Hinweise des Tages

Jens Berger
Ein Artikel von:

Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JK/WL/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Orwell 2.0
  2. Streit um die deutschen Exportüberschüsse
  3. Lohn-Studie – Mindestlohn macht die meisten Haushalte ärmer
  4. Koalitionsverhandlungen
  5. EZB: Hü, nein hott.
  6. Merkels Europa
  7. Vorstände in Dax-Unternehmen verdienen im Mittel 53 mal so viel wie durchschnittliche Beschäftigte
  8. Fannie Mae verklagt Deutsche Bank
  9. Konsumlaune?
  10. George Monbiot – This transatlantic trade deal is a full-frontal assault on democracy
  11. Hohe Staatsschulden – IWF denkt über Vermögensabgabe nach
  12. Warren Buffett: Starinvestor steigert Quartalsgewinn auf fünf Milliarden Dollar
  13. Der große Reibach
  14. Durchschnittliche Zahlbeträge von Arbeitslosengeld I, Männer und Frauen, 2004 – 2012
  15. Arbeitsqualität Älterer in belastenden Berufen
  16. Ein Fall von Raubtierlobbyismus
  17. Staatsanwalt leitet Verfahren gegen Klaeden ein
  18. Regierung an Arme: Reißt euch zusammen
  19. Kinofilm “Alphabet”

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Orwell 2.0
    1. CDU und CSU wollen Internet im NSA-Stil überwachen
      CDU und CSU drängen im Rahmen der Koalitionsverhandlungen mit der SPD in der Arbeitsgruppe Inneres auf eine deutliche Verschärfung und Ausweitung der Internetüberwachung: Innenexperten der Union schwebt dazu eine “Ausleitung” des Datenverkehrs an “Netzknoten” vor, wie sie etwa der zentrale Austauschpunkt DE-CIX in Frankfurt oder kleinere Zusammenschaltungspunkte einzelner Provider sowie weiterer Internetkonzerne darstellen. Dies erklärte der Vorsitzende der Dienstleistungsgesellschaft ver.di, Frank Bsirske, unter Berufung auf ein umfassendes Forderungspapier der konservativen Innenpolitiker gegenüber heise online…”
      Quelle: heise news

      Anmerkung WL: Siehe dazu schon „Wettrüsten im Cyber-War“.

    2. Die NSA in aller Munde – und was ist mit dem BND?
      Wir wissen mehr über den US-Geheimdienst als über unseren eigenen
      Die Snowden-Enthüllungen haben den mächtigsten Geheimdienst der Welt in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses gerückt. Die Empörung ist riesengroß. Die NSA hat nicht nur die Regierungschefs von befreundeten Ländern ausspioniert, sondern sammelt im Internet auch massenhaft Daten unbescholtener Bürger. Und fast täglich kommen neue Spionageaktivitäten ans Licht. Dies hat dazu geführt, dass die meisten Zeitungsleser in Deutschland besser über die Spionageprogramme der NSA informiert sind, als über die Aktivitäten deutscher Geheimdienste.
      Prism und XKeyscore sind von obskuren Decknamen für strenggeheime Überwachungsprogrammen zum alltäglichen Gesprächsstoff geworden. Aber weiß jemand, wie die Überwachungsprogramme des Bundesnachrichtendiensts heißen?…
      Quelle: Carta
    3. Handyüberwachung Selbstversuch
      SPIEGEL-TV Autor Peter Hell unterzieht sich dem Spionage-Selbstversuch mit einem gehackten Handy. Alles, was er spricht, tippt und fotografiert, kann lückenlos aufgezeichnet werden.
      Quelle: SPIEGEL TV
  2. Streit um die deutschen Exportüberschüsse
    1. Paul Krugman, übernehmen Sie
      US-Wirtschaftsnobelpreisträger Paul Krugman schaltet sich in die Debatte um den deutschen Exportüberschuss ein – und verteidigt die Kritik daran. Deutschland schade dem Wachstum der Weltwirtschaft.
      Üblicherweise ist China in den Halbjahresberichten des US-Finanzministeriums die böse Macht, die die Weltmärkte durch angeblich manipulative Währungspolitik schädigt. Aber im jüngsten Bericht war Deutschland dran: Seine Exportstärke und die damit verbundenen exzessiven Leistungsbilanzüberschüsse führten zu deflationären Tendenzen im Euroraum und weltweit. Deutschland müsse das heimische Wachstum stärken und die Exportabhängigkeit verringern. Der Bericht platzte mitten die erhitzte Diskussion um die Bespitzelung der Bundeskanzlerin und vieler anderer Spitzenpolitiker weltweit durch den US-Geheimdienst. Entsprechend scharf war die Reaktion aus dem politischen Berlin auf den Bericht. Der Überschuss sei Ausdruck der hohen Nachfrage nach deutschen Qualitätsprodukten. Den Amerikanern wurde empfohlen, vielleicht mal ihre eigene Wirtschaftssituation zu analysieren. Auch Wirtschaftsexperten wie Michael Bräuninger vom HWWI halten die Vorwürfe für falsch. So etwas käme immer aus Staaten mit hohen Leistungsbilanzdefiziten, die weit mehr importierten als exportierten, erklärte er in einem Interview mit dem Deutschlandfunk.
      Quelle: Handelsblatt

      dazu: Paul Krugman – The Harm Germany Does
      The Germans are outraged, outraged at the U.S. Treasury department, whose Semiannual Report On International Economic And Exchange Rate Policies says some negative things about how German macroeconomic policy is affecting the world economy. German officials say that the report’s conclusions are “incomprehensible” — which is just bizarre, because they’re absolutely straightforward.
      Quelle: New York Times

    2. Robert von Heusinger – Exportschlager Arbeitslosigkeit
      Die Kritik der USA an der deutschen Abhängigkeit von Ausfuhren ist allzu berechtigt. Denn die Jobs, die bei uns entstehen, fehlen anderswo. Das geht auf Dauer für alle nicht gut.
      Gewiss, die Vorwürfe sind nicht neu. Doch die Vehemenz, mit der das US-Finanzministerium Deutschlands Abhängigkeit vom Export geißelt, lässt aufhorchen. Dass die USA unter den Sündern im weltweiten Handel Deutschland an erster Stelle nennen, noch vor China und Japan, ist ganz und gar ungewöhnlich. Und ganz und gar ungerecht?
      Mitnichten. Denn Deutschland, das sich so gerne als wirtschaftspolitisches Musterland hinstellt und anderen gute Ratschläge gibt, spielt selber foul. Seit mehr als einer Dekade lebt es ökonomisch gesprochen unter seinen Verhältnissen – und damit auf Kosten der anderen Länder. Es produziert mehr Güter, etwa Autos, Lebensmittel und Maschinen, als seine Einwohner und Firmen kaufen und verbrauchen. Jahr für Jahr bleibt die inländische Nachfrage hinter der inländischen Produktion zurück, erwirtschaftet Deutschland Leistungsbilanzüberschüsse.
      Quelle: Frankfurter Rundschau
    3. Exportüberschüsse und die Kritik der USA: Was die Liberalen seit Adam Smith vergessen haben
      Deutschland feiert wieder und wieder seine hohen Exportüberschüsse. Dass diese aber eine wesentliche Ursache der aktuellen Finanzkrise und Eurokrise waren und sind – davon will die Bundesregierung nichts wissen, trotz der internationalen Kritik, wie sie beispielsweise aktuell und prominent vom US-amerikanischen Finanzministerium vorgetragen wurde. Dabei würde ausgerechnet ein Blick in das Hauptwerk des in Sonntagsreden gerne zitierten liberalen Vordenkers Adam Smith zeigen, wie sehr Merkel, Rösler, Schäuble und Co. mit ihrer Exportideologie danebenliegen.
      Es ist mittlerweile eine ganze Zeit her, seit die damalige französische Finanz- und Wirtschaftsministerin Christine Lagarde stärkere Anstrengungen Deutschlands zum Abbau der seiner Exportüberschüsse verlangt hat. Eine Forderung, die seither wieder und wieder von verschiedenster Seite erhoben wurde – jetzt eben aktuell vom US-amerikanischen Finanzministerium. Mit Händen und Füßen aber wehrten sich Vertreterinnen und Vertreter von Bundesregierung und deutscher Wirtschaft schon zu Zeiten Lagardes gegen einen Abbau der hiesigen Exportüberschüsse:
      Quelle: annotazioni
    4. Germany’s Export Obsession Is Dooming Europe to a Depression
      Europe is in a depression, because Germany is afraid of a recovery.
      It’s afraid that more inflation and more spending would wreck its export-led growth model. And afraid that southern Europe would stop trying to adopt that model if they had an easier way out. So Germany has left them no way out.
      Now, the euro zone’s latest recession has officially ended, but the euro crisis has not. That crisis is one of competitiveness. During the boom, money poured into southern Europe, blowing bubbles and pushing up wages. Then the bust came, and the money stopped. That left them with too little demand, and too high wages—and no real way to escape. If they had their own currencies, they could have just devalued to regain competitiveness. But they don’t have their own currencies. They have the euro. So they need to cut their wages relative to their competitors—to Germany, really.
      Germany, of course, calls this criticism “incomprehensible.” Its Economics Ministry thinks that its massive trade surplus just shows the “strong competitiveness of the German economy and the international demand for quality products from Germany.” But that’s a non sequitur. Germany doesn’t have such a big trade surplus because it sells so many quality products. It has such a big trade surplus because it sells so many quality products and it buys so little. Nobody is asking Germany to stop making quality products. They’re asking Germany to start paying their workers more and to start buying more from abroad. In other words, to tolerate a bit more inflation and government spending.
      Quelle: theatlantic

      Anmerkung E.J.: „Europa befindet sich in der Depression, weil Deutschland keinen heimischen Aufschwung will“. Die dahinter liegende Formel lautet natürlich: Austerität für alle, auch für Deutschland (hier aber gepuffert durch die Kapitalflucht in den deutschen Euro als sicherem Hafen). So liquidiert man Europa: Mit den Volkswirtschaften der sog. Krisenstaaten den deutschen europäischen Exportmarkt und mit der Binnennachfrage in Deutschland den europäischen deutschen. Und als Lösung für diese europäische loose-loose Erfolgsgeschichte made in Germany präsentiert die alte und neue Bundeskanzlerin allen Ernstes die Exportüberschussweltherrschaft. Die spinnen nicht nur, die Germanen, die sind – wieder mal – total durchgeknallt.

  3. Lohn-Studie – Mindestlohn macht die meisten Haushalte ärmer
    Höhere Stundenlöhne setzen sich laut einer Studie nicht in höhere Realeinkommen um. Gerade für Haushalte der Mittelschicht kann der Mindestlohn mit Einkommensverlusten einhergehen.
    Ein Mindestlohn von 8,50 Euro je Stunde wird die Einkommen ärmerer Haushalte in Deutschland kaum erhöhen. Berücksichtigt man die Auswirkungen des Mindestlohns auf Beschäftigung und Verbraucherpreise, dann gehen die realen Einkommen dieser Haushalte unter dem Strich sogar leicht zurück. Zu diesem Ergebnis kommt eine Modellrechnung des Ökonomen Viktor Steiner von der Freien Universität Berlin und seines Kollegen Kai-Uwe Müller vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Unter Umständen drohe als Folge des geplanten Mindestlohns sogar eine leichte Zunahme der Einkommensungleichheit, schreiben Steiner und Müller in ihrer Studie („Distributional effects of a minimum wage in a welfare state“), die der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vorab vorliegt.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung RS: Das ist keine „Studie“, sondern nur eine Modellrechnung. Man „beweist“, dass Mindestlöhne die Arbeitslosigkeit erhöhen, indem man ein Modell benutzt, das annimmt, dass Mindestlöhne die Arbeitslosigkeit erhöht. Aber die FAZ erkennt diesen offensichtlichen Zirkelschluss nicht.

    Anmerkung JB: Echte Studien von der University of California aus Berkeley und dem IAQ kommen zu dem Ergebnis, dass der Mindestlohn keine Arbeitsplätze vernichtet.

  4. Koalitionsverhandlungen
    1. Christoph Butterwegge – Große Koalition – Von unten nach oben
      Nach drei Sondierungsgesprächen verhandeln CDU, CSU und SPD über ein Regierungsbündnis, das bei Teilen der Bevölkerung große Erwartungen weckt. Aus diesem Grund ist ein Rückblick auf die letzte große Koalition von 2005 bis 2009 sinnvoll. Deren Neuauflage verheißt für die »kleinen Leute« und den Wohlfahrtsstaat wenig Gutes, läßt man die Bilanz ihrer Sozialpolitik noch einmal Revue passieren, was im folgenden geschehen soll.
      Die SPD mußte im September 2009 nach vier Jahren großer Koalition mit 23 Prozent das schlechteste Wahlergebnis ihrer Nachkriegsgeschichte verkraften. Das hatte weniger mit der magischen Anziehungskraft der damaligen CDU/CSU-Kanzlerkandidatin Angela Merkel auf Wähler oder mit ihrer Fähigkeit zu tun, Koalitionspartner wie eine Schwarze Witwe zu vernichten, sondern vielmehr mit einer unsozialen Regierungspraxis, die den sozialdemokratischen Stammwählern materielle Opfer abverlangte. Man denke nur an die Erhöhung der Mehrwert- und Versicherungssteuer von 16 auf 19 Prozent sowie die Anhebung des Renteneintrittsalters von 65 auf 67 Jahre. Die bürgerliche Klientel der Unionsparteien profitierten hingegen von zahlreichen Steuergeschenken und Vergünstigungen.
      Quelle: junge welt
    2. Union und SPD greifen nach der Rentenkasse
      Union und SPD bereiten einen Zugriff auf die gut gefüllte Rentenkasse vor. Um neue Rentenleistungen finanzieren zu können, wollen die designierten Koalitionspartner verhindern, dass der Rentenbeitragssatz zum Jahreswechsel automatisch von 18,9 auf 18,3 Prozent sinkt. Weil die Zeit drängt, erwägen Union und SPD, schon während der laufenden Koalitionsverhandlungen ein Gesetzgebungsverfahren einzuleiten, um ihr Ziel zu erreichen. Nur dann wäre eine Gesetzesänderung bis Jahresende zu schaffen…
      Die Union dringt auf eine Verbesserung der Renten für Mütter, deren Kinder vor 1992 geboren sind. Die für sie vorgesehenen Rentenaufschläge – 28 Euro je Kind im Monat zusätzlich – würden 6,5 Milliarden Euro jährlich kosten.
      Das Lieblingsvorhaben der SPD ist die „abschlagsfreie Rente mit 63 Jahren“ nach 45 Versicherungsjahren; hierfür sollen 30 Beitragsjahre reichen. Diese Neuerung würde bis zu 5 Milliarden Euro jährlich kosten. Hinzu kommen noch höhere Renten für Erwerbsgeminderte und Geringverdiener, die beide Seiten befürworten. Auch diese beiden Vorhaben summieren sich, über die Jahre bis 2030 stark anwachsend, jeweils auf mehrere Milliarden Euro.
      Quelle: FAZ Net

      Anmerkung WL: Auch ich trete für die Beibehaltung des Rentenbeitragssatzes ein, aber damit sollten die gesetzlichen Renten erhöht werden und nicht versicherungsfremde, also nicht beitragsgedeckte Leistungen, wie die von CDU und SPD vorgeschlagenen finanziert werden. Die Verbesserungen bei der Mütterrente z.B. sind Sozialleistungen, die über die Steuern – also von allen – und eben nicht nur von versicherungspflichtigen Arbeitnehmern zu finanzieren ist. Das Gleiche gilt für die dringend notwendige Erhöhung der Erwerbsminderungsrente. Auch die „Solidarrente“ darf nicht einfach der gesetzlichen Rentenversicherung aufgehalst werden. Dass sie immer dringender wird, hat vor allem mit den Rentenkürzungen per Gesetz der letzten Jahre zu tun und mit dem Lohndumping durch die Hartz-Gesetze und der politisch gewollten Ausuferung des Niedriglohnsektors zu tun.
      Wenn man alle diese Leistungen der gesetzlichen Rente aufzwingt, wird immer klarer, dass die Renten-„Reformen“ nichts mit der demografischen Entwicklung zu tun haben, sondern dass die Rentenkasse dazu benutzt wird, Steuererhöhungen zu vermeiden. Damit zahlen aber die Masse der normalen Einkommensbezieher und nicht die Besserverdienend die neu hinzukommenden sozialen „Wohltaten“.

    3. Steuern: Gerechtigkeit kein Thema mehr?
      Im Bundestagswahlkampf hatten Teile der Politik noch eine gerechtere Besteuerung, einen allgemeinen Mindestlohn und mehr Geld für die Kommunen gefordert. Doch die Koalitionsverhandlungen zeigen: der Politikwechsel zu mehr Gerechtigkeit steht noch am Anfang. Ein erster Schritt wäre die im letzten Jahrzehnt geübte Reichtumspflege zu beenden.
      Soziale Gerechtigkeit war das Thema im Bundestagswahlkampf. Teile der Politik hatten die Spaltung der Gesellschaft problematisiert, von der dramatisch wachsenden Spreizung der Einkommen und Vermögen bis zu ungleichen Bildungschancen. Die Lösungsvorschläge stießen bei den Wählerinnen und Wählern auf breite Zustimmung: gerechtere Besteuerung, Mindestlohn und mehr Geld für Kommunen, damit sie wieder investieren und für sozialen Ausgleich sorgen. Was dringt dazu aus den Koalitionsverhandlungen nach außen? Der Politikwechsel zu mehr Gerechtigkeit steht noch am Anfang!
      Quelle: DGB
    4. SPD erinnert sich an ihr Wahlkampfthema
      Bezahlbare Mieten war eines der Top-Themen im SPD-Wahlkampf. Es wird bei den Koalitionsverhandlungen unter anderem in der Arbeitsgruppe (AG) Verkehr verhandelt, die am Dienstag zum ersten Mal tagte. Zuvor hatte Berlins Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD) kritisiert, dass das Thema in den Kernforderungen der SPD, die der Parteikonvent am 20. Oktober beschlossen hatte, nicht prominent platziert sei. Florian Pronold, der für die SPD die AG leitet, erwiderte: “Es können nicht 180 Seiten Programm zu Kernforderungen werden.” Bis jetzt hörte man davon wohl deshalb wenig, weil es anders als Altersarmut oder Mindestlohn nicht alle Deutschen betreffe, sagte Dirk Kienscharf, städtebaulicher Sprecher der SPD in Hamburg. Pronold erklärt die Zurückhaltung der SPD dagegen damit, dass es schon genügend Konflikte mit der Union gebe. “Und wo Unterschiede nicht so groß sind, muss man sie nicht größer machen.” Denn Union und SPD wollen beide, dass die Miete nicht um mehr als 10 Prozent der Vergleichsmiete erhöht werden kann, wenn eine Wohnung weitervermietet wird. Dass es mehr Wohnraum geben muss, da sind sich ebenfalls beide Parteien einig.
      Quelle: taz

      Anmerkung Orlando Pascheit: Nicht alle Deutschen? Viele Normalverdiener, geschweige denn Durchschnittsrentner, werden sich Mieten in Hamburg, München und anderswo bald nicht mehr leisten können. Löhne und Renten halten keineswegs mit den Mietsteigerungen mit. Diejenigen, die auf Altersarmut zusteuern oder unter einen Lohn unter dem angedachten Mindestlohn beziehen, sind auf jeden Fall von steigenden Mieten betroffen. Wie schön, dass sich SPD und Union so einig sind, dass es mehr Wohnraum geben müsse, aber was heißt das konkret?

  5. EZB: Hü, nein hott.
    Einmal so, einmal so. Spanische und italienische Banken müssen sich wie Pferde vorkommen, die widersprüchliche Anweisungen erhalten. Erst («hü») teilte die Europäische Zentralbank (EZB) Banken mit dem Dreijahrestender LTRO 2011 und 2012 grosszügig Liquidiät zu, die in Italien und Spanien dankbar (sprich: in grossen Umfang) aufgenommen wurde. Das Geld wurde flugs in Staatsanleihen investiert. Entsprechend stieg der Anteil in den Bankbilanzen in Spanien und Italien, wie die Grafik zeigt, ganz im Gegenteil zu den USA (UST), Grossbritannien (UK) oder dem Rest der Eurozone. – Nachdem die EZB zunächst für Finanzstabilität sorgte, aber damit die gegenseitige Abhängigkeit von Staat und Banken noch stärkte, setzt sie sich jetzt («hott») einen zweiten Hut auf, den der Bankaufsicht. Aus dieser Perspektive gefällt ihr das Treiben bedeutend weniger. Denn sei es aus Gründen des Konzentrationsrisikos – sowohl in Spanien als auch Italien sind rund 9% der Bankbilanzen in Staatsanleihen investiert – oder sei es, weil diese Staatsanleihen immer noch als «risikolos» in der Kapitalberechnung erscheinen. So oder so wird die Aufsichts-EZB diese Positionen genau anschauen, wenn sie im kommenden Jahr die Bilanzen prüft und anschliessend einen Stresstest durchführt (vgl. hier). Und wo sie die Bewertung für zu niedrig hält, wird mehr Eigenkapital fällig.
    Quelle: FuW

  6. Merkels Europa
    1. EU-Strukturhilfen: Zuckerbrot nur noch gegen Peitsche
      Den Krisenländern der EU droht künftig eine doppelte Strafe aus Brüssel. Wenn sie gegen die Spar- und Reformauflagen der EU-Kommission verstoßen, werden nicht nur EU-Defizitverfahren mit millionenschweren Geldstrafen fällig. Zusätzlich sollen auch noch die -für viele Krisenländer überlebenswichtigen – Zahlungen aus den EU-Struktur- und Kohäsionsfonds zurückgehalten werden. Dies beschlossen die EU-Botschafter am Mittwochnachmittag in Brüssel. Vor allem Deutschland habe sich für die umstrittene Neuregelung starkgemacht, hieß es in EU-Kreisen. Bisher galt die “Konditionalität” nur für Nothilfen. Nun soll sie auch auf die Regionalpolitik ausgeweitet werden – also auch die Struktur- und Kohäsionsfonds. Die regionalpolitische Grünen-Sprecherin Elisabeth Schroedter sagte, gerade Krisenländern eröffneten Struktur- und Kohäsionsfonds oft die einzigen Wege, zu investieren – und so etwas gegen die Krise zu tun: “Die Effekte dieser Sanktionsmaßnahmen wirken in den Regionen wie ein Damoklesschwert”. – Bei diversen EU-Gipfeln hatte Kanzlerin Angela Merkel Krisenländern schnellere Hilfe aus den Strukturfonds versprochen. Dieses Versprechen wird jetzt, so die Kritiker, ad absurdum geführt.
      Quelle: taz

      Anmerkung Orlando Pascheit: Warum reagiert die SPD nicht auf diese Beschlüsse? Die Zahl der Kritiker an den bisherigen Spar- und Reformauflagen der Troika (nicht nur in den Krisenländern) nimmt ständig zu, nur in der Bundesregierung ist nicht der kleinste Ansatz einer Selbstkritik auszumachen. Und die Kritik kommt beileibe nicht nur von links, wie die NachDenkSeiten laufend berichten. Der Umgang mit den Krisenländern gehört ganz zentral in die Koalitionsverhandlungen. – Bei der aktuelle Unfähigkeit, kurz- wie langfristige Vorstellungen bezüglich der Währungsunion zu entwickeln, also einem weiteren “auf Sicht fahren”, brauchen uns nicht zu wundern, wenn demnächst einige Länder die Währungsunion “ungeordnet” verlassen und diese uns um die Ohren fliegt.

    2. Wirtschaftskrise: “Endlich aufhören, das Falsche zu tun!”
      Ein Interview mit Mark Blyth ist Professor für internationale politische Ökonomie und Faculty Fellow am Watson Institute for International Studies der Brown University.
      In ihrem neuesten Buch beschreiben Sie Austerität als „gefährliche Idee“. Ist es nicht einfach gesunder Menschenverstand, Staatsausgaben in Krisenzeiten zu reduzieren? Und ist nicht die Staatsverschuldung tatsächlich ein Problem, das ernsthaft angegangen werden muss?
      Blyth: Das wäre es sicher, wenn öffentliche Ausgaben das Problem gewesen wären. Aber das waren sie nicht. Auch wenn das oftmals fälschlich so berichtet wird: die durchschnittliche Verschuldung der OECD-Staaten ist vor 2007 tatsächlich zurückgegangen. Spanien und Irland, diese hoffnungslosen Fälle der Austerität, hatten ihre öffentliche Verschuldung im Jahre 2006 sogar unter 40 beziehungsweise 20 Prozent des BIPs reduziert.
      Was tatsächlich geschah, war dies: Private Ausgaben nahmen zu, als Kapitalflüsse aus Nordeuropa auf der Suche nach Rendite in den Süden wanderten. Das hat die privaten Immobilienblasen in Spanien und Irland vergrößert. Das Problem waren private Ausgaben, die auf privaten Krediten beruhten. Und die fielen weg, als diese Blase platzte. Vor diesem Hintergrund frage ich mich, weshalb die Antwort auf ein Problem im Privatsektor nun die Reduzierung von Ausgaben im öffentlichen Sektor sein soll. Das ist ein Mysterium. Denn die Staaten, die ihre Staatsausgaben gekürzt haben, stehen heute vor größeren Schulden als am Beginn des Prozesses. Sogar vor sehr viel größeren. Und weil sie Ausgaben beschnitten als ihr BIP schrumpfte, nahm der Gesamtschuldenstand trotz der Einschnitte zu. Das ist auch der Grund dafür, dass Deutschland Griechenland auch heute noch finanziell heraushauen muss…
      Quelle: IPG

      Anmerkung J.K: Die NachDenkSeiten weißen ja in Permanenz auf die desaströsen Folgen der Austeritätspolitik hin. Auch wenn man damit in Berlin auf taube Ohren stößt, da die dortigen politischen Akteure offenbar „in einem seltsamen Paralleluniversum“ leben, wie es Heiner Flassbeck treffend formuliert hat.

    3. Akademikerflucht – Wir sind dann mal weg
      Jung sein heißt in Portugal derzeit auch, mobil zu sein und im Ausland sein Glück zu versuchen. Etwa 52.000 Portugiesen haben nach Angaben der nationalen Statistikbehörde im vergangenen Jahr das Land verlassen, mehr als die Hälfte davon junge Menschen zwischen 20 und 34 Jahren. Andere Quellen gehen sogar von 150.000 Portugiesen aus, die 2011 das Land verlassen haben.
      Portugal steckt seit zweieinhalb Jahren in der Rezession. Im zweiten Quartal dieses Jahres wuchs die Wirtschaft zwar den Angaben zufolge um 1,1 Prozent, aber noch immer wird für das laufende Jahr mit einer schrumpfenden Wirtschaft gerechnet. Dementsprechend schwierig ist es für junge Portugiesen, Arbeit zu finden: Etwa 37 Prozent der Menschen zwischen 15 und 24 Jahren waren im August laut Statistikbehörde arbeitslos, von den 25- bis 34-Jährigen war rund jeder Fünfte ohne Job. Die Arbeitslosenquote in der Gesamtbevölkerung lag bei 16,5 Prozent.
      Quelle: SPON

      Anmerkung JK: Ein weiterer Beleg für die fatalen Folgen der aberwitzigen Austeritätspolitik. Und Merkel will diese zum politischen Paradigma für die ganze EU machen. Wer stoppt die gefährlichste Frau Europas?

  7. Vorstände in Dax-Unternehmen verdienen im Mittel 53 mal so viel wie durchschnittliche Beschäftigte
    Die Verdienstrelationen in deutschen Großunternehmen untersuchen Experten aus der Abteilung Mitbestimmungsförderung der Hans-Böckler-Stiftung. Marion Weckes und Nils Werner haben für das Jahr 2011 die Pay Ratio in den Dax-30-Konzernen ermittelt.* Dabei berücksichtigten sie nicht nur die Vorstandsvorsitzenden, sondern alle Mitglieder in den Unternehmensvorständen. Auf Basis der Geschäftsberichte berechneten die Fachleute, um wie viel das durchschnittliche Salär der Spitzenmanager das durchschnittliche Gehalt im Unternehmen übertraf.
    Ergebnis: Die Bandbreite ist groß, sie reicht vom 12-Fachen bei der Commerzbank über das 20-Fache bei Beiersdorf und das 82-Fache bei Henkel bis zum 170-Fachen bei VW. Im Mittel verdiente ein Vorstandsmitglied rund 53-mal so viel wie ein durchschnittlicher Beschäftigter. Auch die Entwicklung seit den Jahren 2008 und 2005, für die ebenfalls Berechnungen vorliegen, ist nicht einheitlich. Am klarsten stellt sich noch der Trend gegenüber 2005 dar: In 19 der 25 Unternehmen, die in beiden Jahren im Dax 30 notiert waren, nahm die Ungleichheit zu; teilweise kräftig.
    Deutliche Veränderungen nach oben oder unten können mehrere Gründe haben: Neben der aktuellen Geschäftsentwicklung spielt beispielsweise auch eine Rolle, ob im Untersuchungsjahr Mehrjahresboni fällig wurden. Wenn ein Unternehmen neuen Beschäftigten niedrigere Löhne zahlt, etwa bei einer Expansion im Ausland, schlägt sich das ebenfalls nieder. Der relativ geringe Wert bei der Commerzbank erklärt sich mit dem Gehaltsdeckel, den die Vorstände als Bedingung für die staatliche Finanzhilfe akzeptieren mussten.
    Quelle: Hans-Böckler-Stiftung


    Quelle: Infografik Hans-Böckler-Stiftung

    dazu: Entwicklung Manager to Worker Pay Ratio 2005-2011

    Quelle: Infografik Hans-Böckler-Stiftung

  8. Fannie Mae verklagt Deutsche Bank
    Der Libor-Skandal wird für die Deutsche Bank immer bedrohlicher. Neben den noch nicht abgeschlossenen Ermittlungen internationaler Aufsichtsbehörden häufen sich nun auch Schadenersatzforderungen von Unternehmen. Am Donnerstag reichte der US-Immobilienfinanzierer Fannie Mae in New York Klage gegen die Deutsche Bank sowie acht weitere Banken ein. Das Unternehmen fordert von den Instituten rund 800 Millionen US-Dollar (585 Mio Euro) Schadenersatz. Die in der Finanzkrise 2008 verstaatlichte Fannie Mae sieht sich durch die Manipulation der Libor-Zinssätze geschädigt, zu denen sich die Banken untereinander Geld leihen. Im Vertrauen auf eine ehrliche Festsetzung gelten diese als Basis für Finanzgeschäfte von Hunderten Billionen Dollar. Vor mehr als einem Jahr hatte sich das Frankfurter Bankhaus Metzler einer Sammelklage in den USA gegen die Deutsche Bank angeschlossen, die nach Angaben einer Sprecherin unverändert weiterläuft. Dass einzelne Deutsche-Bank-Mitarbeiter an den Tricksereien beteiligt waren, bestreitet die Bank nicht. Sie betont aber, dass das Top-Management nicht in die Vorgänge verwickelt gewesen sei.
    Quelle: SZ

    Anmerkung WL: Laut Handelsblatt geraten immer mehr Bankinstitute wegen möglicher Währungskursspekulationen ins Visier der Ermittler. Siehe z.B. im Guardian bei Bloomberg Bsinessweek.

  9. Konsumlaune?
    Zuletzt, am 31. Oktober, ließ die GfK zum deutschen Konsum diese Botschaft via Pressemitteilung verbreiten:
    “Die Konsumlaune der deutschen Verbraucher bleibt weiterhin ungebrochen. Anhaltend stabile Beschäftigungsaussichten verbunden mit realen Einkommenszuwächsen sorgen dafür, dass die Konsumenten den Moment derzeit als günstig einschätzen, größere Anschaffungen zu tätigen.”
    Sie ist damit jedes Mal so erfolgreich, dass die einschlägigen Nachrichten den ganzen Tag lang den Konsumklimaindex des GfK senden…
    Am Donnerstag hat das Statistische Bundesamt die Einzelhandelsumsätze für den Monat September veröffentlicht. Wir haben dies zum Anlass genommen, einmal zurückzuschauen, wie “ungebrochen” denn die deutsche “Konsumlaune” in der langen und kurzen Frist war. Sie war seit 1999 “ungebrochen” niedrig, wie die folgende Graphik sucht zu veranschaulichen:
    Im August hat der reale Einzelhandelsumsatz das Kunststück vollbracht, genau auf dem Niveau des Jahres 2010 zu landen. Im zuletzt ausgewiesenen September ist der Einzelhandelsumsatzindex noch um 2,5 Punkte unter den Wert von 2010 (=100) gesunken (blaue Linie in der Graphik). So geflügelt das Wort “Konsumlaune” also geworden ist, so wenig beflügelt ist der reale Konsum.

    Quelle: Wirtschaft und Gesellschaft

  10. George Monbiot – This transatlantic trade deal is a full-frontal assault on democracy
    Brussels has kept quiet about a treaty that would let rapacious companies subvert our laws, rights and national sovereignty […]
    The purpose of the Transatlantic Trade and Investment Partnership is to remove the regulatory differences between the US and European nations. I mentioned it a couple of weeks ago. But I left out the most important issue: the remarkable ability it would grant big business to sue the living daylights out of governments which try to defend their citizens. It would allow a secretive panel of corporate lawyers to overrule the will of parliament and destroy our legal protections. Yet the defenders of our sovereignty say nothing.
    The mechanism through which this is achieved is known as investor-state dispute settlement. It’s already being used in many parts of the world to kill regulations protecting people and the living planet.
    Quelle: The Guardian
  11. Hohe Staatsschulden – IWF denkt über Vermögensabgabe nach
    In seinem jüngsten Fiskalbericht hat der Internationale Währungsfonds einen Vorschlag versteckt, der Sparer in aller Welt erschrecken dürfte. Es geht um eine Sondersteuer von 10 Prozent auf Vermögen, um die Staatsschulden in den Griff zu bekommen. […]
    Als historische Beispiele verweist der IWF auf Vermögensabgaben nach dem Ersten Weltkrieg und dem Zweiten Weltkrieg. Zudem erwähnt der IWF einen Aufsatz eines Mitarbeiters des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW). Dieser hatte im vergangenen Jahr eine 10-Prozent-Abgabe auf Vermögen in Europa angeregt. In Deutschland würde eine einmalige Besteuerung aller privaten Vermögen oberhalb von 250.000 Euro etwa 230 Milliarden Euro einbringen. […]
    Der IWF hat in seinem Fiskalbericht vom Oktober weitere Möglichkeiten erörtert, wie Staaten ihre Schuldenquoten reduzieren können. Dabei diskutiert er auch verschiedene Möglichkeiten für höhere Reichensteuern. Die Einkommensteuertarife seien seit den achtziger Jahren weniger steil geworden. Vor dem Hintergrund höherer Einkommensungleichheit gebe es Raum für höhere Spitzensteuersätze. Für Deutschland errechnen die IWF-Ökonomen, dass der Höchststeuersatz von 45 Prozent auf bis zu 70
    Prozent für die Top-Einkommen erhöht werden könnte. In Griechenland, Island, Irland, Portugal, Spanien und Großbritannien seien die Höchststeuersätze seit 2008 schon um durchschnittlich 8 Prozentpunkte angehoben worden, schreibt der IWF.
    Quelle: FAZ
  12. Warren Buffett: Starinvestor steigert Quartalsgewinn auf fünf Milliarden Dollar
    US-Starinvestor Warren Buffett hat ein weiteres Mal sein glückliches Händchen beim Geschäftemachen bewiesen. Der Gewinn seiner Holding Berkshire Hathaway stieg im dritten Quartal um 29 Prozent auf unterm Strich 5,1 Milliarden Dollar, wie das Unternehmen am Sitz in Omaha mitteilte.
    Grund für den Sprung waren vor allem einträglichere Spekulationen am Finanzmarkt. Berkshire Hathaway ist an zahlreichen Großkonzernen beteiligt wie Coca-Cola oder IBM Chart zeigen, auch bei der Wall-Street-Bank Goldman Sachs war er erst jüngst als Großaktionär eingestiegen.
    Den größten Anteil am Gewinn haben aber weiterhin die direkten Tochtergesellschaften mit 3,7 Milliarden Dollar – acht Prozent mehr als im Vorjahr. Zum Buffett-Imperium gehören unter anderem Energieversorger, Versicherungen oder die Frachteisenbahn Burlington Northern Santa Fe.
    Vor wenigen Monaten hatte sich der Starinvestor auch noch die Ketchupfirma H.J. Heinz Chart zeigen einverleibt, die er zusammen mit einem Finanzinvestor für 23 Milliarden Dollar übernahm. Davor kaufte er reihenweise Lokalzeitungen auf.
    Quelle: SPON

    Anmerkung JK: Wieder ein plakativer Beleg wie verquer das heutige Denken eigentlich ist. Wie es im obigen Beitrag so schön heißt: „Grund für den Anstieg (des Gewinns) sind lukrative Spekulationen an den Finanzmärkten.“ Dieser Herr hat in seinem ganzen Leben vermutlich noch nie irgendwelche produktive Arbeit geleistet, dennoch ist ihm die allgemeine Bewunderung gewiss. Und wie Buffet zu seinen Milliarden kommt wird auch in keiner Weise ernsthaft hinterfragt. Stattdessen müssen Millionen Menschen, wie etwa in Griechenland, Spanien und Portugal, Entbehrungen und massive Einschränkungen ihres Lebensstandards ertragen nur damit sich Figuren wie Buffet weiter die Taschen füllen können.

  13. Der große Reibach
    Mit dem Wahlsieg Margaret Thatchers in Großbritannien 1979 und der US- Präsidentschaft Ronald Reagans ab 1981 begann eine ‘neoliberale Revolution’, die den Kapitalismus tiefgreifend verändert hat. Diese Ära ging 2007 mit einer Immobilienkrise zu Ende, die die westliche Welt in ein Wirtschaftstief stürzte – mit unabsehbaren Folgen.
    Als Margaret Thatcher in Großbritannien und Ronald Reagan in den USA die Regierung übernahmen, starteten diese beiden überzeugten Anhänger mit Hilfe von Wirtschaftsberatern der mächtigsten Großbanken eine Deregulierungskampagne sondergleichen: Stück für Stück zerschlugen sie alles, was nach der großen Depression 1929 und der Nachkriegszeit geschaffen worden war, um dem Kapitalismus eine soziale Komponente zu geben. Ihre Nachfolger, ob konservativ oder “links”, führten diese Politik fort. So bestand ironischerweise die letzte Amtshandlung des Demokraten Bill Clinton im Oval Office in der Unterzeichnung eines Gesetzes, das den Staat völlig entwaffnen und Finanzmärkten endlich erlauben sollte, sich so zu entwickeln, wie es ihnen beliebte.
    Das neue Zeitalter führte zu allgemeiner Verschuldung und einem Spekulationskapitalismus, in dem der sofortige Profit verlockender ist als Investition und in dem nicht mehr der einzelne Anleger, sondern die ganze Welt die Risiken trägt. Zwischen Produktions- und Finanzsektor tat sich ein tiefer Graben auf.
    Spekulation hatte es im Kapitalismus schon immer gegeben. Doch was früher als Ausnahme galt, wurde nun die Regel. Die weltweite Finanzwirtschaft geriet aus den Fugen: Das Oligopol der Großbanken wurde zum Unsicherheitsfaktor, und mit der neuen Wirtschaftselite wuchs die soziale Ungleichheit. Doch dann riss die Realität die Finanzriesen aus ihren Träumen: Im Jahr 2007 implodierte das System.
    Quelle 1: arte.tv
    Quelle 2: Youtube

    Anmerkung J.K: Leider sind die Sendungen nur 7 Tage in der arte Mediathek verfügbar. Gerade bei solchen Beiträgen fragt man sich warum?

  14. Durchschnittliche Zahlbeträge von Arbeitslosengeld I, Männer und Frauen, 2004 – 2012
    • Die durchschnittliche Höhe der Versicherungsleistung Arbeitslosengeld I fällt im Jahr 2012 mit 924 Euro/Monat (Männer) bzw. 697 Euro/Monat (Frauen) bescheiden aus.
      Zwischen Männer und Frauen liegt der Abstand bei etwa 25 %.
      Da sich die Höhe des Arbeitslosengeldes aus dem Nettoverdienst ableitet, spiegelt sich hier wider, dass Frauen im Schnitt weniger verdienen (Stundenentgelte) und eine hohe Teilzeitquote aufweisen.
      Auch die Wahl der Steuerklasse V (mit hohen steuerlichen Belastungen und einem entsprechend geringen Nettoentgelt), die bei verheirateten Frauen häufig vorkommt, führt zu niedrigen Arbeitslosengeldbeträgen.
    • Das Bedarfsniveau der Grundsicherung für Arbeitsuchende (Hartz IV) für einen Ein -Personen-
      Haushalt einschließlich der bundesdurchschnittlichen Kosten der Unterkunft mit etwa 671 Euro im Bundesdurchschnitt wird damit – insbesondere von den Frauen – nur knapp überschritten. In Regionen und Städten mit hohen Mieten liegt das durchschnittlich gezahlte Arbeitslosengeld
      noch unterhalb des Bedarfsniveaus der Grundsicherung.
    • Fächert man die Zahlbeträge des Arbeitslosengeldes nach Zahlbetragsklassen auf, so zeigt sich für Ende 2011, dass 19,9 % der Männer und sogar 44,8 % der Frauen weniger als 600 Euro im Monat erhalten.
    • Liegt das Arbeitslosengeld unter dem SGB II-Existenzminimum kann eine Aufstockung durch das Arbeitslosengeld II beantragt werden; vorausgesetzt es besteht Bedürftigkeit (unter Anrechnung sämtlicher Einkommen der Mitglieder eines Haushaltes). Davon haben 10,4 % der Arbeitslosengeld-
      Empfänger im Jahr 2012 Gebrauch gemacht.
    • Angesichts der niedrigen Arbeitslosengeldzahlungen ist zu vermuten, dass viele Arbeitslose die Möglichkeit der Aufstockung nicht kennen oder nicht beantragen.
    • Im zeitlichen Verlauf seit 2004 haben sich die Durchschnittsbeträge nur schwach erhöht, bei den Frauen etwas mehr als bei den Männern. Der Kaufkraftverlust durch die Inflation, die im Beobachtungszeitraum gut 14 % betrug wird damit allerdings nicht aufgefangen.
    • Da in diesem Zeitraum die durchschnittlichen Nettolöhne stärker angestiegen sind (um etwa 13 %, vgl. Tabelle III.1), deutet dies darauf hin, dass vermehrt Personen mit Niedriglöhnen arbeitslos geworden sind.

      Die Versicherungsleistung Arbeitslosengeld hat seit der Einführung des SGB II stark an Bedeutung verloren. Nur noch etwa 30 % aller Arbeitslosen werden durch die Arbeitslosenversicherung erfasst, knapp 70 % sind dem Rechtskreis des SGB II und den Job-Centern zugeordnet (vgl.Abbildung IV.39), sei es, dass die Anspruchsvoraussetzungen für das Arbeitslosengeld nicht erfüllt werden oder dass die Leistungsdauer überschritten worden ist.

    Quelle: Sozialpolitik aktuell [PDF – 103 KB]

    Hinweis: Auf Sozialpolitik aktuell finden Sie wieder viele neu eingestellte und interessante Studien und Informationen zur Sozialpolitik.

  15. Arbeitsqualität Älterer in belastenden Berufen
    In der Diskussion um die schrittweise Anhebung des Rentenalters auf 67 Jahre wird häufig Auf bestehende Schwierigkeiten verwiesen, in Berufen mit besonderen Risikofaktoren bis zur Regelaltersgrenze zu arbeiten. Tatsächlich gehen Männer in belastenden Berufen gemäß den für diese Expertise vorgenommenen empirischen Auswertungen früher in Altersrente als Männer in nicht‐ belastenden Berufen. Es zeigt sich jedoch, dass dieser Effekt auf Merkmale der Beschäftigten zurückgeht, die einen vorzeitigen Ruhestand begünstigen und somit auf Beschäftigte in belastenden wie nicht belastenden Berufen zutrifft…
    Dagegen stehen die Indikatoren der individuellen Arbeitsqualität – unabhängig vom Ausgeübten Beruf – mit der Wahrscheinlichkeit der Frühverrentung in einem klaren Zusammenhang.
    So steigern ein besserer subjektiver Gesundheitszustand oder eine höhere Zufriedenheit Mit der Arbeit die Chancen auf einen längeren Verbleib im Erwerbsleben. Maßnahmen zur Förderung der Arbeitsqualität könnten demnach auch bei den Beschäftigten Mit belastenden Berufen für einen längeren Verbleib im Erwerbsleben sorgen. Darüber hinaus wäre eine Verbesserung bei den individuellen Merkmalen zielführend, die einen früheren Austritt aus dem Erwerbsleben fördern.
    Quelle: ZEW [PDF – 478 KB]

    Anmerkung WL: Die in der Studie abgebildete Grafik zeigt jedoch wie gering der Anteil der Frauen ist, die bis zum 65. Lebensjahr durchhalten und wie hoch der Anteil der Männer ist, die deutlich vor dem bisherigen Rentenalter von 65 Jahren ausscheiden.

    Die Aussagen dieser Studie sind insofern zu relativieren, als nicht die Vollerwerbstätigkeit zugrunde gelegt wird, sondern eine Wochenarbeitszeit von mindestens 15 Stunden, also auch Teilzeitarbeit.
    Die Studie erwähnt selbst, dass belastende Berufe einhergehen mit der beruflichen Qualifikation und damit natürlich auch mit dem Lohn der Beschäftigten. Dass vor allem Männer in belasteten Berufen gegenüber Männern in „nicht-belastenden“ Berufen nicht deutlich früher ausscheiden, hat sicherlich auch den ganz banalen Grund, dass geringer Entlohnte sich den Ruhestand mit ihrer entsprechend kleineren Rente schlicht nicht „leisten“ können und deswegen durchhalten (müssen). Die ZEW-Studie zieht eine vielzahl von Indikatoren für das Ausscheiden aus dem Berufsleben heran, das harte Faktum, dass man gerade in belastenden Berufen aus finanziellen Gründen gezwungen ist, möglichst wenig Abschläge von einer ohnehin schmalen Rente hinnehmen zu müssen und deshalb durchhalten muss, bleibt leider weitgehend unberücksichtigt.

    Man mag es drehen und wenden wie man will, nach der Statistik der Deutschen Rentenversicherung (Rentenversicherung in Zeitreichen 2013 [PDF – 7.9 MB]) liegt das durchschnittliche Zugangsalter der Versichertenrenten bei Männern und Frauen bei rd. 61 Jahren.
    Im Jahr 2012 müssen 52% aller Männer beim Rentenzugang Abschläge für durchschnittlich mehr als 27 Monate (=Zweieinviertel Jahre) hinnehmen und landen bei einem durchschnittlichen Zahlbetrag von 899 Euro, während ohne Abschläge durchschnittlich 1080 Euro erreicht würden.
    Frauen müsse zu 51% Abschläge für durchschnittlich über 32 Monate hinnehmen und landen bei einem durchschnittlichen Zahlbetrag von 652 Euro gegen über 797 Euro ohne Abschläge. (S. 83f.)

  16. Ein Fall von Raubtierlobbyismus
    Der Brief an den „lieben Herrn Bomba“ klang fast beiläufig. Die Autoindustrie schlage vor, „verständliche Farbplaketten für Fahrzeuge zu entwickeln, welche eine Vergleichbarkeit der Energieeffizienz von Fahrzeugen ermöglichen“. Das schrieb Matthias Wissmann, Präsident des Auto-Industrieverbands VDA, im Februar 2010 an Verkehrs-Staatssekretär Rainer Bomba. Im Anhang: Ein siebenseitiges Positionspapier der mächtigen Branche mit den Kernvorstellungen zu der entsprechenden Verordnung. Das Erstaunliche: Wenige Monate später kam es fast genau so, wie Wissmann es sich gewünscht hatte. Der Grund: „Raubtierlobbyismus“, findet Jürgen Resch, Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe.
    Zum Beleg verweist Resch auf Brief- und E-Mail-Wechsel von Anfang 2010. Dessen Herausgabe musste die Umwelthilfe erst vor dem Europäischen Gerichtshof vom Wirtschaftsministerium (BMWi) erstreiten. Der Vorgang zeige die übergroße Macht der Autolobby. Sogar einen Rechtsverstoß sieht die Umwelthilfe darin – sie fordert, die EU-Kommission solle ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesrepublik prüfen. Denn das hierzulande seit 2011 gültige Label für den Spritverbrauch von Autos benachteilige ausländische Modelle und begünstige deutsche. Tatsächlich bekommt ein Citroen C1 seitdem eine schlechtere Kennzeichnung als ein schwerer Audi Q7-Geländewagen. – Der Schriftverkehr zeigt in der Tat, dass Politik und Lobbyisten eng zusammenarbeiten.
    Quelle: Tagesspiegel
  17. Staatsanwalt leitet Verfahren gegen Klaeden ein
    Nach dem Wechsel des früheren Staatsministers zum Daimler-Konzern lautet der Vorwurf Vorteilsannahme.
    Klaeden hatte im Mai bekanntgegeben, dass er ab Herbst als Cheflobbyist für Daimler arbeiten werde. Trotz Rücktrittsforderungen blieb er im Amt. Regierungssprecher Steffen Seibert erklärte damals, dass es bei Klaeden “keinen inhaltlichen Zusammenhang seiner Arbeit mit dem Automobilkonzern” gegeben habe.
    Später wurde bekannt, dass sich Klaeden sehr wohl in seiner Amtszeit mehrmals mit Daimler-Vertretern getroffen hatte. Zudem erhielt er zwischen Januar und Mai 2013 Kenntnis von drei Vorlagen zur EU-Regulierung des Schadstoffausstoßes von Neuwagen.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung WL: Siehe dazu schon „Merkels „Staatsminister“ als Cheflobbyist von Daimler

  18. Regierung an Arme: Reißt euch zusammen
    Niger: Damit nicht noch mehr Armutsflüchtlinge auf dem Weg durch die Wüste verdursten: Ausreisen erschwert, Kontrollen verschärft. Weiter ordneten die Behörden am Freitag die “sofortige” Schließung aller Flüchtlingslager im Norden des Landes an. Es handelt sich um informelle Siedlungen rund um die größte nordnigrische Stadt Agadez, wo Migranten aus Niger, aber auch Transitreisende aus anderen afrikanischen Ländern auf das Signal warten, sich an ständig wechselnden Orten außerhalb der Stadt zur Abfahrt Richtung Nordafrika zu sammeln. Oberst Garba Maikido, Militärgouverneur von Agadez, fuhr am Freitag durch die Stadt und warnte die Grundbesitzer dieser “Ghettos”, ihr Land weiterhin Migranten zur Verfügung zu stellen. – Das sei “nicht die Lösung”, kritisierte gegenüber AFP Almoustapha Alhacen von der Tuareg-Organisation Aghir In’man, die vergangene Woche die 92 Leichen in der Wüste entdeckt hatte. Man müsse in den Orten aktiv werden, aus denen die Leute nach Agadez reisen, und für sie Arbeitsplätze schaffen.
    Quelle: taz
  19. Kinofilm “Alphabet”
    “Alphabet” ist der letzte Teil von Wagenhofers Trilogie, die mit “We feed the World” und “Let’s make Money” bereits die globalisierte Nahrungsmittelindustrie und die internationalen Geldmärkte aus einem anderen, aufrüttelnden Blickwinkel gezeigt hat. Nun hat sich einer der einflussreichsten Dokumentarfilmer das Bildungssystem vorgenommen.
    Die Botschaft: Wer nur auf Leistung, Noten und Zertifikate setzt, zerstört kindliche Kreativität, Wissbegierde und letztlich Genialität. Noch schlimmer: Das kompetitive Schulsystem, so wie es jetzt ist, kann junge, gesunde, fröhliche Menschen zerstören. “Zurzeit herrscht die Haltung: Alles, was nicht sofort einen wirtschaftlichen Nutzen abwirft, ist sinnlos”, sagt Wagenhofer. “Menschen tun nicht, was sie am liebsten tun und am besten können. Sie tun, was sie denken, tun zu müssen. Das ist ein Wahnsinn, den viele nur mit Psychopharmaka überstehen.”
    Quelle: SPON

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