Konfliktforscher Heitmeyer: Feindselige Mentalitäten gegen schwache Gruppen werden durch Identitäts- und Nationalstolz-Kampagnen gefördert.

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Die Ergebnisse aus der am 14. Dezember in Berlin von Professor Wilhelm Heitmeyer von der Universität Bielefeld, Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung, vorgestellten Langzeituntersuchung “Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit” verweisen auf riskante Entwicklungen. Die Desintegrationsängste und -befürchtungen nehmen seit Projektbeginn 2002 deutlich zu. 38,3 Prozent der Befragten schätzen ihre eigene wirtschaftliche Lage als schlecht ein (2002 waren es noch 30 Prozent). Insbesondere seit Einführung von HARTZ IV berichtete mehr als die Hälfte der Befragten über Abstiegsängste. Die Spaltung der Gesellschaft lässt sich damit nicht nur an objektiven Kriterien, wie dem Nettogeldvermögen aufzeigen, sondern findet ihre Entsprechung auch in der Wahrnehmung der Bevölkerung. So vertreten 91,2 die Auffassung, dass Reiche immer reicher und Arme immer ärmer werden (2002 waren es noch 85,8 Prozent).

Gleichzeitig lassen sich Identitäts-, Nationalstolz und Leitkulturdebatten registrieren. Sie sollen als gesellschaftliche “Bindemittel” dienen, um soziale Desintegrationsängste zu kompensieren. Die Forscher weisen darauf hin, dass solche Kampagnen zur Kompensation sozialer Ängste höchst riskant sind. Ihre Untersuchungen vor und nach der Fußball-Weltmeisterschaft verweisen keinesfalls auf einen “neuen” Patriotismus. Der Nationalstolz ist im Verlauf der WM um 7 Prozent auf 86,4 Prozent gestiegen und es wird nachgewiesen, dass er eher Fremdenfeindlichkeit verursacht, statt sie abzuschwächen. Zugleich nimmt die Integrationsbereitschaft gegenüber Zugewanderten ab.
Die Ängste werden gekoppelt mit verschärften Einforderungen von Eigenleistungen der sozial Schwachen und Abwertungen von Fremden, Muslimen und anderen Gruppen. Diese treten insbesondere in Gemeinden, Städten, Regionen und Bundesländern mit spezifischen Problemen auf. So sind in kleinen Gemeinden und Städten die Abwertungen schwacher Gruppen deutlich höher; dies gilt insbesondere in abwanderungsstarken Gebieten. Gleiches gilt für Regionen, deren Entwicklung eher abwärtsdriftend ist. Dabei finden sich diese Problemverdichtungen vor allem in den ostdeutschen Ländern.
Quelle: Informationsdienst Wissenschaft

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