Hinweise des Tages

Jens Berger
Ein Artikel von:

Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (AT/AM/WL/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Den linken Euro gibt es nicht
  2. Griechenland
  3. Flüchtlinge
  4. Staatsterrorismus
  5. Rot-rot-grüne Kritik am »Zuchtmeister Europas«
  6. Deutschland ramponiert sein Image
  7. TTIP und die europäische Selbstentmächtigung
  8. Steuer-Geschenke für Quandt und Co.
  9. Rohstoffcrash nährt Ängste um kranke Weltwirtschaft
  10. Labor der Ausbeutung
  11. EU-Kommission gibt Bericht zu Glyphosat nur an Monsanto heraus
  12. Das Internet, das wir bewahren müssen
  13. Syrien – Der gelenkte Zerfall
  14. Schäuble äußert Zweifel an Kohls anonymen Spendern
  15. Siggis schwarze Socke
  16. Die zwei Fassadenbauer der CDU
  17. Pharma-nahe Forschung: Uni Köln und Bayer dürfen Vertrag geheim halten
  18. Wissenschaftliche Mitarbeiter: Nach zwölf Jahren kommt das Nichts
  19. Den Winter in den Knochen
  20. Zu guter Letzt: Abschreckungsvideo und Taschengeldkürzungen

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Den linken Euro gibt es nicht
    Es gibt keine neutrale Währungsunion, die sich je nach Kräfteverhältnis demokratisch und sozial ausrichten lässt. Martin Höpner über die strukturellen Zwänge, die vom Euro selbst ausgehen […]
    Aber zurück zu den in den Euro eingepflanzten Fehlfunktionen: Ließen sich diese nicht durch eine effektive transnationale Lohnkoordination wenn nicht völlig abstellen, so doch zumindest beherrschbar machen? Dieser Einwand hat Substanz. An dem Problem, dass sich die Zinspolitik der EZB an Durchschnittswerten orientieren muss, könnte auch eine noch so effektive Lohnkoordination nichts ändern. Aber viele Probleme blieben uns erspart, ließen sich einer horizontal, also ohne Einmischung aus Brüssel erfolgenden Lohnkoordination die Aufgaben zuweisen, den dysfunktionalen Konjunkturimpulsen der europäischen Zinspolitik entgegenzuwirken und gleichzeitig den Eintritt in Deflationierungswettläufe deutscher Machart zu verhindern. Die politisch-institutionellen, organisatorischen und motivationalen Voraussetzungen einer solchen Lohnkoordination sind aber derart offensichtlich nicht gegeben, dass der Verweis auf ihre Wünschbarkeit nicht weiterhilft. Und wohlgemerkt: Die fehlenden motivationalen Voraussetzungen wiegen hier genauso schwer wie die groteske Unterschiedlichkeit der Lohnfindungsregime der Euro-Teilnehmer. In Deutschland schließt der Anti-Inflations-Konsens nicht nur alle großen Parteien, sondern auch die Gewerkschaften mit ein, namentlich die des Exportsektors. Wer etwa glaubt, die deutschen Gewerkschaften ließen sich auf eine Strategie der gezielten Inflationierung verpflichten, um den Süden von einem Teil des auf ihm lastenden Deflationierungsdrucks zu entlasten, der hat gewiss noch nie mit einem Betriebsrat eines Exportunternehmens gesprochen.
    Quelle: Neues Deutschland

    Anmerkung Albrecht Müller: Der Hinweis auf den Artikel von Martin Höpner erfolgt als eine Art Ergänzung auf den Hinweis Nummer 1 von gestern: Rückkehr zur Drachme ist keine Lösung.

  2. Griechenland
    1. Wohin fließen die Griechenland-Milliarden?
      86 Milliarden Euro bekommt Griechenland in den kommenden drei Jahren. Wie schon bei den ersten Rettungspaketen gilt: Die griechische Bevölkerung erhält davon fast nichts.
      Es ist eine riesige Summe, über die die Abgeordneten des Deutschen Bundestags am Mittwoch abstimmen. Insgesamt 86 Milliarden Euro soll Griechenland im Zuge des dritten Rettungsprogramms bis 2018 erhalten. Und vielleicht werden es sogar noch mehr: Weitere sechs Milliarden Euro könnten hinzukommen, berichtet die Süddeutsche Zeitung am Dienstag. Die Zeitung beruft sich dabei auf Berechnungen aus dem Bundesfinanzministerium.
      Woher kommt dieser riesige Finanzbedarf? War man doch zu Beginn des Jahres davon ausgegangen, dass Griechenland nach erfolgreichem Abschluss des zweiten Programms nur noch geringe Hilfen benötigen wird – vielleicht 15, allenfalls 20 Milliarden Euro. Warum ist diese Summe noch einmal so sprunghaft angewachsen? Und wohin fließt das neue Geld?
      Für den größten Teil der Summe gilt Ähnliches wie schon beim ersten und zweiten Hilfspaket: Das Geld wird benötigt, um Altschulden abzulösen und die Zinsen für die noch laufenden Kredite zu bezahlen. Nach Berechnungen der EU-Kommission muss Griechenland bis 2018 dafür insgesamt 53,7 Milliarden Euro aufwenden. Knapp 36 Milliarden fließen in die Rückzahlung von Altkrediten und knapp 18 Milliarden Euro werden an Zinsen fällig.
      Quelle: Zeit Online
    2. Athen braucht noch mehr Geld
      Das hochverschuldete Griechenland benötigt noch mehr Geld als bisher bekannt. Vor der Bundestagsabstimmung über ein drittes Hilfspaket für Athen am Mittwoch zeigt der Beschlussantrag des Bundesfinanzministeriums, dass der Finanzbedarf um weitere 6,2 Milliarden Euro gewachsen ist.
      Insgesamt gehen die Geldgeber nun von einer Gesamtsumme von etwa 92 Milliarden Euro aus. Das übersteigt deutlich jenen Betrag, der in der Erklärung des Euro-Sondergipfels vom 12. Juli genannt wird. Im Beschluss der Euro-Staaten war von einem “Programmfinanzierungsbedarf zwischen 82 und 86 Milliarden Euro” die Rede.
      Weiter hieß es, dass eine Verringerung des Finanzbedarfs durch “höhere Einnahmen aus Privatisierungen” geprüft werden sollte. Die Erlöse aus dem Verkauf von griechischem Staatsbesitz sollen demnach dazu führen, die Gesamtsumme des Rettungspakets zu senken.
      Doch das Gegenteil ist der Fall: Im Beschlussantrag des Bundesfinanzministeriums hilft der Posten “Privatisierung” in Höhe von 6,2 Milliarden Euro nun dabei, dass die vom Gipfel-Beschluss vorgegebene Maximalsumme von 86 Milliarden Euro nicht überschritten wird.
      Weil die erhofften Erlöse von 6,2 Milliarden Euro aus dem Verkauf von Staatseigentum bereits jetzt im Gesamtpaket verbucht werden, fehlen sie wiederum dem geplanten Privatisierungsfonds.
      Quelle: Süddeutsche

      Anmerkung AT: Passend dazu gibt die griechische Regierung ihre Zustimmung zum Verkauf von 14 profitablen Regionalflughäfen an die deutsche Fraport für rund 1,2 Mrd. Euro bekannt. Die anderen 30 Flughäfen bleiben dagegen im Besitz des griechischen Staates und müssen weiter subventioniert werden. Heißt: Die Gewinne fließen fortan in die deutschen Kassen, während die griechische Regierung zusehen muss, woher sie das Geld für die Förderung der übrigen Airports nimmt.

    3. Nein zum dritten Kürzungsdiktat
      Laut Albert Einstein ist es eine Definition von Wahnsinn, immer wieder das Gleiche zu tun und dabei andere Ergebnisse zu erwarten. Nach einem angeblichen “Rettungspaket” in Höhe von 110 Milliarden Euro im Jahr 2010 und Krediten in Höhe von 130 Milliarden Euro im Jahr 2012 soll Griechenland nun ein weiteres Mal „gerettet“ werden: Mit gut 85 Milliarden Euro sollen alte Kredite refinanziert und Banken rekapitalisiert beziehungsweise die griechische Kapitalflucht der letzten Monate finanziert werden, die es ohne die Erpressungspolitik von Kanzlerin Merkel und Finanzminister Schäuble so gar nicht gegeben hätte. Wieder wird kaum ein Cent des Geldes bei der griechischen Bevölkerung ankommen, der man aber trotzdem brutale Kürzungen zumutet. Wieder wird eine Krise nicht gelöst, sondern durch untragbare Kredite lediglich verlängert. Wieder wird die griechische Wirtschaft in eine tiefe Rezession getrieben und durch erzwungene Privatisierungen und andere „Reformen“ noch ärmer und abhängiger gemacht. Wieder wird die soziale Not durch erzwungene Rentenkürzungen, Mehrwertsteuererhöhungen und Zwangsversteigerungen weiter verschärft. Wieder werden die Reichen geschont, während die Konzerne von der erzwungenen Rechtlosigkeit der Beschäftigten und Gewerkschaften, die gegen zahlreiche Menschenrechts- und ILO-Konventionen verstößt, sogar noch profitieren. Statt die horrende Arbeitslosigkeit zu bekämpfen, verlangen die Gläubiger von Griechenland sogar weitere Massenentlassungen, was hoffentlich einmal als Ausdruck neoliberalen Wahnsinns in die Geschichtsbücher eingehen wird.
      Das angebliche “Rettungsprogramm” für Griechenland ist zum Scheitern verurteilt, das weiß der griechische Premier Alexis Tsipras so gut wie die Chefin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde, das weiß Kanzlerin Merkel so gut wie Finanzminister Schäuble. Letztere können es allerdings nicht zugeben, denn es wäre das Eingeständnis, dass ihre Politik krachend gescheitert ist und die zig Milliarden an Steuergeldern, mit denen sie seinerzeit die Banken herausgekauft haben, endgültig verloren sind.
      Quelle: Sahra Wagenknecht
    4. Stabilitätshilfe zugunsten Griechenlands – Antrag des Finanzministers
      Einholung eines zustimmenden Beschlusses des Deutschen Bundestages, der Hellenischen Republik Stabilitätshilfe in Form einer Finanzhilfefazilität zwischen der Hellenischen Republik und dem Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM)
      Quelle: Deutscher Bundestag

      Anmerkung WL: Diesen Antrag hat der Bundestagspräsident am 17. August per Mail zugesandt bekommen. Einmal angenommen Herr Lammert hat diesen Antrag sofort an alle Abgeordneten weiter geleitet.
      Können Sie glauben, dass ein beachtlicher Teil der Abgeordneten, die heute über diesen Antrag abstimmen werden, diesen Antrag lesen geschweige denn verstehen konnte?

    5. Wie Merkel den IWF für ihre Zwecke missbraucht
      Der Währungsfonds hat der Kanzlerin bisher immer den Job erleichtert. Bloß dieses Mal ziert sich IWF-Chefin Lagarde. Man kann sie verstehen.
      Angela Merkel hat am Sonntag einen hinterhältigen Satz gesagt. Der Internationale Währungsfonds (IWF), so erklärte die Kanzlerin, habe das jüngste Hilfspaket für Griechenland mit ausgehandelt und werde sich deshalb auch an der Finanzierung beteiligen. Und: “Ich habe keinen Zweifel daran, dass das, was Frau Lagarde gesagt hat, auch Realität wird.”
      Beim ersten Hinhören mag der Satz noch recht freundlich klingen, er ist es aber nicht. Vielmehr sichert sich Merkel damit für den Fall ab, dass es am Ende anders kommt. Dreht man ihre Aussage nämlich um, dann lautet sie: Gibt der Fonds wider Erwarten doch kein Geld mehr, dann war seine Chefin Christine Lagarde nicht stark genug, sich im eigenen Haus durchzusetzen. Oder sie hat ihr Wort gebrochen. So oder so: Der schwarze Peter läge bei ihr.
      Quelle: Claus Hulverscheidt in der Süddeutschen
  3. Flüchtlinge
    1. Das fatale Schweigen der Kanzlerin
      Das Prinzip Merkel stößt in der Flüchtlingsdebatte an seine Grenzen. Längst hätte die Kanzlerin Position beziehen müssen, doch sie wartet wieder mal ab. Politik und Bürger sind verunsichert. Sollen zusätzliche Balkanstaaten zu sicheren Herkunftsländern erklärt werden? Ist es richtig, Asylbewerber direkt nach ihrer Ankunft in Deutschland zu trennen – nach dem Motto “legitim oder nicht”? Man wüsste gerne, was Angela Merkel zu all diesen Fragen denkt, die im Moment diskutiert werden.
      Quelle: Spiegel Online
    2. Unzumutbarer Minister
      „Unantastbar“ ist das wichtigste Wort im ersten Artikel des Grundgesetzes — doch davon, dass da etwas nur angetastet wird, kann keine Rede mehr sein. Die Menschenwürde, die gleich am Anfang unserer Verfassung unter besonderem Schutz steht, wird mit Blick auf die Flüchtlinge vom Balkan begrapscht, missachtet und mit Füßen getreten. Und als besonders übergriffig hat sich der bayerische Innenminister Herrmann hervorgetan.
      Ausgerechnet den Innenminister, also den Hüter der Verfassung, muss man offensichtlich daran erinnern, dass Grundrechte in Deutschland nicht verhandelbar sind. Sie sind weder von der Kassenlage abhängig noch auf bestimmte Personengruppen beschränkt. Sie gelten für alle Menschen, die in Deutschland leben: Rentner, Pflegebedürftige, Arbeitslose und eben auch Asylbewerber.
      Quelle: Nürnberger Nachrichten
    3. Joachim Herrmann, “Taschengeld” für Flüchtlinge und Zumutungen für Steuerzahler
      Wieder einmal versucht eine “christliche” Partei, die wohl nicht unbeträchtlichen ressentimentgeneigten Teile der eigenen Wählerschaft einzufangen. Ganz vorne an der Populismus-Front: Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Das geringe “Taschengeld” für Flüchtlinge von 143 Euro pro Monat hält er für eine “Zumutung für den Steuerzahler”. Was aber, wenn man diese angebliche “Zumutung” echten Zumutungen für den Steuerzahler gegenüberstellt?
      Quelle: Patrick Schreiner auf annotazioni
  4. Staatsterrorismus
    Vorwiegend nachts Wohnviertel beschießen und für Hunger sorgen. Zur Kriegführung Kiews im Donbass
    An diesem Wochenende haben die Behörden der international nicht anerkannten »Volksrepublik Donezk« eine Bilanz der Opfer des Krieges seit Jahresbeginn veröffentlicht. Sie kamen auf 1.287 Tote und etwa 1.100 Verletzte. Da unter den Toten 1.088 Männer gewesen sein sollen, ist zu vermuten, dass auch Kämpfer der Volksmilizen mitgezählt wurden. Geht man aber davon aus, dass 200 Todesopfer Frauen waren, dann sind wahrscheinlich um die 400 der Opfer gleichwohl Zivilisten, viele davon Kinder. Nach Angaben der Donezker Behörden geht die Zahl der Toten und Verletzten in letzter Zeit zurück, obwohl die Intensität des ukrainischen Beschusses zunehme. Das liege daran, dass die Schutzräume in den Häusern ausgebaut worden seien und die Bewohner inzwischen besser als zu Beginn des Krieges wüssten, wie sie sich im Fall eines Angriffs verhalten müssten.
    Die Sachschäden, die der ukrainische Beschuss verursacht, sind nach wie vor erheblich. Fast in jedem ihrer alle zwei Tage veröffentlichten Rechenschaftsberichte schreibt die OSZE-Beobachtungsmission davon, dass sie irgendwo eine kurze Waffenruhe zur Reparatur von Wasserleitungen oder Trafostationen vermittele. Nicht selten erwischt es dieselbe Anlage in der Nacht darauf von neuem. Die Strategie der Kiewer Streitkräfte gegenüber den Volksrepubliken setzt offenkundig darauf, den Donbass unbewohnbar zu machen. Womöglich ist dies übrigens der Grund, warum die ukrainische Führung sich beharrlich weigert, die Auseinandersetzung im Osten des Landes als Krieg zu definieren, sondern von einer »Antiterroroperation« schwafelt. Der Krieg ist nämlich völkerrechtlich geregelt, was Kiew unangenehmen Nachfragen aussetzen könnte; bei der »Terrorbekämpfung« ist dagegen alles erlaubt, auch Staatsterrorismus.
    Quelle: Junge Welt

    dazu: Latest from OSCE Special Monitoring Mission
    Quelle: OSZE-Beobachtungsmission

  5. Rot-rot-grüne Kritik am »Zuchtmeister Europas«
    Papier von Bundestagsabgeordneten für Kurswechsel in der Krisenpolitik: Griechenland darf nicht »Schuldenkolonie« bleiben / Wagenknecht für »echten Schuldenschnitt« / DIW-Chef für wachstumsabhängige Senkung
    In einem gemeinsamen Papier haben rot-rot-grüne Bundestagsabgeordnete eine deutliche Kursänderung in der Krisenpolitik gefordert. Kurzfristige müsse »eine wirkliche Lösung« für Griechenland auf drei Bausteinen basieren, heißt es in einem »Denkanstoß« von Lisa Paus (Grüne), Marco Bülow (SPD) und Axel Troost (Linkspartei): »Erstens eine verbindliche Vereinbarung über längere Stundungs- und Rückzahlungszeiträume für laufende und neue Kredite. Zweitens sollten auf der Basis einer solchen Regelung auch die griechischen Kreditverpflichtungen gegenüber IWF und EZB durch den ESM übernommen werden. Drittens müsste der später zu leistende Zinsdienst abhängig von der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Landes gemacht werden.«..
    Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher, forderte eine wachstumsabhängige Senkung der griechischen Schuldenlast. Eine ähnliche Forderung hatte auch schon früher der ehemalige Finanzminister Griechenlands, Yanis Varoufakis, formuliert.
    Quelle: Vincent Körner im Neuen Deutschland
  6. Deutschland ramponiert sein Image
    Nach dem Sommermärchen von 2006, nach dem sich die Deutschen freuten, nun endlich als modern und weltoffen zu gelten, folgten weitere Streichelheiten für das kollektive Ego der einst verhassten Nation – bis hin zu einer internationalen BBC-Umfrage, in der Deutschland zum beliebtesten Land überhaupt gekürt wurde. Die Stimmung drehte sich zuerst in Europa mit der Finanzkrise, und schließlich wurde in aller Herren Länder besorgt über die Dresdner „Pegida“-Massendemonstrationen gegen Islam und Asylbewerber berichtet. Ein neuer Tiefpunkt ist mit den Schlagzeilen über brennende Flüchtlingsheime erreicht.
    Eine Auswahl von Pressestimmen der letzten Wochen…
    Quelle: Steven Geyer in der FR

    Anmerkung WL: Das Bild von den Deutschen im Ausland wird immer negativer. In unsere Medien ist Deutschland nach wie vor der Musterknabe

  7. TTIP und die europäische Selbstentmächtigung
    Eine Europäische Union! Das war nach der Selbstzerfleischung in zwei Kriegen einmal eine schöne Idee! Ein Europa der Völker. Ein Europa der Demokratien. Ein Europa der Bürger. – Spätestens mit dem Vertrag von Maastricht 1992, allerspätestens aber mit der Einführung des Euro 1999 wurde diese Idee zur Illusion.
    Statt die Nationen sozial, politisch und kulturell zusammen zu führen, statt übernationale europäische Institutionen zu demokratisieren, schufen die Regierenden und die von ihnen gehätschelten Lobbyisten ein Europa der Banken und der Wirtschaftsförderung. Die große Idee von der Überwindung der Nationalstaaten und der demokratischen Erneuerung wurde Schritt für Schritt zu einem durch eine demokratieferne Brüsseler Bürokratie gesteuerten Projekt der großen Konzerne und des Finanzkapitals. Der letzte Beweis dafür ist die Brutalität, mit der die EU das unbotmäßige Griechenland ganz im Sinne der Banken abstraft und in die Knie zwingt – während sich diese Banken immer noch an den exorbitanten Zinsen für griechische Staatsanleihen freuen.
    Dass es sich auch bei den Verhandlungen um das sogenannte Freihandelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA um ein Projekt handelt, bei dem es keineswegs um das Wohl der Bürger geht, sondern ausschließlich um die Profite internationaler Konzerne, ist inzwischen kein Geheimnis mehr. Zwar gaukeln die europäischen Verhandlungsführer der Öffentlichkeit immer noch vor, es ginge bei TTIP um das Wohl der Bürger und darum, Arbeitsplätze und Wohlstand für alle zu schaffen – und das, indem man einfach nur ein paar lästige Handelsschranken beseitige. Doch straften sie diese Behauptung allein dadurch Lügen, dass sie nicht bloß die Verhandlungen, sondern auch das Verhandlungsmandat, also das, worüber überhaupt verhandelt wird, von vornherein streng geheim hielten – und halten. Also offenkundig etwas zu verbergen haben.
    Quelle: Peter Meisenberg in wdr 3

    dazu auch: TTIP und die europäische Selbstentmächtigung
    Eine Europäische Union! Das war nach der Selbstzerfleischung in zwei Kriegen einmal eine schöne Idee! Ein Europa der Völker. Ein Europa der Demokratien. Ein Europa der Bürger. – Spätestens mit dem Vertrag von Maastricht 1992, allerspätestens aber mit der Einführung des Euro 1999 wurde diese Idee zur Illusion.
    Statt die Nationen sozial, politisch und kulturell zusammen zu führen, statt übernationale europäische Institutionen zu demokratisieren, schufen die Regierenden und die von ihnen gehätschelten Lobbyisten ein Europa der Banken und der Wirtschaftsförderung. Die große Idee von der Überwindung der Nationalstaaten und der demokratischen Erneuerung wurde Schritt für Schritt zu einem durch eine demokratieferne Brüsseler Bürokratie gesteuerten Projekt der großen Konzerne und des Finanzkapitals. Der letzte Beweis dafür ist die Brutalität, mit der die EU das unbotmäßige Griechenland ganz im Sinne der Banken abstraft und in die Knie zwingt – während sich diese Banken immer noch an den exorbitanten Zinsen für griechische Staatsanleihen freuen.
    Dass es sich auch bei den Verhandlungen um das sogenannte Freihandelsabkommen TTIP zwischen der EU und den USA um ein Projekt handelt, bei dem es keineswegs um das Wohl der Bürger geht, sondern ausschließlich um die Profite internationaler Konzerne, ist inzwischen kein Geheimnis mehr. Zwar gaukeln die europäischen Verhandlungsführer der Öffentlichkeit immer noch vor, es ginge bei TTIP um das Wohl der Bürger und darum, Arbeitsplätze und Wohlstand für alle zu schaffen – und das, indem man einfach nur ein paar lästige Handelsschranken beseitige. Doch straften sie diese Behauptung allein dadurch Lügen, dass sie nicht bloß die Verhandlungen, sondern auch das Verhandlungsmandat, also das, worüber überhaupt verhandelt wird, von vornherein streng geheim hielten – und halten. Also offenkundig etwas zu verbergen haben.
    Quelle: WDR3

  8. Steuer-Geschenke für Quandt und Co.
    Die Nachkommen der verstorbenen Milliardärin werden die Steuer auf ihr Erbe gut verkraften – der Politik sei Dank.
    Dem prominenten Geschwisterpaar, dessen Vermögen mehr als 30 Milliarden Euro beträgt, gehört nunmehr fast die Hälfte von BMW, was exorbitante Dividendenzahlungen mit sich bringt (im Frühjahr 2015 für das vorangegangene Geschäftsjahr: 815 Millionen Euro), aber auch mehr oder weniger große Anteile einer Vielzahl anderer Konzerne und Banken.
    In nennenswertem Ausmaß zur Erbschaftssteuer herangezogen werden die Geschwister wohl nicht, denn seit 2009 gelten Steuerprivilegien für Firmenerben, die das Bundesverfassungsgericht am 17. Dezember 2014 zwar teilweise für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt, aber nicht aufgehoben hat….
    Aber selbst dann, wenn sich Stefan Quandt und Susanne Klatten bereits der neu eingeführten Verschonungsbedarfsprüfung unterziehen müssten, würde sie die betriebliche Erbschaftssteuer nicht ruinieren. Würden sie ihre Besitzverhältnisse nicht offenlegen, müssten sie nach siebenjähriger Fortführung der ihnen von Johanna Quandt vererbten Firmen und Einhaltung der Lohnsummenregel im Rahmen der sogenannten Optionsverschonung höchstens 19,5 Prozent Erbschaftssteuer entrichten.
    Und das bei einem ihnen völlig leistungslos zufallenden Großvermögen, wohingegen der Gesetzgeber selbst durchschnittlich verdienenden Arbeitnehmern einen höheren Steuersatz bei der Einkommenssteuer zumutet. Auf diese Weise sorgen CDU, CSU und SPD dafür, dass sich der Reichtum in Deutschland künftig noch ungleicher verteilt als bisher.
    Quelle: Christoph Butterwegge in der FR
  9. Rohstoffcrash nährt Ängste um kranke Weltwirtschaft
    Diesel-Fahrer freuen sich schon seit Wochen. Und nun greift diese Freude auch auf Besitzer von Autos mit Benzinmotor über. Denn die Preise sinken auf breiter Front. Benzin kostet im Schnitt derzeit wieder weniger als 1,40 Euro je Liter, Diesel sogar unter 1,15 Euro.
    Dieser Abwärtstrend dürfte sogar noch eine ganze Weile anhalten, und nicht nur bei den Energiepreisen. Denn der gesamte Rohstoffkomplex befindet sich im freien Fall. Doch was bei Autofahrern für Erleichterung sorgt, hat besorgniserregende Ursachen. Die Preise sinken, weil die globale Wirtschaft wieder auf Krisenmodus schaltet. Vor allem deutsche Firmen und deutsche Arbeitnehmer werden das zu spüren bekommen. […]
    “Das ist einfach das Spiel von Angebot und Nachfrage”, sagt Erik Nielsen, Chefvolkswirt der Unicredit. Denn das Angebot auf dem Ölmarkt steigt seit Jahren stetig. Zunächst durch das Fracking, das in den USA zu einem neuen Ölboom geführt hat. Und neuerdings auch durch den Atomvertrag mit dem Iran, der zur Folge hat, dass die Sanktionen gegen das Land nach und nach aufgehoben werden.
    Die Weltbank hat erst vor wenigen Tagen in einer Szenarioanalyse ausgerechnet, dass allein dadurch der Ölpreis im kommenden Jahr im Schnitt um zehn Dollar niedriger liegen wird als bisher erwartet.
    Gleichzeitig jedoch stagniert die Nachfrage, trotz eines passablen globalen Wirtschaftswachstums. Die Dynamik ist jedoch anders verteilt als früher. “Das Wachstum verschiebt sich, hin zu den energieeffizienten OECD-Staaten und weg von den relativ ineffizienten Schwellenländern”, sagt Nielsen. “Ich wäre daher nicht überrascht, wenn der Preis für Brent-Öl unter 40 Dollar je Barrel fällt.”
    Quelle: Welt

    Anmerkung AT: Wieder ein typisches Beispiel für die beliebige Konstruktion von Begründungen, um zu erklären, was mit dem Ölpreis an den Märkten passiert. Irgend ein Chefvolkswirt wird schon was Passendes dazu sagen. Dabei hat das Auf und Ab der Kurse wenig mit Angebot und Nachfrage, dem Wirtschaftswachstum oder neuerdings mit dem Atomvertrag zu tun, sondern vielmehr mit einer Investorenherde und deren Erwartungshaltung, die mal in die eine und mal in die andere Richtung ausschlagen kann.

  10. Labor der Ausbeutung
    Jeff Bezos ist ein Mensch, der gerne experimentiert. Nicht nur mit einem Paketversand per Drohne, sondern auch mit der Frage, wie weit man Mitarbeiter treiben kann. Der Chef des Versandriesen Amazon wollte sein Unternehmen einst “Relentless.com” nennen, “gnadenlos”. Statt Klimaanlagen leistete sich Amazon früher in den überhitzten Versandzentren lieber Rettungswagen, die kollabierte Arbeiter abtransportierten, das war billiger.
    Um schwächelnde Büroangestellte in der Unternehmenszentrale in Seattle loszuwerden, behilft sich Bezos mit dem, was Amazon am besten kann: mit Datenauswertung. Daten sagen, welcher Manager am wenigsten verkauft, die meisten Kundenbeschwerden verursacht oder Nachschub zu spät bestellt. Sie sagen, wer zu früh nach Hause geht, zu oft krank ist oder im Urlaub spät auf E-Mails antwortet. Um noch mehr Daten zu sammeln, fordert Amazon Mitarbeiter auf, ihre Kollegen anzuschwärzen, falls ihnen Schwächen auffallen. Daten sind gnadenlos. Und Menschen, die um ihren Job fürchten, wenn jemand besser ist als sie, sind es auch.
    Quelle: Süddeutsche
  11. EU-Kommission gibt Bericht zu Glyphosat nur an Monsanto heraus
    Die EU-Kommission hat der Nichtregierungsorganisation Testbiotech e.V. zufolge die Herausgabe eines Berichts des Bundesinstituts für Risikobebewertung (BfR) zum Pflanzenschutzmittel Glyphosat verweigert. Gleichzeitig hatten Monsanto und andere Hersteller von Glyphosat Zugang zu ihm. Der Bericht spielt eine wichtige Rolle in der laufenden EU-Debatte um die Wiederzulassung des Pflanzenschutzmittels. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hatte es kürzlich als „wahrscheinlich krebserregend“ eingestuft. Das Bundesinstitut für Risikobewertung hingegen hat das Mittel bereits 2014 für unbedenklich erklärt und die Wiederzulassung empfohlen.
    Quelle: Lobby Control

    dazu: EU-Kommission gewährt Informationszugang nach Gutsherrenart
    Anfragen auf Informationszugang werden nicht fristgerecht und unvollständig beantwortet. Außerdem verbessert die Kommission ihr Dokumenten-Register nicht, damit Anfragen gezielter gestellt werden können.
    Administrative Unterlagen der Kommission und des Rats sind bis heute trotz Drängens des EU-Parlaments nicht öffentlich zugänglich. Technisch möglich wäre dies, da die Kommission für diese ein Register in der ARES-Datenbank führt, die alle Dokumente enthält. Wichtig wäre das etwa, um Lobby-Aktivitäten nachzuvollziehen oder Korruptionsprozessen in der Verwaltung vorzubeugen.
    Quelle: Heise News

  12. Das Internet, das wir bewahren müssen
    Das Netz, das ich liebte und für das ich jahrelang in einem iranischen Gefängnis saß, war divers, dezentral und voller Debatten. Heute ist alles flach und selbstbezogen. […]
    Die Stimmen, die wir täglich in vielen Apps abgeben  – die Likes, die Plus, die Sternchen, und die Herzen  – haben mehr mit der Süße des Profilbilds zu tun oder dem Grad der Prominenz des Autors, als mit dem eigentlichen Inhalt. Ein brillanter Absatz einer gewöhnlich aussehenden Person schafft es nicht in den Stream, während das dumme Gelaber eines Promis sofortige Internetpräsenz erhält.
    Die Algorithmen hinter dem Stream verwechseln nicht nur Neuheit und Popularität mit Relevanz. Sie zeigen uns auch immer mehr dessen, was uns jetzt schon gefällt. Diese Dienste erfassen unser Verhalten und passen unsere Newsfeeds, die Meldungen, Bilder und Videos ganz präzise an das an, was wir ihrer Ansicht nach mit größter Wahrscheinlichkeit sehen wollen. […]
    Doch die unheimlichste Folge dieser Informationszentralisierung in Zeiten sozialer Netzwerke ist eine andere: Sie macht uns alle machtloser im Verhältnis zu Regierungen und Unternehmen. […]
    Der Stream, mobile Apps und Bewegtbild, all das zeigt, dass wir uns von einem Bücherinternet hin zu einem Fernsehinternet bewegen. Wir scheinen uns von einer nicht-linearen Art der Kommunikation – Knoten, Netzwerke und Links – hin zu einer linearen mit Zentralisierung und Hierarchien bewegt zu haben.
    Das Netz wurde nicht ls Form des Fernsehens konzipiert. Aber ob wir es mögen oder nicht, es ähnelt ihm immer mehr: linear, passiv, programmatisch durchgeplant und selbstbezogen.
    Quelle: Hossein Derakhshan auf ZEIT.de
  13. Syrien – Der gelenkte Zerfall
    Was längst im Gange ist, erklären einflussreiche US-Experten jetzt zur Strategie: die Zerstückelung von Syrien. Das ist fatal. Doch wo bleibt der Aufschrei?
    Das Bürgerkriegsland Syrien wird in seine Bestandteile zerlegt, zerstört, zerschreddert. Es scheint niemanden zu kümmern, es gibt keine UN-Dringlichkeitssitzungen, keine Nato-Sondergipfel, keinen weltweiten Aufschrei.
    Vor gut einem Monat hat die Brookings-Institution, einer der einflussreichsten Thinktanks der USA, ein Papier vorgelegt. Es stellt die wilde These auf, dass genau dies, also die Zerstörung des Landes, die einzig geeignete Strategie zur Lösung des syrischen Problems sei.
    Außerdem zeichnet sich in Grundzügen schon längst das ab, was das Papier „Deconstructing Syria: A new strategy for America’s most hopeless war“ empfiehlt. Der Zerfall Syriens ist bereits in vollem Gange – manchmal ohne Zutun der USA, mehrheitlich jedoch direkt von Washington orchestriert. Manchmal sind die von Washington erwählten Akteure am Zuge, meistens aber die falschen.
    So haben sich die syrischen Kurden ihren Teil des Landes gesichert und dort staatsähnliche Strukturen aufgebaut. In einem Drittel des Landes herrscht der Islamische Staat, im Rest kämpft die syrische Armee von Präsident Assad gegen Rebellen und Islamisten. Im Norden will die Türkei eine Sicherheitszone auf syrischem Gebiet einrichten. Das soll Teil einer Vereinbarung sein, die den Amerikanern die Nutzung von Militärflugplätzen für Angriffe gegen den IS erlaubt. Washington bestreitet das, aber die Basen werden bereits genutzt.
    All das ist darauf angelegt, die Kämpfe anzuheizen, und verschlimmert die Lage der Menschen in Syrien noch.
    Der syrische Bürgerkrieg und das Wüten der Dschihadisten, ob als IS oder unter anderem Namen, wird noch Dekaden so weitergehen. Vielleicht endet der Krieg erst, wenn alle Nichtkämpfer aus dem Land geflüchtet sind.
    Quelle: FR Online

    passend dazu: Naher Osten – “Wir machen uns unsere Feinde selbst”
    Al Kaida, Taliban, Islamischer Staat: Der Erfolg der einflussreichsten Terrorgruppen der vergangenen zehn Jahre ist unter anderem das Ergebnis einer falschen Politik des Westens, meint der Politikwissenschaftler Michael Lüders. Westlich Akteure hätten im Nahen Osten nichts aus ihren Fehlern gelernt, sagte Lüders im DLF.
    Quelle: Monika Dittrich im DLF

    und: Wer den Wind sät… Was westliche Politik im Orient anrichtet/Michael Lüders
    Quelle: SWR Tele-Akademie

  14. Schäuble äußert Zweifel an Kohls anonymen Spendern
    Hinweis auf schwarze Kassen aus Zeit der Flick-Affäre
    Der Bundesfinanzminister und frühere CDU-Chef Wolfgang Schäuble hat Zweifel an der hartnäckigen Darstellung von Altkanzler Helmut Kohl (CDU) geäußert, Geld von anonymen Spendern erhalten zu haben. Wie der Sender SWR am Dienstag mitteilte, antwortete Schäuble auf die Frage des Dokumentarfilmers Stephan Lamby nach den Spendern: »Es gibt keine. Es gab aus der Zeit von Flick schwarze Kassen.« Kohl hat sein Schweigen über die angeblichen Spender seit 1999 damit begründet, er habe diesen sein Ehrenwort gegeben, ihre Namen nicht zu nennen.
    Quelle: ND

    dazu: Muss der Kohl-Spendenskandal neu geschrieben werden?
    Ein Fernsehfilm über Wolfgang Schäuble enthält eine heikle Interview-Passage. Darin gibt der CDU-Politiker eine erstaunliche Antwort auf eine Frage zur Spendenaffäre um Helmut Kohl. […]
    Nur 15 Sekunden dauert eine einschlägige Interview-Passage im Film. Aber diese 15 Sekunden haben es in sich. Sie könnten womöglich dazu führen, dass die ganze Wahnwitz-Geschichte neu geschrieben werden muss. Schäuble wird von Lamby gefragt, wer denn die Millionen-Spender von Kohl waren, die dieser mit seinem angeblichen Ehrenwort gedeckt und bis heute nicht benannt hat. Schäuble sagt darauf trocken und knapp, was er früher einmal nur vage angedeutet hatte: “Es gibt keine Spender.”
    Wenn das so war: Warum hat Kohl dann ein Strafverfahren auf sich genommen und die CDU an den Abgrund geführt? Der Interviewer fragt irritiert nach. Schäuble darauf: Aus der Zeit von Flick habe es eben schwarze Kassen gegeben. Die Frage lautet: Inwieweit wäre das im Jahr 2000 noch strafbar gewesen?
    Quelle: Heribert Prantl in der Süddeutschen

    Anmerkung WL: Die späte Rache Schäubles an Kohl.

  15. Siggis schwarze Socke
    Ein Ex-Christdemokrat soll Sigmar Gabriel wieder in die Erfolgsspur bringen. Thomas Hüser wurde ausgerechnet von Bodo Hombach empfohlen. (…)
    Mit Blick auf seine Beratertätigkeit ist Hüser im Mai aus der CDU ausgetreten, „der guten Ordnung halber“. Inhaltliche Gründe für seinen Austritt sind nicht bekannt. Der SPD empfiehlt er Altbekanntes: Sie müsse „die gelähmte Mitte aktivieren“. Die Sozialdemokraten sollten „neuen Sinn stiften, die Zukunft anpacken, neue Visionen für Deutschlands Zukunft entwickeln“, heißt es in seinem am Montag veröffentlichten Gastkommentar in der Welt. Konkret schlägt er Steuersenkungen vor. Selbstverständlich hält Hüser nichts von Rot-Rot-Grün, der zurzeit einzig denkbaren Alternative zur Großen Koalition.
    Warum holt sich Gabriel ausgerechnet einen konservativen Phrasendrescher? Dafür gibt es nur eine logische Erklärung: Die Personalie deutet darauf hin, dass er jegliche Hoffnung auf einen Regierungswechsel nach der Bundestagswahl 2017 aufgegeben und sich mit der Rolle des Juniorpartners arrangiert hat.
    Quelle: Pascal Beucker in der taz
  16. Die zwei Fassadenbauer der CDU
    Tauber und Spahn wollen das städtische Bürgertum für die CDU zurückgewinnen. Einerseits mit bemerkenswert mehr Basisnähe, andererseits mit dem trügerischen Schein von mehr Toleranz. Peter Tauber und Jens Spahn: Das sind die zwei Herren in der CDU, bei denen man immer denkt, sie würden gleich das Exposé für eine hippe Eigentumswohnung aus der Tasche ziehen. Aber das stimmt nicht. Sie haben so etwas Altmodisches wie eine Kommission geleitet, und heraus kam eine CDU, die durch die fast modellgleichen Loftbewohner-Brillen von Tauber und Spahn wahrscheinlich genauso modern aussieht wie sie selbst. […]
    Aber niemand sollte sich von einer Fassadenrenovierung täuschen lassen: Gerade Tauber und Spahn stehen für eine ganz spezielle Form der „Modernität“. Die Aura gesellschaftspolitischer Toleranz verbinden sie mit einem harten konservativen Kern. Unter Zuwanderern zum Beispiel schätzt Jens Spahn, wie er jetzt in einem Interview sagte, besonders diejenigen mit „Werten“ (welchen auch immer) und „unternehmerischer Selbstständigkeit“. Zugleich singt er das Lied der vagabundierenden Rassisten von „all den Denk- und Sprechverboten“, die angeblich in Deutschland herrschen. „Wer mit der Burka ein Problem hat, ist nicht gleich islamophob“ – als hätte das jemand behauptet.
    Eines gilt nach wie vor: Eine Partei wird noch lange nicht modern, indem sie Unsinn auch digital verbreitet.
    Quelle: Stephan Hebel in der FR
  17. Pharma-nahe Forschung: Uni Köln und Bayer dürfen Vertrag geheim halten
    Wie private Geldgeber die Forschung an deutschen Unis beeinflussen, ist undurchsichtig – und wird es wohl auch bleiben. Ein Gericht entschied: Die Uni Köln darf ihren Geheimvertrag mit dem Pharmariesen Bayer weiter unter Verschluss halten…
    “Wir müssen verhindern, dass die Forschung an Universitäten ausschließlich den Interessen großer Unternehmen dient”, sagt Philipp Mimkes, der selbst einst an der Uni Köln Physik studiert hatte. “Schon jetzt verschwinden bei industriefinanzierten Studien negative Ergebnisse oft in der Schublade.”
    Diesen Verdacht hat er auch in Köln. Doch überprüfen kann er seine Vermutung nicht, denn Uni und Pharmaunternehmen verweigern ihm seit Jahren den Einblick in den Vertrag.
    Und die Abmachung darf auch weiter geheim bleiben, entschied das Oberverwaltungsgericht Münster am Dienstag in zweiter Instanz (Aktenzeichen: 15 A 97/13). Mimkes hatte sich auf das nordrhein-westfälische Informationsfreiheitsgesetz berufen, das öffentliche Einrichtungen zur Herausgabe von Informationen verpflichtet. Vergeblich: Die Hochschule verwies auf eine Ausnahmeregelung für Forschungseinrichtungen…
    Quelle: Armin Himmelrath auf Spiegel Online Unispiegel

    Anmerkung WL: So effektiv ist also die Transparenzregel im neuen NRW-Hochschul-Zukunftsgesetzes, im Ergebnis ist dieser Paragraf eine Geheimhaltungsklausel.
    Meine frühere These wurde nun auch gerichtlich bestätigt.
    Siehe dazu auch „Drittmittel korrumpieren mehr und mehr die Idee der Universität

  18. Wissenschaftliche Mitarbeiter: Nach zwölf Jahren kommt das Nichts
    Erst Ausbeutung, dann Arbeitslosigkeit: Eric Linhart, 39, war zwölf Jahre lang befristet angestellt. Dann ging es für den Juniorprof plötzlich nicht mehr weiter. Wie Tausende ist er Opfer einer unsinnigen Politik geworden. […]
    Der Grund für Linharts Situation ist, dass er insgesamt schon zwölf Jahre lang befristet an Hochschulen angestellt war – erst als Doktorand und wissenschaftlicher Mitarbeiter, dann als Juniorprofessor. Jetzt darf er nicht mehr verlängern, das verbietet das “Wissenschaftszeitvertragsgesetz”. Linhart bleibt eigentlich nur noch eine Möglichkeit: eine dauerhafte Anstellung. Und das sind fast ausschließlich “richtige” Professuren, die extrem begehrt sind. Auf eine Ausschreibung kommen etwa 20 qualifizierte Bewerber. Wie viele Versuche er schon unternommen hat, eine der Stellen zu bekommen, möchte Linhart nicht sagen: Er fürchtet, es könnte seinem Ruf schaden.
    Linharts Fall zeigt, wie das deutsche Wissenschaftssystem den Forschernachwuchs ausbeutet und verprellt. 168.000 wissenschaftliche Mitarbeiter sind an deutschen Hochschulen beschäftigt, sie machen den sogenannten Mittelbau aus. Diese Männer und Frauen schreiben Anträge, geben Seminare und halten Vorlesungen. Sie betreuen Abschlussarbeiten, forschen und arbeiten in Drittmittelprojekten. Ohne sie liefe nur wenig an den Unis, doch eine feste Perspektive haben die “Postdocs” oft nicht.
    Neun von zehn sind befristet angestellt, bei der Hälfte läuft der Vertrag nur ein Jahr oder kürzer. Eine planbare Karriere? Unmöglich. Der Berufsweg gleicht oft Wanderjahren; von Vertrag zu Vertrag, von Universität zu Universität, manchmal von Bundesland zu Bundesland. Und das alles fällt meist genau in eine Phase, in der viele Menschen über Heirat, Kinder und eine Eigentumswohnung nachdenken.
    Quelle: UniSpiegel

    Anmerkung AT: Linhart hat vor rund einem Jahr in der Zeit ebenfalls auf seine Situation aufmerksam gemacht und dabei einen wichtigen Punkt angesprochen, der das Dilemma des Wissenschaftsbetriebes und der darin Beschäftigten ganz gut beschreibt.

    „Vielleicht bin ich da naiv rangegangen. Ich dachte mir: Wenn ich meine Arbeit ausreichend gut erledige, dann wird das schon klappen. Aber so einfach ist es nicht. Ich habe den Lehrpreis der Fakultät bekommen, ich habe eine knappe halbe Million Euro an Drittmitteln eingeworben, ich habe über 20 Artikel in Fachzeitschriften publiziert. Was soll ich denn noch tun?“

    Das klingt so, als betriebe nur derjenige eine gute Wissenschaft, der viel Drittmittel einwirbt, viel publiziert und einen Preis gewinnt. Das soll nicht heißen, dass die Betroffenen schlechte Forschungsarbeit leisten. Sie sind aber dazu verdonnert, permanent etwas abzuliefern. Denn offenbar ist die Quantität ein wichtiger Maßstab. Ein Immanuel Kant, der nach seiner Berufung an die Königsberger Universität rund zehn Jahre lang nichts publizierte, sondern nachdachte und an der „Kritik der reinen Vernunft“ arbeitete, wäre heutzutage wohl schon längst gefeuert worden.

  19. Den Winter in den Knochen
    Der »Friedenswinter« ist beendet, doch der harte Konflikt wirkt nach in der Bewegung
    Der Konflikt um die Mahnwachen hat der Friedensbewegung geschadet. Und schon kündigen sich neue Kontroversen um eine geplante Aktion gegen die US Airbase Ramstein an.
    Weder die Russlandfrage noch Afghanistanausstieg oder Nahostkonflikt haben die Friedensbewegung derart tief gespalten wie die Montagsmahnwachen, die an den Aktionen unter dem Titel »Friedenswinter« beteiligt waren. Im Kern fanden dabei zwischen Dezember und Mai zwei Demonstrationen in Berlin statt, mit jeweils rund 4000 Teilnehmern, parallel dazu besuchten sich Vertreter der beiden Spektren bei ihren Aktivitäten. Begleitet waren diese sechs Monate von heftigen internen Angriffen und vernichtender Medienresonanz. Der Friedenswinter ist beendet, doch die Auseinandersetzung wirkt nach. Politische Freundschaften sind zerbrochen, neue Mobilisierungen gegen Kriegspolitik haben mit Misstrauen zu kämpfen…
    Quelle: Ines Wallrodt im ND
  20. Zu guter Letzt: Abschreckungsvideo und Taschengeldkürzungen

    Quelle: Stuttmann Karikaturen