Hinweise des Tages

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Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Syrien
  2. Terror
  3. Werkzeuge des Zorns
  4. Asylrecht wird weiter demontiert
  5. Welch ein Irrtum: Manche meinen, rechte und linke EU-Kritik könne man schnell verwechseln
  6. Monsanto verfälscht eigene Studien zu Glyphosat
  7. Stevia
  8. Risiko Fracking
  9. Brussels, big energy, and revolving doors: a hothouse for climate change
  10. Hammer unter der Hütte
  11. Die Bob-der-Baumeister-Parole und die Klimapolitik
  12. Zarin im Tollhaus
  13. Tänzer des Tages: Markus Söder
  14. Anwalt der kleinen Leute

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Syrien
    1. Obama beharrt auf der Entmachtung von Assad
      Russland fordert in einer UN-Resolution eine Kooperation mit dem syrischen Diktator im Kampf gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“. Amerikas Präsident Obama ist strikt dagegen.
      Noch vor einem von Frankreich angekündigten Entwurf hat Russland überraschend eine eigene UN-Resolution gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS) vorgelegt. Das Papier sei für jeden annehmbar, sagte Moskaus UN-Botschafter Witali Tschurkin laut einer Meldung der russischen Nachrichtenagentur Tass vom späten Mittwochabend. „Ich glaube, unser Text ist sehr ausgewogen, so dass ihn jeder akzeptieren kann. Wenn man natürlich Uneinigkeit sucht, kann man in jedem Komma etwas finden.“
      Kern des russischen Entwurfs ist allerdings eine Zusammenarbeit mit dem Regime in Damaskus unter Machthaber Baschar al-Assad. Genau das hatten westliche Staaten aber bei einem früheren russischen Entwurf im September schon abgelehnt. Und auch jetzt besteht der amerikanische Präsident, Barack Obama, weiter auf einer Entmachtung Assads. „Ich kann mir keine Situation vorstellen, in der wir den Bürgerkrieg in Syrien beenden könnten und in der Assad an der Macht bleibt“, sagte Obama am Donnerstag in Manila. Die syrische Bevölkerung werde das nicht akzeptieren.
      Quelle: FAZ

      dazu: Im Dialog: Alfred Schier mit Hubert Seipel
      Kein westlicher Journalist kam Russlands Präsident Wladimir Putin näher als Hubert Seipel. Für die Dreharbeiten zu seiner Dokumentation „Putin und ich“ erlebte Seipel das russische Staatsoberhaupt über Wochen bei ein- und ausgeschalteter Kamera – beim Billardspiel, im Präsidenten-Jet oder bei der Jagd. Im Dialog mit Alfred Schier spricht Grimme-Preisträger Seipel über die Person Putin, über die Perspektive des Westens sowie über die Interessen Putins in der Ukraine und in Syrien.
      Im Westen wird Russlands Präsident Wladimir Putin meist als skrupelloser Autokrat wahrgenommen, der für seine Interessen – allen voran die Rückgewinnung weltpolitischer Größe – über Leichen geht. Ein Bild, das allerdings auch von westlicher Arroganz gezeichnet sein könnte. Ist Putin ein eiskalter Machtmensch, oder funktioniert Politik in Russland vor allem über den Ausdruck von Stärke? Bedroht Putin mit seiner Außenpolitik Anrainerstaaten und den Westen, oder wird er von der NATO-Erweiterungspolitik getrieben? Über diese und weitere Fragen spricht Alfred Schier Im Dialog mit Hubert Seipel.
      Quelle: Phoenix

      Anmerkung AT: Interessantes Interview um 1:40 Uhr nachts. Seipel weist unter anderem darauf hin, dass Russland im Syrien-Konflikt bereits vor drei Jahren den Vorschlag gemacht hat, Assad in eine Übergangsregierung mit Oppositionskräften einzubinden. Der von Kofi Annan verhandelte Kompromiss war auch konsensfähig. Hillary Clinton kündigte diese Vereinbarung aber auf, aus ideologischen Gründen („Assad muss weg“), wie Seipel sagt. Damals gab es 60.000 Tote, drei Jahre später sind es rund 280.000 Tote. Jetzt liegt der Vorschlag der Russen wieder auf dem Tisch, aber die Amerikaner halten weiterhin an ihrer Bedingung fest, dass Assad zunächst verschwinden müsse.

    2. Truppensteller für Syrien
      Die Bundesregierung schließt einen Bundeswehr-Einsatz in Syrien nicht aus. Wie am gestrigen Mittwoch bestätigt wurde, halten Regierungskreise in Berlin eine deutsche Militärintervention in dem Land zur Überwachung eines künftigen Waffenstillstands für “denkbar”. Dagegen lehnt die Bundesregierung eine militärische Unterstützung für Frankreichs Luftschläge gegen den “Islamischen Staat” (IS) ab. Paris hat seine Angriffe auf die Stellungen des IS in Syrien nach den Attentaten vom vergangenen Freitag ausgeweitet und den “EU-Bündnisfall” ausgerufen – eine bislang singuläre Maßnahme, die sämtliche EU-Staaten, auch Deutschland, grundsätzlich zu Hilfeleistungen verpflichtet. Hinter dem französischen Drängen, die Bundeswehr solle sich an den Angriffen auf den IS beteiligen, steckt nicht zuletzt das Aufbegehren gegen die deutsche Dominanz in der EU: Paris will seine herben Einflussverluste der vergangenen Jahre auf den zentralen Feldern der Ökonomie und der Außenpolitik durch militärische Offensiven im Kampf gegen den IS, in dem es bereits jetzt eine bedeutende Rolle spielt, zumindest teilweise wettmachen und die EU bei seinem Syrien-Feldzug hinter sich scharen. Berlin verweigert sich, um dem französischen Rivalen keinen strategischen Vorteil einzuräumen.
      Quelle: German Foreign Policy
    3. US-Senator an den syrischen Präsidenten Assad: Krieg gegen Syrien war ein gesetzloser Aggressionskrieg
      In diesem Brief schrieb Richard Black: „Ich war erfreut über das militärische Eingreifen der Russen gegen die Armeen, die Syrien überfallen haben. Mit Unterstützung der Russen geht die syrische Armee effektiv gegen die Terroristen vor. Auch war ich erfreut, dass die syrische Armee einen Sieg über die ISIS auf dem Flughafen Kuwairs errungen hat. Mein Kompliment, dass durch diese heroische Tat 1000 tüchtige syrische Soldaten vom sicheren Tod gerettet wurden. Ich bin überzeugt, dass noch viele solcher Siege bevorstehen.“ Der Senator fügte hinzu, dass der Krieg gegen Syrien nicht von Unruhen innerhalb Syriens hervorgerufen wurde, indem er unterstrich: „Es war ein ungesetzlicher Aggressionskrieg ausländischer Mächte, um mit Gewalt eine Marionettenregierung in Syrien zu errichten! General Wesley Clark, der ehemalige Oberkommandierende der Alliierten in Europa, enthüllte, dass die westlichen Länder seit dem Jahre 2001 Pläne entwickelt hatten, um Syrien zu überfallen. Doch auch nach 15 Jahren militärischer Subversion der NATO, Saudi Arabiens und Katars konnte kein anderer Führer gefunden werden, der umfangreiche Unterstützung im syrischen Volk genießt. „Die ausländischen Mächte haben kein Recht, die durch legitime Wahlen an die Macht gekommene Regierung zu stürzen und den syrischen Menschen ihren Willen aufzuzwingen.
      Quelle: APD
  2. Terror
    1. Markieren die Anschläge von Paris ein europäisches 9/11?
      Sechs Tage nach den verheerenden Anschlägen von Paris haben alle politischen und journalistischen Meinungsführer ihre persönliche Anteilnahme ausgedrückt und sich im gleichen Atemzug gewohnt urteilssicher zu den Ereignissen positioniert. Unisono wird tatkräftige Entschlossenheit demonstriert, kaum einer wagt es, Ratlosigkeit zu äußern oder zur Besinnung aufzurufen.
      Diesem Reflex entsprechend fühlten sich auch Frankreichs Politiker verpflichtet, ihren Schnellanalysen unmittelbar Taten folgen zu lassen. Für Premierminister Valls stand innerhalb kürzester Zeit fest, dass die Terrorserie von Syrien aus organisiert wurde, und Präsident Hollande ließ in einer Blitzreaktion die IS-Hochburg Raqqa bombardieren.
      Wie viele syrische Zivilisten bei diesem ersten Vergeltungsschlag getötet wurden, ist nicht bekannt. Wir wissen aber, dass der Krieg in Syrien in den letzten vier Jahren mindestens 250.000 Menschen das Leben gekostet hat. Ein großer Teil davon waren unbeteiligte Männer, Frauen und Kinder – darunter viele Opfer der Assadschen Fassbombenangriffe.
      Mehrfach war zu lesen, dass Europa mit dem vergangenen schwarzen Freitag nun auch sein 9/11 erlitten hätte. Inwiefern dieser Vergleich sinnvoll ist, wird sich in naher Zukunft weisen – eines ist aber ganz sicher richtig: Schon der Respekt vor den Toten in Paris gebietet es, Trauer nicht postwendend durch Aktionismus zu ersetzen. Viel konstruktiver könnte es sein, einmal inne zu halten und sich vor Augen zu führen, welche Entwicklung sich seit dem 11. September 2001 vollzogen hat.
      Quelle: Telepolis
    2. Wir müssen Dinge tun, die bisher undenkbar waren
      Die Anschläge von Paris sind ein Wendepunkt. Europas Politik muss jetzt Maßnahmen ergreifen, die bisher umstritten waren: Einwanderungsgesetze ändern, Grenzen besser sichern – und von Israel lernen. (…)
      Den Terrorangriff auf Paris nannte Frankreichs Staatspräsident François Hollande eine “Kriegshandlung” des Islamischen Staates. Er hatte recht, auch wenn die Erkenntnis etwas spät kommt. Denn die Dschihadisten führen seit Jahren Krieg gegen den Westen.
      Der IS hat weitere Angriffe gegen Europa angekündigt, also muss Europa – nicht nur Frankreich – sich auf den Krieg vorbereiten. Es muss vereint vorgehen, um den IS und sein sogenanntes Kalifat mit allen nötigen Mitteln zu zerstören. Es geht nicht um “Containment” oder “Schwächung”, sondern um Vernichtung. Punkt.
      Allerdings würde auch die Vernichtung des IS den islamischen Extremismus nicht beseitigen. Wenn überhaupt, würde die Zerstörung des IS den religiösen Eifer derjenigen nur verstärken, die sich nach einem Kalifat sehnen.
      Quelle: Welt

      Dazu: Schützt die Muslime im Westen!
      Diese Idee, dass Israel als Erfolgsmodell für Europa dienen könnte, ist ein echtes Highlight in der an Verrücktheiten nicht armen Mediendebatte nach den Pariser Anschlägen.
      Wie sähe dieses “Lernen von Israel” konkret aus? Neukölln wird dann das Gaza von Berlin und Hamburg-Altona unsere Westbank? Wir bauen eine Mauer um den Wedding und rücken militärisch in Köln-Mühlheim ein?
      Ich kann der aktuellen Situation in Israel/Palästina nicht allzu viel Erstrebenswertes abgewinnen – auch nicht aus Sicht der Israelis, die in einem ständigen Belagerungszustand leben: belagern und belagert werden. Wer drauf verzichten kann, sollte dankbar sein.
      Quelle: Künstler „Prinz Chaos“

    3. “Geheimdienste versagen gegen Terror immer”
      Gründe für Versagen waren nie Verschlüsselung, sondern selbst gemachter Datenoverkill und notorische Defizite bei Fremdsprachen, sagt Geheimdienstexperte James Bamford.
      Seit den Massakern in Paris werden von europäischen Politikern und Behörden abwechselnd Edward Snowden, Verschlüsselung, PlayStations und andere Kommunikationsmittel für das Gelingen der Anschläge verantwortlich gemacht. Kaum thematisiert wurde hingegen, dass die für “Gefahrenerkundung” im Vorfeld zuständigen Geheimdienste erneut völlig ahnungslos waren, obwohl enormer Kommunikationsaufwand mit den Anschlägen verbunden war. Und wieder waren die meisten Attentäter den französischen Diensten seit Jahren als notorische Extremisten bekannt.
      Für James Bamford, Journalist und Autor mehrerer Standardwerke über die NSA, ist dieses Versagen keine Überraschung. “Die Geheimdienste haben in der jüngeren Geschichte so gut wie nie einen Terroranschlag verhindern können. Die NSA hat von 9/11 aus dem Fernsehen erfahren und auch alle anderen Anschläge in den USA nicht verhindern können”, sagte Bamford am Dienstag in Wien zu ORF.at. Die Gründe dafür seien keineswegs technischer Natur, sondern auf selbst gemachten Datenoverkill, schlechte Koordination sowie Defizite bei Fremdsprachen und Analyse zurückzuführen.
      Quelle: ORF
    4. “Wir müssen auf das Herz des Terrors zielen: die Finanzierung”
      Der russische Antiterrorexperte Alexej Filatow rät, alten Streit zu vergessen und vor allem die Finanziers des Terrors zu bekämpfen.
      Quelle: der Standard

      dazu: „Ohne die Türkei, Saudi-Arabien und Katar gäbe es keinen Terror in dieser Größenordnung”
      Der Publizist Conrad Schuhler glaubt, dass der Westen die Massaker von Paris nützt, um in der Auseinandersetzung mit Russland über einen massiven Militäreinsatz in Syrien seine geopolitischen Interessen besser vertreten zu können. Telepolis sprach mit dem Autor des Buches „Alles Charlie oder was. Religionskritik – Meinungsfreiheit oder Schmähung?“.
      Quelle: Telepolis

    5. Die Weltkarte des IS-Terrors
      Mit brutalem Terror versuchen Dschihadisten, der Menschheit einen neuen Weltkrieg aufzuzwingen: Die innere Kampfzone reicht von Algerien im Westen bis Pakistan im Osten. Anschläge wie in Paris sollen das “ferne Ausland” erschüttern.
      Quelle: n-tv

      Anmerkung unseres Lesers S.L.: Stelle doch mal einer als Ursache die 147 Länder als Karte ein, in denen die USA mit Sonderkommandos und Spezialkräften unterwegs sind. Parallel dazu, in wie vielen Ländern selbige nicht erst seit 2001 militärisch interveniert haben bzw. sogar einmarschiert sind. Die Geister, die ich rief…

    6. Brief an Obama: Ex-Piloten geben US-Drohnenkrieg Mitschuld an Terror
      Der Brief ist an US-Präsident Barack Obama adressiert, an US-Verteidigungsminister Ashton B. Carter und an CIA-Chef John O. Brennan. Geschrieben haben ihn vier ehemalige Drohnenpiloten der US-Luftwaffe. Sie üben darin heftige Kritik am Drohnenkrieg ihrer Regierung in Afghanistan, dem Irak und anderen Krisenregionen. Das berichten der britische “Guardian” und “Zeit Online”.
      Das Töten unschuldiger Zivilisten befeuere Hassgefühle, die den Terrorismus und Gruppen wie den “Islamischen Staat” (IS) antreiben, heißt es in dem Schreiben. Der Drohnenkrieg wirke wie ein “Rekrutierungsprogramm für Terroristen”. Er sei “eine der verheerendsten Triebfedern des Terrorismus und der Destabilisierung weltweit”.
      Einer der vier Unterzeichner des Briefes ist Brandon Bryant. Fünf Jahre lang steuerte er Kampfdrohnen aus der Ferne, tötete Dutzende Menschen – bis er eines Tages nicht mehr so weitermachen wollte, hinschmiss und öffentlich über Details seiner Arbeit sprach. Seitdem ist der Whistleblower auf der Flucht. Der 30-Jährige denkt offenbar darüber nach, in Deutschland politisches Asyl zu beantragen.
      Quelle: Spiegel Online
  3. Werkzeuge des Zorns
    Jetzt ist wieder die Zeit der Rache. Aber würden wir dem Impuls zur Vergeltung widerstehen? Die Frage drängt sich auf. Frankreich wurde verwundet und will jetzt Genugtuung, so wie seinerzeit die USA, als sie sich am 11. September 2001 angegriffen sahen. Die Bomber über den Stellungen des IS, der Flugzeugträger vor der Küste Syriens – das sind Werkzeuge des Zorns, nicht solche der Vernunft. Die Wirkung wird im wahrsten Wortsinne verheerend sein: mehr Gewalt zeugt nur mehr Gegengewalt. Mehr Leid zeugt nur mehr Hass. Die Vorstellung, der französische Militäreinsatz könne irgendeine Auswirkung auf Verlauf und Ergebnis des Kampfes gegen den Islamischen Staat haben – außer die Lage noch schwieriger zu machen – , ist abwegig. Aber auf Vernunft kam es François Hollande auch nicht an, nach den Toten von Paris. Sondern eben auf Rache. Darum noch einmal: Würden wir diesem Impuls widerstehen?
    Quelle: Jakob Augstein im Freitag
  4. Asylrecht wird weiter demontiert
    Die Bundesregierung stellt die Weichen für eine weitere Verschärfung des Asylrechts. Ein Referentenentwurf des Bundesinnenministeriums, aus dem die Nachrichtenagenturen AFP und dpa am Mittwoch zitierten, sieht eine Ausweitung der beschleunigten Verfahren für bestimmte Flüchtlingsgruppen und Sanktionen bei Verstößen gegen die Residenzpflicht vor.
    Auf die Verschärfungen hatten sich die Spitzen der Koalition aus CDU, CSU und SPD vor zwei Wochen geeinigt. Der Entwurf sieht im Kern vor, dass etliche Flüchtlinge in zentrale »Registrierstellen« eingewiesen werden sollen, wo ihr Asylantrag im Schnellverfahren bearbeitet wird und von wo aus sie bei einem negativen Bescheid direkt in ihre Heimatländer abgeschoben werden sollen. Dem Referentenentwurf des Innenministeriums zufolge soll dieses Verfahren etwa für solche Flüchtlinge gelten, bei denen es »schwerwiegende Gründe« für die Annahme gibt, dass sie »eine Gefahr für die nationale Sicherheit oder die öffentliche Ordnung« darstellen. Des Weiteren betroffen sind jene Flüchtlinge, die ihren Reisepass »mutwillig vernichtet« haben »oder die Umstände diese Annahme rechtfertigen«. Dies dürfte mithin für beinahe jeden Flüchtling aus Kriegsgebieten gelten, der ohne Papiere reisen muss.
    Quelle: junge Welt
  5. Welch ein Irrtum: Manche meinen, rechte und linke EU-Kritik könne man schnell verwechseln
    Für die europäische Linke sind die Geschehnisse im Sommer 2015 niederschmetternd. Es gelang ihr nicht, auch nur den Hauch eines Einflusses auf die Verhandlungen zwischen den Gläubigern und der griechischen Regierung zu nehmen. Angesichts der offensichtlich gewordenen Ausweglosigkeit innerhalb des EU-Rahmens verwundert es nicht, dass eine neue Debatte um einen linken »Grexit« entfacht ist. Linke, die die Institutionen der EU ablehnen, müssen sich vonseiten des medialen Mainstreams, der offiziellen Politik sowie von linksliberaler und sozialdemokratischer Seite den Vorwurf anhören, nationalistisch zu argumentieren, weil auch Konservative und extrem Rechte die EU und den Euro ablehnen. Das wirft die Frage auf, was eigentlich die Kernelemente rechter EU-Kritik sind – und was diese von den Grundzügen einer linken EU-Kritik unterscheidet.
    Das Spektrum der rechten Parteien, die der EU ablehnend gegenüberstehen, ist breit. Es reicht von nationalneoliberalen bis zu neonazistischen Parteien. Relativ am erfolgreichsten sind bisher der Front National (FN) in Frankreich und die United Kingdom Independence Party (UKIP) in Großbritannien. Beide Parteien konnten bei den Wahlen zum Europaparlament im Mai 2014 in ihren Ländern die meisten Stimmen auf sich vereinen. Zugleich stehen beide Parteien für unterschiedliche Strömungen innerhalb der parteienförmig organisierten extremen Rechten: Während sich UKIP bieder-rechtsliberal gibt, versucht sich der FN als Retter des französischen Sozialstaats zu profilieren.
    Quelle: annotazioni
  6. Monsanto verfälscht eigene Studien zu Glyphosat
    Eine kürzlich bekannt gewordene Publikation erhebt äußerst schwere Vorwürfe gegen den Saatgut- und Agrochemie-Riesen Monsanto. Nach den Autoren – Anthony Samsel und Stephanie Seneff – wusste Monsanto seit Langem von der krebserzeugenden Wirkung von Glyphosat. Um diese Tatsachen zu verschleiern und eine Zulassung für seinen Wirkstoff zu erhalten, habe Monsanto bewusst Studien manipuliert.
    Aus der Studie von Samsel und Seneff wird ersichtlich, dass Monsanto mindestens seit den anfänglichen 1980er Jahren weiß, dass Glyphosat wahrscheinlich krebserregend ist. Die zugrundeliegenden Daten stammen von der amerikanischen Umweltschutzbehörde EPA. Einer der Autoren hatte bei der EPA nach dem Informationsfreiheitsgesetz detaillierte Informationen zu den ersten Studien über Glyphosat erhalten – Studien, die Monsanto selbst angefertigt hatte.
    Quelle: Umweltinstitut München
  7. Stevia
    Stevia soll der neue Zuckerersatz sein. Immer mehr steviagesüsste Produkte kommen auf den Markt. Die Schattenseite der Erfolgsgeschichte: Die indigenen Guaraní in Paraguay und Brasilien, die das Potenzial der Pflanze als Süssstoff vor Jahrhunderten entdeckt haben, drohen dabei leer auszugehen. Doch noch kann sich das ändern. […]
    Stevia boomt: Die aus der Pflanze extrahierten Süssstoffe sind bis zu 300-mal süsser als Zucker und fördern weder Diabetes noch Karies. Softdrinks, Schokolade, Bonbons – ständig kommen neue steviagesüsste Produkte auf den Markt. Im Jahr 2015 werden weltweit schätzungsweise bereits acht bis elf Milliarden Franken mit ihnen umgesetzt, Tendenz stark steigend. Eine natürlich süsse Pflanze, die Indigene seit Jahrhunderten nutzen, erobert als gesunde Zuckeralternative den Lebensmittelmarkt. Was für eine Erfolgsgeschichte! Tatsächlich? Ein neuer Bericht der Erklärung von Bern beleuchtet die bitteren Seiten des Geschäfts mit dem süssen Stoff.
    Die Kommerzialisierung von Stevia ist ein klassischer Fall von Biopiraterie: einer unrechtmässigen Aneignung genetischer Ressourcen und des damit verbundenen traditionellen Wissens. Eigentlich sollte die Biodiversitätskonvention der Vereinten Nationen, die seit 1993 besteht, genau dies verhindern: Sie sieht vor, dass traditionelle Gemeinden einer kommerziellen Nutzung «ihrer» Ressourcen zustimmen müssen (Prior Informed Consent) und dass sie am Geschäft mit dieser Ressource gerecht beteiligt werden (Access and Benefit Sharing). Das heisst: Macht jemand Profit mit Stevia oder Steviolglykosiden, sollten die Guaraní und die Staaten Brasilien und Paraguay diesem Geschäft zustimmen und an ihm beteiligt werden. Die Realität sieht anders aus.
    Quelle: EvB

    dazu: Keine Kohle für die Guaraní
    Konzerne nehmen Milliarden ein, weil die Guaraní einen Süßstoff in Steviapflanzen entdeckt haben. Aber das südamerikanische Volk geht leer aus.
    Quelle: taz

  8. Risiko Fracking
    Die US-Schiefergasrevolution steht für brennendes Wasser und Umweltzerstörung. Doch Fracking hat den USA einen Boom und Unabhängigkeit beschert. Nun soll Fracking auch in Deutschland erlaubt werden.
    Quelle: 3sat

    Anmerkung unseres Lesers U.D.: Sehr gute Informationen mit Hinweisen auf die Entsorgung der Fracking-Flüssigkeiten und der unbekannte Einfluss auf das Trinkwasser. Beim Fracking werden die Fehler der ungeklärten Entsorgung der Rückstände – wie bei den AKWs – wiederholt. Hörenswert ist die politische Einordnung in der Globalisierung.

  9. Brussels, big energy, and revolving doors: a hothouse for climate change
    As environment and energy ministers prepare to meet in Paris for the COP 21 climate change talks, CEO takes a look at how the revolving door ensures that the EU institutions remain close to Big Energy.
    The climate cooks while the Big Energy lobby continues to walk the EU’s corridors of power, pushing its arguments that it needs to be at the negotiating table and that a combination of unsustainable techno-fixes and copious greenwash will provide the answer to runaway climate change.
    Quelle: Corporate Europe Observatory
  10. Hammer unter der Hütte
    Erich Wolf macht Visualisierungen. Es ist sein Beruf, Baupläne von Stadtteilen, Malls und Häusern in virtuelle Wirklichkeiten zu übersetzen, seine Leidenschaft aus Zahlen und Rechnungen kleine Welten zu erschaffen. Dafür brennt er. “Das größte Lob ist es, wenn ein Projekt genauso aussieht, wie wir es vorher gezeigt haben”, sagt der Architekt. 
    Auch Stuttgart 21 hat sein Büro Aldinger+Wolf zum Leben erweckt. Strahlend, sauber, schön der Bahnhof, Züge, die sich malerisch durch grüne Landschaften schlängeln. Zu sehen auf den Webseiten des Kommunikationsbüros Stuttgart–Ulm, mit diesen Bildern ist die mobile Presseabteilung von Stuttgart 21 durchs Land getourt, vor allem vor der Volksabstimmung 2011. “Wir haben den Leuten eine Vorstellung davon gegeben, wie es aussehen wird”, sagt Erich Wolf.
    Wolf sitzt in Stuttgart in seinem Büro mit den hübschen antiken Möbeln, viel Apple, poliertem Parkett, kantigen Ledersofas. Er ist einer, der den neuen Tiefbahnhof als eine großartige Lösung sieht, für eine topografisch so beengte Stadt wie Stuttgart. Stuttgart 21 an sich sei ein Gewinn, ein tolles Projekt. Auch auf seine Arbeit für die Bahn lässt er nichts kommen. Er trennt scharf zwischen Beruf und privat. Seine Visualisierungen sind Beruf.
    Quelle: Kontext:Wochenzeitung

    In der Gesamtausgabe von Kontext lesen Sie diese Woche:

    • Stärker als jeder Terror: Nous sommes Paris: Vor wenigen Tagen hat im Institut Français in Stuttgart eine Trauerfeier stattgefunden. Generalkonsul Nicolas Eybalin begrüßte die “Freunde Frankreichs, chers compatriotes et chers amis allemands”. Kontext dokumentiert seine Rede.
    • Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit: Unser Wetterer Peter Grohmann will sich die Werte der Aufklärung und des Humanismus von niemanden aus der Hand schlagen lassen. Und fordert: Haltung zeigen. Weitermachen beim schweren Alltagsgeschäft der Aufklärung.
    • Die letzte Chance: Der Untersuchungsausschuss zum “Schwarzen Donnerstag” will die verbleibenden Wochen dieser Legislaturperiode bis zum letzten Moment nutzen, um die Hintergründe des Schwarzen Donnerstag auszuleuchten. Basis dafür ist Tanja Gönners dienstlicher Mailverkehr.
    • Kurzer Prozess: Fünf Jahre und zwei Monate hat es gedauert seit dem Schwarzen Donnerstag. Jetzt hat das Verwaltungsgericht Stuttgart den Polizeieinsatz vom 30.9.2010 im Stuttgarter Schlossgarten als rechtswidrig beurteilt und deutliche Worte gefunden: “Es wurde mit Kanonen auf Spatzen geschossen.”
    • Arendt sticht Marx: Bisher hat Winfried Kretschmann die Philosophin für sich beansprucht. Jetzt kommt eine illustre Gruppe um Peter Grohmann und meint, Hannah Arendt sei besser bei ihr aufgehoben. Ein Institut soll ihren Namen tragen und Heimat sein für bewegte BürgerInnen.
    • Weinheim wehrt sich: Weinheim will keine Nazi-Hochburg sein. Wenn sich dort am kommenden Wochenende die NPD zum Bundesparteitag versammelt, wird ihr von einem breiten zivilgesellschaftlichen Bündnis die bunte Karte gezeigt. Auch Weinheims berühmteste Bürgerin Ingrid Noll ist dabei.
    • Windige Deals: Die Energie Baden-Württemberg (EnBW) zieht es in die Steueroase Luxemburg: Im Großherzogtum siedelte sie die Eigentümergesellschaft des Windparks Baltic 2 in der Ostsee an. Mit im Boot ist ein australischer Investor von zweifelhaftem Ruf.
    • Der Wiederholungs-Zündler: Wieder einmal schürt die CDU Ressentiments gegen Flüchtlinge, um Wahlen zu gewinnen – wieder einmal geht es auch um Baden-Württemberg. Und wie zu Beginn der 90er gibt dabei einer den Ton an, der in der Wahl seiner Mittel nicht eben zimperlich ist: Wolfgang Schäuble.
  11. Die Bob-der-Baumeister-Parole und die Klimapolitik
    Das was nun im Kielwasser der VW-Abgasgeschichte ans Licht kommt, nämlich die Erklärungen des Ingenieurs, der für die Aufdeckung verantwortlich ist, belegt gleich mehrerlei. Einerseits sieht man mal wieder, wie sehr Konzernleitungen an der Realität vorbei Belegschaften unter Druck setzen. So sehr, dass die dann zu unlauteren Mitteln greifen, um die Vorgaben erfüllen zu können. Andererseits muss man sich fragen, ob denn die vielen Verkündungen in Sonntagsreden zur Klimapolitik überhaupt realistisch sind. Wenn es nämlich einem Automobilkonzern nicht gelingt, den CO2-Ausstoß um 30 Prozent zu mindern, wie will man dann die mittelfristigen Ziele der Weltklimakonferenzen umsetzen? Können wir die Klimaverträglichkeit innerhalb der herrschenden ökonomischen Regeln überhaupt herstellen oder braucht es nicht eine grundsätzlich neue Ökonomie?
    Quelle: ad sinistram
  12. Zarin im Tollhaus
    Wer hätte das gedacht, daß wir in Deutschland wieder einmal soweit sind. Als es noch Geschichtsunterricht in den Schulen gab, der diesen Namen verdiente, stellte sich regelmäßig der ekelerregende Schauer ein, wenn der Weg in das deutsche Elend angesprochen wurde.
    Vor allem jener Zeitabschnitt, in dem die Verbrecher nach der so empfundenen Revolution sich ermächtigen ließen, Gesetze außer Kraft zu setzen. Die perfide Perfektion trat ein, als sich der Oberverbrecher zum alleinigen und obersten Gerichtsherrn in Deutschland aufschwang. Das war mit einem Putsch verbunden, der das deutsche Elend manifestierte. Und heute, wo uns angeblich der Rechtsstaat so heilig ist und die Menschen in der damaligen DDR genau auf die Segnungen rechtlich gebundenen Handeln aufmerksam gemacht worden sind? Natürlich kann man die damalige Lage mit nichts und niemanden heute vergleichen.
    Aber es ist nur zu natürlich, wenn wir allergisch reagieren, wenn jemand die Schutzzäune gegen die Barbarei einreißt und das ist nun einmal das Handeln des Staates nach Gesetz. Es war Papst Benedikt XVI, der in seiner historischen Rede im Plenum des Deutschen Bundestages darauf aufmerksam gemacht hat. Er sagte doch, daß gerade der Rechtsstaat uns von dem Staat als Räuberbande trennen würde. Da setzt eine Bundeskanzlerin geltendes deutsches und europäisches Recht, das dem Schutz unser Nation und Europas dient, nicht nur außer Kraft sondern verlängert diesen gesetz- und rechtlosen Zustand unbegrenzt.
    Peter Gauweiler hat in diesen Tagen den Bundestagspräsidenten öffentlich gefragt, wie lange sich eigentlich der Deutsche Bundestag die Übernahme der legislativen Gewalt durch die Bundeskanzlerin gefallen lassen will. Putsch on demand? Demokratische Festreden gehen ins Leere, wenn der Deutsche Bundestag aktiv und zwar durch Unterlassen die Statik des demokratischen Rechtsstaates zerschmettert.
    Quelle: Willy Wimmer
  13. Tänzer des Tages: Markus Söder
    Wer den rechten Rand nicht halten kann / Gilt manchen dann erst recht als ganzer Mann. Dass der bayerische Finanzminister Markus Söder von der CSU die erstbeste Gelegenheit ergreifen würde, nach Abschiebung und völliger Entrechtung von Flüchtlingen zu rufen und auf diese Weise nach der Pfeife des IS zu tanzen, war lange vorhersehbar. Die Strukturen, die »geistig« zu nennen man scheuen muss, sind einander zu ähnlich, und Söder tanzt eben gern. Schließlich ist er Träger des »Ordens wider den tierischen Ernst«, dessen Juroren Kerf und Kimme jedes auch nur halbwegs prominenten Politikers inwendig kennen.
    Das Humane in Söder besteht in dem zähneknirschend ausgewürgten Eingeständnis, dass nicht in jedem, der vor dem IS flieht, auch automatisch ein IS-Terrorist stecken müsse; er verkehrt die Verhältnisse in ihr Gegenteil und erfüllt die Regel: Je halsstarriger die Realitätsverleugnung, desto thomasmüllergrößer die Klappe. »Die Zeit unkontrollierter Zuwanderung« sei vorbei, twitterte Söder. »Paris ändert alles.« Das trifft nicht zu; Söder blies schon vor den Mordanschlägen in der französischen Hauptstadt zum Halali auf Flüchtlinge. Es hat sich also überhaupt nichts »geändert«, es wird nur mit kühlem Kalkül eine hochwillkommene Gelegenheit genutzt.
    Quelle: junge Welt
  14. Anwalt der kleinen Leute
    Heinrich Hannover war Anwalt von Kommunisten und in Terroristen-Prozessen, hatte Kriegsdienstverweigerer und Günter Wallraff als Mandanten – und schreibt bis heute Kindergeschichten. Einer der großen Juristen dieses Landes ist jetzt 90 geworden.
    Quelle: ver.di publik

    Anmerkung A.M.: Wirklich einer der ganz großen Anwälte und Menschen unserer Zeit.

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