Bayer Hauptversammlung 2015: Fragen zu Blackrock

Werner Rügemer
Ein Artikel von Werner Rügemer

Der Geschäftsbericht der Bayer AG für 2014 stellt optisch und schriftlich die Beschäftigten und die Produkte ins Licht und lobt die guten Taten für Gesundheit, Leben und sogar für die ganze Menschheit. Genannt werden auch die Mitglieder des Vorstands und des Aufsichtsrates. Aber mit keinem Wort werden die Eigentümer des Unternehmens benannt. Auf einem Schaubild wird die Verteilung der Eigentümer nach Staaten dargestellt, aber kein einziger wird beim Namen genannt. In anderen Darstellungen ist von regional verteiltem Streubesitz (nach Kontinenten) die Rede, ebenfalls ohne Namen. Ich frage den Vorstand: warum? Herrscht hier schlechtes Gewissen, weil man nicht sagen will, wohin der Gewinn geht? Warum werden die entscheidenden Eigentümer und damit die wichtigsten Gewinner des Unternehmens versteckt? Von Werner Rügemer.

Aus den Mitteilungen über die Stimmrechte nach Wertpapier-Handelsgesetz § 21 Absatz 1 geht hervor, dass die Bayer-Großaktionäre Blackrock, United Bank of Switzerland UBS, Crédit Suisse CS, AXA, Allianz, Capital Group, FMR, Fidelity, FMR undsoweiter zum Teil täglich ihre Stimmrechtsanteile ändern. An keiner Stelle im Geschäftsbericht oder in den sonstigen Veröffentlichungen der Bayer AG wird klar, wie die tatsächliche Zusammensetzung der Aktionäre zu einem bestimmten Stichtag aussieht. Ich frage den Vorstand: Welchen Grund gibt es für diese Intransparenz? Ich fordere den Vorstand auf, uns zum Stichtag 31.12.2014 die wichtigsten 100 Aktionäre zu nennen.

Bayer hat 270.000 Aktionäre. Etwa 1.000 unter ihnen verfügen über etwa 90 % der Aktien. Der Finanzinvestor Blackrock ist mit gegenwärtig 6,2 % der Aktien der größte Einzelaktionär der Bayer AG. Ich greife ihn unter den anderen Großaktionären heraus, um deren Rolle im Unternehmen zu klären. Bisher trägt der Vorstand nichts zur Klärung bei.

Das Bundesamt für Finanzdienstleistungs-Aufsicht – Bafin – verhängte im März 2015 Blackrock eine Geldbuße von 3,25 Millionen Euro. Dies ist die bei weitem größte Geldbuße, die die Bafin je verhängt hat. Grund waren zahlreiche und wiederholte Verstöße gegen das Wertpapier-Handelsgesetz. Mitteilungen über gehaltene Stimmrechtsanteile und Finanzinstrumente waren inhaltlich unrichtig und/oder kamen zu spät. Dies betraf, so die Bafin, „eine Vielzahl deutscher Aktienemittenden“. Ich frage den Vorstand: Hat sich Blackrock auch bei der Bayer AG so verhalten? Welche Mitteilungen zu welchem Datum und über welche Stimmrechtsanteile und welche Finanzinstrumente waren betroffen? Welche Folgen hatte und hat dieses rechtswidrige Verhalten für die Bayer AG? Welche rechtsverbindlichen Vereinbarungen hat der Vorstand mit Blackrock getroffen, um ein solches Verhalten in der Zukunft zu verhindern?

Blackrock hat seine Bayer-Aktien auf mehrere Fondsgesellschaften und Finanzinstrumente verteilt, darunter Blackrock Holdco 4, Blackrock Holdco 6, Blackrock Delaware Holdings, Blackrock Institutional Trust. Sie halten zum großen Teil dieselben Aktien. Dies wird als „Mehrfach-Zurechnung“ bezeichnet. So verfährt auch der Miteigentümer die US-Investmentbank Morgan Stanley. Dies ermöglicht Blackrock und anderen, Sicherheiten etwa für Derivate mehrfach zu stellen. Ich frage den Vorstand: Wie beurteilt der Vorstand die Tatsache, dass das Eigentum von Bayer als Basislager für Spekulationen dient? Wird dieses Vorgehen mit dem Vorstand abgestimmt? Wenn nein, warum nicht? Welche Folgen hat dies für Bayer?

Die juristischen und steuerlichen Standorte dieser Fondstöchter und Finanzinstrumente von Blackrock sind auf Finanzoasen wie Cayman Islands und Jersey verteilt, ebenso wie der Blackrock-Konzern seinen juristischen und Steuersitz in der weltgrößten Finanzoase hat, im US-Staat Delaware. Dieses Verhalten gilt natürlich auch für die anderen bereits genannten Großaktionäre. Ich frage den Vorstand: Wie beurteilen Sie die Tatsache, dass Blackrock die Steuern auf seine Gewinne jenen Staaten wie Deutschland und USA entzieht, deren Infrastruktur Blackrock als Miteigentümer von Produktionsstätten nutzt, ohne zur Finanzierung und Erhaltung der jeweiligen Infrastruktur beizutragen?

Der Vorstand hat sich am 8.5. und am 9.5.2014 von den Ratingagenturen Standard & Poor’s und Moody’s bewerten lassen. Ist dem Vorstand bekannt, dass diese beiden Ratingagenturen durch Falsch- und Gefälligkeitsbewertungen die Finanz-, Banken- und Wirtschaftskrise von 2008 an führender Stelle mitverursacht haben, zum Teil mit kriminellen Methoden, wie der US-Kongress festgestellt hat? Wie beurteilt der Vorstand dieses Verhalten? Warum wurden und werden diese Agenturen immer wieder beauftragt? Wieviel wurde jeweils für diese Ratings bezahlt?

Der Bayer-Großaktionär Blackrock war und ist führender Miteigentümer dieser beiden Ratingagenturen, also sowohl von Standard & Poor’s und von Moody’s. Ich frage den Vorstand: Ist Ihnen dies bekannt? Hat Blackrock Sie darüber informiert oder nicht? Wie beurteilen Sie diesen Interessenkonflikt, wonach der Großaktionär Blackrock zugleich an den Ratings verdient?

Blackrock ist durch die hochdotierte Beratung der US-Regierung und der US-Zentralbank und durch die Miteigentümerschaft in hunderten US-Großunternehmen – auch in Konkurrenzunternehmen von Bayer – in die Strategie des Finanzplatzes USA eingebunden und verfolgt eigene globale Ziele. Ist dem Vorstand klar, dass die Interessen des Finanzplatzes USA und der dortigen global tätigen Finanzakteure wie Blackrock nicht identisch sind mit den Interessen eines Konzerns in der Bundesrepublik Deutschland und insbesondere den Interessen der 269.000 Kleinaktionäre, der Beschäftigten und der Kommunen der Produktionsstandorte? Wie geht der Vorstand mit dieser Interessenkollision um?

Der Wirtschaftsprüfer der Bayer AG ist seit Jahren das US-Unternehmen Price Waterhouse Coopers. PWC ist bekanntlich das Wirtschaftsprüfungsunternehmen, das die aggressivsten und meisten Steuerumgehungs-Beihilfen für global agierende Unternehmen und Banken leistet. So leistete PWC zum Beispiel von 2002 bis 2012 insgesamt 343 global agierenden Unternehmen Beihilfe, um Steuern mithilfe fiktiver Kredite, Verschiebung von Lizenzen und steuerlich motivierter Verrechnungspreise auf bis zu einem Prozent zu senken. Dabei kollaborierte PWC mit der winzigen Ein-Mann-Steuerbehörde, die für solche individuell ausgehandelten tax deals in Luxemburg zuständig war. Dabei wurden insbesondere den USA und den EU-Mitgliedsstaaten Großbritannien, Deutschland und Niederlande Milliarden Euro an Steuern vorenthalten.[1] Wie beurteilt der Vorstand dieses Verhalten seines Dauer-Wirtschaftsprüfers Price Waterhouse Coopers? Wann, wofür, in welchem Umfang und mit welchen Folgen haben die Bayer AG selbst und Tochterunternehmen solche Dienste von PWC in Anspruch genommen?

Blackrock-Chef Lawrence Fink erklärte vor einigen Wochen: „Wir müssen die Macht unserer Stimmen nutzen, wir müssen mit Vorstand und Aufsichtsrat reden und manchmal auf grundlegende Veränderungen drängen. Und das tun wir. Das ist unser Job.“[2] Ich frage den Vorstand: Wann und an welchen Orten außerhalb der Hauptversammlung fanden im Laufe des Jahres 2014 solche Kontakte statt? Wozu hat Blackrock den Vorstand und den Aufsichtsrat gedrängt? Hat Blackrock auf den Abbau von 2.000 Arbeitsplätzen in der Kunststoffsparte Bayer MaterialService und dann auf den Verkauf gedrängt? Auf welche anderen Veränderungen hat Blackrock gedrängt?


[«1] Leaked Documents Expose Global Companies‘ Secret Tax Deals in Luxembourg

[«2] „Die Deutschen haben zu viel Angst“, Spiegel-Gespräch mit Larry Fink, Chef des weltgrößten Vermögensverwalters Blackrock, Der Spiegel 12/2015, S. 77