Über den Unsinn von „Wohlstandsvergleichen“

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Im Mai 2006 berichtete „Die Welt“ über Berechnungen der Deutschen Bank Research wonach Deutschland im Wohlstandsvergleich zurückfällt und schon 2008 beim Pro-Kopf-Einkommen von Spanien überholt werde. Damals herrschte noch die Mode der Miesmacherei.
Im April 2007 berichtet nun das Manager-Magazin unter Bezugnahme auf Zahlen des IWF, dass die Bundesbürger „in den zwölf vergangenen Monaten den gesamten finanziellen Vorsprung der Spanier wettgemacht haben, den die in den fünf Jahren zuvor erwirtschaftet haben.“ Heute ist eben Euphorie auf der Tagesordnung.
Und das alles, weil die Konjunktur einen leichten Aufschwung nimmt.
Dass der Vergleich des Pro-Kopf-Einkommens verschiedener Länder nur wenig über die Verteilung des Wohlstands zwischen den einzelnen Bevölkerungsgruppen aussagt, wird darüber hinaus vor lauter Euphorie vergessen. Wolfgang Lieb.

Wie nichtssagend für den Einzelnen der Vergleich des Pro-Kopf-Einkommens zwischen verschiedenen Ländern ist, lässt sich aus dem Manager-Magazin-Beitrag selbst herauslesen: „Allerdings kam den Bundesbürgern (bei ihrer Aufholjagd, WL) … auch ein rechnerischer Effekt zur Hilfe. Denn während die Bevölkerungszahl hierzulande seit dem Jahr 2001 bei gut 82 Millionen stagniert, stieg die Einwohnerzahl Spaniens im gleichen Zeitraum um etwa vier Millionen oder 10 Prozent auf rund 44 Millionen. Somit verteilte sich das spanische Wirtschaftswunder der vergangenen fünf Jahre auf mehr Menschen, so dass jeder einzelne Spanier rechnerisch weniger schnell vorangekommen ist.“
Daran zeigt sich, wie wenige aussagekräftig es ist, die Wirtschaftsleistung eines Landes schlicht durch die Zahl der Bevölkerung zu dividieren. Was hat der Alg II-Empfänger davon, dass „die Bundesbürger“ seine Pro-Kopf-Wirtschaftsleistung im Jahre 2006 auf 26.544 Euro gesteigert haben?

Albrecht Müller hat auf den NachDenkSeiten zur damaligen Panikmache der Deutschen Bank Research über den Rückfall Deutschlands „im weltweiten Wohlstandsvergleich“ geschrieben: „Die Verschlechterung unseres Pro-Kopf-Einkommen im Vergleich zu anderen Ländern ist die statistische Folge unserer mangelnden konjunkturellen Entwicklung.“ Die heutigen Erfolgsmeldungen im Manager-Magazin bestätigen seine damalige Aussage.

Für die Deutsche Bank war der damalige statistische Pro-Kopf-Einkommensvergleich –wie mit unterschiedlichen Begründungen eigentlich immer – Anlass zur Forderung nach einer Forcierung der „Reformpolitik“.
Für Albrecht Müller war die damalige Panikmache eine Ablenkung von einer falschen Wirtschaftspolitik.

Jetzt hat sich die Konjunktur ein klein wenig erholt und schon löst Euphorie die Panikmache ab.
Obwohl also alle empirische Evidenz darauf hinweist, dass die Politik alles tun müsste, um dem konjunkturellen Aufschwung noch mehr Dynamik zu verleihen, wird weiterhin nahezu die gesamte politische Energie damit vergeudet und kümmert sich die veröffentlichte Meinung überwiegend nur darum, die sog. „Reformpolitik“ noch schneller und intensiver voranzutreiben.
Dabei hat diese „Reformpolitik“ den geringsten Anteil daran, dass die Wirtschaft endlich wieder wächst.
Man fragt sich jeden Tag aufs Neue, wann es endlich bei mehr Politikern und Journalisten dämmert, dass sie sich mit ihrem „Reformkurs“ auf einem Holzweg befinden und dass sie damit nur einen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Systemwechsel vorantreiben, statt sich um eine vernünftige Wirtschaftspolitik zu kümmern, die allen zugute käme.