Hinweise des Tages II

Jens Berger
Ein Artikel von:

Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (AM/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Zum Antisemitismus in Deutschland
  2. Gaza/Israel
  3. NSA-Ausschuss im Bundestag: Snowden-Vertrauter Greenwald lehnt Aussage ab
  4. Todesflug MH17 – Ignorierte Warnungen
  5. Die lange Wirkung von “whatever it takes”
  6. Für Arme gibt es einen separaten Hauseingang
  7. Studie zu Obdachlosen: Qualen der einsamen Wölfe
  8. Finanzinvestor droht WMF kaputt zu sparen
  9. Lobby-Streit um AOK-Zahnersatz: Im Zweifel gegen den Patienten
  10. System Lotto: Selbstbedienungsladen für Politiker?
  11. Die Welt als Schachbrett: Der neue Kalte Krieg des Obama-Beraters Zbigniew Brzezinski
  12. Überraschung für den Westen
  13. Wie fair kann ein Smartphone sein
  14. Bittere Pille: Bafög-Senkung ist offiziell
  15. Gaza und die Ukraine: Bitte, bitte schwarz-weiß!
  16. Der große Deal – Geheimakte Freihandelsabkommen

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Zum Antisemitismus in Deutschland

    Zum einen ein Artikel des deutschen Außenministers Frank-Walter Steinmeier in der „Jüdischen Allgemeinen“ vom 31. Juli. Er sieht in Deutschland eine Welle antisemitischer Hetze und Übergriffe und fordert Null Toleranz.
    Zum anderen ein Text von Abraham (Abi) Melzer, einem jüdischen Mitbürger aus Frankfurt am Main. Er wendet sich gegen die Dramatisierung durch Herrn Graumann vom Zentralrat der Juden in Deutschland. Wörtlich: „Er behauptet auf deutschen Straßen sei „gegrölt“ worden, dass Juden „vergast, verbrannt und geschlachtet“ werden sollen. Wo hat er das gehört? Ich behaupte, dass er lügt und ich frage mich wie naiv und dumm man sein muss, um solche dreisten Lügen zu verbreiten.“

    1. Gemeinsame Sache
      Der Antisemitismus ist kein Problem der Juden allein. Ein Bekenntnis des deutschen Außenministers zur Solidarität von Frank-Walter Steinmeier […]
      Gleichzeitig sind wir alle entsetzt über die Welle antisemitischer Hetze und Übergriffe, die in den letzten Wochen in unseren Städten ausgebrochen ist. Das Phänomen latent antisemitischer Einstellungen, die sich in überzogener Israelkritik niederschlagen, ist leider seit Längerem bekannt. Was wir hier erleben, ist dennoch schockierend: Da wurden Parolen gebrüllt, die an Judenhass nicht mehr zu überbieten sind. Sie lassen jedem das Blut in den Adern gefrieren. […]
      Null toleranz. Hier bricht sich offener, brutaler Antisemitismus Bahn, und zwar lautstark, aggressiv und beängstigend für alle, aber besonders für jüdische Bürger.
      Quelle: Jüdische Allgemeine
    2. Abi Melzer – Der Zentralrat der Juden vermisst Solidarität
      Abraham Melzer ist Mitglied der Jüdischen Stimme für gerechten Frieden. Er war Herausgeber der Zeitschrift SEMIT – und Verleger vieler wichtiger Schriften zum Nahost-Konflikt.
      Sein Text: Der Zentralrat der Juden vermisst Solidarität [PDF]

      Nachtrag A.M. am 3.8.: Abi Melzer hat den letzten Satz mit dem Vorwurf der Lüge zurückgezogen. Er hätte ihn dann besser nicht erhoben.

  2. Gaza/Israel
    1. Der Nahostkonflikt nimmt kein Ende
      Niemand ist willens oder in der Lage, die Gewaltspirale im Nahostkonflikt aufzuhalten. Und so wird weiter gebombt und gestorben – ohne Aussicht auf eine Lösung des Konflikts.
      Quelle: NDR Info
    2. Gaza conflict: UN accuses Israel over Jabaliya attack
      Israel attacked a UN-run school housing refugees in Gaza despite warnings that civilians were there, the UN has said.
      UN spokesman Chris Gunness said “the world stands disgraced” by the attack, in which 15 died and dozens were hurt.
      Israel said an initial inquiry suggested soldiers responded to mortar fire. It called a partial, four-hour humanitarian ceasefire but Hamas, which controls Gaza, said it was meaningless.
      Quelle: BBC
    3. Die Angst der Intellektuellen
      Der Krieg in Gaza ist in Israel populär, kaum jemand stellt ihn in Frage. Wer es doch tut – und nur von Waffenstillstand redet – gilt als Verräter. Und muss mit heftigen Reaktionen rechnen.
      Quelle: Handelsblatt
  3. NSA-Ausschuss im Bundestag: Snowden-Vertrauter Greenwald lehnt Aussage ab
    Der US-Journalist Glenn Greenwald sollte im September vom deutschen NSA-Ausschuss befragt werden. Jetzt sagt er den Termin ab – und kritisiert das Gremium scharf. Nach Edward Snowden fällt damit schon der zweite wichtige Zeuge aus. […]
    Er wolle den Bundestag gerne dabei unterstützen, wenn es um eine “ernsthafte Untersuchung” der Ausforschung von Deutschen durch die NSA gehe, schreibt Greenwald. Durch die Ablehnung, den “Schlüsselzeugen” Snowden zu vernehmen, hätten deutsche Politiker jedoch gezeigt, dass es ihnen wichtiger sei, die USA nicht zu verärgern, statt die NSA-Spionage ernsthaft aufklären zu wollen.
    Darum sei er nicht bereit, “an einem Ritual mitzuwirken, das den Anschein einer Untersuchung erwecken soll”, so Greenwald weiter. Tatsächlich solle eine wirkliche Untersuchung vermieden werden, kritisierte er. Es handele sich um “leere Symbolik”. Falls das deutsche Parlament doch noch die Courage finden sollte, Snowden auf deutschem Boden zu befragen, würde er seine Haltung noch einmal überdenken.
    Quelle: SPIEGEL Online

    passend dazu: SPD-Fraktionschef Oppermann: “Snowden darf unser Verhältnis zu den USA nicht belasten”
    Edward Snowdens einjähriges Asyl in Russland ist abgelaufen. SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann drängt ihn zur Rückkehr in die USA. Eine “humanitäre Lösung” für den Whistleblower würde auch das deutsch-amerikanische Verhältnis entspannen.
    Quelle: SPIEGEL Online

    Anmerkung unserer Leserin M.G.: Mein Verhältnis zur Sozialdemokratie belasten Leute wie Oppermann. Lange und nachhaltig. Nicht Edward Snowden belastet das deutsch-amerikanische Verhältnis, sondern die Spionage durch die NSA, Herr Oppermann!

  4. Todesflug MH17 – Ignorierte Warnungen
    298 Menschen starben durch den vermeintlichen Abschuss der MH17 Malaysian Airlines. Eine Tragödie, die hätte vermieden werden können. Denn mittlerweile steht fest: Viele Airlines, darunter auch die malaysische, haben Warnungen ignoriert. Auch wenn der Luftraum über der Ostukraine jetzt gemieden wird; andere Krisengebiete werden weiterhin überflogen. Dabei wird immer wieder auch von Flugzeugen berichtet, die im Landeanflug beschossen wurden. Lebensgefährliche Risiken, die von den Airlines bewusst in Kauf genommen werden?
    Quelle: WDR Monitor
  5. Die lange Wirkung von “whatever it takes”
    Als Mario Draghi, der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), vor zwei Jahren ankündigte, er werde alles Notwendige unternehmen, um den Euro zu retten – seine berühmten Worte «whatever it takes» –, waren die Reaktionen an den Finanzmärkten erst einmal von gewisser Skepsis geprägt. Doch die Nachhaltigkeit dieser drei Worte war unterschätzt worden. Eine negative Begleiterscheinung von Draghis verbaler Intervention war und ist, dass der auf europäischen Politikern lastende Reformdruck geringer ist, als er ohne sie wäre. Zudem hat die EZB mit ihrer fortgesetzten Politik des billigen Geldes Marktmechanismen ausser Kraft gesetzt. Die tiefen Zinsen für Staatsanleihen sind kein Indikator von Risiken mehr, beispielsweise der Fähigkeit von Staaten, ihre Schulden zu bedienen und zurückzuzahlen. Analytiker weisen darauf hin, dass die Staatsverschuldung weiter gestiegen ist und sich mit 94% des Bruttoinlandproduktes im Durchschnitt der Euro-Zone der Marke von 100% nähert, was weit von dem eigentlich einmal angestrebten Maximum von 60% pro Land entfernt ist.
    Quelle: NZZ

    Anmerkung Orlando Pascheit: Andreas Uhligs bewährte Übersicht über die Ansichten, die am Markt kursieren, beinhaltet die sehr schwammigen Begriffe Reformdruck oder Strukturreform. Sie bedeuten für einem echten Neoliberalen nichts anderes als Lohnflexibilität bishin zum Lohnverzicht, Abbau von Sozialversicherungssystemen, die immer zu großzügig sind und die Menschen von der Arbeitsplatzsuche abhalten oder, besonders schön, den Abbau zu hoher Grenzsteuersätze, die wiederum die Anreize zur Beteiligung am Erwerbsleben verringern und zu einer geringeren Zahl geleisteter Arbeitsstunden führen – so z.B. das frühere Mitglied des Direktoriums der EZB, José Manuel González-Páramo. Und natürlich der Schuldenabbau. Man fragt sich, wie John Bluedorn und Shengzu Wang sich Strukturreformen bei gleichzeitiger Erhöhung der Investitionen vorstellen – z.B. in Griechenland und Spanien. Die Mehrheit der Marktanalysten dürfte die jetzige Form der Sparpolitik als kontraproduktiv bewerten, die letztlich zu einem Anstieg der Staatsverschuldung führte – und weniger die Geldpolitik der EZB.
    Natürlich ist die Eurokrise nicht gelöst, aber vielleicht sollten wir nach nun zwei Jahren die Worte würdigen, die Mario Draghi am 26. Juli 2012 äusserte:
    “But there is another message I want to tell you. Within our mandate, the ECB is ready to do whatever it takes to preserve the Euro. And believe me, it will be enough.”
    “Wer weiss, wo die Währungsunion heute stände, wenn nicht Draghi, sondern sein zaudernder Vorgänger Jean-Claude Trichet in jenen schicksalshaften Wochen das Ruder der EZB in der Hand gehalten hätte”, schreibt Mark Dittli und präsentiert in sechs Charts, was an den Finanzmärkten nach dem 26. Juli 2012 geschah.

  6. Für Arme gibt es einen separaten Hauseingang
    Die Stadt New York fördert Wohnhäuser, wenn der Investor darin auch billigere Apartments anbietet. Was dazu führt, dass diese nur über den Hintereingang zu betreten sind. In London läuft es genauso.
    Es gibt Tage, da beneiden New Yorker Berliner. Es sind, zugegeben, nicht viele Tage. Aber es werden mehr. Normalerweise geht es dabei um folgende Dinge: die Weite des Raumes, Romantik und die Bezahlbarkeit des Lebens, vor allem – des Wohnens. Gerade war es wieder so weit. Empörte Mails kamen aus den USA.
    Es ging um ein sehr hohes Haus, das in einer ziemlich guten Gegend in Manhattan gebaut werden soll. 219 Luxuswohnungen wird es in dem Haus geben, und 55 erschwingliche Appartments, wobei das hier tatsächlich heißt: Sozialwohnungen. Weil diese Sozialwohnungen eingeplant wurden, bekommt das bauende Unternehmen Steuererleichterungen. Und es darf höher bauen als hier eigentlich gebaut werden darf.
    Quelle: Welt
  7. Studie zu Obdachlosen: Qualen der einsamen Wölfe
    Noch immer existiert der Mythos vom glücklichen Clochard, dem obdachlosen Aussteiger, der unbeschwert in den Tag hineinlebt. Die Wirklichkeit sieht anders aus. Nach einer repräsentativen Untersuchung der Klinik für Psychiatrie am Klinikum rechts der Isar der TU München leiden zwei Drittel der allein stehenden wohnungslosen Männer und Frauen unter psychischen Erkrankungen. Aber nur ein Drittel erhält eine entsprechende Versorgung. Das zeigt die “Seewolf”-Studie, an der 232 Bewohner von Häusern der Wohnungslosenhilfe, von Notunterkünften und Pensionen teilnahmen: Der Name steht für “Seelische Erkrankungsrate in den Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe”. Mit dem Klischee vom einsamen Wolf haben die Wohnungslosen aber nichts gemein: “Es handelt sich nicht um Aussteiger, sondern um Menschen, die mit ihrem Latein am Ende und nicht mietfähig sind”, sagte Josef Bäuml, leitender Oberarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Klinikums rechts der Isar.
    Insgesamt seien 94 Prozent akut oder ehemals psychisch krank. Die Betroffenen verfügen über deutlich niedrigere Bildungsabschlüsse als im Bevölkerungsdurchschnitt, ihre geistige Leistungsfähigkeit ist deutlich eingeschränkt. Rund 80 Prozent leiden unter Suchterkrankungen, viele trinken, um mit den Auswirkungen der psychischen Erkrankungen besser zurecht zu kommen. 55 Prozent leiden unter Persönlichkeitsstörungen. Bei 40 Prozent diagnostizierten die Wissenschaftler eine Depression, bei 20 Prozent Angsterkrankungen, bei 14 Prozent schizophrene Erkrankungen. Im Durchschnitt hatten die Befragten seit fünf Jahren keine eigene Wohnung mehr und hatten sogar elf Monate auf der Straße hinter sich. Oft liege bei ihnen eine “sehr schwierige, sperrige Persönlichkeitsstruktur” vor, “die nicht den Beschützerinstinkt von Therapeuten” weckt, erklärte Bäuml.
    Quelle: SZ

    Anmerkung Orlando Pascheit: Angesichts von ca. 250.000 Obdachlosen beinhaltet, auch bei einem geringeren Prozentsatz an psychisch Kranken, diese Studie ein beträchtliches Defizit in Politik und Gesellschaft. Als Sammler von Hinweisen für die NachDenkSeiten fällt es oft schwer, sich gegen fremdes Leid abzugrenzen, ohne an Empathie zu verlieren. Und umgekehrt weckt die “sehr schwierige, sperrige Persönlichkeitsstruktur” von Obdachlosen nicht unbedingt die Empathie. Dennoch möchte ich Sie dazu auffordern, auch einmal ein freundliches Wort an Obdachlose, ob sie nun betteln oder nicht, zu richten. Sie könnte ja mit einem Gruß beginnen. – Skandalös, wie auch hier Sparpolitik Unmenschliches gebiert, wenn Josef Bäuml, leitender Oberarzt der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie des Klinikums rechts der Isar, den hohen Anteil psychisch Kranker in der Wohnungslosenhilfe auf die im Zuge der Enthospitalisierung erfolgten Bettenabbau in der stationären Psychiatrie zurückführt.

  8. Finanzinvestor droht WMF kaputt zu sparen
    Die US-Heuschrecke KKR bringt das verschlafene Städtchen Geislingen zum Kochen. Entlassungen und Sparpakete beim Topf- und Besteck-Hersteller WMF. Geht hier ein weiteres Traditionshaus aus Gier vor die Hunde? Oder beweisen die Investoren Weitblick?
    Es scheppert und klappert, dass den Silit-Mitarbeitern nur so die Ohren klingeln. Den Schmerz nehmen sie gern in Kauf. Mit voller Wut schlagen die 600 Männer und Frauen mit Rührlöffeln auf Töpfe, lassen Deckel wie Orchester-Becken gegeneinander krachen. Kein „billiges Klump“ wie man in dem schwäbischen Landstrich sagt, sondern Qualitätsgeschirr von Silit und WMF hält für die Kakophonie her. Auf den Plakaten der Demonstranten steht: „Holt den Kammerjäger, Heuschrecken KKR im Ländle“.
    Quelle: Wirtschaftswoche
  9. Lobby-Streit um AOK-Zahnersatz: Im Zweifel gegen den Patienten
    Es ist ein Lehrbeispiel für die unheilvolle Macht der Lobbys: Ein Dentallabor bietet AOK-Versicherten Premium-Zahnersatz zu sensationellen Konditionen. Doch dann macht eine Innung Druck – und die Kasse knickt ein.
    Quelle: Spiegel Online
  10. System Lotto: Selbstbedienungsladen für Politiker?
    Etwa 7 Milliarden Euro jährlich geben die Deutschen für ihr liebstes Glücksspiel aus: Lotto. Bei dem soll ganz nebenbei noch Gutes getan werden, denn ein Teil der Einsätze geht in die Sportoder Kulturförderung. Doch MONITOR-Recherchen zeigen: Manche Landeslottogesellschaften sind offenbar zu einem Selbstbedienungsladen für Politiker geworden, gut dotierte Jobs inklusive.
    Quelle: WDR Monitor
  11. Die Welt als Schachbrett: Der neue Kalte Krieg des Obama-Beraters Zbigniew Brzezinski
    “Aufgrund dieser Situation ist es sehr wahrscheinlich, dass die geopolitische Konkurrenz verschiedener Mächte in dieser Region ähnlich ausgetragen werden würde wie einst auf dem europäischen Balkan. Auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawien machten sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts Russland, Österreich-Ungarn, Deutschland, Frankreich und Großbritannien gegenseitig Konkurrenz. Dabei bedienten sich die Großmächte der in dieser Region vorgefundenen ethnischen Konflikte. Die Instabilität dieser Region lud ausländische Großmächte dazu ein, durch Parteibildungen und Einflussnahme ihre Interessen gegeneinander durchzusetzen. Der europäische Balkan ist ein Beispiel dafür, dass in ethnisch gemischten Regionen, in denen sich zudem die Einflusssphären verschiedener Großmächte überschneiden und kreuzen, Bürgerkriege leicht entfacht werden können. (…) Doch anders als der amerikanische ist der europäische Kontinent in zwei Weltkriegen verwüstet worden. Aus dieser Erfahrung resultiert eine Verantwortung Europas gegenüber der Welt, seine Entscheidungen mit dem sicheren Gespür zu treffen, wann Machtpolitik in Selbstzerstörung umschlägt. Europa ist den Weg, der direkt in die Barbarei führt, zweimal gegangen und sollte in der Lage sein, die Zeichen frühzeitig zu erkennen, mit denen sich die abschüssige Bahn der Katastrophenpolitik ankündigt.”
    Quelle: Hintergrund

    Anmerkung unseres Leser C.V.: Da ich nicht immer regelmäßig dazukomme, alle Hinweise auf den Nachdenkseiten zu lesen, bin ich nicht sicher, ob dieser Text im Rahmen des Ukrainekonflikts (oder Bürgerkriegs) schon einmal aufgegriffen wurde. Er ist 2008 erschienen und enthält viele Hintergrundinformationen und wirkt aus heutiger Sicht nahezu prophetisch. Traurig, dass der im letzten Absatz gemachte Appell an Europa wirkungslos verpufft.

  12. Überraschung für den Westen
    Am Dienstag legte der von der EU beauftragte Chefermittler zu Kriegsverbrechen der »Befreiungsarmee des Kosovo« (UÇK), der US-Diplomat Clint Williamson, in Brüssel Ergebnisse seiner Untersuchung vor. Demnach haben sich »Kader der UÇK« der Entführung, Geiselnahme, Folter und Ermordung von ethnischen Serben, Roma und anderen Nationalitäten, einschließlich mißliebiger Albaner, schuldig gemacht. Dafür gebe es Beweise. »Schlüssige Hinweise« gebe es in bis zu zehn Fällen von Organhandel. Die Zahl könne sich in einem ordnungsgemäßen Gerichtsverfahren erhöhen. Die Aussagen stimmen weitgehend mit dem Bericht überein, den der frühere Ermittler des Europarates zu UÇK-Kriegsverbrechen, der Schweizer Dick Marty, Ende 2010 vorgelegt hatte. Er kommentierte am Dienstag in einem Interview mit dem Schweizer Radio und Fernsehen (SRF) die Erklärung Williamsons mit der ironischen Bemerkung, daß die Regierungen der EU- und NATO-Staaten »sehr, sehr überrascht« sein müßten. Sie hätten zwar Williamson mit Ermittlungen beauftragt, aber offenbar nie daran gedacht, auch ein Gericht einzusetzen. Das bedeute, »alle waren überzeugt, Williamson würde nichts finden«. Nun habe er aber viele »positive Beweise« vorgelegt, und auch er, Marty, sei optimistisch, daß weitere gefunden werden. Die Schwierigkeit eines Prozesses sieht auch Marty in der Gefahr für Zeugendarüber hinaus in der »großen Verantwortung«, die die »internationale Gemeinschaft« bei diesen Verbrechen mit trage. Während des NATO-Krieges gegen Jugoslawien hatten der damalige US-Präsident William Clinton, die deutschen Regierungsparteien SPD und Grüne wie insgesamt die Kriegsparteien und -medien der Mitgliedstaaten des Paktes die UÇK-Kämpfer als Freiheitshelden gefeiert.
    Quelle: Junge Welt
  13. Wie fair kann ein Smartphone sein
    Eine niederländische Firma will ein Handy herstellen, das sozial und ökologisch so korrekt wie möglich ist. Erstmals öffnete sie die Tore ihrer Fabrik in China für einen Journalisten: Dort trifft der Anspruch auf die Wirklichkeit.
    Quelle: taz

    Anmerkung: Orlando Pascheit: Ein Bericht, der sich dadurch auszeichnet, dass er nicht verschweigt, wie schwierig es ist, auch nur einen kleinen Abschnitt der Wertschöpfungskette – geschweige denn über die ganze Kette hinweg – für die Arbeiter fair zu gestalten. Allerdings zeigen diese ersten Schritte der Firma Guohong, dass einiges machbar ist. Leider fließen in die Handelsabkommen der EU und anderer Länder kaum die Forderung nach Arbeitnehmerrechten und anderen Standards ein, über die z.B. bei der Beschaffung der ca. 30 in Smartphones verwendeten Metalle Regelungen getroffen werden könnten. Human Rights Watch hat im Herbst letzten Jahres dokumentiert, dass gefährliche Kinderarbeit im kleingewerblichen Goldabbau in Staaten wie Mali, Ghana oder Tansania zum Alltag gehört. Trotz der Zusicherung die Gold-Lieferkette besser zu kontrollieren, konnten die fünf größten Smartphone-Hersteller auf dem europäischen Markt – Samsung, Apple, Research in Motion, Nokia und HTC – nicht garantieren, dass sie kein Gold verarbeiten, das von Kindern abgebaut wurde.

  14. Bittere Pille: Bafög-Senkung ist offiziell
    Diese in Deutschland wichtigste staatliche Ausbildungsunterstützung wird ab dem Wintersemester 2016/17 (erstmals seit 2010) generell um sieben Prozent erhöht…
    Angesichts einer Inflationsrate von durchschnittlich 1,7 Prozent pro Jahr (seit 2010) ist die angebliche, vom Wanka-Ministerium verkündete „Erhöhung“ um 1,2 Prozent pro Jahr jedoch in Wahrheit eine Senkung. Betrachtet man nämlich nicht milchmädchenhaft die absolute Höhe der Bafög-Sätze, sondern realistischer die Kaufkraft des gewährten Geldbetrags, so muss man feststellen: Rechnerisch reduzieren sich die BafoG-Sätze zwischen 2010 und 2016 um 0,5 Prozent jährlich.
    Quelle: Laborjournal
  15. Gaza und die Ukraine: Bitte, bitte schwarz-weiß!
    Ob Gaza oder die Ostukraine: Wer immer sich gerade medial aus dem Fenster hängt, kann sich eines sicher sein: Der nächste Shitstorm kommt bestimmt.Im endlosen Wald der (regierungsamtlichen) Trolle fällt es zwar schwer, ernstfafte Empörung von orchestrierter Meinungsmache zu unterscheiden. Aber das ist dann doch allen gemein: Bitte, bitte bloß keine Grautöne! Wer in der Ukraine die prorussische Soldateska gleichermaßen kritisiert wie das schießwütige ukrainische Militär; wer zum Gaza-Krieg antisemitische Parolen in Deutschland genauso ins Visier nimmt wie die Kriegsverbrechen der israelischen Regierung, der gilt am Ende nicht als differenziert, sondern sitzt bei den sozial vernetzten Vereinfachern zwischen allen Stühlen.
    Quelle: WDR Monitor Blog
  16. Der große Deal – Geheimakte Freihandelsabkommen
    Januar 2014. Wir sind mit dem EU-Handelskommissar Karel de Gucht verabredet. Wir wollen mit ihm über TTIP reden, das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA. Wir haben eine Studie über die Auswirkungen von TTIP auf die Wirtschaft dabei – von de Gucht selbst in Auftrag gegeben. Er ist der Chefunterhändler für das Freihandelsabkommen und behauptet öffentlich, dass das Abkommen 120 Milliarden Euro zusätzliches Wirtschaftswachstum bringen wird. Eine stolze Zahl?
    Als wir ihn im Interview darauf hinweisen, dass seine Studie gerade mal 0.05% Steigerung der Wirtschaftsleistung pro Jahr durch TTIP errechnet hat, bricht er das Interview erstmal ab. Der Kommissar rechnet nach, dann wird er unwirsch: „Let´s not argue with numbers. Ich sage ihnen, wir werden die meisten Handelshemmnisse abschaffen.“
    Das Freihandelsabkommen soll zwei der größten Wirtschaftsräume der Erde enger miteinander verbinden und viele Bereiche umfassen: Arbeitsrecht, Finanzdienstleistungen, öffentliche Daseinsvorsorge, Datenschutz, Lebensmittelrecht. Obwohl am Ende ca. 800 Millionen Bürger diesseits und jenseits des Atlantiks betroffen sein werden, wird im Geheimen verhandelt. Die Zwischenergebnisse kommen selbst für Parlamentarier nur bruchstückhaft und oft nur für Experten verständlich an die Öffentlichkeit.
    Quelle: Das Erste

    Sendetermin: Mo, 04.08.14 – 21:40 Uhr

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