Hinweise des Tages

Ein Artikel von:

(KR/WL)

  1. Hartz-Chronik
    Wie sich Politik, Protest und das ALG II rund um die Hartz-Reformen entwickelten.
    Quelle: taz
  2. “Da habe ich das Doppelte einkaufen können”
    Dieter Nolte, betroffener Hartz-IV-Empfänger und Gründer des Vereins für Familie und Soziale Sicherheit, Contra e.V., hält das Hartz-IV-Gesetz für ein Verbrechen an den Menschen. Mit der alten Sozialhilfe habe er noch das Doppelte an Lebensmitteln einkaufen können. Daher forderte Nolte den damals geltenden Warenkorb zu den heutigen Euro-Preisen als Grundlage für die Berechnung des Arbeitslosengelds II.
    Quelle: Deutschlandfunk
  3. Katharina Sperber: Hartz IV-Kinder – leben nach Regelsatz
    Es sei “Quatsch”, wenn im Regelsatz festgelegt sei, dass ein 14-Jähriger nur 60 Prozent der Essensrationen eines Erwachsenen benötige, sagte der nordrhein-westfälische Sozialminister und Vater von drei Kindern, Karl-Josef Laumann (CDU), jüngst in einer Landtagsdebatte. Er erkannte erheblichen “Diskussions- und Handlungsbedarf”.So weit ist Bundesarbeitsminister Franz Müntefering (SPD) noch nicht. Bis November lässt er derzeit erst mal prüfen, ob die bisherige Methode, die Regelsätze für Erwachsene zu errechnen, die tatsächlichen Preissteigerungen abbildet.
    Quelle: FR

    Anmerkung: Siehe dort vor allem auch die Regelsätze für Kinder und Jugendliche.
    Von der Leyen meint, das Elterngeld lasse Mütter und Väter gar nicht erst in Hartz IV fallen – wenn man zu den Besserverdienenden gehört mag das zutreffen. Die Bezieher von geringen Einkommen haben sich durch das Elterngeld eher verschlechtert.

  4. Wettrennen um die niedrigsten Steuern
    Erbschaftsteuer weg, Unternehmensteuer runter, weniger Einkommensteuer – die konservative Opposition in Großbritannien verspricht den Wählern für den Fall einer Regierungsübernahme Steuergeschenke. Doch eine Sorge treibt sie Berichten zufolge um – dass die Labour-Regierung die Ideen klauen könnte.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung Roger Strassburg: Wie Ihr es immer wieder voraussagt, der Steuerwettbewerb geht weiter. Nicht nur zwischen den Ländern, sondern auch zwischen den Parteien innerhalb eines Landes.
    Wie immer, geht es auch in Großbritannien um die Steuern der Unternehmen und Besserverdienenden. Die Entlastungen sollen aber aufkommensneutral sein, die Gegenfinanzierung wurde aber nicht erörtert. Lasst mich mal raten, vielleicht die Mehrwertsteuer? Wenn die Steuern für Besserverdienende aufkommensneutral gesenkt werden sollen, was bleibt dann übrig, als die Ausfälle über Steuern für Normal- bzw. Geringverdiener zu finanzieren?

  5. Neues aus dem Casino:
    • Finanzkrise gefährdet Amerikas Wirtschaft
      Die Krise an den Finanzmärkten droht größeres Unheil anzurichten als bislang gedacht. US-Finanzminister Paulson warnte erstmals, die Konjunktur werde unter den Turbulenzen leiden. Warum die US-Regierung dennoch nicht eingreifen will. – Allein in den Vereinigten Staaten wurden seit Beginn der Finanzkrise im Juli mehr als zwei Billionen Dollar an Börsenwerten vernichtet. Paulson sagte dem Wall Street Journal, der Abschwung an den Finanzmärkten werde “bei der Wachstumsrate der amerikanischen Wirtschaft eine Strafe fordern”.
      Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy forderte in einem Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel, die Finanzminister der sieben führenden Industriestaaten (G7) sollten bei ihrer Tagung im Oktober in Washington die Finanzkrise auf die Tagesordnung setzen.
      Quelle: SZ

      Anmerkung: Auf dem G 8-Treffen in Heiligendamm haben sich die Amerikaner und die Briten mit Händen und Füßen gegen Transparenzregeln gewandt.

    • Gier ohne Grenzen
      Die Beteiligten haben nicht nur an den Krediten, sondern auch an Gebühren, Provisionen und Prämien verdient. “Die Finanzindustrie hat dadurch eine enorme Blüte erfahren, auch Ratingagenturen haben unheimlich viel Geld verdient”, sagt Schäfer vom DIW. “Diejenigen, die ihre Gebühren bereits eingestrichen haben, sind die Gewinner dieser Krise – die Verlierer sind diejenigen Marktteilnehmer, die die Kreditausfälle zu tragen haben und natürlich auch die Kreditnehmer, die ihr ganzes Vermögen dabei verlieren.”
      Quelle: Spiegel Online

      Anmerkung: Ein Beispiel für die verharmlosende Sprache, die Albrecht Müller in seinem gestrigen Beitrag angeprangert hat.

    • Schuldige gesucht
      Die EU-Kommission knöpft sich die Ratingagenturen vor. Ein hoher Vertreter sagte am Donnerstag, die Branche habe zu spät vor den Problemen im US-Markt für zweitklassige Hypothekenkredite gewarnt. Eine Entscheidung über das weitere Vorgehen werde 2008 erwartet. Gesetzliche Regelungen würden erwogen.
      Die privaten Agenturen, die die Ausfallwahrscheinlichkeit von Krediten und Anleihen bewerten, hätten bereits im vergangenen Jahr in den USA Warnsignale aus der Branche erhalten, aber ignoriert. Das sei auffällig, sagte der EU-Vertreter. Der freiwillige Verhaltenskodex, den sich Agenturen wie Standard & Poor’s und Moody’s nach dem Zusammenbruch des US-Konzerns Enron wegen möglicher Interessenkonflikte gegeben hatten, gehöre auf den Prüfstand. Die Agenturen werden von den Firmen bezahlt, deren Bonität sie beurteilen.
      Quelle: FR
  6. Neue Webseite zu Nebeneinkünften
    Es gibt eine neue Webseite zu den Nebeneinkünften der Bundestagsabgeordneten: www.nebeneinkuenfte-bundestag.de. Die Daten sind die gleichen wie auf den Seiten des Bundestages, die neue Seite will sie jedoch übersichtlicher präsentieren und weitere Optionen bieten. So kann man nicht nur nach Abgeordneten suchen, sondern auch nach Arbeitgebern (A-Z). Schön wäre noch eine Kategorisierung der Arbeitgeber nach Branchen. Außerdem bietet die Seite einige weitere Auswertungen, z.B. “Die zehn Arbeitgeber, bei denen die meisten Abgeordneten tätig sind” oder “Die zehn Abgeordneten mit den höchsten Nebeneinkünften”. Diese Aufaddierungen der Stufenangaben zu den Nebentätigkeiten bieten aber kein realistisches Bild der realen Nebeneinkünfte, sie sind nur mit großer Vorsicht zu betrachten.
    Quelle 1: LobbyControl
    Quelle 2: Nebeneinkünfte-Datenbank
  7. Gehirnschäden durch Tschernobyl?
    Die Niedrigstrahlung nach dem radioaktiven Tschernobylregen soll laut einer Studie ungeborene Kinder in Schweden so geschädigt haben, dass sie später schlechtere Studienleistungen erbrachten.
    Quelle: TAZ
  8. Kein Fahrverbot trotz Feinstaubplage
    Obwohl die Grenzwerte für Feinstaub in fünf Städten überschritten sind, ist wieder nicht mit Fahrverboten zu rechnen. Viele Autofahrer düsen deshalb weiter mit ungefilterten Dieseln herum.
    Quelle: TAZ
  9. Bahn-Verkauf im Eilverfahren
    Schon Mitte September könnte der Bundestag über die Privatisierung abstimmen – ohne Debatte und Gutachten der Bundesländer. Die fühlen sich nun übergangen.
    Quelle: TAZ
  10. Neue Linke, neue Lage
    Darin besteht das erste historische Verdienst der Linkspartei: Offensichtlich hat ihre Gründung die SPD zu neuem „sozialdemokratischen Leben“ erweckt. Keine andere Partei reagierte mit einem derart durchschaubar schlechten Gewissen auf die neue Partei. Darüber kann auch die vorschnelle Abwertung des Konkurrenten nicht hinwegtäuschen. Im Gegenteil: Die Positionierung in Sachen Mindestlohn weist weit über diesen Tag und den Einzelfall hinaus. Bereits heute beginnt die SPD, ob bewusst oder unbewusst, die Weichen für die Zeit nach der großen Koalition zu stellen.
    Quelle: Blätter für deutsche und internationale Politik

    Anmerkung: Hoffen wir’s.

  11. Trotz Verbot – Pharmakonzerne manipulieren Ärztefortbildungen
    Der Gesetzestext ist eindeutig: Ärztefortbildungen müssen frei von wirtschaftlichen Interesse sein. So hat es die Bundesregierung beschlossen. Damit das auch wirklich gelingt, müssen die Landesärztekammern Fortbildungen seit 2004 zertifizieren. Der Einfluss der Pharmaindustrie auf die Weiterbildung sollte mit dieser Regelung beendet werden.
    Doch gelungen ist dies offenbar nicht. Pharmaunternehmen machen weiterhin auf Lehr-Veranstaltungen unverblümt Werbung für ihre Produkte und laden die Ärzteschaft zum gemütlichen Abendessen ein. Zudem unterhält fast jeder Konzern inzwischen ein eigenes Fortbildungsportal im Internet, wo er in kostenlosen Schulungen fleißig die Wirkstoffe der eigenen Medikamente anpreist. Und die Landesärztekammern? Sie segnen all diese Fortbildungen ab, obwohl die Veranstaltungen nicht frei von wirtschaftlichen Interessen sind. Panorama über Ärztefortbildungen, die oft nichts anderes als Werbung sind.
    Quelle 1: ARD-Panorama [PDF – 58 KB]
    Quelle 2: ARD-Panorama (Video)
  12. Raul Zelik: Mit den Mitteln der Feindschaft
    Die Entregelung staatlicher Gewalt in Verbindung mit den immer perfekteren Kontrolltechnologien könnte in einem autoritären Alptraum münden. Eine Warnung.
    Quelle: Freitag
  13. Missbilligung vom Presserat für Frankfurter Rundschau
    Der Presserat erteilte der Frankfurter Rundschau (FR) eine Missbilligung für eine Anzeigenbeilage von McDonald’s, die Schüler im Rahmen eines Zeitungsprojekts verfassten (M 04 / 2007). Die Beilage war Teil des Zeitungsprojekts „FRiSCH – Frankfurter Rundschau in der Schule“. Die FR stellt Schulklassen die Zeitung für den Unterricht zur Verfügung, und eine eigene Jugendredaktion produziert unter Anleitung eines Journalisten einmal wöchentlich eine eigene Seite.
    Ohne Sponsoren kommt FRiSCH nicht aus. Einen Teil der Kosten übernehmen der Flughafenbetreiber Fraport und Mc Donald’s, das Jugendprojekt selbst wird abgewickelt von der Berliner Agentur Raufeld Medien, die auch für die Mc-Donald‘s-Beilage verantwortlich war.
    Quelle: ver.di
  14. Ehemaliger NDR-Intendant: „Politik muss Einfluss haben“
    Das Bundesverfassungsgericht hat die so genannte “Staatsferne” der Sender eingefordert. Es wäre dennoch vermessen und realitätsfern, Landesregierungen aus ihrer Verpflichtung für ihre jeweilige Rundfunkanstalt zu entlassen. Ehrlich ist, einzugestehen, dass SPD und CDU seit Jahrzehnten treu für ihre Schutzbefohlenen ARD und ZDF sorgen. Deshalb sind die Entscheidungen der Sender-Gremien nie frei von politischen Überlegungen. Eine solche Ansammlung öffentlichen Vermögens wie der Großtanker NDR darf nicht ohne Einfluss der Politik bleiben.
    Quelle: taz
  15. Stephan Hebel: Planlos am Hindukusch
    Es könnte ja sein, dass hinter der Zwei-Drittel-Mehrheit der Deutschen, die für Abzug plädiert, mehr Bewusstsein für die Komplexität des Anti-Terror-Kampfes steckt, als sich in Ja-Nein-Fragen auszudrücken vermag. Es könnte sein, dass die Mehrheit der Deutschen nicht von den Parolen der Linkspartei verführt oder von naivem Pazifismus verwirrt ist, sondern mehr vom Scheitern des einstigen Anspruchs weiß, als die Politiker ihr zutrauen mögen. Von dem Anspruch nämlich, dass jeder, der einen Krieg führt, jederzeit den Weg zum Ende dieses Kriegs bestimmen muss. Ein kluger Anspruch. Die Politik hat sich davon weit entfernt.
    Quelle: FR
  16. Christoph Butterwegge / Bettina Lösch / Ralf Ptak: Kritik des Neoliberalismus
    Das Buch, aus dem wir im Juli einen Auszug veröffentlicht haben, ist nun erschienen:

    Kritik des Neoliberalismus, Wiesbaden
    (VS – Verlag für Sozialwissenschaften)
    2007, 298 Seiten, brosch.,
    ISBN-Nr. 978-3-531-15185-4,
    Ladenverkaufspreis: 12,90 EUR

  17. SPD-TIEF – Steinbrück geht mit schmollenden Genossen ins Gericht
    “Wir heulen”, “wir klagen”, “wir gucken verkniffen” – Finanzminister Steinbrück hat seiner Partei ins Gewissen geredet. Angesichts der Popularität von Kanzlerin Merkel warnte er die SPD vor einem “Heulsusen”-Image. Das “Herumkritteln an der Kanzlerin” komme bei Wählern nicht an.
    Quelle: SPIEGEL Online

    Anmerkung: So redet ein Minister, der die SPD bei der Landtagswahl in NRW in die Niederlage geführt hat, also maßgeblich verantwortlich ist für die vermutlich langfristige Installierung der CDU in NRW, und zugleich für eine Fülle von Gründen für den Niedergang der SPD im Bund verantwortlich zeichnet: für die weitere Senkung der Steuern für Unternehmen incl. Heuschrecken und die Erhöhung der Mehrwertsteuer um 3%, für den beschleunigten Ausverkauf von öffentlichen Wohnungsbeständen und die Bahnprivatisierung, für die Überantwortung der Macht bei der Telekom an die Heuschrecke Blackstone, die mit 4,5 % wesentlich bestimmt, was im Unternhemen geschieht. Usw.

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