Mythos: Sozialausgaben sind zu hoch

Ein Artikel von Karl Mai

In der FTD vom 4.7.2007 repetiert Clemens Fuest, seines Zeichens Professor für Finanzwissenschaft an der Universität Köln, die gängige These, dass „die Ausdehnung der Sozialbudgets in Deutschland die Finanzierungsspielräume bei anderen wichtigen öffentlichen Ausgaben – vor allem Investitionen – verdrängt. Es ist höchste Zeit, dass diese Fehlentwicklung korrigiert wird. Dazu ist es erforderlich, die sozialen Sicherungssysteme weiter zu reformieren, um den mittelfristigen Bedarf an steuerfinanzierten Zuschüssen in möglichst engen Grenzen zu halten.“ Er behauptet weiter: „Der Anteil der Sozialausgaben lag in Deutschland … höher als in allen anderen OECD-Ländern.“
Karl Mai hat diese Behauptungen nachgeprüft. Ergebnis: Die ideologische Brille des Herrn Professors verfälscht die Faktenlage. Aber der Mythos über die zu hohen Sozialabgaben passt ja auch zu schön in die „Reform“-Rethorik zur Haushaltskonsolidierung und zum Umbau des Sozialstaats.

Clemens Fuest operiert hier leider ziemlich fragwürdig, wenn er in dem vorstehenden Artikel formuliert: „Der Anteil der Sozialausgaben lag in Deutschland hingegen höher als in allen anderen OECD-Ländern.“

Näher als ein Vergleich zu den OECD-Ländern liegt ein Vergleich innerhalb der EU-Länder.
Das IWK gibt in dem Taschenbuch „Deutschland in Zahlen 2007“ in Tabelle 12.20 die jüngsten vergleichbaren Daten für das Jahr 2004 wie folgt in Prozent vom BIP an: Schweden 32,9 %, Frankreich 31,2 %, Dänemark 30,7 %, Deutschland 29,5 %, Belgien 29,3 % und Österreich 29,1 %.
Danach befindet sich Deutschland an vierter Stelle im BIP-Leistungsvergleich der EU. Der Durchschnitt der EU-15 liegt bei 27,6 %.

Nach der absoluten Höhe der Sozialleistungen je Einwohner liegt Deutschland mit 7.239 Euro-KKS noch unter dem Durchschnitt der EU-15 mit 7.252 Euro-KKS.

Wie man sieht, trifft im EU-Vergleich das Argument von Fuest daneben. Wie sieht es nun im direkten OECD-Vergleich aus?

Nach den aktuellen OECD-Angaben für das Jahr 2003 (letzter Stand) liegen die durchschnittlichen OECD-Sozialleistungen bei 20,7 % des BIP. Für Schweden werden 31,3 %, für Frankreich 28,7 %, für Dänemark und Deutschland 27,6 % und für Belgien 26,5 % nachgewiesen.
Also auch im OECD-Vergleich liegt Fuest neben der Faktenlage.

Zeugnis: Durchgefallen, Herr Professor

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