Grundeinkommensvorschläge: Gigantische Umverteilung zugunsten von Arbeitgebern

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

Dieter Staadt ergänzt seinen Beitrag vom 3.5. mit folgenden Berechnungen. Was er noch nicht einmal erfasst hat, sind die Reaktionen der Konsumenten, Arbeitnehmer und der anderen Wirtschaftssubjekte auf die gravierenden Änderungen der Rahmendaten – die extreme Erhöhung von Mehrwertsteuer oder Einkommens-/Lohnsteuer. Ich kann wie schon öfter nur anmerken: Die Grundeinkommensidee spielt zynisch mit den berechtigten Wünschen der Arbeitslosen und Minijober nach einer Grundversorgung ohne Gängelung.

Dieter Staadt:
Die Anhänger des bedingungslosen Grundeinkommens wollen umverteilen: Von den beitragsfinanzierten Systemen hin zur Steuerfinanzierung.
Wie ist die Ausgangslage?
Das gesamte Sozialbudget Deutschlands lag im Jahr 2005 bei 717 Milliarden Euro. Davon entfielen auf die beitragsfinanzierten gesetzlichen Versicherungen (insbesondere Arbeitslosen-, Gesundheits-, Pflege- und Rentenversicherung) etwa 380 Milliarden Euro. Der übrige Teil des Sozialbudgets (337 Milliarden Euro) wird bereits steuerfinanziert.
Von den Sozialversicherungsbeiträgen entfallen jeweils etwa die Hälfte (190 Milliarden Euro) auf Arbeitgeber und Arbeitnehmer.
Diese Sozialbeiträge (insgesamt 380 Milliarden Euro) sollen nun durch Steuermittel ersetzt werden.
Die einen wollen eine höhere Lohnsteuer, andere eine höhere Mehrwertsteuer und manche einen Mix von beiden.
Was hätte das zur Folge?
Das Lohnsteueraufkommen in Deutschland lag 2006 bei 122 Milliarden Euro. Sollen 380 Milliarden Euro durch eine höhere Lohnsteuer ersetzt werden, müsste insgesamt ein Aufkommen von 502 Milliarden Euro erzielt werden. Das ginge nur durch eine Erhöhung der Steuersätze auf das vierfache des heutigen Standes.
Selbst ein Spitzensteuersatz von 100 Prozent (gegenüber 43 Prozent heute) für Spitzenverdiener würde nicht reichen, um genügend Einnahmen zu erzielen. Deshalb ist der Vorschlag des thüringischen Ministerpräsidenten Althaus immerhin konsequent, wenn er bereits oberhalb von 600 Euro einen Steuersatz von 50 Prozent fordert. Nur würde auch das nicht ausreichen, um den Beitragsausfall von 380 Milliarden Euro zu kompensieren. Die mit 600 Euro Bürgergeld verbundenen drastischen Kürzungen der heutigen Sozialleistungen (siehe Teil I des Beitrags) sind deshalb – immanent gedacht – nur folgerichtig.
Andere Anhänger des bedingungslosen Grundeinkommens plädieren für eine höhere Mehrwertsteuer.
Schon mal nachgerechnet?
Das Mehrwertsteueraufkommen im Jahr 2006 belief sich auf 110 Milliarden Euro. Die Erhöhung der Mehrwertsteuer um einen Prozentpunkt bringt etwa sieben Milliarden Euro.
380 Milliarden geteilt durch sieben ist gleich 54. Der heutige Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent müsste also um 54 Prozentpunkte auf 73 Prozent erhöht werden – mit der Folge entsprechend höherer Verbraucherpreise.
Das relativiert auch die Forderung vermeintlich linker Anhänger des Grundeinkommens nach einem höherem Betrag; in der Diskussion sind wahlweise 800, 1000 und manchmal sogar 1200 Euro. Dieses Grundeinkommen, über die Mehrwertsteuer finanziert, wäre in realer Kaufkraft kaum höher als die 600 Euro von Althaus.
Was bleibt dann von der vermeintlichen Sozialutopie des bedingungslosen Grundeinkommens?
Eine gigantische Umverteilung. Arbeitgeber und Unternehmen würden Sozialbeiträge in Höhe von 190 Milliarden Euro sparen.
(Beitrag II nach jenem vom 3.5.07)

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