feld-Teufel“ (Steinbrück) aus den USA überfallen, ohne dass man sie hätte vorausahnen können. Auch bei uns gab es schon 2003 ein Treffen Schröders, Eichels und Clements mit Spitzenvertretern der Banken- und Versicherungsbranche, bei dem der Vorschlag gemacht worden, für notleidende Kredite deutscher Institute eine Auffanggesellschaft zu gründen, für deren Risiken letztlich der Staat, also der Steuerzahler, einstehen soll. Die hohen Risiken waren der Politik spätestens seit dem Jahr 2000 bekannt.
    Siehe „Die Verflechtung der Politik mit dem Casino-Betrieb der Finanzwirtschaft ist enger und älter als wir denken – wir zahlen schon seit 2000 für die Wettschulden

  2. Selbst in Vollzeit reicht der Lohn nicht
    Überdurchschnittlich viele Leiharbeiter in Vollzeit beziehen zusätzlich Hartz IV. Das geht aus einer Antwort der Regierung auf eine Anfrage der Grünen hervor, die der taz vorliegt.
    Danach erhielten im Juni 2011 54.620 Haushalte, in denen mindestens ein Leiharbeiter lebte, noch Geld vom Jobcenter. Den Staat kostete diese Subventionierung rund 347 Millionen Euro.
    Die Bundesregierung verweist allerdings darauf, dass bei der Frage, warum der Lohn nicht reiche, auch der “Arbeitsumfang”, eine Rolle spiele sowie die Zahl der zu versorgenden Haushaltsmitglieder. Insofern geben die Zahlen nur erste, aber interessante Hinweise. Aus ihnen geht hervor, dass in 86 Prozent der Haushalte, die aufstocken, mindestens ein Leiharbeitnehmer in Vollzeit beschäftigt ist.
    Für die Grünen Grund genug darauf zu drängen, dass auch die Bundesagentur für Arbeit (BA) ihre Vermittlung in Leiharbeit kritisch überdenkt.
    Quelle: taz

    Anmerkung WL: Siehe dazu Eberhard Einsiedler, Vorsitzender des Hauptpersonalrates der Bundesagentur für Arbeit „Perspektive Qualität“ [PDF – 9.5 MB]

  3. Leiharbeiter als billige Amazon-Massenware? Koblenzer Zeitarbeitsfirma klagt an – Ein Blick in die Verträge
    Rund um Koblenz scheint dieses Bemühen des US-Giganten um eine weiße Weste offensichtlich sehr wohlwollend aufgenommen worden zu sein. Die maßgeblichen politischen Kräfte mühten sich im Gespräch mit unserer Zeitung zuletzt offensiv darum, das positive Miteinander zwischen dem Online-Handelskonzern und der Region herauszustreichen….
    Ein Blick in die Verträge:
    Verrechnung des Lohns abseits der Tarife…
    Verhandlungskampf mit harten Bandagen…
    Quelle: Rhein Zeitung

    Anmerkung unseres Lesers R.D.: Aus dem Artikel geht ja u.a. auch hervor das es wohl Zeitarbeitsfirmen gibt die solche Verträge unterschreiben!
    Was bewegt sie dazu?
    Um was geht es der Politik? Hier im Besonderen den Kommunalpolitikern ? – Ich denke, dass es in der Hauptsache um die Profilierung vor Ort geht. Jeder kann, getreu nach dem vor Jahren geprägten Slogan: “Sozial ist was Arbeit schafft” für seine Partei werben. Bei diesem eng gefassten Begriff von sozial muss auch niemand mehr hinter die Kulissen schauen. Für Ethik und Moral sind ja schließlich die Unternehmer selbst zuständig. Die Politik kann also hier maximal den Finger heben und die Unternehmen an gesellschaftliche Werte erinnern. Dass man die Menschen per Gesetz vor solchen Unternehmen schützen kann, davon will niemand was wissen oder auch nur gehört haben. Der freie Markt lässt hier keine staatlichen Eingriffe zu.

  4. Deutliche Zunahme der Arbeitskämpfe im Jahr 2012
    Große Warnstreikwellen in Metallindustrie und öffentlichem Dienst sowie ein neuer Höchststand an Arbeitskämpfen im Dienstleistungsbereich haben das Arbeitskampfgeschehen im Jahr 2012 geprägt. Das zeigt die Jahresbilanz zur Streikentwicklung in 2012, die das Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Instituts (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung heute vorlegt. Die Zahl der an Streiks und Warnstreiks beteiligten Beschäftigten hat sich gegenüber 2011 mehr als versechsfacht – sie stieg von rund 180.000 auf etwa 1,2 Millionen.
    Ursache dafür waren umfangreiche Warnstreiks in der Metallindustrie sowie im Öffentlichen Dienst. Nicht zuletzt dadurch lag das Arbeitskampfvolumen 2012 mit schätzungsweise 630.000 Ausfalltagen mehr als doppelt so hoch wie 2011.
    Quelle: WSI [PDF – 72.7 KB]
  5. DIW: Demokratie und Arbeit sind den Menschen wichtiger als Wirtschaftswachstum
    Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts ist nach Ansicht der Wahlberechtigten nicht entscheidend für Wohlstand und Lebensqualität.
    Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) spielt als Gradmesser für Wohlstand nach Ansicht der deutschen Bevölkerung nur eine untergeordnete Rolle. Als weitaus wichtiger werden der Erhalt der Demokratie und eine hohe Erwerbstätigenquote eingeschätzt. Das geht aus einer repräsentativen Erhebung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) in Zusammenarbeit mit TNS Infratest hervor. „Wohlstand und Lebensqualität definieren sich für viele Menschen nicht vorrangig über die Höhe des Durchschnittseinkommens und des Wirtschaftswachstums“, sagt DIW-Experte Marco Giesselmann, einer der Studienautoren. „Die Politik muss deshalb auch die weiteren Bedürfnisse und Anforderungen der Menschen messbar machen und anerkennen.“ Hintergrund der Umfrage ist ein Vorschlag der Enquete-Kommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität“, die im Auftrag des Deutschen Bundestags eine Alternative zum BIP entwickeln soll und sich nun mehrheitlich für ein Konzept mit zehn Leitindikatoren ausgesprochen hat…
    Auf einer Skala von null bis zehn bewerteten die Befragten das Pro-Kopf-Einkommen – als Indikator für das Bruttoinlandsprodukt – durchschnittlich mit einem Wert von 7,4. Damit liegt das BIP fast am Ende der Bedeutsamkeitsskala der zehn von der Enquete-Kommission vorgeschlagenen Indikatoren; lediglich einer Erhöhung der Lebenserwartung wird mit einem Durchschnittswert von 6,6 eine noch geringere Relevanz zugesprochen. Dem Erhalt der Demokratie und einer hohen Erwerbstätigenquote werden mit Durchschnittswerten von 9,4 beziehungsweise 9,2 die mit Abstand höchsten Bedeutungen beigemessen. Die ökologischen Indikatoren für Aspekte wie Klimaschutz und Erhalt der Artenvielfalt liegen mit Mittelwerten von knapp über acht im Mittelfeld der Rangliste…
    Bedeutsame Unterschiede weist die Analyse für die Wähler verschiedener Parteien aus: So wird die Relevanz des BIP vor allem bei Wählern der SPD sowie der Linken hoch eingestuft. Besonders deutlich spiegelt sich das parteipolitische Spektrum bei der Frage nach der Einkommensverteilung wider:
    Während die Wähler von SPD, Grünen und Linken das Gleichheitsziel im Schnitt um bis zu 1,5 Skalenpunkte wichtiger einschätzen als CDU-Wähler, wird dem Indikator unter FDP-Wählern lediglich eine deutlich unterdurchschnittliche Relevanz beigemessen…
    Quelle: Pressemitteilung des DIW Berlin vom 27.02.2013

    Siehe dazu: Alternative Wohlstandsmessung: Neun Indikatoren können das Bruttoinlandsprodukt ergänzen und relativieren.

    Auffällig ist, dass Menschen mit mittleren Haushaltseinkommen allgemeine Einkommens- sowie Gleichheitsziele statistisch signifikant höher bewerten als Menschen in unteren und hohen Einkommensgruppen (um jeweils ungefähr einen halben Skalenpunkt).
    Forderungen nach einer Erhöhung von Bildungschancen und der Lebenserwartung
    sind dagegen in unteren Einkommensgruppen besonders stark, während die Wertungen von
    Schuldenreduktion und Demokratieerhalt als Politikziel bei dieser Gruppe deutlich und statistisch signifikant unterdurchschnittlich sind
    Quell: DIW Wochenbericht Nr. 9.2013, S. 3ff. [PDF – 374 KB]

    Dazu: Interview mit dem DIW-Forscher Marco Giesselmann, Wissenschaftlicher
    Mitarbeiter,
    Zum einen war für uns erstaunlich, dass Einkommensziele insbesondere in mittleren Einkommenslagen betont werden. In den unteren und höheren Einkommensgruppen
    beobachten wir hingegen eine relativ geringe Wertung dieses Wohlstandsaspekts. Zum zweiten stellen wir fest, dass Gleichheits- und Einkommensaspekte selbst unter Konstanthaltung von unterschiedlichen ökonomischen Positionen in Ostdeutschland höher gewichtet werden als in Westdeutschland. Zudem überrascht, dass Nachhaltigkeitspolitik insbesondere von älteren Personen priorisiert wird. Das hat uns erstaunt, weil die politischen Entscheidungen im ökologischen Bereich ja sehr langfristige Wirkungen haben. Das heißt, die Leute, die persönlich weniger vom ökologischen Handeln betroffen sind, werten diese Aspekte trotzdem besonders hoch. Sie dürften an ihre Kinder und Enkelkinder denken.
    Quelle: DIW Wochenbericht Nr. 9.2013, S. 13 [PDF – 374 KB]

    Anmerkung WL: Merkwürdig bei dieser Untersuchung ist, dass bei den Beurteilungsmöglichkeiten, die als wichtig oder weniger wichtig eingestuft werden konnten, die wirtschaftliche Entwicklung oder dessen Maßzahl das BIP gar nicht vorkommen. Dabei kann man den ökonomischen Zusammenhang von „Genug Arbeit“ oder das „Pro-Kopf-Einkommen“ und der wirtschaftlichen Entwicklung kaum trennen.
    Auffallend ist, dass bei den „Sorgen“ der Befragten, die Friedenserhaltung die höchste Bedeutung hat.

  6. Die Auswirkungen der Krisenbearbeitung in Griechenland
    Die griechische Krise und ihre Bearbeitung stehen stellvertretend für die Krisenpolitik (in) der Europäischen Union. In den nächsten Monaten und Jahren wird sich entscheiden, ob dieser eingeschlagene Weg eines autoritären und radikalisierten Neoliberalismus sich langfristig durchsetzen kann. Ein Blick nach Griechenland verdeutlicht, dass dies das Ende des Europäischen Sozialmodells bedeuten würde, denn auch wenn dieses im Vertrag von Lissabon bestätigt wurde, weist die derzeitige Krisenpolitik in den südlichen Krisenländern einen anderen Weg.
    Quelle: Gegenblende
  7. Dringender Korrekturbedarf: Ungleiche Verteilung und unterfinanzierte öffentliche Haushalte
    Zwei Themen sind Dauerbrenner in den wirtschaftspolitischen Debatten der vergangenen Jahre: Die finanzielle Situation der öffentlichen Haushalte (einschließlich der Staatsverschuldung) auf der einen und die zunehmende Ungleichverteilung von Einkommen und Vermögen auf der anderen Seite. Zwischen beiden besteht ein unmittelbarer Zusammenhang.
    Die Steuersenkungen der vergangenen Jahre, die insbesondere reichen Privathaushalten und dem Unternehmenssektor zu Gute gekommen sind, haben die Tendenz zu einer immer ungleicheren Verteilung zusätzlich verstärkt – und die öffentlichen Kassen geleert. Die Haushalte von Bund, Ländern und Kommunen sind heute strukturell unterfinanziert: Selbst in konjunkturell guten Jahren weisen sie keine Überschüsse auf, wichtige Ausgaben etwa für öffentliche Infrastruktur, für Bildung und Soziales oder für Erneuerbare Energien können nur unzureichend getätigt werden. Würde aktuell noch das Steuerrecht des Jahres 1998 gelten, dann hätten die öffentlichen Haushalte allein 2011 rund 50 Mrd. Euro mehr Einnahmen gehabt.
    Im internationalen Vergleich fällt der Anteil vermögensbezogener Steuern (Erbschaftsteuer, Vermögensteuer usw.) am Bruttoinlandsprodukt in Deutschland besonders niedrig aus: Er ist mit unter einem Prozent nur etwa halb so hoch wie der Durchschnitt der OECD-Länder.
    Quelle: annotazioni

    Anmerkung RS: Nicht ganz stimmig ist allerdings dieser Satz: „In einer modernen Volkswirtschaft steht jedem Euro Vermögen notwendig genau ein Euro Schuld gegenüber“. Es stimmt zwar, dass jeder Euro Schuld genau einem Euro Vermögen (in Form von Forderungen) gegenübersteht. Aber nicht jeder Euro Vermögen ist eine Forderung – ein abbezahltes Haus steht z.B. keinen Schulden gegenüber.
    Es stimmt aber schon, dass der Abbau von Schulden per Definition den Abbau von Vermögen in Form von Forderungen zur Folge hat. Und es ist natürlich ein Widerspruch an sich, den Abbau von Staatsschulden zu verlangen, und gleichzeitig den Aufbau von privaten Altersvorsorge zu fordern, die wiederum in Staatsschuldentitel investiert werden soll.

  8. Fraktion Die Linke will Riester-Förderung in die gesetzliche Rente überführen
    Die Fraktion Die Linke sieht mit Blick auf eine drohende Altersarmut weiter Teile der Bevölkerung Handlungsbedarf. In ihrem Antrag „Riester-Förderung in die gesetzliche Rente überführen“ (17/12436) fordert die Linksfraktion die Bundesregierung unter anderem auf, einen Gesetzentwurf vorzulegen, „mit dem das Ziel der Lebensstandardsicherung und Armutsvermeidung in der gesetzlichen Rentenversicherung verankert wird“. Dazu müsse das „Sicherungsniveau vor Steuern auf mindestens 53 Prozent festgelegt, der Solidarausgleich ausgebaut und eine solidarische Mindestrente eingeführt“ werden, heißt es in der Vorlage.
    Die Fraktion schreibt weiter, dass die Riester-Rente die Vorsorgelücke in Deutschland erwartungsgemäß nicht schließen könne. Denn, so heißt es zur Begründung, die Entwicklungen an den Finanzmärkten seien zu unsicher. Und „zu intransparent und kostenträchtig haben die Versicherungsunternehmen die Vorsorgeprodukte gestaltet“. Außerdem sei von Anfang an zu vermuten gewesen, „dass das sozialpolitische Ziel, die politisch gerissene Vorsorgelücke zu schließen, nicht erreicht werde“.
    Quelle: Deutscher Bundestag
  9. Nicht-EU-Ausländer: Fachkräfte sollen leichter nach Deutschland kommen
    Qualifizierte Menschen aus Ländern außerhalb der EU sollen leichter in Deutschland arbeiten können – auch wenn sie keinen akademischen Abschluss haben. Damit will die Bundesregierung Fachkräfte-Engpässe in bestimmten Berufen abmildern.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Bei fast 4 Millionen Arbeitslosen in Deutschland und weit über 20 Millionen in der EU ist Deutschland Fachkräfte aus dem Rest der Welt angewiesen???? Welchen Sinn soll so etwas haben, wenn nicht den offensichtlichen: die Löhne weiter unter Druck zu setzen und mit radikalem Lohndumping auch den letzten Unbotmäßigen davon abzuhalten, einen Lohn zu fordern, von dem er/sie leben kann. Ganz klar sollen sämtliche Marktmechanismen außer Kraft gesetzt (gäbe es einen Fachkräftemangel, dann stiegen auch die Löhne) und Armutslöhne für alle Zeiten festgeschrieben werden.

  10. Deutsche Bahn hält an Stuttgart 21 fest
    Die Deutsche Bahn AG (DB AG) hält die Fortführung des Bauprojekts Stuttgart 21 für wirtschaftlicher als den Abbruch. Dies erklärten Vorstandsmitglieder der DB AG am Mittwochmorgen im Ausschuss für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung, wo es um die Kostenentwicklung bei dem Projekt ging.
    Der Vorstandsvorsitzende der DB AG, Rüdiger Grube, führte dabei aus, dass im 2009 unterzeichneten Finanzierungsvertrag zwischen der DB AG und den weiteren Projektbeteiligten (unter anderem das Land Baden-Württemberg und die Stadt Stuttgart) Gesamtkosten von 4,09 Milliarden Euro vorgesehen seien. Diese Kostenkalkulation sei im vergangenen Jahr mit dem derzeitigen Planungsstand überprüft worden. Dabei habe sich eine Kalkulationsdifferenz von rund 1,1 Milliarden Euro ergeben. Darüber hinaus gebe es weitere Risiken von mehr als einer Milliarde Euro. Diese Ergebnisse hätten im Dezember 2012 vorgelegen, seien bisher allerdings noch ungeprüft. Der Vorstand habe den Aufsichtsrat umfassend informiert. Der Aufsichtsrat werde sich in einer außerordentlichen Sitzung am 5. März mit dem Gesamtprojekt erneut befassen. Dies bestätigte der Vorsitzende des Aufsichtsrates Professor Utz-Hellmuth Felcht.
    Die DB AG wies daraufhin, dass der Ausstieg „einvernehmlich“ zwischen allen Projektbeteiligten beschlossen werden müsse und führte weiter aus, dass das Land Baden-Württemberg auf Anfrage mitgeteilt habe, es stehe weiter zu dem Projekt. An den Mehrkosten werde sich aber nicht beteiligen. Dazu erklärte die FDP-Fraktion, dass der Geist des Finanzierungsvertrages beinhalte, dass sich die Vertragspartner an den Mehrkosten beteiligen. Es könne nicht sein, dass nach Wahlen Verträge nicht mehr eingehalten würden.
    Die CDU/CSU-Fraktion betonte, dass die Union weiterhin zu dem Projekt stehen werde. Dies sei ein zentrales Infrastrukturprojekt nicht nur für die Region um Stuttgart, sondern für Deutschland und sogar für Europa. Ihr Sprecher forderte, dass auch die anderen Projektpartner Verantwortung übernehmen müssten. Er hielt einen Abbruch des Projekts für falsch, da dieser teurer werden würde, als eine Fortsetzung.
    Der Sprecher der SPD-Fraktion kritisierte vor allem die Informationspolitik der Bundesregierung. Er betonte, dass jede Investition der DB AG wirtschaftlich sein müsste. Er habe nach der Neukalkulation Zweifel, ob die Wirtschaftlichkeit noch gegeben sei. Er forderte eine vollständige Transparenz bei den Entscheidungen für die Fortsetzung des Projekts, aber auch für einen Ausstieg und für andere Alternativen. Die Vertreter der Bundesregierung im Aufsichtsrat der DB AG sollten mitteilen, wie sie sich auf der nächsten Aufsichtsratssitzung verhalten würden. Dies lehnte die Bundesregierung ab, da der Sitzung nicht vorgegriffen werden sollte.
    Die Vertreterin der Linksfraktion sprach sich dafür aus, aus dem Projekt auszusteigen und beim derzeitigen Bahnhof zu bleiben. Durch den Neubau gebe es keine Kapazitätserhöhung. So würden Milliarden in einen Bahnhof gesteckt, der am Ende nicht besser sei als der jetzige Bahnhof.
    Der Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen vermutete, dass die Kostensteigerung schon länger bekannt gewesen sei. Es gebe bei diesem Projekt immer neue Wirtschaftlichkeitsberechnungen. Deshalb könne man keiner mehr vertrauen.
    Quelle: Deutscher Bundestag

    Dazu: Bahnhofsprojekt S21 “Das Ding wird gebaut”
    Der Bahnhof Stuttgart 21 sollte für Investoren ein gutes Geschäft werden. Nun drohen ihre Träume zu platzen – die Stadt reagiert mit Trotz.
    Quelle: Zeit.de

  11. Senat stoppt Geburts-TV im Klinikum Friedrichshain
    27 Kameras sind in einem Teil der Entbindungsstation installiert. Sie filmen das dortige Geschehen bei den Geburten. Doch der Senat sieht die Persönlichkeitsrechte der Kinder und der Arbeitnehmer in Gefahr.
    Wie berichtet, filmen derzeit in einem begrenzten Bereich der Entbindungsstation 27 installierte Kameras das dortige Geschehen für das geplante RTL-Format „Babyboom – Willkommen im Leben“.
    Quelle: Tagesspiegel

    Anmerkung WL: Ab dem ersten Atemzug ein Star?

  12. Bertelsmann: Adressenjagd auf Minderjährige?
    Dass Datenschützer einen von Lobbyisten lancierten Ausverkauf von Meldedaten an Adresshändler im letzten Augenblick verhindert haben, lässt Deutschlands größten Medien-Konzern völlig ungerührt.
    Denn mit Millionen Gutscheinen, die Bertelsmann an deutschen und österreichischen Schulen verteilt, macht der Konzern jetzt in großem Stil Jagd auf Adressen Minderjähriger – und läuft Sturm gegen die geplante Datenschutzverordnung in Brüssel. Gestützt wird dieser (keineswegs neue) Vorwurf durch zahlreiche Dokumente der Anti-Korruptionsplattform “LobbyPlag”.
    Quelle: gegen-stimmen.de
  13. Heiner Flassbeck: Den USA droht ein “mörderisches Sparprogramm” — was aber droht Europa?
    Laut Spiegel–Online droht den USA ein mörderisches Sparprogramm, wenn übermorgen die automatischen Kürzungen im Staatshaushalt greifen. Das stimmt, es ist vollkommen absurd, in einer Schwächephase der Wirtschaft (obwohl die Konjunktur in den USA noch viel besser läuft als in Europa) die Staatsausgaben zu kürzen, weil die Kürzungen die wirtschaftliche Entwicklung abschwähen. Mit der allgemeinen Abschwächung sinken dann auch die Einnahmen des Staates und seine Ausgaben steigen, z. B., weil es mehr Arbeitslose gibt, die er zu unterstützen hat.
    Wie schon bei der Diskussion des „fiscal cliff“ vor Weihnachten hat man den Eindruck, dieser einfache Zusammenhang gelte nur für die USA. In vielen Meinungsäußerungen unserer Leitmedien werden nämlich die extremen und dauerhaft restriktiven Eingriffe in die Staatshaushalte in der europäischen Währungsunion niemals als „mörderisch“ bezeichnet. Warum eigentlich? Die AusteritätsProgramme, die Brüssel und Berlin den kleineren südeuropäischen Ländern schon verordnet haben und Frankreich und Italien noch verordnen wollen, sind mindestens so „mörderisch“ wie die drohenden Kürzungen in den USA. Wieso wundern wir uns dann, dass in Italien die sogenannten europakritischen Parteien (die aber eigentlich nur gegenüber einem Europa mit mörderischen Programmen kritisch sind) mehr als fünfzig Prozent bekommen haben?
    Quelle: Flassbeck Economics

    Anmerkung unseres Lesers G.K.: Zwei Faktoren dürften für diese scheinbar schizophrene Bewußtseinsspaltung bei weiten Teilen der deutschen Politik, Medien und Wirtschafts-“Experten” maßgeblich sein:

    • Zum einen ist diese dem Ansinnen der hiesigen Neoliberalen geschuldet, über das Erzwingen einer europaweiten Austeritätspolitik gegenüber den Bevölkerungen Europas eine “Agenda 2020” durchzusetzen.
    • Zum anderen befürchten unsere auf das parasitäre deutsche “Exportmodell” fixierten Neoliberalen, die deutschen Exporte zum nach Frankreich zweitgrößten deutschen Handelspartner USA könnten als Folge einer US-Austeritätspolitik einbrechen. Im Jahre 2012 waren die deutschen Exporte in die USA gegenüber dem Vorjahr um 18 Prozent angestiegen, wodurch ein Gegengewicht zu den rückläufigen Exporten in die europäischen Staaten geschaffen wurde.

    Fazit: Die scheinbare Schizophrenität der hiesigen Neoliberalen erklärt sich aus deren ideologischer Fixierung auf den ungebremsten Durchmarsch des Neoliberalismus innerhalb der Eurozone sowie aus den ökonomischen Interessen der politisch sehr einflußreichen deutschen Exportwirtschaft.

  14. Wolfgang Münchau: Wahl in Italien: Die Verliererin heißt Angela Merkel
    Angela Merkel ist die wahre Verliererin der italienischen Wahlen. Denn ihre Euro-Krisenpolitik hat sich in den vergangenen Tagen als der große Irrtum erwiesen, der er immer war. Und meine Erwartung ist, dass uns diese Politik bald um die Ohren fliegen wird. Die Politik bestand darin, dass man Schulden- und Wettbewerbskrise südeuropäischer Länder mit einem Schlag durch einseitige Anpassung löst. Griechenland, Portugal, Spanien und Italien erwirken durch staatliche Einsparungen eine Rückzahlung der Schulden, indem sie Lohnkürzungen im Staatssektor erzwingen, die sich auf den Rest der Wirtschaft auswirken. Damit hätte man zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Die Hoffnung war, dass nach einem kurzen, scharfen Schock, Schulden- und Lohnniveau so wieder ins Lot kommen. Richtig clever, oder nicht? Pustekuchen. Weder die Ökonomie noch die Politik funktionieren so, wie man sich das in Deutschland vorgestellt hat. Ökonomisch war das eine Milchmädchenrechnung ohne Rücksicht auf die verheerenden gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen.
    Quelle: Spiegel-Online
  15. Clowns-Äußerung – Napolitano sagt Gespräch mit Steinbrück ab
    Die Absage des Gesprächs wurde von der italienischen Botschaft ohne Angabe von Gründen bestätigt. Auch Steinbrücks Sprecher Michael Donnermeyer bestätigte den Vorgang, er gab umstrittene Äußerungen des SPD-Politikers zum Wahlausgang in Italien an…
    “Bis zu einem gewissen Grad bin ich entsetzt, dass zwei Clowns gewonnen haben”, sagte Steinbrück…Einer, sagte er, sei “ein beruflich tätiger Clown, der auch nichts dagegen hat, wenn man ihn so nennt”, der andere sei Berlusconi, “ein Clown mit einem besonderen Testosteronschub”, so Steinbrück. “Mein Eindruck ist, dass zwei Populisten gewonnen haben”, sagte der SPD-Mann: “Das – in dieser Lage – wird, wie ich glaube, zu wieder größeren Problemen in der Euro-Zone beitragen.”…
    “Ob die Menschen danach abgestimmt haben, uns ist zu sehr die Keule des Sparens über den Schädel gezogen worden, weiß ich nicht – oder ob sie eher danach abgestimmt haben, wer ihnen populärere und damit auch etwas angenehmere Botschaften vertreten hat.”
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung J.K.: Tja, und die SPD hat ihren Clown als Kanzlerkandidaten, der zuverlässig von einem Fettnäpfchen ins nächste tritt. Zudem bestätigt Steinbrück wieder eindrucksvoll seine komplette ökonomische Inkompetenz, wenn er das merkelsche Austeritätsdiktat über Europa nicht als Problem erkennt. Das lässt Schlimmes erahnen, dass nämlich, für den unwahrscheinlichen Fall einer rot-grünen Koalition, die aberwitzige “Sparpolitik” auch unter einem Kanzler Steinbrück fortgesetzt wird.

  16. Sahra Wagenknecht: Steinbrück ist keine Alternative zu Merkel”
    Interview mit Sahra Wagenknecht, erschienen in der Schweriner Volkszeitung am 26.02.2013
    Quelle: Sahra Wagenknecht
  17. Viel Nähe, wenig Distanz: Journalisten sind Teil der Elitenetzwerke
    Uwe Krüger im Gespräch mit Brigitte Baetz
    “Meinungsmacht”, so heißt ein neues Buch, das sich mit dem Problem von Distanz und Nähe im Journalismus beschäftigt. Geschrieben hat es der Leipziger Medienforscher Uwe Krüger. Er hat in einer wissenschaftlichen Studie untersucht, wie eng die führenden Journalisten des Landes mit den Eliten aus Politik, Militär und Wirtschaft verbunden sind.
    Quelle: dradio
  18. Welch eine Verschwendung: Nachruf auf die Studiengebühren
    Studiengebühren sind ein sozial gerechtes Erfolgsmodell. Nun hat die Politik das wichtige Geldgeschenk für die Hochschulen verspielt – aus Populismus und Kurzsichtigkeit. Warum moderate Beiträge sinnvoll waren und eigentlich auch künftig nötig wären.
    Quelle: SZ

    Anmerkung unseres Lesers M.W.: Unglaublich, der Mann ist anscheinend Universitätsprofessor und simpler Logik unfähig: Sonst müsste er ja erkennen, dass es gerade umgekehrt ist – Bildungsfinanzierung durch Einkommensteuer trifft ja wegen der Besteuerung nach Leistungsfähigkeit gerade auch die Akademiker, die wirtschaftlich erfolgreich sind. Jedenfalls wenn das Steuersystem auch so praktiziert wird. Aber Steuern muss er heute halt auch zahlen, während sein Studium noch gebührenfrei war. Vielleicht erklärt das seine schiefe Logik.

    Ergänzende Anmerkung RS: Welch eine Verdrehung. Hier wird vorgeführt, wie man einfache Logik verdrehen kann, um Sachverhalte auf den Kopf zu stellen.

  19. Stéphane Hessel ist tot
    Der Autor der Streitschrift “Empört Euch!”, Stéphane Hessel, ist tot. Der Autor des globalisierungskritischen Bestsellers “Empört Euch!” (“Indignez-vous!”) starb in der Nacht zum Mittwoch, wie seine Frau Christiane Hessel-Chabry der französischen Nachrichtenagentur AFP bestätigte. Der Schriftsteller wurde 95 Jahre alt.
    Mit der im Oktober 2010 veröffentlichten Streitschrift “Empört Euch” hatte Hessel im hohen Alter noch einen Sensationserfolg gefeiert. Das schmale Protestbuch des ehemaligen Résistancekämpfers erreichte eine Millionenauflage und wurde weltweit zu einer Art Bibel von Globalisierungsgegnern und Anhängern der Occupy-Bewegung. In 35 Ländern wurden mehr als 4,5 Millionen Exemplare der Schrift verkauft.
    Quelle: SZ

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