Hinweise des Tages

Ein Artikel von:

(WL/KR)

  1. Altersarmut weitgehend verschwunden
    Prof. Winfried Schmähl: „In der Bevölkerung gibt es immer mehr Zweifel, ob es sich überhaupt lohnt, in dieses System einzuzahlen. Nur, das ist eben zum Teil das Ergebnis einer interessengeleiteten gezielten Verunsicherung und liegt nicht an der Konstruktion. Das umlagefinanzierte dynamische System mit Lohnersatzfunktion ist auch aus heutiger Sicht ein zukunftsträchtiges Modell.“
    Quelle: ND
  2. Inflation frisst private Rentenversicherung auf
    Die Anbieter von klassischen privaten Rentenversicherungen können Kunden nach Absenkung des Garantiezinses keinen Inflationsausgleich mehr auf die Beiträge garantieren. Nach Berechnungen der Ratingagentur Assekurata reicht die durchschnittliche garantierte Beitragsrendite von privaten Rentenverträgen mit 1,37 Prozent bei der aktuellen Inflation von 1,7 Prozent nicht für den Werterhalt des eingesetzten Kapitals. “Anders als bei den vorhergehenden Tarifgenerationen reicht die garantierte Beitragsrendite bei Neuverträgen nicht zum Ausgleich der derzeitigen Inflation” sagte Assekurata-Geschäftsführer Reiner Will.
    Nach Wegfall des Steuerprivilegs in der Kapitallebensversicherung 2005 sei der Absatz dieser Verträge drastisch eingebrochen.
    Quelle: FTD

    Anmerkung: In den flächendeckenden Kampagnen der Versicherungswirtschaft und deren „Mietmäulern“ in den Medien von ZDF („Aufstand der Alten“) bis zu BILD („Alte kassieren! Junge zahlen nur drauf!“) wird geradezu penetrant Propaganda für die private Vorsorge betrieben. Nur selten wird auf die Risiken der privaten Rentenversicherung für den Werterhalt des eingesetzten Kapitals hingewiesen.

  3. Thomas Assheuer: Der Glaube an die Segnungen des freien Marktes ist erschüttert. Neue „Heilsfiguren“ erobern die politische Bühne.
    Sicher ist nur, dass das neoliberale Einheitsdenken, das pensée unique, seinen Zauber verliert. Tatsächlich sah es eine Weile so aus, als besäßen die Wirtschaftswissenschaften ein Monopol zur Lösung globaler Krisen, während Sozialwissenschaftler als Heimatvertriebene eines glücklich abgewickelten Wohlfahrtsstaates am Rande standen. Inzwischen hat sich herumgesprochen, dass hochabstrakte Wirtschaftstheorien, beispielsweise die eines Milton Friedman, weder patente Problemlöser noch handelsübliche Exportgüter sind, die man den Ökonomien anderer Ländern ungestraft aufzwängen darf. Auch in einer globalisierten Weltgesellschaft muss jede Volkswirtschaft ihren eigenen Pfad finden, ohne sich einer importierten Passepartout-Weisheit vollständig auszuliefern.
    Quelle: Die ZEIT online

    Anmerkung: Ein lesenswerter Beitrag. Nicht vergessen sollte man, dass unser Bundespräsident auf Vorschlag von Bundeskanzler Schröder vom Jahr 2000 bis zu seinem Amtsantritt geschäftsführender Direktor des Internationalen Währungsfonds IWF in Washington war und, wie man bei fast allen seinen Reden feststellen kann, nach wie vor am Credo „Mehr Markt, weniger Staat“ festhält.
    Trotz des teils polemischen Untertons gegen südamerikanische Regierungschefs, die sich vom „Washingtoner Konsens“ losgesagt haben, sollte der Beitrag auch allen Kritikern etwa an Hugo Chavez deutlich machen, warum in Südamerika „neue Heilsfiguren“ die politische Bühne erobert haben.

  4. Auf den IWF kann Argentinien verzichten
    Argentinien hatte mit seiner Schuldenrestrukturierung 2005 erstmals bewiesen, dass viele bis dato als unverrückbar geltende Wahrheiten passé sind. In den Schuldenkrisen der achtziger und neunziger Jahre glaubte die Welt noch, dass ein Land langfristig nur sich selbst schade, wenn es den Anlegern einen hohen Forderungsverzicht zumute.
    Aber es kam ganz anders: Bis heute hat Argentinien keine nennenswerten negativen Folgen der Umschuldung gespürt. Stattdessen reduzierte das Land seinen Schuldendienst deutlich. Argentiniens Volkswirtschaft wächst seit 2003 im Schnitt um jährlich neun Prozent, eine der höchsten Raten weltweit.
    Quelle: Die ZEIT online

    Anmerkung: „Erfolg gegen jede Regel“ titelt die Zeit ihren Beitrag über Argentinien.
    Vielleicht sollte man einfach einmal die herrschenden Regeln überdenken. Nicht nur in Argentinien.

  5. Dagegen hält der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, Dennis Snower, den IWF und die Weltbank für Institutionen, um Normen der Demokratie, Toleranz und menschliches Mitgefühl zu fördern
    Quelle: FTD

    Anmerkung: Snowers Clash of Civilizations spielt sich zwischen „Humanisten, die das menschliche Leben als höchsten Wert betrachten, und denjenigen – nennen wir sie Instrumentalisten – die die Menschheit als Instrument zum Erlangen höherer Werte verstehen“ ab. So schlicht ist das Weltbild unserer Star-Ökonomen. Dass das Kapital und diejenigen, die darüber verfügen, die Menschen als Instrument zur Erlangung höherer Renditen nutzen, ist unserem „Humanisten“ völlig entgangen.

  6. Deutschland hat 2005 Kriegswaffen im Wert von 1,6 Milliarden Euro exportiert; für Rüstungsgüter sind Einzelausfuhrgenehmigungen im Wert von insgesamt etwa 4,2 Milliarden Euro erteilt worden
    Quelle: Pressedienst des Deutschen Bundestags Nr.017 (Man kann sich kostenfrei einloggen)
  7. Die EKD: die Effiziente Kirche Deutschlands
    In einem Papier an die kirchlichen Amtsträger geht es darum, “den kirchlichen Auftrag der Verkündigung des Evangeliums von Jesus Christus an alles Volk möglichst gut und effizient umzusetzen”. Effizient – das ist das Wunschwort.
    Quelle: FAZ.NET
  8. Eine Stimme der Toleranz ist verstummt
    Den toten Hrant Dink überhäuft die Regierung mit Solidaritätsbekundungen. Aber warum schwieg sie zu Hasskampagnen und Gerichtsverfahren gegen Dink, als dieser noch lebte?
    Quelle: FR
  9. Verdrängungseffekte
    Die zunehmende Spaltung zwischen Stamm- und Leiharbeitern hat für die Gewerkschaft gravierende Folgen: In manchen Betrieben dürfte es künftig schwierig sein, per Streik ökonomischen Druck zu erzeugen, da für einen Großteil der Belegschaften andere Tarifverträge gelten und die Beschäftigten deshalb trotz Ausstand weiterarbeiten müssten.
    Quelle: Junge Welt
  10. 17. BAföG-Bericht der Bundesregierung
    „Auch bei anderen Sozialleistungen wie etwa der Grundsicherung für Arbeitssuchende konnten in den vergangenen Jahren keine Leistungsverbesserungen vorgenommen werden, so dass der Verzicht auf eine sofortige Anhebung der Bedarfssätze und Freibeträge beim BaföG nicht unangemessen erscheint. Da der Kreis der BAföG-Geförderten weiter angewachsen ist, besteht aus Sicht der Bundesregierung auch kein diesbezüglicher ausbildungsförderungspolitisch dringlicher Handlungsbedarf.“
    Quelle: Bundesministerium für Bildung und Forschung [PDF – 586 KB]

    Anmerkung: Das sieht der Beirat für Ausbildungsförderung ganz anders und „hält deshalb eine Anpassung der Bedarfssätze und Freibeträge für dringend erforderlich; dies insbesondere, weil der Ausbau von Studienplätzen im Rahmen des Hochschulpaktes auch einer sozialen Flankierung bedarf. … Um im Jahr 2007 wieder das Förderniveau des Jahres 2002 und damit den Stand nach der letzen Anpassung zu erreichen, müssten die Freibeträge damit insgesamt um rund 8,7% oder etwa 125 Euro und die Bedarfssätze um rund 10,3 % , also etwa 48 Euro für Studierende bzw. 36 Euro für Schüler erhöht werden. …“ (siehe Seite 58 ff.).

  11. Europarechtliche Risiken durch Abschwächung des Solidarprinzips
    Die von der Bundesregierung geplante Gesundheitsreform schwächt das Solidarprinzip in der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Dadurch wächst das Risiko, dass das System der GKV längerfristig in Konflikt mit dem europäischen Kartellrecht geraten könnte. Zu diesem Ergebnis kommt Prof. Dr. Thorsten Kingreen, Professor für Sozial- und Gesundheitsrecht an der Universität Regensburg in einem Rechtsgutachten im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung.
    Quelle: Informationsdienst Wissenschaft
  12. IAB: Wöchentliche Arbeitszeit ist leicht gestiegen
    Die Pro-Kopf- Arbeitszeit der Beschäftigten wurde auch deshalb länger, weil immer mehr Personen einer Nebenbeschäftigung nachgehen. So stieg die Zahl der Personen mit einem oder mehreren Nebenjobs 2006 um gut 100.000 auf 2,09 Millionen an.
    Quelle: Informationsdienst Wissenschaft
  13. Jagdish Bhagwati – It`s technology, stupid!
    Betrachtet man die allgemeinen Argumente genauer, die darauf hinauslaufen, die Globalisierung mit der Verteilungsschieflage in Zusammenhang zu bringen, bleibt am Ende wenig Überzeugendes übrig. So zeigen alle empirischen Studien (inklusive derer, die von einigen der besten Handelsökonomen wie Paul Krugman und Robert Feenstra durchgeführt wurden), dass der Handel keine wesentlichen negativen Auswirkungen auf die Löhne hat.
    Schuld am Lohnverfall in den USA ist nicht die Globalisierung. Schuld sind vielmehr arbeitssparende technische Veränderungen, die den Druck auf die Löhne der Ungelernten immer weiter erhöhen. Technischer Wandel führt zu ständigen Einsparungen bei der Verwendung unqualifizierter Arbeitskräfte.
    Quelle: FTD

    Anmerkung (AM): Are you stupid, Jagdish Bhagwati?
    Über weite Strecken folge ich Bhagwati, nicht allerdings bei der Aussage, die technologische Entwicklung verdränge Arbeitskräfte. Prinzipiell ist das ja richtig, wenn sich nichts Neues tut. Wenn ein Roboter Arbeitskräfte ersetzt und nichts anderes geschieht, dann haben die Arbeitskräfte keine Arbeit mehr. Da aber auch die Roboter selbst und zusätzlich viele andere, völlig neue Produkte hergestellt werden, haben die ersetzten Arbeiter wieder neue Arbeit. Technologische Entwicklung gab es doch schon immer. Unterscheidet sie sich heute qualitativ oder sprunghaft von früher? Schon vor 40 Jahren haben Steinbuch und andere Ähnliches behauptet.
    Auch die Behauptung, die technologische Entwicklung würde Arbeit einfacher verschwinden lassen, ist aus meiner Sicht empirisch nicht nachweisbar. So hat z.B. das IAT in einer empirischen Studie nachgewiesen, dass durch mehr Arbeitsplätze für qualifiziertere Beschäftigte die Verdrängung gering Qualifizierter auf Arbeitsplätzen mit eher niedrigen Anforderungen verringert werden könnte.
    Und in vielen Industriebetrieben gibt es gerade wegen der hohen Rationalisierung durchaus auch einfache Jobs. Am Beispiel der Heidelberger Lackfabrik konnte ich das unlängst wieder studieren. Gar nicht erst zu reden von den vielen, gesellschaftlich notwendigen, „einfachen“ Tätigkeiten im Sozialbereich oder angesichts der zunehmenden Verslumung unserer Städte.
    Leider schwätzt auch Bhagwati da einfach eine auf den ersten Blick eingängige Behauptung nach.
    Dass die einfach Beschäftigten unter Lohndruck leiden, ist auch ein Ergebnis der total zusammengehauenen Konjunktur. In solchen Situationen, die wir hier immerhin mit wenigen Unterbrechungen seit 1980 haben, verdrängen gut Ausgebildete die schlechter Ausgebildeten, und die schlechter Ausgebildeten verdrängen die ganz schlecht Ausgebildeten und diese wieder die gar nicht Ausgebildeten. Wenn es wirklich gelingt, die Konjunktur anzuschieben, dann entsteht ein gegenläufiger Effekt.

  14. Bundesbank: Von einem flexiblen Arbeitsmarkt gehen positive Impulse auf die wirtschaftliche Dynamik aus
    Wegen der deutlichen Verbesserung der Arbeitsmarktlage in einer Reihe von Partnerländern des Euro-Gebiets hat sich die relative Position Deutschlands erheblich verschlechtert. Während die deutsche Arbeitslosenquote 1995 noch 2 ½ Prozentpunkte unter dem Durchschnitt der Länder des Euro-Raums gelegen hatte, übertraf sie den Mittelwert 2005 um einen Prozentpunkt. Gemessen an der Beschäftigtenquote lag Deutschland 1995 noch 61_2 Prozentpunkte über dem Durchschnitt des Euro-Raums, 2005 waren es aber nur noch zwei Prozentpunkte.
    Es ist nicht zu erwarten, dass ohne weitere Reformschritte ähnlich geringe Arbeitslosenzahlen erreicht werden können wie im angelsächsischen Raum oder in einigen kontinentaleuropäischen Partnerländern. Bei der Übertragung erfolgreicher Reformen aus dem Ausland auf Deutschland kann es jedoch nicht darum gehen, einzelne Elemente aus einem im Ausland insgesamt erfolgreichen Modell isoliert zu
    übernehmen, ohne deren gegenseitige Bedingtheit zu berücksichtigen. Dies gilt sowohl
    für Mindest- als auch für Kombilöhne.
    Quelle: Monatsbericht der Deutschen Bundesbank [PDF – 300 KB]

    Anmerkung: Erstens: Für unsere Bundesbänker ist Wachstum ist die abhängige Variable, und der Arbeitsmarkt setzt die entscheidenden Impulse für die Wirtschaftsdynamik. Die Bundesbank mit dem Kopf auf der Erde!
    Zweitens: Während man sonst immer sofort dabei ist mit der Rosinenpickerei bei den erfolgreichen „Reformen“ der anderen Länder, gilt das für den Mindestlohn natürlich nicht.

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