Französisches Energiemonopoly

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Die Fusion des staatlichen französischen Konzerns Gaz de France (GdF) und des privaten belgisch-französischen Unternehmens Suez SA scheint nach einer Verhandlungszeit von 18 Monaten besiegelt zu sein, die Transaktion soll im kommenden Jahr erfolgen. Das verschmolzene Unternehmen soll in Zukunft den Namen GdF-Suez tragen und hat einen Marktwert nach Aktien von 90 Milliarden Euro, der Umsatz beträgt 72 Milliarden Euro. Der Gigant wird künftig Weltmarktführer im Flüssiggasbereich sein, darüber hinaus handelt es sich bei dem Gemeinschaftskonzern um den größten Erdgasanbieter der Europäischen Union. Christine Wicht beschreibt die Hintergründe der zunehmenden Monopolisierung bei der Energie- und Wasserversorgung in Frankreich und weltweit.

Suez ist ein Global Player, und verfügt aufgrund der Mitgliedschaft in wirkungsreichen Gremien wie dem European Service Forum (ESF), dem privatwirtschaftlich orientierten internationalen Think Tank für Wasserpolitik, World Water Council (WWC), einer Lobbyvereinigung, in der Baukonzerne, und private Wasserversorger ihre Interessen vertreten, dem European Round Table of Industrialists (ERT) in Brüssel und dem Transatlantic Business Dialouge (TABD), der 30 Großkonzerne aus der EU und den USA vereint, weltweit über Einfluss und Macht im Bereich des Energiesektors.

Bereits im Februar 2006 hatte der frühere französische Ministerpräsident Dominique de Villepin die Fusion arrangiert, um die Übernahme durch den italienischen Stromanbieter Enel zu verhindern. Da der Börsenwert von Suez weit über dem von GdF liegt, hätte zum Zwecke der Fusion GdF privatisiert werden müssen, was auf heftige Kritik gestoßen ist. Die EU-Kommission billigte die Fusion unter der Bedingung, dass Suez und GdF bis zum 30. September Firmenanteile an Belgien verkaufen, damit sollte eine marktbeherrschende Position verhindert werden. Ob die Fusion wettbewerbsrechtlich in Brüssel geprüft werden muss, ist noch nicht geklärt, die EU-Wettbewerbskommissarin Neelie Kroes sagte: “Falls die Struktur der Fusion geändert wurde, ist es theoretisch möglich, dass der Zusammenschluss neu bei uns angemeldet werden muss”. Suez-Environment hat angekündigt die Wasser-, Abwasser- und Abfallsparte auszugliedern und 35 Prozent der Anteile zu behalten. Mit dieser Transaktion sinkt der Wert des Unternehmens von 54 Milliarden auf 36 Milliarden Euro. Dies entspricht dem Börsenwert von GdF. Suez-Präsident Gérard Mestrallet schlägt vor, diesen Bereich zu 65 Prozent an die Börse zu bringen, dies solle zeitgleich mit der Suez-GdF-Fusion erfolgen. Die französische Gewerkschaft CGT lehnt die Fusion ab, da sie befürchtet, dass tausende Arbeitsplätze zunichte gemacht werden und kündigte Widerstand gegen die Zerstückelung des Unternehmens an. Bislang besitzt der französische Staat 79,8% an GdF, der Anteil soll künftig auf 34% reduziert werden. An Suez ist der französische Staat mit 3,3 Milliarden Euro beteiligt.

Der Global Player SUEZ
Gérard Mestrallet erhebt die Philosophie des Gründers des Unternehmens, Ferdiand de Lesseps, der den Suez-Kanal baute, zum Leitbild des Konzerns: „Erfolg zu haben bedeutet für uns, im Einklang mit unserer Geschichte und unserer Kultur zu stehen.“ Suez ist in den Bereichen Kommunikation, Wasser, Energie und Abfallmanagement tätig. Das Unternehmen legte sämtliche Tätigkeiten im Bereich Wasser unter dem Namen ONDEO zusammen, das Tochterunternehmen umfasst die drei Bereiche ONDEO Services , der den Bereich Trinkwasserbereitstellung und Abwasserentsorgung abdeckt, ONDEO Nalco umfasst den Bereich Wasseraufbereitung und Produktion und ONDEO Degrémont den Sektor Wasseraufbereitung und Anlagenbau. Im Juni 2002 wurde die Leistungen von ONDEO unter dem Firmennamen Suez Environment vereint. Suez sicherte sich Wasserkonzessionen in Lateinamerika, Asien und Nordamerika. Mit der viertgrößten Stadt Chinas, Tschungking, schloss das Unternehmen im Jahr 2002 einen Vertrag über die Wasserversorgung ab. Die Verträge für Wasserver- und Abwasserentsorgung von Azurix Mexico in Cancún und zum Teil auch von Mexico City wurden von Suez aufgekauft. 2002 erwarb Suez U.S. Water, ein ehemaliges Unternehmen von Bechtel und United Utilities. Ebenfalls in diesem Jahr brachte Suez einen Vertrag über die Wasserversorgung von Puerto Rico im Wert von 4,4 Milliarden US-Dollar zum Abschluss. Die bolivianische Hauptstadt La Paz vereinbarte mit Suez einen Vertrag über Wasserversorgung, der mit einem internationalen Kredit über 40 Millionen US-Dollar gesichert war und nach Angaben einer Weltbankstudie Suez nicht genügend Anreize geboten hat, um auch die ärmeren Stadtviertel in die Wasserversorgung einzubinden. Für die arme Bevölkerung bedeutete dies in der Realität: Wer nicht zahlen kann, bekommt auch kein Wasser! Das in Brasilien tätige Tochterunternehmen Aguas de Limeira investierte nur die Hälfte des vertraglich vereinbarten Betrages von umgerechnet 14,4 Millionen US-Dollar, was Suez mit der ausgebliebenen Gebührenerhöhung rechtfertigte. Die Suez-Tochter Northumbrian Water wurde von der der britischen Trinkwasserüberwachungsbehörde zum zweitschlechtesten Wasserversorger von England und Wales erklärt. In Südafrika rebellierten die Bewohner der Townships mit Hilfe von Gewerkschaften gegen die Privatisierung der Wasserrechte durch Suez und andere Wassergiganten, konnten aber nicht verhindern, dass den Bewohnern der Townships von Johannesburg das Wasser gesperrt wurde, weil sie die gestiegenen Preise nicht mehr zahlen konnten. (Quelle: Blaues Gold)

Suez, Gewinnorientierung steht im Widerspruch zu den Bedürfnissen der Bevölkerung
1993 übernahm Suez über die Tochterfirma Aguas Argentinas zusammen mit dem Konzern Vivendi die Aufgabe das marode Leitungssystem von Buenos Aires zu modernisieren und effizienter zu gestalten. Der staatliche Betrieb Obras Sanitarias del la Nación wurde privatisiert und das oben genannte Konsortium übernahm die Wasserver- und Abwasserentsorgung. Kurz nach der Privatisierung stiegen die Preise um 25 Prozent und zwei Monate später wurde eine Preiserhöhung von weiteren 29 Prozent verkündet. Ein Jahr später forderte das Konsortium erneut eine Preiserhöhung mit der Begründung, die argentinische Regierung verlange nicht vereinbarte Extraleistungen, wie etwa den Anschluss von Armenvierteln, daraufhin wurde eine Preiserhöhung von 13,5 Prozent erhoben und für die Trennung von Netz und Wiederanschluss zusätzliche 42 Prozent, der Grundgebühr, die sich auf auf die Größe des Grundstücks bezog. Aguas Argentina wollte mit der Begründung, dass die Menschen in den nicht angeschlossenen Gebieten nitratbelastetes Wasser trinken würden, den Ausbau der Wasserversorgung beschleunigen. Die Kosten für Ableitung und Behandlung des Abwassers waren doppelt so hoch, wie die der Bereitstellung des Trinkwasser. Für beide Leistungen wurden jedoch Gebühren in gleicher Höhe erhoben. Aguas Argentinas baute das profitablere Netz aus und sammelte nicht abgeleitetes Abwasser in Faul- und Sickergruben oder leitete sie direkt in Flüsse, wodurch die Gefahr von Seuchen zunahm. In Buenos Aires sank die Zahl der Arbeitnehmer nach der Übernahme durch Suez von 7600 auf 4000. Bei den von Suez neu geschaffenen Arbeitsplätzen handelte es sich um befristete Arbeitsverträge, ohne Sozialleisten. Auch in Indien ist Suez in die Kritik geraten, da die indische Regierung Wasserrechte an den Konzern verkauft hat, was zu einer Kommerzialisierung und rücksichtslosen Ausbeutung knapper Wasserressourcen geführt hat. Vorstandschef Gérard Mestrallet verwickelte sich in Widersprüche, als er Stellung zur Kommerzialisierung des Wassers nahm: „Wasser ist ein effizientes Produkt, ein Produkt, das normalerweise frei zur Verfügung steht. Unsere Aufgabe besteht darin, es zu verkaufen, aber es ist ein Produkt, das zum Leben absolut unentbehrlich ist.“ (Quelle: Blaues Gold).

Enge Verflechtung von SUEZ mit der französischen Politik
Bevor Gérard Mestrallet bei Suez eintrat, hatte er eine Position im französischen Transport-, Wirtschafts- und Finanzministerium, für das er später als Berater tätig war. Der Konzern war eng mit dem politischen Umfeld von Jacques Chirac verflochten: 1995 wurden der Bürgermeister von Grenoble und drei Mitarbeiter von Suez der Bestechung und Korruption überführt und erhielten Gefängnisstrafen. Der Vertrag über die erhaltenen Wasserkonzessionen wurde aufgelöst. Der damalige Direktor von Suez, Jerome Monod (früherer Berater von Weltbankpräsident James Wolfsohn) wurde wegen Anstiftung zur Bestechung angeklagt, freigesprochen und war anschließend enger Berater von Jacques Chirac. Die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) vergab ihr erstes Darlehen für Wasser und sanitäre Versorgung in Osteuropa im Juli 1995 direkt an Suez. Einen Monat zuvor hatte Thierry Baudon die EBRD als Vizepräsident verlassen und trat bei Suez die Stelle als Managing Director im Bereich der internationalen Projektfinanzierung an. Im Februar 2000 wurde das Darlehen um 3 Jahre verlängert.
Quelle: attac

Erfolgreiche Lobbyarbeit
Auf den ersten Blick scheinen die Institutionen neutral zu sein und sich einem ethischen und nachhaltigen Thema angenommen zu haben. Für Nichtregierungsorganisationen ist Wasser ein Menschenrecht und da schien es eine gute Sache zu sein, dass unter der Argumentation „Länder bei der nachhaltigen Nutzung ihrer Wasservorkommen unterstützen zu wollen“, die Global Water Partnership (GWP) im Jahr 1996 gegründet wurde. Bei genauer Betrachtung vertritt die GWP die Haltung, dass Wasser ein Wirtschaftsgut ist. Diese Position zieht sich durch alle GWP-Programme, die der weltweiten Neugestaltung der Wasserversorgung und der Wasserwirtschaft dienen sollen.
Der World Water Council (WWC) sieht sich, wie schon in der Einleitung erwähnt, als Denkfabrik in Wasserfragen und steht Entscheidungsträgern beratend zur Seite. Mitglieder sind nicht nur Wasserkonzerne, auch Ministerien, Politiker, Wissenschaftler, Medien und die Vereinten Nationen gehören dazu. Auf dem Weltwasserforum in Den Haag im Jahr 2000 wurden Private-Public-Partnership-Lösungen für die weltweite Wasserkrise propagiert, diese Linie ist auf die Lobby-Arbeit der beiden Insititutionen zurückzuführen.
Die dritte Institution, der Suez angehört, ist die World Commission on Water for the 21st Century, die 1998 gegründet wurde. Außer der Länder Kanada und der Niederlande wird die WCW von allen wichtigen UN-Gremien unterstützt, die in Wasserfragen eine Kompetenz besitzen. Angesichts der Verbindung von GWP und WWC wird die Vermarktung von Dienstleistungen im Wassersektor und die Vermarktung von Wasservorkommen kontinuierlich vorangetrieben. Die wichtigen Posten der Institutionen sind wiederum von Vertretern global agierender Wasserunternehmen besetzt, der ehemalige Vorstandschef von Suez, René Coulomb, ist Vizepräsident des WWC und Mitglied des Lenkungsausschusses des GWP. Der Chefberater des Vorstandsvorsitzenden von Suez, Ivan Chéret, war Mitglied des Technischen Planungsstabs der GWP. Der bereits erwähnte Aufsichtsrat von Suez, Jérome Monod, war Mitglied der World Commission on Water.

Mit der Fusion dieser zwei mächtigen Unternehmen entsteht ein neuer Gigant, wodurch das französische Energie-Monopoly praktisch das Endstadium erreicht hat. Der französische Kunde hat keine Wahlmöglichkeit mehr und ist dem drittgrößten Energieversorger der Welt alternativlos ausgeliefert. Die Vorgeschichte von Suez im Wassersektor zeigt, dass der Konzern mit der öffentlich vorgetragenen Ethik und den Prinzipien der Nachhaltigkeit nicht viel im Sinn hat. Der Energiemarkt wird zunehmend von gigantischen Konzernen beherrscht, die ehemalige staatliche Monopole übernehmen. Durch diese Entwicklung werden Bürger und das Parlament ihrer demokratischen Kontroll- und Mitsprachemöglichkeiten beraubt. Aufgrund der bisherigen Erfahrungen steht zu befürchten, dass sich die Situation für den Verbraucher in Frankreich verschlechtern wird – jedenfalls aber die Energie und Wasserver- und entsorgung teurer wird. Dem Staat bleibt als Instrument um den Energiemarkt in die Schranken zu weisen, nur noch eine Aufsichtsbehörde, die sich auch schon in Deutschland als zahnloser Tiger erwiesen hat.

Quellenangaben:

Pressemitteilung von Suez vom 03. 09. 2007 abzurufen unter:

Blaues Gold, das globale Geschäft mit dem Wasser, Maude Barlow, Tony Clarke, Kunstmann-Verlag.