Hausgemachte Wohnungsnot – wo der Markt versagt, muss der Staat eingreifen!

Jens Berger
Ein Artikel von:

Die Wohnungssituation im Land ist ein gutes Beispiel dafür, dass die unsichtbare Hand des Marktes keine hinreichenden Antworten auf elementare Fragen gibt. Während in den boomenden Metropolregionen bezahlbarer Wohnraum ein äußerst knappes Gut ist, regiert in der Fläche ein bedrohlicher Leerstand. Die Flüchtlingssituation droht dieses Missverhältnis noch zusätzlich zu steigern. Dabei ist die Lage keinesfalls hoffnungslos. Die politisch gewollte Misere des Sozialen Wohnungsbaus ist bekannt und der Staat könnte hier ohne Probleme gegensteuern … dumm nur, dass die Politik dies gar nicht will, sondern wieder einmal marktkonforme Lösungen für Probleme sucht, die der Markt nun einmal nicht lösen kann. Von Jens Berger.

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Als bekennendes „Landei“ muss ich immer wieder schlucken, wenn ich mitbekomme, welche Mieten und Immobilienpreise in den begehrten Metropolregionen verlangt und auch bezahlt werden. Dabei finden sich vor allem in den strukturschwachen Regionen doch zuhauf wirklich gute Wohnangebote zu einem mehr als erschwinglichen Preis. Nur was nutzt die preiswerteste und schönste Wohnung, wenn es in der Umgebung keine adäquaten Jobs gibt? Die teils groteske Verzerrung zwischen dem ländlichen und städtischen Wohnungsmarkt ist vor allem eine Folge des Strukturwandels. Mit der Globalisierung, dem technischen Fortschritt und der Konzentration im wirtschaftlichen Bereich verschwanden und verschwinden nun einmal viele Jobs in der Fläche und neue entstehen in den Metropolen. Die Fläche schrumpft, die Metropolregionen wachsen. Wenn wir über Migration sprechen, dann geht es keinesfalls nur um die grenzübergreifende Migration. Hauptverantwortlich für die Schieflage am deutschen Wohnungsmarkt ist vielmehr die andauernde Binnenmigration, die vor allem die jüngere Generation betrifft.

Der Markt „löst“ dieses Problem auf seine Weise, ganz simpel über Angebot und Nachfrage. Dort wo die Nachfrage größer ist als das Angebot steigen die Mieten, auf dem Land fallen sie teils ins Bodenlose. Ökonomen sprechen hier von einer Allokation der Güter über Marktmechanismen, die am Ende einzig und allein über die persönliche Kaufkraft und Zahlungsbereitschaft ausgefochten wird. Da nun einmal mehr Menschen in Berlin Kreuzberg, München Giesing oder im Hamburger Schanzenviertel wohnen wollen, als es dort Wohnraum gibt, erhält im freien Wohnungsmarkt der finanziell potenteste Mietinteressent den Zuschlag. Und dabei geht es natürlich nicht nur um „coole“ Viertel, in die es die „Hipster“ zieht. Meist geht es schlicht und einfach darum, eine Wohnung zu finden, die nicht all zu weit vom Arbeitsplatz entfernt ist. Und da es die Unternehmen nun einmal mehr und mehr in die Metropolregionen zieht, zieht es die Menschen auch direkt oder indirekt in die Städte und die Mieten explodieren. Im anderen Extrem können viele Vermieter in strukturschwachen Regionen noch nicht einmal eine Miete realisieren, die ausreicht, um die für den Erhalt nötigen Investitionen vorzunehmen. Auf der einen Seite wird gentrifiziert, auf der anderen Seite veröden und verfallen Städte und dörfliche Strukturen. So funktionieren nun einmal Märkte und auch der Wohnungsmarkt zählt dazu.

Einen leicht abfedernden Faktor hatte bislang die eher mäßige demographische Entwicklung. Durch die aktuellen Flüchtlingszahlen ist dieses Korrektiv jedoch weggefallen. Um die Erstunterbringung von Flüchtlingen ist dabei bereits eine – vor allem in den Regionen – lebhafte Debatte entstanden, die jedoch nicht sonderlich zielführend ist. Natürlich ist es ungemein wichtig, dass die Kommunen quantitativ und qualitativ ausreichend Raum für Erstunterbringungen zur Verfügung stellen. Der Winter steht vor der Tür und Zeltstädte sind auch zu warmen Jahreszeiten einfach keine menschenwürdige Unterbringung. Struktur- und wohnungspolitisch ist diese konkrete Frage jedoch zweitrangig. Die Erstunterkünfte sind, wie der Name ja schon sagt, schließlich keine Dauerwohnplätze. Sind die Flüchtlinge nämlich erst einmal anerkannt, haben sie natürlich die freie Wahl, wo sie leben möchten. Und da der Wohnort nun einmal in der Regel unmittelbar auch örtlich an den Arbeitsplatz gekoppelt ist, ist zu erwarten, dass es einen großen Teil unserer neuen Mitbürger in die strukturstarken Regionen zieht, in denen sie Arbeit finden. Der Leerstand in der Fläche wird dadurch kaum gemildert, die Wohnungsnot in den Metropolen wird sich jedoch weiter verschärfen.

Es wäre jedoch falsch, nun zu subsummieren, dass wir mehr Wohnungen für Flüchtlinge bräuchten. Was uns vielmehr fehlt, ist generell bezahlbarer Wohnraum – egal ob es sich um Wohnraum für Neu- oder Altbürger handelt. Die Flüchtlingssituation ist nicht ursächlich für das Wohnraumproblem verantwortlich, sie verschärft vielmehr ein altbekanntes und von der Politik weitgehend ignoriertes Problem. Ginge es nach der Politik, würde der Markt das Wohnraumproblem durch seine unsichtbare Hand regeln. Das tut er aber nicht. Wer privat neuen Wohnraum schafft, will dafür in der Regel auch eine größtmögliche Rendite verwirklichen. Daher sind die Mietpreise in Neubauten und bei einem Neubezug einer sanierten Altbauwohnung in der Regel auch so hoch, dass sie gerade eben nicht für Geringverdiener bezahlbar sind. Und ein großer Teil der heutigen Flüchtlinge wird nun einmal zu den Geringverdienern von morgen gehören. Die Folgen sind absehbar. Während sich die etablierten und gut verdienenden Altbürger um den viel zu teuren neuen Wohnraum gegenseitig ausbieten, wird der Kampf um bezahlbaren Wohnraum zwischen den schlecht verdienenden Altbürgern und den Neubürgern an Härte zunehmen. Politisch ist dies natürlich fatal, da getreu dem Prinzip „teile und herrsche“ so zwei schwache Gruppen gegeneinander ausgespielt werden und die Flüchtlinge für eine Situation verantwortlich gemacht werden, für die sie am allerwenigsten etwas können.

Gibt es Alternativen? Ja und das sogar zu Hauf! Unser Nachbarland Österreich macht uns dabei vor, wie man den Spagat zwischen Markt und Staat hinbekommen kann und einen Sozialen Wohnungsbau verwirklicht, der diesen Namen auch verdient. Wenn in Deutschland über Sozialen Wohnungsbau gesprochen wird, dann schwingt dabei stets ein gehöriges Maß an Marktkonformität mit. Am Besten findet sich ein privater Bauherr, der mit staatlich subventionierten Krediten in Eigenregie ein Wohnprojekt baut, das dann für einen bestimmten Zeitraum (meist 15 bis 30 Jahre) eine Mietpreisbindung hat. Problematisch sind hier vor allem die preislichen Anreizstrukturen: Da der Besitzer seine Kosten (also auch Bau- und Kreditkosten) auf die Miete umlegen kann, hat er keinen direkten Anreiz, möglichst preiswert zu bauen. Am Ende gewinnt hierbei vor allem die Bank, da sie ihre Kreditzinsen indirekt über die staatlich subventionierte Kostenmiete bezahlt bekommt. Da auch die Baukosten umlagefähig sind, gibt es zudem keinen echten Anreiz, möglichst preiswert zu bauen. Im Ergebnis sind Wohnungen aus dem deutschen Sozialen Wohnungsbau oft viel zu teuer, was sich vor allem nach dem Wegfall des Sozialbindung auf die Mietpreise niederschlägt. In Österreich setzt man vereinfacht gesagt die staatlichen Zuschüsse direkt zur Baufinanzierung ein, verzichtet dabei auf teure Bankkredite und stellt die Projekte dann auch noch unter eine Gemeinnützigkeit. Die Wohnobjekte tragen sich also dank der niedrigen Kosten und dem Verzicht auf eine angestrebte Kapitalrendite selbst und daher kann auch die Miete viel geringer ausfallen. Ein aktuelles Beispiel aus Salzburg zeigt beispielsweise, dass es sehr wohl möglich ist, einen vergleichsweise komfortablen Neubau zu projektieren, bei dem die Nettokaltmiete bei weniger als fünf Euro pro Quadratmeter liegt. Davon kann man in Deutschland auch abseits der Metropolen nur träumen.

Diese oder ähnliche Modelle wären natürlich auch in Deutschland realisierbar. Eine eierlegende Wollmilchsau ist der Soziale Wohnungsbau aber natürlich nicht. Er kann nicht alle Wohnraumprobleme lösen, wohl aber einige Probleme entschärfen und das wäre doch schon mal ein großer Erfolg. Um dies zu verwirklichen, müsste die deutsche Politik sich jedoch von ihrer unbedingten Marktkonformität verabschieden und sich eingestehen, dass „wir“ so manches nur dann schaffen, wenn „wir“ es auch als Gemeinschaft in die Hand nehmen und nicht alles und jenes dem Streben nach Rendite unterordnen.

Einfache Antworten kann es auf diese komplexen Probleme nicht geben. Wahrscheinlich wäre es ohnehin am sinnvollsten, die Wohnraumprobleme langfristig nicht direkt, sondern indirekt zu lösen. Und zwar nicht über einen Eingriff in den Wohnungsmarkt, sondern über eine Steuerung der Nachfrage nach Wohnraum. Langfristig lässt sich die Abwanderung vom Land in die Stadt nur dadurch lösen, indem man auch auf dem Land qualifizierte Arbeitsplätze zur Verfügung stellt. Aber dies ist ein weiteres Thema, bei dem es einen Interessenkonflikt zwischen dem Markt und dem Allgemeinwohl gibt.

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