Christian Wulff geht unter die Heuschrecken

Jens Berger
Ein Artikel von:

In der alten Bundesrepublik gab es ein ehernes Gesetz – der Bundespräsident ist nicht nur höchster Repräsentant seines Landes, sondern sollte auch wegen seiner moralischen Integrität ein Vorbild für die Gesellschaft und die politische Klasse sein. Christian Wulff hat bereits in seiner Amtszeit mit dieser Tradition gebrochen – er ging als „Schnäppchenjäger“ in die Geschichte ein, der jede nur erdenkliche kostenlose Gratifikation von Gönnern annahm. Diese unwürdige und höchst peinliche Tradition setzt Wulff nun auch nach seiner Amtszeit fort – vor wenigen Tagen heuerte er als leitender Berater bei einem Schweizer Private-Equity-Unternehmen an, das sich darauf spezialisiert hat, Traumrenditen mit vermieteten Immobilien zu machen, indem es die Mieten der Bestandsmieter gnadenlos erhöht. Damit setzt Wulff neue Standards in Sachen Instinktlosigkeit. Der Bundespräsident a.D. ist sehr tief gefallen. Von Jens Berger.

“Mein umfangreiches internationales Netzwerk verschafft mir wertvolle Kontakte zu entsprechenden Wirtschaftsverbänden und Interessensvertretern in potenziellen Zielmärkten. CORESTATE hat vor kurzem sein bislang erfolgreichstes Geschäftsjahr abgeschlossen und bereits die Weichen für mehrere vielversprechende Projekte im Jahr 2015 gestellt. Vor diesem Hintergrund freue ich mich, Teil des Unternehmens zu sein und zu seinem weiteren Erfolg beitragen zu können.”

Christian Wulff auf der Homepage des Private-Equity-Unternehmen CORESTATE

Wer wissen will, wer oder was CORESTATE ist, muss schon einen Blick in einschlägige Mieterforen werfen – CORESTATE ist eines dieser Finanzunternehmen, das im großen Stil ganze Pakete von vermieteten Immobilien aufkauft, um mit ihnen überdurchschnittliche Renditen zu machen. Das geht bei vermieteten Immobilien eigentlich nur durch zwei Varianten: Entweder man senkt die Kosten, indem man die Immobilien beispielsweise nicht mehr ausreichend wartet und nötige Investitionen verschiebt; oder man erhöht die Mieten. Genau dies ist offenbar auch die Politik des neuen Arbeitgebers von Christian Wulff. Ein Anwalt des Mietervereins Dortmund wird mit dazu mit folgenden Worten zitiert:

„Bei allen dem Mieterverein bekannten Corestate-Mieterhöhungen wurde ohne Begründung der Oberwert der jeweiligen Mietpreisspanne als ortsüblich bezeichnet. Bereits dies steht im Widerspruch zur Dortmunder Rechtsprechung. Damit will das Unternehmen die Mieterlöse nach oben schrauben“

Martin Grebe, zitiert auf den Seiten des MieterForum Ruhr

Nach eigenen Angaben bedient CORESTATE vordergründig „institutionelle Kunden sowie High-Net-Worth-Individuals und Family Offices“. „High-Net-Worth-Individuals“ ist die Branchenbezeichnung für Personen mit einem frei verfügbaren Anlagevolumen von mehr als einer Millionen Euro – also „Superreiche“. „Familiy Offices“ sind wiederum familieneigene Vermögensverwaltungen von superreichen Familien. Hier findet also zusammen, was nicht zusammen gehört und nicht zusammen gehören sollte – der Schnorrer-Präsident, der Probleme hatte, sein Klinkerhäuschen in Großburgwedel abzuzahlen und der deutsche Geldadel, der Parvenüs vom Schlage Wulffs zwar hinter vorgehaltener Hand belächelt, sie aber auch sehr gerne für seine Zwecke benutzt.

Hat Wulff das nötig? Nein, natürlich nicht. Ein Bundespräsident ist der einzige Amtsträger, der auch nach Ausscheiden aus dem Amt seine vollen Bezüge bis zu seinem Lebensende behält und zusätzlich noch das Anrecht auf ein Büro samt Mitarbeiter, einen Dienstwagen samt Fahrer und Personenschutz hat – natürlich auf Kosten des Steuerzahlers. Bei Wulff kann man also von einer Pension (offiziell „Ehrensold“) von nicht unter 200.000 Euro pro Jahr ausgehen. Das reicht ihm offenbar nicht. Er muss noch bei einer Immobilien-Heuschrecke einsteigen. Seine Erklärung, dass ihm sein „umfangreiches internationales Netzwerk“ im wertvolle Kontakte zu entsprechenden Wirtschaftsverbänden und Interessenvertretern verschaffe, ist einfach nur noch peinlich, für einen ehemaligen höchsten Repräsentanten des Staates. Schämen Sie sich, Herr Wullf!