Ein Glück für die demokratische Meinungsbildung, dass Jauch nicht auch noch im öffentlich-rechtlichen Rundfunk auftritt

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„Wichtigtuer“, „Profilneurotiker“, „Gremlins“, „Irrlichter“ „drittklassige Bedenkenträger“, „Heckenschützen“, „nachgeordnetes Niederwild“, so beschimpft, Günther Jauch in einem Spiegel-Interview die Mitglieder der Kontroll-„Gremien“ der öffentlich-rechtlichen Rundfunk-Anstalten. Weil einige von ihnen es wagten, Bedenken dagegen anzumelden, dass und vor allem unter welchen Bedingungen die ARD-„Platzhirsche“ Jauch und seine Firma I&U TV mit der Produktion des sonntagabendlichen Polit-Talks beauftragen wollten. Was muss Deutschlands „glaubwürdigster Werbeträger“ und der nach einer Umfrage von „Frau im Spiegel“ „beliebteste Deutsche“ für ein Verständnis von einem demokratisch kontrollierten Rundfunk haben? Ein Glück, dass solche „freie“ Journalisten mit einem derart verächtlichen Verhältnis zu einem demokratisch organisierten Rundfunk, nicht auch noch politische Sendungen moderieren. Wolfgang Lieb.

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk ist „Faktor“ und „Medium“ der demokratischen Meinungsbildung und unterliegt deshalb der Kontrolle der „gesellschaftlich relevanten Gruppen“. So legt das Bundesverfassungsgericht die Rundfunkfreiheit nach Artikel 5 unseres Grundgesetzes aus. Und nur wegen dieser „demokratiekonstituierenden“ Bedeutung darf von jedem Bürger, der ein Rundfunkgerät „bereitstellt“ eine Gebühr abverlangt werden.
Der öffentlich-rechtliche Rundfunk hat nach unserer Verfassung einen Bildungs- und Aufklärungsauftrag und er soll ein konstitutives Element einer demokratischen Meinungsbildung sein.
Deshalb sollen und müssen die Vertreter der „relevanten“ gesellschaftlichen Gruppen (von Unternehmern, Gewerkschaften, Kirchen, Kulturschaffenden, Sport- oder Wohltätigkeitsverbänden) ein Wörtchen mitzureden haben, wenn aus dem Geld der Gebührenzahler zweistellige Millionenbeträge für einen Talk-Master und seine Firma ausgegeben werden sollen und wenn es darum geht, dafür Sorge zu tragen, dass der vom Grundgesetz aufgegebene Programmauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks erfüllt wird.

Man mag und muss an den Rundfunkräten, wie an Parlamenten Vieles kritisieren. Aber viele unsere der Pressefreiheit, der „Freiheit von zweihundert reichen Leuten“ (Paul Sethe) dienenden Printmedien-Journalisten versuchen eine solche demokratisch organisierte Meinungsbildung als ein Relikt aus „grauer Vorzeit“ (Jauch) darzustellen. Aus eigener Anschauung weiß ich, dass solche „Bedenkenträger“ in den Rundfunkgremien in ihrer Mehrzahl vermutlich ein größeres Verantwortungsgefühl gegenüber der Funktion eines freien und unabhängigen Journalismus im demokratischen Staat haben, als es der „Medienstar“ Günther Jauch in seiner wütenden Attacke offenbart.

Für den RTL-Rateonkel und den „Yellow-TV“-Journalisten Jauch ist diese gesellschaftliche Kontrolle oder – in seinen Worten – dieser „Gremienvorbehalt“ das Wort des Jahres 2006.
Er kann nicht verstehen, dass es Leute gibt, die es im Interesse der journalistischen Unabhängigkeit für problematisch halten, wenn ein Journalist, der kritisch und eben nicht abhängig von Firmen sein sollte, von denen er bezahlt wird, nicht – wie etwa Beckmann -gleichzeitig Werbeträger für private Firmen und deren Interessen sein sollte. Warum wollte Jauch eigentlich seinen Verzicht auf Werbeaktivitäten nur mündlich aber nicht schriftlich zusichern?
Jauch kann nicht verstehen, dass eine politische Sendung nicht im Zuständigkeitsbereich der Unterhaltung bleiben, sondern künftig der politischen Redaktion zugeordnet werden sollte.
„Das hätte bedeutet, dass sich regelmäßig zehn ARD-Chefredakteur über jeden Satz von mir oder meinen Gästen gebeugt hätten“, meint Jauch im Spiegel-Interview. Es sei „blanker Unsinn, was Sie unseren Chefredakteuren so alles unterstellen“ sagt dazu SWR-Intendant Voß in einem offenen Brief zu Recht.
Einmal davon abgesehen, dass Jauch ein ziemlich merkwürdiges Verständnis von der Verantwortung eines Rundfunk-Chefredakteurs zeigt, hat der denn als Journalist nicht das nötige Selbstvertrauen, sich vielleicht auch einmal der Kritik einer politischen Redaktion stellen zu können? Ein ziemlich trauriges Bild von einem Journalisten, der doch journalistische Kompetenz für sich in Anspruch nehmen möchte.

Es sollte eben bei der Nachfolgesendung von Sabine Christiansen nicht nur um Unterhaltungsjournalismus und schon gar nicht nur um den Verkauf der Marke „ARD“ gehen, was offenbar für die von Jauch so apostrophierten „Platzhirsche“ Jobst Plog, Günter Struve und Fritz Pleitgen das Wichtigste war. Das wäre ein weiterer Schritt weg von der Bildung der öffentlichen Meinung hin zum Produkt-Marketing gewesen, bei dem es nur noch auf die Verpackung und nicht mehr um Inhalte geht.
Wenn es beim Fernsehen hauptsächlich nur noch ums Verkaufen, und wie bei den kommerziellen Sendern nur noch um die Einschaltquoten gehen soll, dann braucht man sich auch nicht mehr darüber zu wundern, dass durch dieses wirkmächtigste Massenmedium immer mehr Menschen verblödet werden und unsere Kinder bei Bildungstests immer schlechter abschneiden und so schließlich die Fähigkeit zur aktiven Teilhabe an einer demokratischen Gesellschaft abhanden kommt.

Jauch hält eben auch RTL für „eine attraktive Frau, manchmal mit etwas zu knappem Rock oder zu viel Rouge auf den Wangen“. Bei dieser Art „attraktiver Frau“ ist er besser aufgehoben.

Nebenbemerkung: Typisch für die Debatte um diesen Vorgang ist der Bericht im Spiegel zum Interview mit Jauch: „Aus der Jauch“. Auf über zwei Seiten geht es mit keinem Satz um die Sendung und um deren Inhalte, sondern nur um Personalgerangel und darum wie viel „Kontrolle“ der Senderverbund ertrage. Es wird die Meinungsbildung innerhalb der ARD kritisiert und höhnisch angemerkt: „Die ARD soll wieder öffentlich-rechtlich riechen, denken und handeln“: „Grundehrlich, Grundanständig. Grundsätzlich“. Schön wäre es ja.