Angela Merkel kann endlich „durchregieren“ – Die Sozialdemokraten feiern das als Erfolg

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Heute wird Angela Merkel zum dritten Mal zur Kanzlerin gewählt. Sigmar Gabriel, als Vizekanzler hat das Kunststück vollbracht, die Wahlniederlage der SPD als Erfolg darzustellen. Aber tatsächlich hat Merkel mit Hilfe der SPD-Führung endlich ihr strategisches Ziel erreicht, nämlich die Sozialdemokraten als eine politische Gegenkraft auszuschalten. Sie kann nun gegen eine winzige Opposition endlich das schaffen, was ihr schon seit 2005 vorschwebte, nämlich endlich „durchregieren“. Die SPD hat inzwischen – geradezu traditionell – ihre Wahlverlierer im Kabinett untergebracht. Sozialdemokratisches Profil ist damit kaum zurückzugewinnen. Die Hoffnung auf eine personelle Erneuerung aus der Linie der Staatssekretäre bleibt vage. Von Wolfgang Lieb.

Jetzt ist klar, warum vor dem Mitgliederentscheid über die Koalitionsvereinbarungen die von der SPD in das Kabinett einer Großen Koalition bestimmten Personen nicht bekannt werden sollten: Das Ergebnis des Mitgliedervotums wäre vermutlich erheblich schlechter ausgefallen.

Auf dem Bundesparteitag der SPD in Leipzig vor ein paar Wochen erhielt Andrea Nahles, künftige Arbeits- und Sozialministerin, mit gerade einmal 67,2 % der gültigen Stimmen das schlechteste Ergebnis bei einer Wahl zur SPD-Generalsekretärin. Auch die Ergebnisse von Barbara Hendricks (Ministerin für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit) und Manuela Schwesig (Ministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend) oder auch für die künftige Staatsministerin für Integration im Bundeskanzleramt, Aydan Özoguz, fielen mit rd. 80 Prozent eher mäßig aus. Normalerweise gelten solche Zustimmungswerte auf einem Parteitag als „Klatsche“.

Von Hans Eichel (ehemals Hessischer Ministerpräsident und später Finanzminister) angefangen, über Wolfgang Clement (aus NRW geflüchteter Ministerpräsident und unter Gerhard Schröder „Super“-Minister), danach noch über Peer Steinbrück (Wahlverlierer in NRW und danach Finanzminister) und nun eben auch über Andrea Nahles (als Generalsekretärin mitverantwortlich für die Wahlniederlage 2013) oder bis hin zu Barbara Hendricks (seit 2007 Bundesschatzmeisterin) ist in der SPD offenbar eine Tradition begründet worden, dass Wahlverlierer oder für Wahlniederlagen Verantwortliche in Ministerämter aufsteigen. Sarkastisch könnte man sagen, dass die SPD zu einem Hilfswerk für gescheiterte sozialdemokratische Politiker geworden ist.

Für Steinmeier, der als damaliger Außenminister der Großen Koalition und als Kanzlerkandidat 2009 das historisch schlechteste Ergebnis für die SPD eingefahren hat, gilt das Gleiche. Er darf nun als Außenminister erneut durch die Welt jetten und mit geölten diplomatischen Floskeln sich selbst darstellen und womöglich Kriegseinsätze oder eine sich abzeichnende neue West-Ost-Konfrontation beschönigen. Und vor allem aber wird er im neuen Kabinett darüber wachen, dass das von ihm als Kanzleramtsminister unter Gerhard Schröder als Consigliere betreute Projekt der Agenda 2010 nicht aufgeweicht werden kann.

Auch die einzige Überraschung in der SPD-Ministerriege, Heiko Maas als Justizminister, der – wie Heribert Prantl richtig schreibt – als Rechtspolitiker „bislang mit keinem einzigen Satz aufgefallen“ ist, hat drei Niederlagen für die saarländische SPD eingefahren. Er hat sich dort, obwohl es im Saarland eine Mehrheit jenseits der CDU gegeben hätte, für eine Rolle als Juniorpartner in einer Großen Koalition entschieden.

Sigmar Gabriel wird als Vizekanzler in die Kabinettsdisziplin eingebunden und mit dem Management der Energiewende kräftemäßig weitgehend absorbiert sein, so dass er als Parteivorsitzender kaum neue Impulse in der SPD setzen können wird. Wie sollte man als Vizekanzler eine Alternative zur eigenen Regierung organisieren können?

Die „Niedersachsen-Connection“ zum neuen Vorsitzenden der SPD-Bundestagsfraktion Thomas Oppermann wird auch eine „95-prozentige“ Gefolgschaft für die Regierung im Parlament garantieren.

Die Medienlandschaft wird das Übrige tun, dass sich jenseits der Regierungspolitik neues sozialdemokratisches Profil nicht entwickeln können wird. Im Gegenteil, die schwarz-rote Koalition wird eher von einer rechten Außerparlamentarischen Opposition – wie das BILD oder das Handelsblatt angekündigt haben – von konservativer Seite getrieben werden.

Schon gar nicht wird eine Profilierung der SPD auf dem letzten Politikfeld, auf dem Ihr die Menschen bislang wenigstens ein Stück mehr Kompetenz zuerkannt haben als den konservativen Parteien, nämlich auf dem Feld der Sozialpolitik. Indem man der neuen Arbeits- uns Sozialministerin, Andrea Nahles, den marktliberalen Überzeugungstäter Jörg Asmussen untergeschoben hat, wurde ein Bock zum Gärtner gemacht.

Der letzte Funken Hoffnung liegt nur noch darin, dass Gabriel – geschickter Weise – den Grünen Rainer Baake als beamteten Staatssekretär ins Wirtschafts- und Energieministerium holen will. Und vielleicht noch, dass der neuen Umweltministerin und überzeugten Anhängerin der nordrhein-westfälischen „Kohle-Chlor-Beton“-Fraktion, Barbara Hendricks, immerhin der (inzwischen allerdings auch schon geglättete) Präsident des Umweltbundesamtes, Jochen Flasbarth, als beamteter und Florian Pronold als parlamentarischer Staatssekretär an die Seite gestellt werden sollen. Ob das eher den Zweck hat, Beißhemmungen bei den Grünen und der versprengten Linken in der SPD-Fraktion auszulösen, wird sich erst noch zeigen müssen.

Auch Ulrich Kelber als parlamentarischer Staatssekretär und Gerd Billen, der Chef des Bundesverbandes der Verbraucherzentrale (vzbv), als beamteter Staatssekretär im von Heiko Maas geführten Ministerium für Justiz und Verbraucherschutz oder Elke Ferner als Staatssekretärin im Familienministerium sind vermutlich eher Entscheidungen, die den nur noch schwach vertretenen linkeren Flügel der SPD einbinden – oder praktisch gesagt – lahmlegen sollen.

Die erste Große Koalition von 1966 bis 1969 hat gezeigt, dass anders als mit der zweiten von 2005 bis 2009 die Sozialdemokratie nicht zerrieben werden muss, aber so, wie das Personaltableau der SPD in der dritten Regierung mit CDU/CSU aussieht, ist jedenfalls eine personelle Erneuerung der SPD nur noch eine vage Hoffnung.

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