Zweiter Nachtrag zu Becks Treppenwitz

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

Uns erreichen Erfahrungsberichte aus der Arbeitswelt, die wir Ihnen nicht vorenthalten wollen. Diese Erfahrung kommt in den Talkshows ohnehin zu kurz. Ein Grund mehr für uns, die Spalten dafür zu öffnen. Hier der Bericht eines anderen „Leistungsträgers“:

Hallo Nachdenkseiten!

Kann ihnen zu Becks Treppenwitz nur zustimmen. Als vermeintlicher Betriebsmeister (Erklärung weiter unten) sehe ich mich auch als Leistungsträger dieser Gesellschaft und kann es immer noch nicht fassen, dass es ausgerechnet die von mir damals gewählte rotgrüne Regierung war, die uns derart krass unsere soziale Sicherheit geraubt hat.

Nachdem ich im alten Betrieb betriebsbedingt gekündigt wurde (als Abteilungsleiter !) mußte ich mangels qualifizierter Ausbildung eine Stufe zurück und fing in einem chemischen Betrieb als Produktionsmitarbeiter an. Nach kurzer Zeit erkannte mein Chef wohl, dass meine Fähigkeiten für den Posten des Betriebsmeisters ausreichen. So einigte er sich mit dem alten Betriebsmeister auf eine Auflösung seines Vertrages und setzte mich an seine Stelle. Ich sagte ausdrücklich, dass ich zwar die Aufgaben erfüllen könnte, aber mir nicht vorstellen kann, die Pflichten eines solchen Postens auszufüllen. Damit war er einverstanden und seitdem trage ich also keine Verantwortung, erledige aber die Aufgaben des Meisters. Dies ist sicherlich auch ein gutes Beispiel für die Erosion im Arbeitsmarkt. Ich mache für günstiges Geld die Arbeit eines Meisters. Selbst habe ich lediglich einen Gesellenbrief im Handwerk.
Durch Geschichten wie meine werden höherqualifizierte Arbeiter verschoben. Wehren kann ich mich nicht, denn bei aller Überzeugung ist mein Lebensunterhalt auch nicht ohne Geld zu bestreiten.
Machen sie weiter so, durch ihre Arbeit glaube ich, dass es eines Tages eine Abkehr von der derzeit herrschenden neoliberalen Ideologie gibt.

Danke für die Ermunterung, aber wir überschätzen uns nicht.