Hinweise des Tages II

Jens Berger
Ein Artikel von:

Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (WL/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Ich sehe Mistgabeln
  2. Der Mythos von der Enteignung der Sparer
  3. Noam Chomsky – How Washington protects itself
  4. Blackwater death threat is said to have stifled U.S. inquiry
  5. BND-Mitarbeiter unter Spionageverdacht
  6. Der Mindestlohn kommt: Eine Kapitulation vor der Ursachenbekämpfung
  7. Mittelstand spart 10 Milliarden Euro Erbschaftsteuer
  8. Harald Schumann: Achtung, Spar-Paradox!
  9. Patientensicherheit: Stationäre Mortalität und Personalschlüssel korrelieren
  10. Ökonomie sollte dienendes Instrument der Medizin sein
  11. O2 und E-Plus: Handytarife könnten steigen
  12. Ex-Premier Blair: Lukrative Ratschläge für den General
  13. Drohen Europa japanische Verhältnisse?
  14. Berlin: Wie geht es weiter nach der verhinderten Räumung der Schule?
  15. Foulspiel in Brasilien: Wie FIFA und Militärpolizei einen Krieg gegen die Armen führen

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Ich sehe Mistgabeln
    Offener Brief des US-Milliardärs Nick Hanauer an seine reichen Freunde
    Sie kennen mich wahrscheinlich nicht aber ich bin einer dieser 0,01% stolzen und uneinsichtigen Kapitalisten. Ich habe etwa 30 Unternehmen in unterschiedlichen Branchen mitbegründet und finanziert. Vom Nachtclub bis zu Amazon.com. […] Und für meinen Erfolg führe ich ein Leben, von dem 99,9% der Amerikaner nicht einmal zu träumen wagen. Ich besitze viele Häuser, ein eigenes Flugzeug usw., Sie wissen schon wovon ich rede. […]
    In Zeiten wo Menschen wie Du und ich über die Plutokratie träumen, liegt der Rest des Landes, die 99,9%, weit im Rückstand. Die Kluft zwischen arm und reich wird immer schlimmer. Und sie wächst schnell. Im Jahr 1980 kontrollierten die Top 1 etwa 8% des US-Volkseinkommens. Heute kontrollieren die Top 1 rund 20%. Aber das Problem ist nicht die Ungleichheit an sich, Diese ist immer untrennbar mit jeder kapitalistischen Wirtschaft verbunden. Das Problem ist, dass dies Ungleichheit auf einem historischem Hoch angelangt ist und von Tag zu Tag schlimmer wird. Unser Land entwickelt sich von einer kapitalistischen Wirtschaft zu einer feudalen Gesellschaft. Wenn sich unsere Politik nicht dramatisch ändert, wird die Mittelschicht verschwinden und wir werden wieder im späten 18. Jahrhundert in Frankreich sein. Vor der Revolution.
    Uns so habe ich eine Botschaft für meine steinreichen Kollegen und Kolleginnen und alle, die in dieser Blase leben: Wachen Sie auf ! Es wird nicht mehr lange dauern. Wenn wir nicht bald etwas tun um die eklatanten Ungerechtigkeiten in dieser Wirtschaft zu beheben, werden die Mistgabeln zu uns kommen. Keine Gesellschaft kann diese Art von wachsender Ungerechtigkeit auf Dauer aufrechterhalten. Es gibt in der Tat kein einziges Beispiel in der Geschichte der Menschheit, wo Reichtümer wie diese angesammelt wurden und nicht irgendwann Mistgabeln gekommen sind. Am Anfang ist es ein Polizeistaat, dann kommen die Aufstände.
    Quelle 1: Independent24
    Quelle 2: Poltico – The Pitchforks Are Coming… For Us Plutocrats
  2. Der Mythos von der Enteignung der Sparer
    Es gibt kaum ein wirtschaftspolitisches Thema, dass die mediale Debatte so prägt wie die angebliche Enteignung der Sparer. Das Argument: Die EZB flutet die Märkte mit Geld und die Deutschen sind wieder einmal die Dummen, weil sie sich mit mickrigen Zinsen zufrieden geben müssen.
    Die Bundesbank hat nun diese hervorragende Grafik online gestellt, nachdem die SZ am Montag ebenfalls über den Sacherhalt berichtet hatte. Wir sehen: Es ist überhaupt nicht ungewöhnlich, dass das Geld von der Bank von der Inflation aufgezehrt wird. Es ist sogar der Normalfall.

    Der Mythos von der Enteignung der Sparer

    Quelle: ZEIT Herdentrieb

  3. Noam Chomsky – How Washington protects itself
    The question of how foreign policy is determined is a crucial one in world affairs. In these comments, I can only provide a few hints as to how I think the subject can be productively explored, keeping to the United States for several reasons. First, the US is unmatched in its global significance and impact. Second, it is an unusually open society, possibly uniquely so, which means we know more about it. Finally, it is plainly the most important case for Americans, who are able to influence policy choices in the US – and indeed for others, insofar as their actions can influence such choices. The general principles, however, extend to the other major powers, and well beyond.
    Quelle: Asia Times
  4. Blackwater death threat is said to have stifled U.S. inquiry
    Just weeks before Blackwater guards fatally shot 17 civilians at Baghdad’s Nisour Square in 2007, the State Department began investigating the security contractor’s operations in Iraq. But the inquiry was abandoned after Blackwater’s top manager there issued a threat: “that he could kill” the government’s chief investigator and “no one could or would do anything about it as we were in Iraq,” according to department reports. […]
    But Blackwater’s rapid growth and the State Department’s growing dependence on the contractor led to unbridled hubris, according to several former company officials. That was fostered, they said, by Prince, who not long before the Nisour Square shooting gathered employees in front of Blackwater headquarters in Moyock, N.C., and demanded that they swear an oath of allegiance.
    Quelle: Tampa Bay Times

    dazu: Why Was Blackwater in China?
    James Risen’s report in the New York Times on Blackwater’s death threat against State Department investigators in Iraq (and the US embassy’s craven decision to kick out the investigators for being “unsustainably disruptive to day-to-day operations” in response) also includes this interesting passage:
    „The company’s gung-ho attitude and willingness to take on risky tasks were seductive to government officials in Washington. The State Department, for example, secretly sent Blackwater guards to Shenyang, China, to provide security for North Korean asylum seekers who had gone to the US Consulate there and refused to leave for fear the Chinese government would force them to go back to North Korea, according to company documents and interviews with former Blackwater personnel.“
    The backstory for the Shenyang job is presumably the flood of economic and political refugees from North Korea during the famine years of the early 2000s. Some refugees tried to get into various consulates in Shenyang as well as embassies in Beijing, and hope that they could obtain some kind of asylum/entry into a sympathetic foreign country instead of facing repatriation to North Korea.
    Quelle: Asia Times

  5. BND-Mitarbeiter unter Spionageverdacht
    Ein Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes hat nach eigenen Angaben den NSA-Untersuchungsausschuss ausspioniert – angeblich im Auftrag der USA. Das erfuhren NDR, WDR und “Süddeutsche Zeitung” aus Regierungskreisen. Zuvor hatte die Bundesanwaltschaft die Festnahme eines 31-jährigen Deutschen bekanntgegeben…
    Der BND-Mitarbeiter soll mehrfach von dem US-Geheimdienst befragt worden sein und mindestens einmal über die Aktivitäten des NSA-Untersuchungsausschusses in die USA berichtet haben.
    Quelle: SZ

    Anmerkung WL: Laut heise online hat der BND-Mitarbeiter inzwischen gestanden, für die USA gearbeitet zu haben. Die Nachrichtenagentur dpa habe berichtet, dass der Verdächtigte „über Jahre hinweg“ geheime BND-Papiere an US-Geheimdienste geliefert habe.

    BND-Mitarbeiter unter Spionageverdacht

    Quelle: Harm Bengen

  6. Der Mindestlohn kommt: Eine Kapitulation vor der Ursachenbekämpfung
    […] Denn die eigentlich zu beantwortende Frage lautet, warum der Markt so viele Fälle von prekären Beschäftigungsverhältnissen hervorbringt. Der gesetzliche Mindestlohn ändert per Vorschrift etwas an den prekären Beschäftigungsverhältnissen, ja, aber an den Marktverhältnissen ändert er nichts. Den Schwarzen Peter haben jetzt im Zweifel all diejenigen Unternehmen, für die der Markt diesen Mindestlohn schlicht tatsächlich nicht hergibt. Das Problem hat folglich zwei Seiten, der Mindestlohn adressiert aber nur eine Seite. […]
    Mit der Agenda 2010 und den Hartz-Reformen wurden wesentliche Voraussetzungen für eine Ausweitung der niedrig entlohnten Beschäftigung geschaffen. Beispiele sind Minijobs und die Zeitarbeit. Mindestlöhne sind insofern zum Teil der Versuch, die Folgen der angesprochenen Reformen zu korrigieren anstatt die Reformen selbst.
    Zum anderen Teil sind sie eine Kapitulation vor der Frage, unter welchen Voraussetzungen auf wettbewerblichen Märkten überhaupt faire Löhne zustande kommen können – und dies gilt sowohl für die Befürworter als auch für die Gegner von Mindestlöhnen.
    Die Gegner unterstellen schlicht, dass Märkte selbstregulierend und effizient sind oder mit anderen Worten prinzipiell effektiver Wettbewerb besteht und insofern auch die Löhne, die jeweils gezahlt werden, fair sind – abgesehen von regelwidrigem Verhalten bzw. Gesetzesverstößen. Die Befürworter schütten dagegen gleich das Kind mit dem Bade aus, weil sie mit der Forderung von Mindestlöhnen das Zustandekommen von angemessenen, fairen Löhnen auf wettbewerblichen Märkten implizit für unmöglich erklären. Intensiver Kostenwettbewerb auf allen wichtigen Märkten, der massenhaft prekäre Beschäftigungsverhältnisse produziert, wird damit von Befürwortern und Gegnern des Mindestlohns nicht nur zur Normalität erklärt, die sie „soziale Marktwirtschaft“ nennen, sondern schlimmer noch, politisch massiv unterstützt und gefördert.
    Das ist grotesk und der Mindestlohn ist es so betrachtet letztlich auch.
    Quelle: Querschüsse
  7. Mittelstand spart 10 Milliarden Euro Erbschaftsteuer
    Das Finanzministerium hat erstmals Auskunft gegeben, wie stark die Wirtschaft von der Ausnahme in der Erbschaftsteuer profitiert – und was dies den Fiskus kostet. Der Verband der Familienunternehmen hält dagegen: „Es geht nicht darum, den Erben ein schönes Leben zu ermöglichen.“
    Allein im Jahr 2012 ist mehr als die Hälfte des Vermögens mit einem Steuerwert von 74,2 Milliarden Euro ganz legal am Finanzamt vorbei übertragen worden. „Von diesem Steuerwert wurden 40,2 Milliarden Euro über die Regelungen in Paragraf 13a steuerfrei gestellt“, heißt es in einem Schreiben des Parlamentarischen Staatssekretärs Michael Meister an das Bundesverfassungsgericht. Dieser Paragraph enthält die Steuerbefreiung für Betriebsvermögen, Betriebe der Land- und Forstwirtschaft und Anteil an Kapitalgesellschaften.
    Quelle: FAZ
  8. Harald Schumann: Achtung, Spar-Paradox!
    Italiens Premierminister Renzi und Frankreichs Präsident Hollande wollen noch mehr Schulden machen. Das darf die Kanzlerin nicht durchgehen lassen! So tönen sie jetzt wieder, die Hüter der deutschen Sparmoral und ihre marktgläubigen Taktgeber bei konservativen Medien von Springer bis Spiegel. Ist doch völlig klar, dass man Schulden nicht mit Schulden bekämpfen kann, nicht wahr? Da hilft nur sparen, auch wenn’s wehtut. Aber diese Sicht beruht auf einem fundamentalen Irrtum: Nein, einen Staatshaushalt kann man nicht führen wie einen Privathaushalt. Wer individuell mehr einbehält, als er ausgibt, hat am Ende mehr auf der hohen Kante. Der Staat jedoch, der in der Regel zwischen 40 und 50 Prozent der Wirtschaftsleistung umsetzt, verändert durch seine Ausgaben auch seine Einnahmen. Steigen die Ausgaben, weil damit junge Leute ausgebildet und die Infrastruktur leistungsfähig gemacht werden, dann investieren auch private Unternehmen mehr. In diesem Fall werden die anfänglichen Mehrausgaben durch erhöhte Steuereinnahmen mehr als ausgeglichen. Das Gleiche gilt selbstverständlich auch umgekehrt. Wenn die Budgetkürzungen einer Volkswirtschaft so viel Kaufkraft entziehen, dass die Unternehmen mangels Nachfrage nach ihren Produkten schrumpfen, dann sinken auch die Steuereinnahmen und die „harten“ Einsparungen bringen dem Staatshaushalt wenig. Weil die Wirtschaftsleistung sinkt, steigt die Schuldenquote sogar an. Genau so erging es den Portugiesen: …
    Quelle: Tagesspiegel

    Anmerkung Orlando Pascheit: Ich weiß nicht, wie lange schon die NachDenkSeiten das Sparparadoxon thematisieren. Aber man kann nicht oft genug darauf hinweisen.

  9. Patientensicherheit: Stationäre Mortalität und Personalschlüssel korrelieren
    […] Resultat der Studie: Mit der Arbeitslast der Pfleger und Pflegerinnen steigt die Mortalität der Patienten: mit jedem zusätzlichen Patienten, den eine Schwester versorgen muss, nimmt die Wahrscheinlichkeit, dass ein chirurgischer Patient binnen 30 Tagen nach der Aufnahme stirbt, um 7 % zu. Um ebenfalls 7 % nimmt hingegen die Sterblichkeit mit jeder 10%igen Zunahme des Anteils der mit einem Bachelor-Abschluss ausgestatteten Patienten ab (p ≤ für beides 0,002). In Kliniken, in denen 60 % der Krankenschwestern einen Bachelor haben und sich im Durchschnitt um 6 Patienten kümmern, liegt die Sterblichkeit um 30 % unter jener von Kliniken, in denen die Schwestern nur in 30 % einen Bachelor-Abschluss vorweisen können und im Durchschnitt eine jede von ihnen 8 Patienten versorgt.
    Quelle: Ärzrteblatt
  10. Ökonomie sollte dienendes Instrument der Medizin sein
    […] „Medizin und Ökonomie schließen sich nicht aus“, so der BÄK-Präsident. Vielmehr sei es so, dass Ärzte und Ökonomen unterschiedlichen Logiken folgten: „In der Logik der Ökonomie muss mit geringem Aufwand die bestmögliche Leistung und Qualität erbracht werden“, verwies er.
    Dies widerspreche jedoch der Logik der Medizin. „Die muss das beste Ergebnis für den Menschen, unabhängig von ökonomischen Beschränkungen, erreichen“, hob Montgo­mery hervor. Ökonomie und marktkonformes Denken würden dann zu einem Problem, wenn die ökonomische Logik auf die Medizin angewandt würde, ergänzte der BÄK-Präsident. Montgomery forderte von den Ökonomen mehr Impulse für Lösungen und nicht ein kategorischen Nein.
    Quelle: Ärzteblatt
  11. O2 und E-Plus: Handytarife könnten steigen
    Die Europäische Kommission in Brüssel hat am Mittwoch eine Entscheidung getroffen, die den deutschen Mobilfunkmarkt stark verändern wird. Sie genehmigte den Zusammenschluss von Telefónica Deutschland (O2) und E-Plus. Bald wird es also nur noch drei Mobilfunknetzbetreiber auf dem deutschen Markt geben. Zusammen steigen die beiden Unternehmen – gemessen an der Kundenzahl – zum größten Wettbewerber in Deutschland auf und überholen die Telekom und Vodafone, die bisher klare Marktführer waren. Allerdings hat die EU-Kommission die Genehmigung an Auflagen geknüpft. So muss das fusionierte Unternehmen vor dem Abschluss bis zu 30 Prozent der Netzkapazität des neuen Unternehmens verkaufen. Es ist aber unwahrscheinlich, dass ein Interessent auftauchen wird, da der Markteintritt für einen Neuling extrem teuer und mit hohen Risiken verbunden wäre. Die Monopolkommission sieht die Entscheidung der EU-Kommission kritisch. “Der Wettbewerb dürfte durch die Fusion geschwächt werden, da mit E-Plus das Unternehmen verschwindet, von dem bisher die stärksten Wettbewerbsimpulse ausgingen”, sagte der Vorsitzende der Monopolkommission, Daniel Zimmer, dem Tagesspiegel. Die verbleibenden drei Infrastrukturbetreiber hätten ähnlich große Marktanteile und damit weniger Anreize als in der bisherigen Vierer-Konstellation, mit günstigen Preisen heftig zu konkurrieren. “Auch von den Unternehmen, die nun als Vertragspartner von O2 Netzkapazitäten erwerben können, wird auf die Dauer nur eine begrenzte Wettbewerbswirkung ausgehen, da sie immer auf die Nutzung eines fremden Netzes angewiesen sind”, sagte Zimmer weiter.
    Quelle: Zeit Online

    Anmerkung Orlando Pascheit: Wer bisher meinte, dass im Fall der Deutschen Bundespost eine besonders erfolgreiche Umwandlung von öffentlichem Vermögen in privates Eigentum zu besichtigen war, wird spätestens jetzt von der Realität eingeholt. Das Schicksal der einzelnen Bereiche zu bewerten, würde den Rahmen einer Anmerkung sprengen. Es sei nur darauf hingewiesen, dass die Deutsche Postbank AG von der Deutschen Bank übernommen wurde (u.a. too big to fail) und dass die Privatisierung von Post sowie Telekommunikation und Fernmeldewesen, dem Publikum immer noch viel zu wenig bewusst, u.a. auf dem Rücken der Beschäftigten realisiert wurde. Es ist schon fast witzig, dass die Monopolkommission, die in etlichen Berichten die Privatisierung vorangetrieben hat, jetzt vor den Nebenfolgen warnt. Natürlich will die Privatwirtschaft Gewinne machen und das nicht über Wettbewerb. Wettbewerb durch Produktkonkurrenz ist nicht optimal für Profitmaximierung, Vermachtung im Monopol oder im Oligopol schon.
    Und es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich die Kommission in Brüssel von den Unternehmensverbänden davon überzeugen lassen wird, dass der “Wettbewerb” einiger, weniger Großkonzerne dem Wohl der Konsumenten im Gemeinsamen Markt am besten dient. Wie sehr die EU-Kommission von der Privatwirtschaft vereinnahmt worden ist, zeigte sich jüngst im geleakten Vorschlag der EU-Kommission zum Thema Finanzmarktregulierung innerhalb der TTIP-Verhandlungen. Es ist bisher nur den USA zu verdanken, welche die Standards zur Finanzmarktregulierung in den USA nicht absenken möchten, dass die Londoner City (stellvertretend für die europäischen Banken) und die Wall Street mit ihren Wünschen nicht durchdringen. Und wo bleibt Deutschland?

  12. Ex-Premier Blair: Lukrative Ratschläge für den General
    Laut dem Bericht soll Blair in Ägypten bei der Umsetzung von Wirtschaftsreformen helfen und internationale Investoren anlocken. Er wäre damit Teil eines Hilfsprogramms der Vereinigten Arabischen Emirate, die die Regierung Sisis unterstützen. Zu den Emiraten unterhält Blair bereits Geschäftsbeziehungen als Berater und Kontaktvermittler. Das Programm soll von der Unternehmensberatung Pricewaterhouse-Coopers organisiert werden. Eine Sprecherin des ehemaligen Premierministers sagte, Blair werde nicht als offizieller Berater des ägyptischen Präsidenten auftreten. Er werde Ratschläge geben, einige Treffen abhalten, das sei alles. Weder Blair noch eine seiner Firmen würden Geld erhalten.
    Laut Daily Telegraph hat Blair ein Vermögen von 70 Millionen Pfund angehäuft, seit er den Sitz des Premiers in 10 Downing Street verlassen hat. Neben den hochdotierten Beraterjobs zählen Reden zu seinen wichtigsten Einkommensquellen, bis zu 250 000 Pfund erhält Blair für Vorträge. – Blair weist darauf hin, dass er zwei Drittel seiner Zeit unbezahlt arbeite, zum Beispiel für seine wohltätigen Stiftungen und als Sonderbeauftragter des Nahost-Quartetts. Diese Rolle hat Blair seit sieben Jahren inne, zuletzt musste er sich jedoch scharfe Kritik gefallen lassen. Ende Juni haben sich ehemalige britische Botschafter, Politiker und Hochschullehrer in einem offenen Brief an das Nahost-Quartett und an Blair gewandt: Er solle als Sonderbeauftragter zurücktreten. Die Ergebnisse seiner Arbeit seien “zu vernachlässigen”, zudem verknüpfe er den Posten mit seinen wirtschaftlichen Interessen.
    Quelle: SZ

    Anmerkung Orlando Pascheit: Es ist schon erstaunlich, was diese Generation an ganz speziellen Sozialdemokraten hervorgebracht hat. Natürlich lässt sich auch Pricewaterhouse-Coopers Gespräche, die der Akquise dienen, nicht bezahlen.

  13. Drohen Europa japanische Verhältnisse?
    Insgesamt ist der Euroraum noch lange nicht aus dem Gröbsten heraus. Die Wirtschaftsleistung hat fast sechs Jahre nach Ausbruch der Finanzkrise ihr Vorkrisenniveau noch immer nicht wieder erreicht. Das Produktionspotenzial der Wirtschaft ist bei weitem nicht ausgeschöpft, die Arbeitslosigkeit verharrt auf Rekordniveau. Dieses Bild kontrastiert unvorteilhaft mit der Lage in den USA, wo nach einem ähnlich heftigen Konjunktureinbruch seither ein deutlich kräftigerer Aufschwung zu verzeichnen ist. Wie ist diese Diskrepanz zu erklären? In erster Linie mit dem besseren Krisenmanagement der USA: Nicht nur haben die USA nach der Finanzkrise ihren Finanzsektor schneller aufgeräumt als Europa, d.h. marode Banken restrukturiert, mit stärkeren Partnern fusioniert oder einfach abgewickelt. Sondern sie haben auch den in der gesetzten Fiskalimpuls Im Zuge der anschliessenden Konjunkturerholung vergleichsweise sachte wieder zurückgefahren, während Europa unter dem Druck der stark gestiegenen Staatsverschuldung schon 2011 trotz Zurückgleitens in die Rezession abrupt auf einen harten, rezessionsverschärfenden Spar- und Konsolidierungskurs umgeschwenkt ist. Eine wichtige Rolle hat schliesslich auch die Geldpolitik gespielt: Die amerikanische Zentralbank, die Fed, ist mit deutlich mehr Aggressivität als die EZB gegen die Rezession vorgegangen – nicht nur mit Zinssenkugen, sondern, als dieses Mittel erschöpft war, auch mit „Quantitative Easing“ (quantitativer Lockerung), d.h. mit milliardenschweren Ankäufen von längerfristigen Anleihen, einschliesslich Staatsanleihen. In einem engen Zusammenhang zu Europas Wachstumsschwäche steht der seit zwei Jahren anhaltende Rückgang der Inflationsrate, die sich vom offiziellen Inflationsziel der EZB – knapp 2% – zusehends nach unten verabschiedet (Abbildung 2). Das Deflationsrisiko mag noch nicht unmittelbar akut sein, auf die leichte Schulter genommen werden sollte es dennoch nicht. Japan schlitterte Mitte der 90er Jahre in eine ausgedehnte Deflation und bezahlte dafür teuer: Die einstige Wachstumslokomotive Asiens kam nahezu zum Stillstand. Einige Parallelen sind nicht von der Hand zu weisen:
    Quelle: Ökonomenstimme
  14. Berlin: Wie geht es weiter nach der verhinderten Räumung der Schule?
    Der massive Widerstand der Bevölkerung hat die polizeiliche Räumung der von Flüchtlingen besetzten Schule in der Ohlauer-Straße gestoppt. Der Berliner Senat muss die derzeitige Ruhe nutzen und ein Angebot vorlegen, das die Flüchtlinge endlich vor einer Abschiebung schützt.
    Die Erleichterung war goß, als der tagelange Polizeieinsatz zur Räumung der Gerhard-Hauptmann-Schule in Kreuzberg schließlich abgeblasen wurde. Die Flüchtlinge unterzeichneten eine Einigung mit dem Bezirk Berlin-Kreuzberg, die ihnen unter anderem einen Verbleib in der Schule erlaubt. Weitere Details sollen noch final ausgehandelt werden. Die Flüchtlinge haben jedoch angekündigt, ihren Protest auf dem Dach des Gebäudes fortzuführen bis sie ein Bleiberecht erhalten. Jetzt ist der Senat gefordert, die Situation dauerhaft zu entschärfen.
    Seit Dienstag letzter Woche hatten die Flüchtlinge umstellt von einem massiven Polizeiaufgebot in der Schule ausgeharrt. Dann beantragte der Bezirk die Räumung der Schule. Eine breite Solidaritäts- und Protestbewegung hatte sich in der Folge rund um die Schule gebildet. Mit Demonstrationen, Blockaden und Apellen wurde die Politik zum Umdenken bewegt.
    Die Ruhe, die die Flüchtlinge, der Bezirk und die Vermittler jetzt in die angespannte Situation gebracht haben, muss nun genutzt werden, bevor es zu einer erneuten Eskalation kommt. PRO ASYL fordert den Berliner Senat auf, den Flüchtlingen zunächst einen rechtsverbindlichen Schutz vor Abschiebungen zuzusichern. Bisher ist dies nicht der Fall. (…)
    Eine nachhaltige Verhandlungslösung wird Zeit in Anspruch nehmen, denn zunächst muss zerstörtes Vertrauen wieder aufgebaut werden. PRO ASYL unterstützt die Forderungen des Berliner Flüchtlingsrates an den Senat, die bisher gemachten Zusagen einzuhalten. Bisher haben nicht alle Betroffenen den zugesicherten Unterbringungsplatz erhalten, Krankenscheine werden nicht ausgestellt, keiner der versprochenen Deutschkurse ist bisher gestartet und immer noch gibt es keinen effektiven Schutz vor einer Abschiebung während der Prüfung der aufenthaltsrechtlichen Verfahren.
    Quelle: PRO ASYL

    Passend dazu: Keine Abschiebungen aus Osnabrück
    Abschiebung Nr. 7 verhindert! Vielen Dank an alle die da waren. Nachdem viele solidarische Menschen bereits Gestern die Abschiebung eines syrischen Flüchtlings nach Italien erfolgreich verhindert haben, ist auch heute die Abschiebung von Ahmed aus Eritrea, auch er sollte nach Italien gebracht werden, verhindert worden.
    Kommentar von der No Lager Facebookseite
    Über 100 Osnabrücker*innen verhindern erneut erfolgreich eine Abschiebung!
    Am Mittwochmorgen, dem 02.07., hat das breite Bündnis gegen Abschiebungen Osnabrück bereits zum 7. Mal die Abschiebung eines Geflüchteten durch eine Protestaktion verhindern können. Ein junger Mann aus Eritrea sollte in den so genannten Ersteinreisestaat (laut EU-Dublin-Verordnung) nach Italien abgeschoben werden. Im Gegensatz zur organisierten Verantwortungslosigkeit auf bundesdeutscher und europäischer Ebene können sich die Geflüchteten in Osnabrück aber der Solidarität der Osnabrückerinnen und Osnabrücker gewiss sein!
    DANKE AN ALLE, DIE DAS WIEDER MÖGLICH GEMACHT HABEN !!!
    Quelle: Osnabrück alternativ

    Anmerkung H.R.: Erst kürzlich mahnte Bundespräsident Gauck, mehr Flüchtlinge in Deutschland aufzunehmen: “Wir, das heißt Deutschland und auch Europa, tun viel – aber nicht so viel, wie es uns selbst manchmal scheint.” und “Wir könnten mehr tun. Wir könnten manches besser tun. Wir müssten es tun in Achtung der Rechte, zu denen wir uns doch verpflichtet haben. Vor allem sollten wir es gemeinsam tun, als Europäer.”, sind wohl die prägendsten Sätze einer von ihm kürzlich gehaltenen Rede; die komplette Rede ist hier nachlesbar: Berliner Symposium zum Flüchtlingsschutz.
    Noch vor wenigen Monaten hat ein Vertreter des (mit einem CDU-Oberbürgermeister und einer rot-grünen Mehrheit geführten) Stadtrats freudig verkündet, dass die Stadt Osnabrück keine Abschiebungen zu unchristlichen, sprich früh-morgendlichen Zeiten durchführe.
    Das Gegenteil hat sich nun jedoch ereignet – und nicht lediglich einmal (dann könnte von einer “zufälligen” Aktion die Rede sein), sondern mehrfach. Absicht darf daher vermutet werden. Fragen ergeben sich:
    Welchen Druck bzw. Einfluß hat das Innenministerium des Landes Niedersachsen (mit dem ehemaligen Osnabrücker Oberbürgermeister Pistorius an der Spitze) auf diese Abschiebungen ausgeübt?
    Welche Rolle spielt der hiesige OB, welche die Stadtverwaltung in dieser Sache?

  15. Foulspiel in Brasilien: Wie FIFA und Militärpolizei einen Krieg gegen die Armen führen
    Im Zuge der WM-Vorbereitungen wurden auf Druck der FIFA Polizei und Militär massiv aufgerüstet. So hat die deutsche Polizei die Polizei von Rio in der „Kessel-Taktik“ ausgebildet, während Krauss-Maffei Wegmann zusammen mit Siemens 34 Gepard-Panzer mit Flugabwehrgeschützen und VW Wasserwerfer lieferte. Die WM wird zum Anlass für den größten Einsatz von Streitkräften im Inneren in der Geschichte Brasiliens. Die staatliche Gewalt richtet sich besonders gegen die Menschen in den Favelas. Für WM und Olympia sind schätzungsweise 250.000 Menschen vertrieben worden oder akut von Vertreibung bedroht. Kein Haus eines Reichen sei angetastet worden, so Thomas Fatheuer, betroffen seien ausschließlich ärmere Menschen. Die Militärpolizei führe schon lange einen „Krieg gegen die Armen“. Indessen gehen in vielen brasilianischen Städten die Proteste gegen die Rekordausgaben für die WM weiter, die Militärpolizei geht mit Tränengas und Schusswaffen vor.
    Die WM in Brasilien gilt als die teuerste aller Zeiten. Der brasilianische Staat hat mehr als zehn Milliarden Euro für die WM ausgegeben, während in Bereichen wie Gesundheit und Bildung lebensnotwendige Investitionen fehlen. Drei der Stadionneubauten sind in Städten entstanden, in denen es nicht einmal einen Drittliga-Fußballclub gibt – ein Milliardengeschäft für große Baukonzerne wie Odebrecht, die auch zu den wichtigsten Wahlkampffinanziers von Regierung und Opposition gehören. Sportliche Megaevents würden, so Thomas Fatheuer, benutzt, um eine massive Kommerzialisierung von Städten durchzusetzen. Die Stadt werde zu einem Verwertungsraum für das Kapital umgebaut, anstatt zu einem Raum der Partizipation von Bürgern. Auch die Fifa-Regeln würden Partizipation und Demokratie zurückdrängen, z.B. durch Sondergesetze zum Ausschluss lokaler Händler. Dabei sei der volkswirtschaftliche Nutzen sportlicher Großereignisse, so der Wirtschaftswissenschaftler Wolfgang Maennig, gleich Null.

    Der Beitrag gliedert sich in vier Teile:

    1. Vertreibungen und Proteste: WM und Olympia als Mittel zur Durchsetzung neoliberaler Politik
    2. Militarisierung: Deutsche Gepardpanzer, Wasserwerfer und Polizeikessel für die WM / Ein “Krieg gegen die Armen”
    3. Die Stadt als Raum des Kapitals: Wie WM und Olympia die Demokratie verdrängen / Baukonzerne als Hauptprofiteure
    4. Ein Nullsummenspiel: Der Mythos vom volkswirtschaftlichen Nutzen großer Sportevents

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