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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (WL/AT)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Faktencheck Griechenland
  2. Zum Griechenland Referendum
  3. Umgang unter „Partnern“
  4. “Die Politik hat sich ins Gefängnis der Märkte begeben”
  5. Ein Desaster für den Internationalen Währungsfonds
  6. Arbeitsmarkt im Juni 2015
  7. Claudia Weinkopf: “Wenn ein Mindestlohn gilt, dann muss er auch kontrolliert werden”
  8. Verteidigungsministerin warnt Nato wegen Budget-Ziel
  9. 60 Jahre NATO
  10. Fracking verschoben
  11. Deutschlands Stromkunden zahlen viele Millionen Euro zu viel
  12. Rajoy warnt vor „Podemos-Syriza“
  13. Amerikas Griechenland – Wie Puerto Rico gegen die Pleite kämpft
  14. Wissenschaftszeitvertragsgesetz und Bund-Länder-Programm: Eigenes Eckpunktepapier der Unionsfraktion
  15. “Auf dem besten Wege in die absolute Verblödung”
  16. Zu guter Letzt: Islamistischer Terror soll die größte Bedrohung für Deutschland sein?
  17. Das Letzte: Brüderle ist Vorsitzender eines neuen BPA-Arbeitgeberverbands

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Faktencheck Griechenland
    1. Rotzfrech gelogen
      Nach dem Scheitern der Verhandlungen wurde Erstaunliches behauptet, vor allem von der EU. Manches stimmt schlicht nicht. […]
      Was stand wirklich im Verhandlungspaket von Freitag? Dijsselbloem schweigt. Juncker hingegen, der sich um eine Verständigung in letzter Minute bemühte, hat starke Thesen in die Welt gesetzt.
      Behauptung Nr. 1: Der Vorschlag enthielt „ein Wachstumsprogramm mit 35 Milliarden Euro speziell für Griechenland.“
      Dafür findet sich kein Beleg. […]
      Behauptung Nr. 2: Griechenland muss seine Renten nicht kürzen.
      Das ist eindeutig falsch. […]
      Behauptung Nr. 3: Es waren Erleichterungen bei den griechischen Staatsschulden geplant.
      In den Dokumenten findet sich davon keine Spur. […]
      Quelle: Eric Bonse in der taz
    2. Claus Köhler: Die Hilfen für Griechenland
      Als Reaktion auf die in WuG erschienenen Beiträge zu Griechenland hat Prof. Claus Köhler, Ökonom und ehemaliges Mitglied im Sachverständigenrat zur Beurteilung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, der Redaktion die folgenden Informationen mit der Anmerkung zukommen lassen: “Lieber Herr Hild, wer mich zu Griechenland ansprach, dem habe ich die beigefügten Seiten gegeben. Herzliche Grüße, Claus Köhler.”
      Zusammenstellung und Analyse zeigen
 eindrucksvoll auf, warum die wirtschaftliche Aktivität in Griechenland
 einbrechen und derartige soziale Verwerfungen nach sich ziehen musste, wie 
wir sie seitdem beobachten.
      Quelle: Wirtschaft und Gesellschaft

      Anmerkung WL: Die Auflistung der sechs „Sparpakte“ und die Auswirkungen dieser Maßnahmen zeigen eindrucksvoll, dass Sparabsicht keineswegs Sparerfolge nach sich ziehen muss, wenn die Wirtschaft abgewürgt wird.

    3. Friss oder stirb, Griechenland
      Die Troika aus EU-Kommission, EZB und IWF hat der griechischen Regierung die Pistole auf die Brust gesetzt. Die Gläubiger wollen Athen dazu zwingen erneut Renten zu kürzen, die Löhne zu begrenzen und die Mehrwertsteuer massiv zu erhöhen. Eine Sondersteuer auf besonders hohe Gewinne wurde dagegen abgelehnt.
      Die aufgezwungene Kürzungspolitik hat Griechenland bereits tief in die Krise getrieben. Kein Industrieland hat seinen Haushalt in wenigen Jahren so stark zusammenstreichen müssen. Mit verheerenden Folgen: Die Wirtschaft schrumpfte um ein Viertel, die Einkommen um ein Drittel, die Armut explodierte, die Arbeitslosigkeit verdoppelte sich und der Schuldenberg wurde immer größer. Die geforderten Maßnahmen würden die Krise verschärfen und bieten keinerlei Entwicklungsperspektive.
      Quelle: ver.di Wirtschaftspolitik
  2. Zum Griechenland Referendum
    1. „Ein echtes Referendum wäre hilfreich“
      Fünf Antworten von Nicole und Christos Katsioulis in Athen zur geplanten Volksabstimmung in Griechenland…
      Die Referendumsidee ist eine Mischung aus beidem. Es ist einerseits eine Idee, die aus der Verzweiflung geboren ist, weil man keinen anderen Ausweg mehr gesehen hat. Andererseits ist es aber auch ein Husarenstreich, weil so etwas durchaus ein gamechanger sein kann. Denn ein Referendum wäre ja durchaus wünschenswert, auch aus Perspektive der anderen Seite. Die Idee einer Volksabstimmung zu der Frage “Euro ja oder nein!“ gab es ja schon 2011. Damals hat sich der Referendumsvorschlag von Papandreou nicht durchgesetzt. Die Geschichte zeigt, dass diese wichtige Entscheidung des griechischen Volkes noch immer aussteht. Daher empfinden wir die Durchführung eines echten Referendums als hilfreich.
      Allerdings ergibt sich ein Paradox, wenn Tsipras die Bevölkerung auffordert, das Reformpapier abzulehnen: Stimmt die Regierung für den Kurs der Regierung, endet es höchstwahrscheinlich in einem Grexit. Stimmt die Bevölkerung gegen Tsipras, müsste dieser eine Politik umsetzen, von der er selbst behauptet, sie sei „erpresserisch“ und „erniedrigend“ für das griechische Volk. Eine griechische Regierung, die eine Politik umsetzt, die sie für falsch hält: Das ist eigentlich nicht vorstellbar. Neuwahlen wären vermutlich die Folge.
      Quelle: Internationale Politik und Gesellschaft
    2. Joseph Stiglitz: Wie ich wählen würde beim griechischen Referendum
      Keine Alternative – Zustimmung oder Ablehnung der Troika-Bedingungen – wäre einfach, und beide beinhalten große Risiken.
      Das steigende Crescendo von Gezänk und bitterer Schärfe innerhalb Europas könnte Beobachtern von außen wie das unvermeidliche Ergebnis der erbitterten Schlussphase des Verhandlungspokers zwischen Griechenland und seinen Gläubigern erscheinen. Tatsächlich beginnen europäische Spitzenpolitiker inzwischen, die wahre Natur des laufenden Schuldenstreits zu enthüllen, und die
      Antwort ist unerfreulich: Es geht viel mehr um Macht und Demokratie als um Geld und Wirtschaft.
      Natürlich war die Ökonomie hinter dem Programm, das die „Troika“ (die Europäische Kommission, die Europäische Zentralbank und der Internationale Währungsfonds) Griechenland vor fünf Jahren aufgezwungen hat, entsetzlich und führte zu einem 25-prozentigen Rückgang des griechischen Bruttoinlandsprodukts. Ich kenne keine Depression, die jemals so vorsätzlich erzeugt worden wäre und die solch katastrophale Folgen gehabt hätte: Z.B. übersteigt Griechenlands Jugendarbeitslosigkeit inzwischen 60 %.
      Bestürzenderweise hat die Troika sich stets geweigert, die Verantwortung für irgendetwas davon zu übernehmen oder zuzugeben, wie schlecht ihre Vorhersagen und Modelle waren. Aber noch erstaunlicher ist, dass die europäischen Führer noch nicht einmal dazugelernt haben. Die Troika fordert immer noch, dass Griechenland einen Primärüberschuss. (also ohne Zinszahlungen) von 3,5% des Bruttoinlandsprodukts bis 2018 erwirtschaften muss.
      Ökonomen aus aller Welt haben dieses Ziel als Strafmaßnahme verurteilt, denn dies anzustreben würde zwangsläufig zu einem noch tieferen Abschwung führen…
      Ein Ja-Votum würde eine nahezu endlose Depression bedeuten. Vielleicht würde ein ausgelaugtes Land – eines, das alle seine Besitztümer ausverkauft hat und dessen kluge junge Menschen ausgewandert sind – ganz zum Schluss eine Schuldenstreichung bekommen; Vielleicht wäre Griechenland, wenn es zu einer „Middle-Income-Economy“ geschrumpft ist, ganz zum Schluss in der Lage, Unterstützung von der Weltbank zu bekommen.
      Alles das könnte im nächsten Jahrzehnt passieren oder vielleicht auch erst im darauffolgendenJahrzehnt.
      Im Gegensatz dazu würde ein Nein-Votum Griechenland mit seiner starken demokratischen Tradition zumindest die Möglichkeit eröffnen, sein Schicksal in die eigene Hand zu nehmen. Die Griechen könnten die Gelegenheit ergreifen, eine Zukunft selbst zu gestalten, die, auch wenn sie vielleicht nicht so florierend wie die Vergangenheit wäre, wesentlich hoffnungsvoller wäre als die unverschämte Folter der Gegenwart.
      Ich weiß, wie ich wählen würde.
      Quelle 1: The Guardian
      Quelle 2: Übersetzung von Rüdiger Walter [PDF – 78 KB]
    3. Mit einem “Nein” in die Zukunft
      Sie ist 30, lebt bei ihrer Mutter und ist derzeit arbeitslos. Die Schauspielerin Despina möchte einen Schuldenschnitt für Griechenland und einen Neuanfang für ihre Heimat. Deshalb stimmt sie beim geplanten Referendum mit einem selbstbewussten “Nein”.
      Quelle: Spiegel Online
  3. Umgang unter „Partnern“
    1. Kalkulierter Wahnsinn. Wie EU-Kommission, Bundesregierung und IWF Europa in den Ruin treiben
      Im Kampf um die Zukunft Griechenlands und der Eurozone sind die Masken gefallen. Immer deutlicher zeichnen sich die hässlichen Konturen eines Europas ab, das seine demokratischen Hüllen abstreift. Die „Verhandlungen“ der letzten Wochen und Monate haben unmissverständlich gezeigt, wer im europäischen Haus das Sagen hat, wer die Bedingungen diktiert, wer der Souverän ist. Die Bevölkerungen Europas sind es nicht. Wenn Christine Lagarde, Mario Draghi und Jean-Claude Juncker einem Alexis Tsipras gegenüber stehen, dann ist der Grieche, wie die Journalistin Ulrike Herrmann kürzlich treffend bemerkte, mit drei Figuren konfrontiert, die keine oder nur eine äußerst klägliche demokratische Legitimation besitzen.
      Quelle: Kontext
    2. Häusliche Gewalt
      Dann würde man nämlich erkennen, dass die Rezepte von Troika, IWF und Eurogruppe exakt der Einsteinschen Definition von Wahnsinn entsprechen: Immer wieder dasselbe zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten. Dass die europäische Austeritätspolitik gescheitert ist, will nur Deutschland nicht wahrhaben und seine europäischen Vasallen folgen zähneknirschend. Der Grund ist der sogenannte Home bias, man könnte es – um im Bild zu bleiben – Familienidologie nennen. Mit Paul Krugman: „Was für Deutschland funktioniert hat, funktioniert nicht für Europa.“ Wohlwollend könnte man dahinter Ignoranz vermuten.
      Der elementare Zusammenhang, dass auf Ebene von Volkswirtschaften die Milchmädchen-Logik der schwäbischen Hausfrau (“In schlechten Zeiten den Gürtel enger schnallen.“) eben nicht greift (“Eine Volkswirtschaft als ganzes kann nicht sparen.“), ist den meisten Parlamentariern ebenso wenig zugänglich wie den Kommentatoren der Springerpresse. Insofern hat Professor Varoufakis tatsächlich einen intellektuellen Vorsprung dadurch, dass er Ahnung von der Materie hat. Es war perfekt rational von der griechischen Regierung, alle spieltheoretischen Register zu ziehen, um die europäische Lüge von der Alternativlosigkeit herauszufordern.
      Wer ahnte, dass die alten Herrschaften so borniert und verbittert sind, dass sie lieber die gesamte Dynastie in den Abgrund reißen, als von ihren Gewissheiten abzuweichen. Europas Weigerung, sich auf Griechenlands Gedankenspiel einzulassen, steht historisch auf einer Stufe mit der Weigerung Papst Paul V., durch Galileos Fernrohr zu schauen.
      Quelle: Holm Friebe in der taz
    3. Deutschlands Wirtschaftskrieg
      Wie gesagt: Athen war zur nahezu vollständigen Kapitulation bereit.
      Und dennoch haben sich Schäuble und Merkel entschlossen, dieses griechische Kapitulationsangebot auszuschlagen und in schlechter deutscher Tradition die öffentliche Demütigung Athens auf die Spitze zu treiben, indem sie ihre Brüsseler Lakaien anwiesen, ein mit roter Tinte gespicktes Ultimatum – das an die Korrekturen von Klassenarbeiten erinnerte – an Griechenlands Regierung zu schicken, in dem eine weitere Reihe von Verschärfungen verlangt wurde. Geradezu zynisch nimmt sich die “europäische” Forderung nach einer Absenkung der geplanten höheren Unternehmenssteuer aus, die mit der Sorge um das Wachstum in Griechenland begründet wurde – einem geschundenen Land, das nach fünf Jahren des Sparterrors am Rande des sozioökonomischen Zusammenbruchs steht.
      “Europa hat den Deal abgeändert, und Griechenland sollte dafür beten, dass dieser nicht noch weiter abgeändert” werde, kommentierte die Washington Post diese Eskalationsstrategie in Anlehnung an ein berühmtes Zitat von Darth Vader. Falls Griechenland im Euro bleiben wolle, müsse es Austerität zu den Bedingungen Europas und nicht den eigenen akzeptieren. “Es wird keine Verhandlungen mehr geben”, so fasste die Washington Post das deutsche Diktat an Athen zusammen. Das US-Hauptstadtblatt kam angesichts dieser Vorgänge zu der Schussfolgerung, dass “Europa” versuche, Griechenland aus dem Euro zu “drücken”.
      Der bekannte Ökonom Paul Krugman sieht hingegen eine andere Strategie am Werk. Man habe Tsipras “ein Angebot gemacht, das er nicht annehmen konnte”. Dieses Ultimatum war letztendlich ein Schachzug, um die griechische Regierung zu stürzen, schlussfolgerte Krugman. […]
      Es ist offensichtlich: Nicht die kreuzbrave, linkssozialdemokratische Regierung in Athen agiert hier extremistisch, sondern die deutschen Politeliten mitsamt ihren Schreibtischtätern in den Redaktionsstuben, die in den vergangenen Monaten eine beispiellose antigriechische Hetzkampagne losgetreten haben. Es stellt sich somit die Frage, wieso Deutschland diese Demütigungsstrategie eingeschlagen hat, obwohl Athen eine Kapitulation anbot.
      Quelle: Telepolis

      Anmerkung unseres Lesers M.L.: Bedrückende Beschreibung der Realitäten.

    4. Zum Teufel gejagt
      Die Bundesregierung hat am gestrigen Dienstag ein letztes Verhandlungsangebot aus Griechenland zur Verlängerung des EU-Hilfsprogramms zurückgewiesen. Vor dem griechischen Referendum, das am Sonntag stattfinden soll, sei Berlin nicht mehr zu Gesprächen mit Athen bereit, teilte Bundeskanzlerin Angela Merkel gestern Nachmittag mit. Entsprechend lehnte die Eurogruppe am Abend einen Kompromissvorschlag von Ministerpräsident Alexis Tsipras ab. Das Hilfsprogramm ist um Mitternacht endgültig abgelaufen, Athen erhält nun keine Gelder mehr. Bereits zuvor hatte Berlin, das seine brutale Austeritätspolitik um jeden Preis durchzusetzen sucht, Griechenland weiter in den wirtschaftlichen Kollaps getrieben: Auf deutschen Druck hatte die Europäische Zentralbank (EZB) eine Ausweitung der Notkredite für griechische Banken verweigert; Kapitalverkehrskontrollen wurden deswegen unvermeidlich. In Berlin heißt es, Athen solle das Referendum absagen, bei dem die griechische Bevölkerung implizit auch über die deutschen Spardiktate für die Eurozone abstimmt. Deutsche Medien begleiten die eskalierende Krise mit den üblichen verächtlichen Äußerungen über die Regierung Griechenlands.
      Quelle: German Foreign Policy
    5. Gregor Gysi: »Wer ein Ultimatum stellt, will keinen Kompromiss, sondern Unterwerfung«
      Die Bundesregierung und insbesondere die Bundeskanzlerin stehen in der Verantwortung ein Ausscheiden Griechenlands aus dem Euro oder gar aus der Europäischen Union mit all ihren unabsehbaren Folgen zu verhindern, sagte Gregor Gysi zum Auftakt seines Pressestatements vor der Fraktionssitzung am Dienstag. Angela Merkel, Sigmar Gabriel und Wolfgang Schäuble würden ihrer Verantwortung bisher nicht gerecht. Die Kanzlerin betont zwar stets ihre Gesprächsbereitschaft, in der entscheidenden Phase aber verstecke sie sich hinter ihrem Finanzminister und seiner kompromisslosen ideologischen Haltung. Die Verhandlungen seien nicht von der griechischen Seite abgebrochen worden, sondern indirekt von den Institutionen. Letztere hätten vielmehr ein Ultimatum gestellt.
      Quelle: YouTube
  4. “Die Politik hat sich ins Gefängnis der Märkte begeben”
    Hat die griechische Regierung den Bezug zur Realität verloren? Nein, erklärt Kulturwissenschaftler Joseph Vogl. Sie erinnere an Werte wie Gemeinwohl in einem totalitären System: dem Finanzkapitalismus.
    Muss die Politik ausbaden, was auf den Finanzmärkten verbrochen wurde?
    Nein. Es gibt nicht die Politik. Die gegenwärtigen Finanzmärkte wurden unter aggressiver Mithilfe der Politik seit den 1980er Jahren eingerichtet. Und das griechische Desaster begann mit der rabiaten Klientelpolitik nach dem Ende der Militärdiktatur 1974. Allerdings hat sich mit der jüngsten griechischen Regierung die Lage verändert: Sie hat scheinbar allgemein gültige Verfahrensfragen, also das übliche und eingeübte Procedere – Hilfspakte, Schuldendienst, Austeritätsprogramme und so genannte Reformen – in politische Fragen zurückverwandelt, in Fragen, bei denen es auch um solche fast vergessenen Dinge wie Gemeinwohl oder Volkssouveränität geht. […]
    Die Geldgeber fordern Reformen. Gibt sich die griechische Regierung in dem Punkt nicht seit Wochen völlig uneinsichtig?
    Die Geldgeber haben schon seit fünf Jahren Reformen gefordert und mit den meisten Forderungen keinen Erfolg gehabt. Das private Lohnniveau ist gesunken, Mindestlöhne wurden abgesenkt, Renten mehrmals gekürzt, Staatsvermögen verscherbelt. Als dann die linke Regierung nach dem Sinn dieser Maßnahmen fragte und Alternativen anbot – vom Schuldenschnitt über eine europäische Schuldenkonferenz bis zu Investitions- und Wachstumsprogrammen -, platzte den Eurodogmatikern insbesondere in Deutschland der Kragen. […]
    Besteht das Problem nicht darin, dass die kapitalistische Logik der Selbstkontrolle durch das ominöse “too big to fail” ausgehebelt wurde? Warum sollte man die, die gescheitert sind, nicht pleitegehen lassen?
    Das haut nicht hin. Denn es wären ja nicht nur Banken und Investmentgesellschaften sondern auch die privaten Versorgungssysteme – Lebensversicherungen, Pensionsfonds – mit in den Abgrund gerissen worden. Die Privatisierung von sozialer Vorsorge wurde ja mit grenzenlosem Vertrauen in die Funktionsweise der Finanzmärkte propagiert. Das hat sich als Legende erwiesen. Und nun muss die Politik eben mit dieser unbequemen Lage umgehen: Sie hat sich ins Gefängnis dieser Märkte begeben.
    Die Politik hat 2008 versprochen, die Finanzmärkte einzuhegen. Banken müssen seither mehr Kapital vorhalten, werden schärfer überwacht.
    Es wurde sehr viel mehr versprochen, als dann gehalten wurde. Für die Finanztransaktionsteuer gab es beispielsweise bereits 2010 und 2011 einen Gesetzentwurf, dem die deutsche Regierung sogar zugestimmt hat. Davon hat man sich klammheimlich verabschiedet. Das Finanzsystem von 2007 ist heute mehr oder weniger wieder restauriert.
    Quelle: Süddeutsche

    Dazu: Finanzsystem ohne Mega-Banken
    Die EU muss endlich das Finanzsystem reformieren. Dafür ist es nötig, dass mehr Abgeordnete den Lobbyisten widerstehen und für einen Bankensektor im Interesse der Allgemeinheit und der Realwirtschaft streiten…
    Wir schlagen Alarm. Sieben Jahre nach Beginn der heftigsten Finanz- und Wirtschaftskrise seit den 1920er Jahren ist eine Mehrheit europäischer Politiker dabei, die wichtigste Reform der Europäischen Union (EU) im Finanzsektor endgültig zu begraben: eine Trennung riskanter Kasinogeschäfte vom seriösen Kredit- und Einlagengeschäft.
    Den europäischen Bankensektor dominieren nach wie vor wenige „systemische“ Institute. Diese sind so groß, komplex und zu eng verflochten, dass weder Bankvorstände noch Aufseher oder die Politik in der Lage sind, die Risiken zu überblicken, die von ihnen für das Finanzsystem und Europas Volkswirtschaften ausgehen. Viele dieser Banken sind größer als etliche Ökonomien Europas.
    Eine effektive Bankentrennung hingegen würde das Finanzsystem transparent machen, es stärker an der Realwirtschaft ausrichten und gegenüber systemischen Risiken absichern. Die klare Trennung kundenorientierter Kernbankgeschäfte, welche nach wie vor durch den Staat geschützt wären, sowie spekulativer Handelsgeschäfte, die nun ohne Subventionen auskommen müssten, wäre ein Gewinn für unsere Volkswirtschaft, Kunden und Steuerzahler. Zudem wäre eine solche Regulierung weniger komplex und böte den Aufsehern mehr Rechtssicherheit gegen die smarten Juristen der Mega-Banken sowie den politischen Druck aus Europas Hauptstädten…
    Im Januar 2014 machte die damalige EU-Kommission einen Vorschlag. Dieser sah zwar keine automatische Trennung aller Mega-Banken vor, hätte den Aufsichtsbehörden für die größten Institute aber kaum eine andere Wahl gelassen. Statt diesen Vorschlag weiter zu stärken, knickten im Laufe der Beratungen immer mehr Europaabgeordnete sowie Regierungen im Europäischen Rat unter dem Druck der Finanzlobby ein.
    Quelle: Fabio De Masi, Philippe Lamberts und Marco Zanni in der FR

  5. Ein Desaster für den Internationalen Währungsfonds
    Athen kann für den IWF zum Milliardengrab werden. Ein Viertel aller ausgegebenen Kredite des Fonds steckt in Griechenland. Die Konsequenzen für die angeschlagene Institution sind absehbar. […]
    Der IWF ist seit fünf Jahren in Griechenland und muss nun womöglich einen der höchsten Kredite abschreiben, den er je vergeben hat. In normalen Unternehmen müssten nach einem solchen Desaster „Köpfe rollen“, einige führende Manager ihre Posten räumen. Aber auch eine so politische Organisation wie der Währungsfonds wird mit den schlichten Fragen konfrontiert, ob es klug war, einem Land so viel Geld zu leihen, und wieso das Strukturprogramm gescheitert ist. Die Anteilseigner des IWF würden ferner wissen wollen, wie die Krisenspezialisten der Organisation den Kollaps der griechischen Volkswirtschaft nicht voraussehen konnten, sagt Lachman. Denn dafür werden sie doch eigentlich bezahlt.
    Quelle: FAZ
  6. Arbeitsmarkt im Juni 2015
    • 5,086 Millionen “Arbeitslosengeld-Empfänger/innen” (SGB III und SGB II)
    • 4,418 Millionen Arbeitslosengeld II-Empfänger/innen – 6.000 (0,1%) mehr als im Juni 2014
    • 2,711 Millionen registrierte Arbeitslose – 122.000 (4,3%) weniger als im Juni 2014
    • Veränderungsraten (registrierte Arbeitslose) in den Ländern (Juni 2014 – Juni 2015):
      Männer und Frauen: –9,0% in Mecklenburg-Vorpommern bis +0,7% in Bremen
      Frauen –8,4% in Mecklenburg-Vorpommern bis -0,3% in Bremen (Bund: -4,8%)
      Männer: -9,5% in Mecklenburg-Vorpommern bis +1,5% in Bremen (Bund: -3,9%)
      unter 25 Jahre: -21,0% in Brandenburg bis -3,9% in Bremen (Bund: -7,5%)
    • 71,1% (1,929 Millionen) der Arbeitslosen sind im Rechtskreis SGB II (Hartz IV) registriert (Juni 2014: 69,3%), 28,9% (782.000) im Rechtskreis SGB III
    • Als Arbeitsuchende waren im Juni 2015 insgesamt 4,844 Millionen Frauen und Männer registriert, 141.000 (2,8%) weniger als im Juni 2014.
    • Die von der Statistik der BA ermittelte „Unterbeschäftigung ohne Kurzarbeit“ betrug im Juni 2015 3,569 Millionen, 177.000 (4,7%) weniger als im Juni 2014.
    • Nach vorläufigen, hochgerechneten Daten hatten im Juni 2015 759.000 (arbeitslose und nicht arbeitslose) Frauen und Männer Anspruch auf das beitragsfinanzierte Arbeitslosengeld (SGB III) und 4,418 Millionen Anspruch auf Arbeitslosengeld II. Bereinigt um die Zahl der etwa 91.000 sog. Aufstocker/Parallelbezieher (Bezug von Arbeitslosengeld und Arbeitslosengeld II) hatten im Juni 2015 etwa 5,086 Millionen erwerbsfähige Frauen und Männer Anspruch auf Arbeitslosengeld (SGB III) und/oder Arbeitslosengeld II, „54.000 Menschen weniger“ als ein Jahr zuvor. (vgl. BA-Monatsbericht, S. 21; BA-Monatsbericht 10/2014: Juni 2014: 5,140 Millionen [PDF – 1.9 MB])

    Quelle: Bremer Institut für Arbeitsmarkforschung und Jugendberufshilfe (BIAJ)

  7. Claudia Weinkopf: “Wenn ein Mindestlohn gilt, dann muss er auch kontrolliert werden”
    Die Einführung des gesetzlichen Mindestlohns in Deutschland war überfällig. Man hat aus meiner Sicht viel zu lange zugelassen, dass seit etwa Mitte der 1990er Jahre immer mehr Beschäftigte in Deutschland für niedrige Stundenlöhne arbeiten mussten. Im Jahr 2012 arbeitete fast ein Viertel der abhängig Beschäftigten für weniger als 9,30 Euro pro Stunde und Stundenlöhne von weniger als 6 Euro waren keine Seltenheit. Möglich wurde dies unter anderem durch den deutlich gesunkenen Anteil von Betrieben und Beschäftigten mit tariflich geregelten Löhnen und auch durch die erheblichen Lohnunterschiede zwischen einzelnen Branchen, die die Verlagerung von Tätigkeiten in Bereiche mit niedrigeren Tariflöhnen oder auch gänzlich tariflose Zonen begünstigt haben. Dadurch wurden Geschäftsmodelle ermöglicht, die auf Lohndumping basieren, was auch andere Unternehmen unter Druck gesetzt hat, nach immer neuen Möglichkeiten zu suchen, die Lohnkosten zu drücken.
    Die Klagen aus Politik und Wirtschaft über den Mindestlohn als „Bürokratiemonster“ halte ich für völlig überzogen. Wenn ein Mindestlohn gilt, dann muss er auch kontrollierbar sein. Dafür ist die Dauer der geleisteten Arbeitszeit eine unverzichtbare Größe. Die Erfahrungen mit Mindestlöhnen im In- und Ausland belegen, dass Unternehmen ihren Frieden mit dem Mindestlohn schließen, wenn sie sich darauf verlassen können, dass sich auch die Konkurrenz daran hält…
    Dass in den ersten Monaten nach Einführung des Mindestlohns die Zahl der Minijobs rückläufig gewesen ist, ist aus meiner Sicht kein Problem. Wenn der Mindestlohn dazu beiträgt, die vermeintliche Attraktivität von Minijobs zu verringern, halte ich dies vielmehr für eine aus vielerlei Gründen begrüßenswerte Entwicklung…
    Quelle: annotazioni
  8. Verteidigungsministerin warnt Nato wegen Budget-Ziel
    Die Nato hat bei den Wehrausgaben ein Zwei-Prozent-Ziel gemessen am Bruttoinlandsprodukt ausgegeben. Verteidigungsministerin von der Leyen ist damit nicht zufrieden. Unterstützung bekommt sie vom Nato-Generalsekretär.
    Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat die Nato davor gewarnt, sich bei den Wehrausgaben allein auf das Zwei-Prozent-Ziel gemessen am Bruttoinlandsprodukt zu fixieren. „Für die Zukunft kann das Zwei-Prozent-Ziel nicht das Maß aller Dinge sein“, sagte sie am Dienstag in Berlin bei einem Festakt zum Nato-Beitritt Deutschlands vor 60 Jahren. […]
    Zudem begrüßte Stoltenberg die Absicht der Bundesregierung, das Verteidigungsbudget bis 2019 um insgesamt acht Milliarden Euro aufzustocken. […]
    Auch Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) erklärte seine Bereitschaft zu höheren Verteidigungsausgaben.
    Quelle: Handelsblatt

    Anmerkung WL: Deutschland geht mit Unterstützung von CDU und SPD beim wieder aufgenommenen Rüstungswettlauf vorneweg, statt 33 Milliarden pro Jahr bis 2019 8 Milliarden mehr. Die Rüstungslobby reibt sich die Hände: „Das sei eine Neujustierung der Politik, so der Hauptgeschäftsführer des Verbandes der Rüstungsindustrie, Georg Wilhelm Adamowitsch: “Für die unternehmerische Planung ist dies sehr wichtig”, sagte er. Ein bisschen weniger Rüstungsexporte dafür die Erhöhung der eigenen Militärausgaben.
    Zwar wird jetzt von den Parlamentariern beklagt, dass ihre Haushaltsrechte beschnitten würden, weil die Zustimmung des Parlaments zu Rüstungsausgaben über 25 Millionen Euro umgangen würde. “Ministerium und Industrie reden über Dinge, die klar in der Verantwortung des Parlaments sind, ohne das Parlament zu beteiligen”, so Tobias Lindner, Bündnis 90/Grüne. Aber was hülfe dieser Parlamentsvorbehalt, wenn sich die Großkoalitionäre schon einig sind.

    Dazu: Athen darf nicht bei Rüstung sparen
    NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat die griechische Regierung vor Kürzungen des Militärbudgets gewarnt. Er erwarte, dass Athen auch weiterhin zwei Prozent des Bruttoinlandprodukts für Verteidigung ausgebe, sagte Stoltenberg heute.de.
    Quelle: heute.de

    Anmerkung AT: Was für ein Timing. Es spielt halt jeder seine Rolle, so gut oder schlecht er kann.

  9. 60 Jahre NATO
    1. 60 Jahre Deutschland in der NATO – kein Grund zum Feiern
      “60 Jahre NATO-Mitgliedschaft sind kein Grund, Waffen und Militär zu bejubeln. Das Bündnis und die Rolle, die Deutschland darin spielt, müssen kritisch hinterfragt werden, was immer mehr Bürger tun: Wo früher eine Zwei-Drittel-Mehrheit stand, zeigen Meinungsumfragen heute, dass nur noch knapp über die Hälfte der Bevölkerung Vertrauen in die NATO hat. Die NATO verliert in Deutschland gravierend an Zustimmung – und das ist gut so”, erklärt Wolfgang Gehrcke anlässlich des 60. Jahrestages des deutschen NATO-Beitritts.
      Quelle: Fraktion Die Linke im Bundestag
    2. Verteidigungsbündnis
      Der Politikwissenschaftler Werner Ruf über ein nominelles Verteidigungsbündnis, das tatsächlich ein Kriegspakt ist
      Jens Wernicke sprach mit Werner Ruf über die NATO. Der Wissenschaftler ist der Auffassung, dass die NATO kein Verteidigungs- sondern ein undemokratisches, Völkerrecht verletzendes Kriegsbündnis ist. Aus diesem sollte Deutschland besser heute als morgen austreten.
      Quelle: Wortmeldungen auf Neues Deutschland
    3. Kubarkrise? Viel schlimmer
      Bemerkenswert ist, dass weder Kennedy noch Chruschtschow jemals auf die Idee kamen, dass die eigenen Raketen wie die gegnerischen bewertet werden könnten – nämlich als Bedrohung. Ein Missverständnis, das beinahe ein nukleares Armageddon ausgelöst hätte.
      Ebenso bemerkenswert ist, dass heute schon die Möglichkeit, Russland könnte sich von sicherheitspolitischen Entscheidungen der USA oder der NATO bedroht sehen, konsequent negiert wird. Das etablierte Narrativ von NATO wie USA lautet: Die jeweils geplanten oder ergriffenen Maßnahmen – wie die NATO-Osterweiterung oder der Raketenabwehrschirm – sind rein defensiver Natur und stellen keine Bedrohung Moskaus dar.
      Das Problem daran ist weniger, dass dieses Narrativ völlig falsch wäre. Im Gegenteil: Tatsächlich hegen vermutlich weder NATO noch die USA offensive Pläne gegenüber Russland. Nur nimmt Russland die Entwicklung anders wahr und begreift diese Schritte als Offensivmaßnahme und Bedrohung. John J. Mearsheimer hat deshalb völlig Recht, wenn er meint “Die Russen, nicht der Westen, dürfen selbst entscheiden, was sie als Bedrohung wahrnehmen.“
      Auch deshalb ist ein genauerer Blick in die Rüstungsdatenbank von SIPRI hilfreich. So verfügen allein die USA aktuell über 2080 einsatzfähige Atomwaffen. Zusammen mit Frankreich und Großbritannien kommt die NATO sogar auf 2520 einsatzfähige Atomwaffen. Der Militärhaushalt der USA beläuft sich für 2014 auf rund 610 Mrd. US-Dollar, was einem Anteil von 3,5 Prozent des BIP entspricht. Moskau hat im selben Jahr „nur“ 84,5 Mrd. US-Dollar (4,5 Prozent des BIP) für Rüstung ausgegeben.
      Dabei ist auch klar: Sowohl die NATO-Osterweiterung als auch der Raketenabwehrschirm verändern das strategische Gleichgewicht weiter zuungunsten Moskaus. Durch die Osterweiterung rückt das westeuropäische Militärbündnis territorial immer näher an die Westgrenze Russlands und an die Macht- und Interessenssphäre Moskaus heran. Die USA würden eine vergleichbare Entwicklung unter entgegengesetztem Vorzeichen kaum tolerieren. Auch dafür ist die Kubakrise ein historischer Beleg. 
      Der US-Diplomat George Kennan, vielleicht einer der besten Kenner der Sowjetunion und Russlands, hatte bereits 1998 vor den Folgen der NATO-Osterweiterung gewarnt. Seine Warnung vor „dem Beginn eines neuen Kalten Krieges” liest sich heute fast prophetisch: „Of course there is going to be a bad reaction from Russia, and then [the NATO expanders] will say that we always told you that is how the Russians are – but this is just wrong.”
      Durch den Raketenabwehrschirm würde die nukleare Abschreckungsfähigkeit Russlands nutzlos. Moskau wäre einem Erstschlag ausgeliefert. Um die mit einem Abwehrschirm verbunden Gefahr der Präventionslogik („Strike first!“) zu bannen, schlossen die Sowjetunion und die USA 1972 den ABM-Vertrag, der Raketenschirme verbot und die wechselseitige Vergeltungsfähigkeit beider Seiten sicherte. 2002 haben die USA den ABM-Vertrag einseitig gekündigt. Moskau hat diesen Schritt wiederholt kritisiert und klar gemacht, dass es einen Raketenschirm als Bedrohung interpretiert.
      Vor diesem Hintergrund ist es aus Perspektive Moskaus durchaus folgerichtig, dass die 40 neuen russischen ICBMs, die einen Raketenabwehrschirm offenbar durchdringen können, als Defensivmaßnahme bezeichnet werden. Nur dass die NATO und die osteuropäischen Staaten Putins Ankündigung angesichts der Ukraine-Krise eben anders und ebenfalls folgerichtig wahrnehmen können – als Bedrohung und Provokation.
      Quelle: Andreas Bock in Internationale Politik und Gesellschaft

      Dazu: Den kalten Krieg verhindern

      Quelle: Stuttmann Karikaturen

  10. Fracking verschoben
    Der Bundestag wird am Freitag nicht über das Fracking-Gesetz diskutieren. Die große Koalition hat den umstrittenen Gesetzentwurf zurückgezogen und auf den Herbst verschoben. Der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Michael Grosse-Brömer (CDU), sagte, in seiner Fraktion gebe es noch „verschiedene Vorbehalte“. Hubertus Heil, Fraktions-Vize der SPD-Fraktion sagte, „beide Fraktionen haben noch Beratungsbedarf“.
    Umweltschützer und Opposition lobten die Verschiebung und forderten erneut ein „eindeutiges Verbot für die Frackingtechnologie“, wie es BUND-Chef Hubert Weiger formulierte. Der Industrieverband BDI dagegen hält die Verschiebung für „nicht nachvollziehbar“. Stefan Mair, Mitglied der Hauptgeschäftsführung sagte: „Die Politik zeigt damit, dass sie sich zum Spielball künstlich erzeugter Ängste machen lässt.“
    Quelle: Tagesspiegel

    Anmerkung AT: Wenn sich die Politik jedoch zum Spielball der Lobbyverbände macht, ist das natürlich was anderes.

  11. Deutschlands Stromkunden zahlen viele Millionen Euro zu viel
    Kaufhäuser, Kino und sogar Golfplätze: Die Anwendung der Strom-Sonderkonditionen für Unternehmen erschließt sich nicht jedem. Klar ist jedoch: der normale Stromkunde muss dadurch viel zu viel entrichten.
    Deutschlands Stromkunden zahlen jedes Jahr viele Millionen Euro zu viel, weil Unternehmen von Netzkosten befreit werden, obwohl die damit verbundenen Hoffnungen auf eine Stabilisierung des Stromnetzes gar nicht in Erfüllung gehen. Zu dem Fazit kommt ein unter Verschluss gehaltener Bericht der Bundesnetzagentur an das Bundeswirtschaftsministerium.
    Quelle: FAZ
  12. Rajoy warnt vor „Podemos-Syriza“
    In Spanien loben die Linkspolitiker von Podemos den „beispielhaften“ Tsipras und kritisieren „Merkels Kolonialregierung“. Ministerpräsident Mariano Rajoy versucht, seine Landsleute zu beruhigen.
    Zum ersten Mal ist es aus Anlass der Griechenland-Krise in Spanien zu einer direkten Auseinandersetzung zwischen der konservativen Regierung und der linkspopulistischen Partei Podemos („Wir können“) gekommen. Während Ministerpräsident Mariano Rajoy im Blick auf die spanischen Parlamentswahlen im Herbst vor den schwerwiegenden Folgen einer „Podemos-Syriza“-Allianz mit der Sozialistischen Arbeiterpartei (PSOE) warnte, verteidigte Podemos unter Führung ihres Generalsekretärs Pablo Iglesias in einem Kommuniqué die „beispielhaft“ demokratische Haltung des griechischen Regierungschefs Alexis Tsipras und seinen Referendumsentscheid. Darauf erwiderte Rajoy, dass „hundert Prozent der Regierungen der Eurozone nicht das gleiche denken“.
    Rajoy hatte nach einer Krisensitzung seines Wirtschaftsrates versichert, dass „die Spanier beruhigt sein“ könnten, weil dank seiner „seriösen Politik“ und der von ihm durchgesetzten Reformen, dem Land weder eine mit Griechenland vergleichbare Krise noch eine akute Ansteckungsgefahr drohe. Während die spanische Wirtschaft robust wachse, sei die griechische seit dem Amtsantritt von Tsipras wieder abgestürzt. Rajoy fügte hinzu: „Das ist der Unterschied zwischen einer ernsthaften und einer nicht so ernsthaften Politik. Eine solche führt, wie wir jetzt in Griechenland sehen, dazu, dass die Leute ihr Geld nicht abheben können.“
    Quelle: FAZ

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Rajoy ist der Chef einer durch und durch korrupten Partei, die im Prinzip den Franquismus fortführt. Nur dreist.

    Dazu: Eine Lektion in Sachen Demokratie
    Griechenland ist in Spanien Innenpolitik. Während der Regierungschef hofft, dass Syriza fällt und Podemos mitreißt, steht die Linke hinter Tsipras.
    Quelle: taz

  13. Amerikas Griechenland – Wie Puerto Rico gegen die Pleite kämpft
    Nicht nur Griechenland wird von seiner Schuldenlast erdrückt. Auch Puerto Rico ist akut in Pleitegefahr. Das tropische Inselparadies stellt seine Gläubiger auf den Zahlungsausfall ein. […]
    Die Karibikinsel hat einen Schuldenberg von rund 72 Milliarden Dollar (65 Mrd Euro) angehäuft – das entspricht fast 70 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung. „Die Schulden sind nicht bezahlbar“, sagte Gouverneur Alejandro García Padilla jetzt der „New York Times“.
    Für das kommende Jahr wird ein Haushaltsdefizit von 3,7 Milliarden Dollar erwartet. Und bereits an diesem Mittwoch droht die Anleihe eines staatlichen Energieversorgers zu platzen. […]
    Die gerade einmal 3,5 Millionen Einwohner Puerto Ricos – 45 Prozent von ihnen leben unterhalb der Armutsgrenze – sind amerikanische Staatsbürger, allerdings mit eingeschränkten Rechten. An den Präsidentschaftswahlen dürfen sie zum Beispiel nicht teilnehmen. Denn die Karibikinsel ist zwar Territorium der Vereinigten Staaten, aber kein eigener Bundesstaat. Dieser Unterschied ist für das Land, das sich seit 2006 von einer Rezession zur nächsten schleppt, auch bei der Lösung der Schuldenprobleme von Bedeutung. […]
    Die Ökonomen gehen auch mit der Regierung hart ins Gericht. Nur 40 Prozent der erwachsenen Bevölkerung arbeite oder sei auf Jobsuche. Der Rest faulenze oder sei Teil der Schattenökonomie, bemängeln sie.
    Da das Sozialsystem „generöse“ Leistungen biete, die oft über dem Mindestlohn lägen, sei der Anreiz zur Arbeit niedrig. Doch unter dem Strich scheint Puerto Ricos Wohlfühlfaktor trotzdem recht gering zu sein. Hunderttausende haben das Land in den letzten Jahren verlassen, seit 2010 ist die Bevölkerung um fast fünf Prozent geschrumpft.
    Die Empfehlungen der Experten erinnern an die Rezepte, die der IWF auch kriselnden Eurostaaten wie Griechenland verschreiben wollte: einen 10-Jahres-Plan mit Strukturreformen, um wieder wettbewerbsfähig zu werden, Ausgabenkürzungen und einen Schuldenschnitt.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: 45 Prozent der Bevölkerung lebt in Armut, aber “das Sozialsystem [ist] generö[s]”. Der IWF empfiehlt – Überraschung! – Ausgabenkürzungen und “Strukturreformen”, also alle Maßnahmen aus dem neoliberalen Curriculum, die schon viele andere Länder ruiniert haben. Wer stoppt den IWF?

  14. Wissenschaftszeitvertragsgesetz und Bund-Länder-Programm: Eigenes Eckpunktepapier der Unionsfraktion
    Nach der SPD-Bundestagsfraktion, die im Frühjahr 2015 Positionspapiere zur Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes bzw. für einen Bund-Länder Pakt für den wissenschaftlichen Nachwuchs und akademischen Mittelbau vorgelegt hatte, hat gestern die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag „Grundsätze für gemeinsames Bund-Länder-Programm und Eckpunkte für flankierende Novelle des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes“ präsentiert.
    In ihrem Positionspapier mit der Überschrift „Mit dem Tenure-Track-Programm Perspektiven für den wissenschaftlichen Nachwuchs substanziell verbessern“ setzt sich die Unionsfraktion für ein neues „Bund-Länder-Programm zur Förderung von Tenure-Track-Professuren ein“….Anders als die SPD, die in ihrem Papier drei Komponenten eines Bund-Länder-Pakts – Schaffung zusätzlicher Juniorprofessuren mit Tenure Track-Option, Förderung neuer Karrierewege für wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Wettbewerb zu Personalentwicklungskonzepten für besonders engagierte Hochschulen – vorgesehen hatte, betont die Union nun, dass der von der Koalition für eine „Personaloffensive“ in Aussicht gestellte Betrag von einer Milliarde Euro ausschließlich dem Tenure-Track-Professuren-Programm vollständig zugute kommen müsse…
    Mit dem Vorschlag für ein Tenure-Track-Programm greift die CDU/CSU-Fraktion Impulse entsprechender Vorschläge der GEW auf. In ihrem an die neue Bundesregierung gerichteten Köpenicker Appell von 2013 hatte die Bildungsgewerkschaft u. a. ein „Förderprogramm für verlässliche Karrierewege von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern“ vorgeschlagen, mit dem zusätzliche Juniorprofessuren oder anderer Postdoc-Stellen gefördert werden, wenn diese mit einem Tenure Track ausgestattet sind und von der jeweiligen Einrichtung auf Dauer weiter finanziert werden. Wichtig im GEW-Konzept ist, dass mindestens 50 Prozent der geförderten Stellen von Frauen besetzt werden müssen; außerdem muss der Tenure Track in der Postdoc-Phase, also nicht etwa nach einer bereits absolvierten Postdoc-Phase, wie es die „Empfehlungen zu Karriezielen und -wegen an Universitäten“ des Wissenschaftsrats von 2014 nahelegt, ansetzen. In welche Richtung diesbezüglich das CDU/CSU-Modell geht, ist offen.
    Hinsichtlich der von der Großen Koalition avisierten Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes hat die CDU/CSU-Fraktion überraschend gegen die Einwände der Allianz der Wissenschaftseinrichtungen Position bezogen. Eine Qualifizierungsbefristung soll nur noch zulässig sein, „wenn eine Qualifizierung ausdrücklich als Teil des Arbeitsverhältnisses vereinbart ist“, heißt es im Papier der Unionsfraktion. Weiter soll die Anwendbarkeit der Regelungen des Gesetzes auf nicht-wissenschaftliches Personal entfallen. Gegen beide Vorhaben der Koalition hatte sich vor kurzem in einem Brief an Bundesbildungs- und -forschungsministerin Johanna Wanka die Allianz der Wissenschaftsorganisationen gewandt, der u. a. die Hochschulrektorenkonferenz, die Deutsche Forschungsgemeinschaft, der Wissenschaftsrat und die vier großen Organisationen der außerhochschulischen Forschungseinrichtungen (Fraunhofer, Helmholtz, Leibniz, Max Planck) angehören…
    Aus Sicht der GEW müssen beide Fraktionen noch nacharbeiten, damit mit der überfälligen Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes tatsächlich die Weichen für faire Beschäftigungsbedingungen und verlässliche Berufswege in der Wissenschaft gestellt werden. Dazu haben CDU/CSU und SPD noch bis zur Erarbeitung eines gemeinsamen Eckpunktepapiers Gelegenheit, das bis heute leider ebenso wenig wie ein Gesetzentwurf vorliegt. Der stellvertretende Vorsitzende und Wissenschaftsexperte der GEW Dr. Andreas Keller hat die gestrige Anhörung des Bundestagsausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung genutzt, um den Abgeordneten die Vorschläge der GEW für die Novellierung des Wissenschaftszeitvertragsgesetzes und weitere Maßnahmen für berechenbare Karrierewege und stabile Beschäftigungsbedingungen nahezubringen.
    Quelle: GEW Newsletter (noch nicht im Netz)
     
    Siehe dazu:

  15. “Auf dem besten Wege in die absolute Verblödung”
    Der Jugendforscher Bernhard Heinzlmaier beklagt die zunehmende Verdummung der heranwachsenden Generation. Schuld sei ein Bildungssystem, in dem nur nach ökonomischen Aspekten unterrichtet werde.
    Nichts für’s Leben, sondern für die Wirtschaft lernen wir – das ist die provokante These von Bernhard Heinzlmaier, der seit Jahrzehnten Deutschlands Jugend wissenschaftlich analysiert. Die systematische Verdummung der Jungen, die “mit begrenztem Horizont und engem Herz” in eine unmenschliche Leistungsgesellschaft gedrängt werden, prangert er auch in seinem Buch: “Performer, Styler, Egoisten: Über eine Jugend, der die Alten die Ideale abgewöhnt haben” an. […]
    Die Welt: Sie schreiben, dass die heutigen Bildungsstandards von der Wirtschaft diktiert würden. Was heißt das?
    Heinzlmaier: Bei der Zusammensetzung der Bildungsinhalte zählt nur noch die wirtschaftliche Logik. Die Lehrinhalte werden danach ausgewählt, was später auf dem Arbeitsmarkt auf jeden Fall verwertbar ist. Seit Jahren findet in den Schulen eine Verlagerung zugunsten naturwissenschaftlicher und betriebswirtschaftlicher Inhalte statt. Unterrichtsstunden in Musik, Literatur und Kunst werden gekürzt, weil diese Fächer kein im ökonomischen Sinne nützliches Wissen vermitteln.
    Quelle: Welt Online
  16. Zu guter Letzt: Islamistischer Terror soll die größte Bedrohung für Deutschland sein?
    Stimmung am Nullpunkt am Ende der BPK: Warum soll islamistischer Terrorismus die größte Gefahr für die Sicherheit Deutschlands sein?, wollten wir vom Chef des Bundesverfassungsschutzes wissen. Gerade wenn man bedenkt, dass sogar mehr Menschen hier durch Fehler des Verfassungsschutzes als durch islamistischen Terror gestorben sind…
    Quelle: Jung & Naiv via Facebook
  17. Das Letzte: Brüderle ist Vorsitzender eines neuen BPA-Arbeitgeberverbands
    Der ehemalige Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (70) ist Vorsitzender eines neuen Arbeitgeberverbands für die private Pflegewirtschaft. Der Verband wurde am 23. Juni vom Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (BPA) gegründet. Brüderle wurde vom Präsidenten des BPA, Bernd Meurer, für diese Position vorgeschlagen.
    Quelle: politik & kommunikation

    Anmerkung WL: Brüderle ist dort gelandet, wo er schon immer hingehörte, nämlich bei einem Arbeitgeberverband, der keine andere Funktion hat, als öffentliche oder kirchliche Pflegedienste durch Lohndumping unter Druck zu setzen. Warum wird nicht auch hier, wie beim Arbeitgeberverband Neue Brief- und Zustelldienste e.V. über ein „Tarifeinheitsgesetz“ nachgedacht, das ein solches Rattenrennen nach unten verhindert?
    Zur Erinnerung: „Private Briefdienstleister haben wiederholt versucht, sich über Niedriglöhne einen Wettbewerbsvorsprung zu sichern. In diesem Zusammenhang wurden auch Kampagnen gegen den Postmindestlohn durchgeführt, z. B. 2007 durch die Pin Group und ihre damalige Muttergesellschaft Axel Springer AG. Vor Inkrafttreten des Postmindestlohns haben die Arbeitgeberverbände Neue Brief- und Zustelldienste e.V. und Bundesverband der Kurier- Express- und Postdienste e.V. im Dezember 2007 mit der Gewerkschaft Neue Brief- und Zustelldienste (GNBZ) einen Tarifvertrag mit einem niedrigeren Mindestlohn abgeschlossen. Laut rechtskräftigem Beschluss des LAG Köln vom 20. Mai 2009 ist die Gewerkschaft GNBZ nicht tariffähig, so dass der vereinbarte Tarifvertrag nichtig ist.“

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