Der Einfluss der Eliten auf deutsche Journalisten und Medien

Jens Berger
Ein Artikel von:

Die Doktorarbeit von Uwe Krüger untersucht, welchen Einfluss Eliten auf die Berichterstattung haben und zeigt die Netzwerke der wichtigen Menschen in Wirtschaft, Politik und Journalismus. Statt einen offenen Marktplatz an Ideen abzubilden, vertreten Journalisten demnach oft die Positionen der Herrschenden. Nach Uwe Krüger spitzt sich überall in Europa und in der ganzen Welt der Konflikt «Elite gegen das Volk» zu. Dabei stehen die Journalisten allzu oft auf der Seite der Eliten. Diese Erkenntnis ergibt sich aus der von der Fakultät für Sozialwissenschaften und Philosophie der Universität Leipzig angenommenen Dissertation „Meinungsmacht: Der Einfluss von Eliten auf Leitmedien und Alpha-Journalisten – eine kritische Netzwerkanalyse“. Ein Interview von Michael Voregger [*]

Warum haben Sie sich wissenschaftlich mit dem Einfluss der Eliten auf Journalisten beschäftigt?

Uwe Krüger: Ich war selber Journalist und wurde an der Universität mit hohen Idealen gefüttert – von Unabhängigkeit, Kritik und Kontrolle. Als ich dann medienjournalistisch tätig war, also über Journalismus und Journalisten berichtet habe, stieß ich auf eine geheime Konferenz – die jährliche Bilderberg-Konferenz. Dort treffen sich Politiker, Militärs, Wirtschaftsführer und Journalisten aus Nordamerika und Westeuropa. Über diese Konferenz war damals kaum etwas bekannt, die anwesenden Journalisten berichteten darüber nicht. Für mich begann eine Spurensuche, was da eigentlich im Hintergrund läuft.

Wie nah kommen Journalisten den Eliten unserer Gesellschaft und welche Medien verfügen über besonders gute Kontakte?

Uwe Krüger: Ich habe auf breiter Front Elitenkontakte von Journalisten erfasst. Es waren 64 Journalisten, die in 82 Organisationen involviert waren, wo auch Eliten aus Politik oder Wirtschaft beteiligt waren. Besonders heraus stachen die Netzwerke von vier Außenpolitik-Journalisten: dem Außenpolitik-Ressortleiter der Süddeutschen Zeitung, Stefan Kornelius, dem verantwortlichen Redakteur für Außenpolitik der FAZ, Klaus-Dieter Frankenberger, dem Chefkorrespondenten der Welt, Michael Stürmer, und dem Mitherausgeber der Zeit, Josef Joffe. Die waren in außen- und sicherheitspolitischen Think Tanks, US- und Nato-affinen Vereinen und vertraulichen Runden involviert, in denen sie teilweise immer auf dieselben Leute trafen.

Wie wirkt sich das harmonische Verhältnis auf die Berichterstattung aus?

Uwe Krüger: Ich habe die entsprechenden Artikel der vier vernetzten Journalisten zu dem Themenfeld Sicherheit, Verteidigung und Auslandseinsätze der Bundeswehr untersucht – speziell zu Afghanistan, wo es eine Kluft zwischen den Eliten und der Bevölkerung gibt. Die Bevölkerung ist mehrheitlich skeptisch gegenüber dem militärischen Engagement im Ausland und die Elite ist fast komplett dafür. Es zeigte sich, dass die vier Journalisten in ihren Artikeln den Diskurs der Eliten abbilden, deren Argumente verbreiten und für mehr militärisches Engagement werben.

Was verstehen Sie unter dem von Ihnen angeführten erweiterten Sicherheitsbegriff?

Uwe Krüger: Dem aktuellen Elitendiskurs liegt ein erweiterter Sicherheitsbegriff zugrunde. Der klassische Sicherheitsbegriff – wir verteidigen unser Territorium, wenn es angegriffen wird – ist seit den 1990er Jahren erweitert worden. Es geht jetzt um einen anderen Sicherheitsbegriff, der alle möglichen Gefahren einschließt: Terrorismus, Verbreitung von Massenvernichtungswaffen, Piraterie, Drogen, organisierte Kriminalität, Flüchtlingsströme, Demografie und Klimawandel. Wir verteidigen nicht mehr nur unser Territorium, sondern auch unseren Wohlstand, Kommunikationsinfrastruktur, die Versorgung mit Rohstoffen und Energie. Unter Sicherheitspolitik läuft jetzt ziemlich viel, und das kann dann eben auch den Einsatz von Militär außerhalb des eigenen Bündnisgebietes wegen ziemlich vieler Probleme legitimieren. Die im Elitenmilieu vernetzten vier Journalisten haben den neuen Begriff verwendet und aktiv beworben, obwohl es in der Zivilgesellschaft und in der Friedensforschung massive Kritik an dem Begriff gibt

Gibt es andere Beispiel für einseitige Berichterstattung?

Uwe Krüger: Ich habe die Berichterstattung über die Münchner Sicherheitskonferenz untersucht. Einige Journalisten von Leitmedien sind dort als normale Teilnehmer und nicht nur als Berichterstatter. Die bilden in ihren Medien sehr ausführlich den Diskurs der Eliten ab, der auf der Konferenz läuft. Die Konferenz als Institution wird nicht hinterfragt, obwohl sie nicht ganz einwandfrei legitimiert ist – sie ist eigentlich eine private Veranstaltung, die mit Steuergeldern gefördert und mit Polizisten und Soldaten abgesichert wird. Die Demonstrationen und Gegenveranstaltungen werden in diesen Medien ignoriert oder marginalisiert. Die Parteinahme ist schon offensichtlich.

Warum engagieren sich Journalisten hier so stark?

Uwe Krüger: Es gibt offensichtlich einen hohen individuellen Nutzen für Journalisten: Hintergrundinformationen, Orientierung, exklusive Kontakte, hochrangige Interviewpartner. Ich sehe aber nur einen eingeschränkten Nutzen für Leser und Zuschauer. Die bekommen das Wissen ja nicht in Form von Berichten und Reportagen aus diesen Hintergrundzirkeln vermitteln, sondern das Wissen und auch die Perspektive der Eliten. Das fließt in Kommentare und Leitartikel ein, von denen man glaubt, sie seien von unabhängigen und kritischen Journalisten verfasst Das kann auch absolut kontraproduktiv werden, wenn Journalisten integraler Teil von vertraulichen Politikplanungsprozessen sind, über die sie sich verpflichten zu schweigen. Denn Eliten schaffen im vertraulichen Rahmen Spannungen aus der Welt und finden einen Konsens bevor die öffentliche Diskussion überhaupt beginnen kann. Der Journalist aber ist Anwalt der Öffentlichkeit.

Wie weit entfernen sich Journalisten hier von ihrer Kontrollfunktion?

Uwe Krüger: Je näher sie den Machthabern und Entscheidern kommen, desto weiter entfernen sie sich von Kritik und Kontrolle. Die Nähe ist meist erkauft mit Konformität.
Da muss man diskutieren, wie groß der Abstand zwischen Journalisten und Eliten sein soll. Wollen wir, dass unsere größten und einflussreichsten Medien eine starke Schlagseite in Richtung der Eliten haben, oder wollen wir eher neutrale Beobachter, Kritiker und Kontrolleure haben – die aber vielleicht nicht immer die heißesten Indiskretionen und neuesten Insider-Informationen aus dem Elitenmilieu haben?

Wie könnte der von Ihnen geforderte „Sicherheitsabstand zwischen Journalisten und Eliten“ aussehen?

Uwe Krüger: Etwa so wie bei der New York Times. Die hat in ihrem Ethik-Kodex einen Paragrafen drin, dass Journalisten sich nicht in Organisationen engagieren dürfen, die selbst nachrichtenwürdige Aktivitäten entfalten oder die mit Politik und Wirtschaft zusammenhängen. Sie dürfen nicht in Beiräten oder Kuratorien sitzen. Sie dürfen sich lediglich in der journalistischen Aus- und Weiterbildung engagieren. Das ist ein Reinheitsgebot, das ich gerne auch in Deutschland verankert sähe.

Uwe Krüger
Meinungsmacht.
Der Einfluss von Eliten auf Leitmedien und
Alpha-Journalisten – eine kritische Netzwerkanalyse
Institut für Praktische Journalismus- und Kommunikationsforschung


[«*] www.voregger.de

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