Hinweise des Tages

Ein Artikel von:

(KR/WL)
Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.

Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind.
Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Der Steuerbetrugsskandal
    • Wie man Steueroasen trockenlegt
      In den USA darf die Schweizer Bank UBS nicht mehr beim Steuerbetrug behilflich sein. Das könnte ein Vorbild für europäische Regierungen sein
      Quelle: TAZ

      Anmerkung: Leider fehlt der doch vielleicht entscheidende Hinweis, wie die US-Bankenaufsicht auf die UBS Druck ausüben konnte. Vgl. dazu auch: FAZ liefert ein Gaunerbrevier für Steuerhinterzieher

    • Attac fordert konsequente Maßnahmen gegen Liechtenstein und andere unkooperative Steueroasen
      Die heutige Pressekonferenz von Fürst Hans-Adam II. von und zu Liechtenstein hat noch einmal bewiesen, dass Liechtenstein nicht gewillt ist, die Beihilfe zur Steuerhinterziehung aufzugeben. Dabei stützt sich der Monarch wie auch Vertreter von Privilegieninteressen in Deutschland auf scheinheilige Argumente.

      Liechtenstein behauptet, es habe bereits mit der EU kooperiert und auch seine Finanzmarktregulierung verbessert. Diese Kooperation betrifft jedoch nicht die Steuerhinterziehung, sondern nur Geldwäsche und Umsatzsteuerbetrug. Wie auch die Schweiz weigert sich Luxemburg bei Steuerhinterziehung Amtshilfe im Einzelfall geschweige denn automatischen Informationsaustausch zu gewährleisten. Liechtenstein behauptet, es sei seine souveräne Entscheidung, auf welche Einkommen es Steuern erhebt und wann Amtshilfe leistet. In einem gemeinsamen Markt wie der EU und dem EWG gilt Souveränität allerdings nur eingeschränkt. Zudem ist es die souveräne Entscheidung von geschädigten Staaten wie Deutschland, den freien Kapital- und Warenverkehr einzuschränken oder mit strengen Kontrollen wie Meldepflichten zu belegen. Liechtenstein behauptet, ein mächtiges und großes Land würde hier gegen schwache kleine Staaten vorgehen. Richtig ist jedoch, dass sich die größeren europäischen Ländern seit vielen Jahren von kleineren Nachbarländern steuerlich ausbeuten lassen.

      Deshalb liegt das Pro-Kopf-Einkommen der Steueroasen in Europa an der Spitze. Schließlich behauptet Liechtenstein wie auch interessierte deutsche Lobbygruppen, das Problem der Steuerflucht käme durch zu hohe Steuern in Deutschland. Die Erfahrung beweist jedoch, dass Fluchtkapital auch bei niedrigeren Steuern nicht zurückkehrt. Außerdem ist grundsätzlich mit sozialer Gerechtigkeit unvereinbar, dass Steuersätze auf Kapitaleinkommen niedriger sind als auf Arbeitseinkommen.
      Quelle: attac

    • Steuerfahndung: “Wir haben alles”
      Die Beweise der Steuerfahnder sind erdrückend: Viele Verdächtige haben offenbar schon gestanden. Etliche Millionen Euro wurden schon eingetrieben.
      Quelle: SZ
    • Inquisition, Unschuldsvermutung und Herr Zumwinkel
      Das Gerechtigkeitsempfinden der Bevölkerung als Maßstab für Strafprozesse – das ging nicht nur einmal schief. Bei allem politisch üblichen Populismus sollte doch auch ein Herr Beck wissen, daß es Rechtsstaat und nicht Empfindungsstaat heißt. Lassen Sie mich vorausschicken, daß Herr Zumwinkel mir recht gleichgültig ist. Ganz und gar nicht gleichgültig ist mir jedoch die Dreistigkeit, mit der er im Rahmen eines Strafverfahrens vorgeführt und so die Unschuldsvermutung mit Füßen getreten wird. Mir ist so etwas aus prinzipiellen Gründen nicht egal. Ich halte es immer noch für richtig, wenn Beschuldigte ein faires Verfahren bekommen. Das gilt für jedermann, für Prominente ebenso wie für Schwerstkriminelle. Das mag freilich antiquiert sein, aber immerhin steht es so im Gesetz.
      Quelle: Schirachs Einspruch

      Anmerkungen: Natürlich sollte dem Verdacht auf Steuerhinterziehung gründlich nachgegangen und Zumwinkel gegebenenfalls angemessen bestraft werden. Offenbar wird hier jedoch in mehrfacher Hinsicht falsch gespielt:

      – „Merkelbeck“ und die staatstragenden Medien kosten die Gelegenheit aus, ein soziales Gewissen vorzutäuschen, …
      – … und verhalten sich in ihrem Eifer rechtsstaatlich bedenklich.
      – Die Mehrheit der Beschuldigten hingegen bekommt durch die frühe Ankündigung der Durchsuchungen genügend Vorwarnzeit eingeräumt, um Spuren zu verwischen oder gar zu flüchten.

    • Bestrafe einen und warne hundert
      Handelte die Bundesregierung also nach dem abgewandelten Mao-Motto: “Verhafte einen und warne hundert”? Ein Sprecher Steinbrücks sprach von “Leistungsträgern”, gegen die ermittelt werde. Ist dies zutreffend, dann gäbe es tatsächlich einige Gründe, die für ein bewusst tollpatschiges Vorgehen der Entscheidungsträger sprechen: Man kennt die Leute ja möglicherweise persönlich und verkehrt im selben Umfeld.
      Quelle: Telepolis
    • Auslaufmodell soziale Marktwirtschaft
      Weil in vielen Ländern die Voraussetzung für ein demokratisches System fehlt, verliert auch die soziale Marktwirtschaft weltweit an Bedeutung, berichtet eine neue Bertelsmann-Studie.

      Allerdings sind solche Länder-Rankings unter Fachleuten umstritten. Der Ökonom Ullrich Heilemann, Direktor des Institutes für Empirische Wirtschaftsforschung in Leipzig, spricht in einem Gutachten für das Bundesfinanzministerium etwa von “Zahlenalchemie”. “Eine wissenschaftliche Untersuchung lässt sich nicht auf eine einfache Zahl reduzieren”, sagt Heilemannn. Bertelsmann-Projektleiter Hauke Hartmann verteidigt die Rankingliste als Kommunikationsmittel: “Sie ist wichtig, um bestimmte Aussagen auf den Punkt zu bringen. Sie soll aber nur einen Einstieg bieten.”

      Leistungsrankings sind ein beliebtes Werkzeug der Gütersloher Vordenker. Nach eigenem Bekenntnis verfolgt die Stiftung eine marktwirtschaftliche Agenda, die sie mit Konzepten für weniger Staat und mehr Eigenverantwortung unterfüttert. Im Zentrum ihrer Konzepte steht häufig die Umgestaltung gesellschaftlicher Bereiche nach marktwirtschaftlichen Prinzipien – meist durch Privatisierung und Deregulierung. Schon lange haben sich die Konzern-Forscher damit als Ideenlieferant für die Politik empfohlen. So leistete die Stiftung maßgebliche Vorarbeiten etwa für die Hartz-Reformen, die Einführung von Studiengebühren und die Riester-Rente.
      Quelle: taz

    • Wirtschaftsweiser Bofinger: Zumwinkel und das Monster Staat
      Bereits bei Nietzsche war der Staat das “kälteste Ungeheuer”. Selbst angesehene Bürger hinterziehen Steuern, weil sie ein gestörtes Verhältnis zum Staat haben. Wenn man etwas genauer hinsieht, erkennt man hinter dem Steuerskandal ein grundlegenderes Problem, das nicht nur “die Reichen”, sondern die Gesellschaft insgesamt betrifft. Das fehlende Schuldbewusstsein bei der Steuerhinterziehung ist ein Symptom dafür, dass immer mehr Bürger ein gestörtes Verhältnis zu unserem Staat aufweisen. Er wird nicht als Interessengemeinschaft gesehen, die uns jene Ziele ermöglicht, die wir über den Markt nicht erreichen könnten – sondern als feindlich gesinnte Organisation, die die ihr zur Verfügung gestellten Mittel verprasst, ohne einen Nutzen zu entfalten.
      Quelle: SZ

      Dazu passt:

    • “Elite-Einrichtungen sind komplette Parallelwelten”
      Die Journalistin Julia Friedrichs hat sich in ihrem ersten Buch auf die Spuren der Mächtigen von morgen begeben und den Begriff “Elite” beleuchtet. Dazu besuchte sie auch Eliteakademien und –internate: „Viele bringen dem Staat eine große Geringschätzung entgegen. Der Staat ist nichts, was ihnen dient, sondern ihnen immer nur etwas wegnehmen will. Viele haben das Gefühl: Wir sind die Leistungsträger und es dankt uns niemand. Wir werden immer nur weiter ausgenutzt. Das ist eine Art private Rache gegenüber dem Staat. Die Sache mit den Gewinnern und Verlierern ist so ein Leitmotiv, das sich bei den Menschen durchzieht. Man steht in einem Wettbewerb mit allen und wer es nicht schafft, hat sich nicht genug angestrengt, hat Pech gehabt.“
      Quelle: WAZ
    • Warum sie es tun
      Von den Entscheidern der Wirtschaft arbeitet niemand mehr in dem Gefühl, kontinuierlich ein Projekt oder eine Geschäftsidee zu entwickeln. Man rechnet mit den Beständen und wartet ab, wie lange es gut geht. Aus solch einem Geist entsteht wohl auch das Bedürfnis, beiseite zu schaffen, was da ist. Und dieses Gefühl herrscht nicht nur in den Zumwinkeln der Republik. Der Zwang zur Selbstoptimierung hat längst das Leben auch niedrigstufiger Kader erfasst. Kurzfristige Lebensplanung, die Angst vor plötzlicher Freisetzung und das unfreiwillige Umsteigen auf unbekannte Arbeitsfelder bestimmen das Handeln von Akteuren auch außerhalb des Hartz- IV-Spektrums. Das Basteln an den Entwürfen prekärer Lebensverhältnisse ist derart abend- und freizeitfüllend, dass für die Vorstellung eines sorgenden Staates, der am Ende auch bezahlt sein will, kein Platz ist. Zu sehen, wo man bleibt, ist nicht länger die Verhaltensweise charakterloser Egoisten, sondern praktisches Gebot.
      Quelle: FR
    • Die Entfremdeten
      Sie wohnen in verbarrikadierten Häusern, fliegen im Privatjet – und Steuern zahlen immer die anderen. Superreiche sind nicht mehr von dieser Welt. In den neunziger Jahren lautete das Mantra des Erfolges: “Think outside the box”. Nur wer es schaffte, außerhalb der etablierten Strukturen zu denken, wer die gängigen Regeln und Grenzen ignorierte, missachtete, überlistete, der konnte auch vom Informatikstudenten zum Milliardär, vom BWL-Praktikanten zum Konzernchef aufsteigen. Wer aber sein Leben nach der rebellischen Maxime ausgerichtet hat, Regeln zu missachten und dafür so reich belohnt wurde – warum soll er sich noch an Gesetze halten?
      Quelle: SZ

      Anmerkung: Der Beitrag bleibt doch allzusehr an der Oberfläche. Lesen Sie deshalb lieber noch einmal „Ist Gier das richtige Wort zur Kennzeichnung und Erklärung dessen, was unsere Hauptprobleme sind?“

  2. Zahl der Zeitarbeiter mehr als verdreifacht
    Der Zeitarbeitsmarkt in Deutschland ist auch im ersten Halbjahr 2007 kräftig gewachsen. Wie die Bundesagentur für Arbeit am Montag bekanntgab, waren Ende Juni rund 730.000 Leiharbeiter registriert. Das waren 22 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Innerhalb eines Jahrzehnts hat sich deren Zahl in Deutschland um fast 250 Prozent vermehrt. Spitzenreiter ist Hessen, wo der Zuwachs seit 1997 sogar rund 430 Prozent betrug. Der Anteil der Zeitarbeitnehmer an allen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten verdoppelte sich innerhalb von nur drei Jahren auf zuletzt 2,4 Prozent. Die Zahl der Zeitarbeitsunternehmen wuchs seit 1997 um 138 Prozent auf etwa 21.000.
    Quelle: FAZ
  3. Entgeltumwandlung: Wissenschaftler warnt vor den Folgen
    Mit Verwunderung hat der Kölner Wirtschaftswissenschaftler Eckart Bomsdorf die Zustimmung der Gewerkschaften zur unbefristeten sozialabgabenfreien Entgeltumwandlung zur Kenntnis genommen. Diese Form der “Subventionierung der betrieblichen Altersvorsorge” bedeute nicht nur eine “Verlagerung der Lasten auf die Arbeitnehmer”, schreibt Bomsdorf in der renommierten Fachzeitschrift “Wirtschaftsdienst”. Es stelle sich auch die Frage, ob die damit verbundene Reduzierung der Rentenansprüche durch die zusätzliche betriebliche Altersvorsorge “aufgefangen wird”. Aufgrund der beitragsfreien Entgeltumwandlung würden die Rentenansprüche der Arbeitnehmer, die sich an der Entgeltumwandlung beteiligen, “geringer” ausfallen, erläutert der Ökonom. Ursache dafür sei, dass die Beitragsfreiheit zu verringerten Zahlungen an die Rentenversicherung führe. Deshalb werde in diesen Fällen die betriebliche Altersvorsorge “keine Zusatzleistung, sondern ein Ersatz für die geringeren Ansprüche an die gesetzliche Rente”. Besonders betroffen davon seien “auch die gegenwärtigen Rentner bzw. rentennahe Jahrgänge, die diesen Veränderungen machtlos gegenüberstehen”.
    Quelle 1: Ihre Vorsorge

    Anmerkungen Martin Betzwieser: Willkommen in der Realität. Auf das Problem wurde bei den Nachdenkseiten wiederholt hingewiesen; es ist schön, endlich mal wissenschaftlichen Beistand zu bekommen. Aber das geschilderte Problem trifft nicht nur auf die gesetzliche Rente zu, sondern auf jede Entgeltersatzleistung, welche vom Sozialversicherungsbrutto berechnet wird. Daher kann es schon lange vor der Rente zu bösen Überraschungen kommen. Durch jeden beitragsfrei umgewandelten Euro sinkt das Sozialversicherungsbrutto, und das bedeutet auch weniger Arbeitslosengeld I, weniger Krankengeld, weniger Übergangsgeld, weniger Krankengeld bei Betreuung eines kranken Kindes, weniger Kurzabeitergeld, weniger Mutterschaftsgeld (wird während des Mutterschutzes ab der späten Phase der Schwangerschaft gezahlt). Die Verwunderung über Haltung der Gewerkschaften wird deutlich, wenn wir einen Blick auf die Aktivitäten mancher Gewerkschaft bei der Vermittlung privater Altersvorsorgeprodukte bis zur Riester-Rente werfen. Bei ver.di werden sicher noch alte HBV-Strömungen eine Rolle spielen, welche ihrer Klientel in Banken und Versicherungen gute Geschäfte ermöglichen wollen. Die berechtigte Kritik gegen das Renteneintrittsalter 67 wird so jedenfalls nicht glaubwürdiger.
    Quelle 2: DGB-Rentenplus
    Quelle 3: ver.di-Mitgliederservice

    Zu weiteren Risiken und Nebenwirkungen der betrieblichen Altersvorsorge:

    Quelle 4: Nachdenkseiten vom 27.04.2007
    Quelle 5: Nachdenkseiten vom 02.05.2007

  4. Im Bundestag notiert: Onlinedurchsuchung
    Der Bundesregierung ist der Bericht des Nachrichtenmagazins “Focus” bekannt, nach dem das Bundesamt für Verfassungsschutz zwischen 2006 und 2007 heimlich mindestens eine so genannte Onlinedurchsuchung durchgeführt haben soll. In der Antwort (16/7988) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (16/7812) heißt es weiter, dass die Bundesregierung zu Art und Umfang nachrichtendienstlicher Aktivitäten sowie zu den davon betroffenen Personen grundsätzlich nur in den für die Kontrolle der Nachrichtendienste zuständigen parlamentarischen Gremien Stellung nimmt.
    Quelle: heute im bundestag Nr. 047 (kostenloses Einloggen möglich)

    Anmerkung: Auffallend ist, dass die Antwort 16/7988 entgegen sonstigen Gepflogenheiten nicht abrufbar ist.

  5. Heimliche Nebengeschäfte
    Der Bundestagsabgeordnete Otto Schily weigert sich, alle seine Einnahmen offenzulegen – womöglich hat er Grund dazu
    Quelle: Tagesspiegel
  6. Geringverdiener mit Kindern erhalten besonders hohe Zuschüsse
    Sind die Einkünfte eines Rentners später dennoch zu gering, um die täglichen Lebenshaltungskosten zu decken, kann er die so genannte Grundsicherung beantragen. Die Grundsicherung ist eine soziale Leistung des Staates zur Deckung des Existenzminimums ab 65 Jahren. Jüngere ab 18 Jahren können nur Grundsicherungsleistungen beziehen, wenn sie voll erwerbsgemindert sind. Obwohl eine Riester-Rente wie jedes Einkommen bei der Ermittlung des Grundssicherungsbedarfs berücksichtigt wird, sollte das niemanden vom Sparen abhalten. Auf eigenen finanziellen Beinen steht es sich am sichersten. Und ob der Staat arme Rentner auch in Zukunft so versorgen wird wie heute, weiß keiner.
    Quelle: Stiftung Warentest

    Anmerkung André Tautenhahn: Die Stiftung Warentest empfiehlt auch weiterhin die Riesterrente für Geringverdiener. Zwar wird zugegeben, dass diese Kapitalanlage mit der Grundsicherung im Alter verrechnet wird, doch gleichzeitig unternimmt man den billigen Versuch, diesen Makel mit der Drohung zu kompensieren, der Staat könne in Zukunft die Unterstützung Bedürftiger ganz einstellen. Die Botschaft ließe sich also auch so zusammenfassen, dass es vollkommen egal ist, ob die Anlage erstens bezahlbar und zweitens profitabel ist. Scheinbar geht es den Warentestern ausschließlich um den Erfolg des Riesterprodukts und nicht um die Erkenntnis, dass selbiges in doppelter Hinsicht ein finanzieller Flop für Geringverdiener ist. Denn neben der Tatsache, dass die zu erwartende Rendite kaum ausreichen wird, das Grundsicherungsniveau zu überschreiten, bezahlen die Betroffenen über ihre Steuern auch die enormen staatlichen Subventionen, die die Tester in Form besonderer Vergünstigungen herauszustreichen versuchen.

  7. Wieso Pflegedienste Diabetiker spritzen, ohne zu messen
    Die angemessene medizinische Versorgung, gerade von älteren Menschen, sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Ist es aber nicht, und das hat Gottlob Schober herausgefunden, als er sich mit der Krankheit Diabetes befasst hat. Die Zuckerkrankheit ist heute gut zu behandeln. Dank des Hormons Insulin, wichtig dabei, bevor Insulin verabreicht wird, muss der Blutzuckerspiegel exakt bestimmt werden. Mittlerweile können das die meisten Zuckerkranken selbst machen, aber eben nicht alle. Pflegebedürftige zum Beispiel tun sich schwer. Was daraus folgen kann, schildert eine zupackende Altenpflegerin.
    Quelle: SWR

    Anmerkung eines Lesers: Gestern lief in Report Mainz (ARD) ein erschütternder Bericht. Pflegebedürftige Diabetiker/innen bekommen von Pflegekräften Insulin gespritzt, ohne dass vorher der Blutzucker gemessen wird. Die Krankenkassen bezahlen diese Leistung nicht. Schlimme Folgeschäden sind möglich.
    Auf die Gefahr hin, Ihre Geduld mit dem Fachwissen eines Experten in eigener Sache zu strapazieren: Schon der Bericht ist bei aller angebrachten Kritik oberflächlich gewesen.

    Laien bekommen den Eindruck vermittelt, es müsse bei Zuckerkranken nur einmal Blutzucker gemessen und nur einmal Insulin verabreicht werden. Dabei sind zur bestmöglichen Behandlung mindestens vier Blutzuckermessungen (vor jeder Hauptmahlzeit und vor dem Schlafengehen) notwendig. Dabei kommt es nicht nur auf den jeweils aktuellen Blutzuckerwert an sondern auch darauf, wieviele Kohlehydrate zu jeder Mahlzeit verzehrt werden. Für jede so genannte Broteinheit (BE) muss dann eine auf den Patienten abgestimmte Menge Insulin verabreicht werden, die durch den aktuellen Blutzuckerwert jeweils erhöht oder vermindert werden muss. Zur optimalen Berechnungen gibt es Handbücher mit den Kohlehydratwerten von mehreren Hundert Lebensmitteln. Nur ein paar Beispiele: Bei Brot, Getreide, Reis und Nudeln entspricht eine BE 20 g Rohware, bei Kartoffeln 70 bis 80 g Rohware.

    Nichts desto Trotz: Zuckerkranke ohne Messungen sind fahrlässige Körperverletzungen und können bei einer extremen Unterzuckerungen dazu führen, dass die Opfer ins Koma fallen – der Fall eines Opfers ist gezeigt worden. Die Pflegedienste und Pflegekräfte müssten sich konsequent weigern, so zu arbeiten. Dass bei den gezeigten Blutzuckermessungen die Stellen in den Fingerkuppen punktiert worden sind, die am schmerzempfindlichsten sind, spricht auch nicht positiv für die Pflegeleistung. Eine Blutzuckermessung dauert je nach Gerät übrigens 20 bis 30 Sekunden.

  8. Wie die Erbschaftssteuerreform Arbeitsplätze vernichtet und Zeitarbeit belohnt
    Unternehmer mit mehr als 10 Mitarbeitern müssen die Löhne aller Angestellten zusammenrechnen. Nach dem Erbfall darf diese Lohnsumme 10 Jahre lang nicht unter 70 Prozent fallen, sonst wird es teuer. Doch findige Berater haben längst Gestaltungsmöglichkeiten ausgemacht, um nach dem Erbfall flexibler zu sein. Erbschaftssteuerexpertin Jennifer Fraedrich hält die Lohsummenregelung für besonders beratungsintensiv, denn ausgenommen sind Leiharbeiter, Saisonkräfte und freie Mitarbeiter.
    Die Lösung: verstärkt Leiharbeitsfirmen einsetzen, um die Lohnsumme zu drücken. Hermann Tetzner, Vorstand SMS group: »Dieses Gesetz lädt dazu ein, Leiharbeitern oder anderen Joblösungen, 400-Euro-Jobs, den Vorrang zu geben, statt Mitarbeiter fest einzustellen.«
    Quelle: SWR Report Mainz

    Anmerkung: Die Existenz von Unternehmen und damit die Arbeitsplätze nicht durch Erbschaftssteuern gefährden zu wollen, ist ein nachvollziehbares Anliegen. Doch wenn die Behauptungen von REPORT zutreffen, zeugt die konkrete Ausführung des Gesetzes wieder einmal von Inkompetenz.

  9. “Bahn lockt Investoren mit Niedriglöhnen”
    Die Privatisierung der Bahn spaltet die Gewerkschaften mehr denn je. Die Lokführergewerkschaft GDL lehnt die Verkaufspläne von Finanzminister Peer Steinbrück (SPD) ab und befürchtet noch höheren Renditedruck auf die Belegschaft. Weselsky kritisierte den Börsenkurs von Bahnchef Hartmut Mehdorn massiv. Dessen Ziel sei, die Kosten auch durch Tarifflucht und Niedriglöhne zu senken, um Investoren zu locken. “Dem werden wir nicht tatenlos zusehen”, warnte Weselsky, “denn sonst wäre unser großer Erfolg im Tarifstreit nur ein Pyrrhussieg gewesen”. Bahn und GDL treffen sich am Mittwoch zu Verhandlungen. Ein erneutes Scheitern wird von Beobachtern nicht mehr ausgeschlossen.
    Quelle: FR
  10. Die Bahn und ihr Plan B
    Während die Politik über die Teilprivatisierung streitet, legt der Konzernvorstand den Zeitplan schon fest – samt Ausweichtermin. Trotz der politischen Kontroverse über die Teilprivatisierung der Deutschen Bahn hat der Konzernvorstand einen ehrgeizigen Zeitplan aufgestellt, der zwei Zeitfenster für einen Verkauf der Anteile vorsieht. Das Papier des Bahn-Vorstands datiert von Ende Januar und liegt dem Tagessspiegel vor. Nächste Woche – nach der Hamburg- Wahl – soll die Umsetzung beginnen, ein Aufsichtsratsbeschluss ist für den 28. März vorgesehen.

    In der Politik ist die Teilprivatisierung umstritten. Die SPD hat sich dem Modell Volksaktie verschrieben, bei dem Aktien ohne Stimmrechte ausgegeben würden. Eine Umsetzung der Bahn-Planung dürfte einen Parteitagsbeschluss erfordern. SPD-Fraktionschef Peter Struck wollte sich am Dienstag nicht auf das weitere Vorgehen festlegen. „Es ist unstrittig, dass die Deutsche Bahn frisches Geld braucht“, sagte er dem Tagesspiegel aber.
    Quelle: Tagesspiegel

  11. Nokia in Rumänien: “Neue Form der Sklaverei”
    Der rumänische Gewerkschaftsbund Cartel Alfa hat dem finnischen Handy-Hersteller Nokia vorgeworfen, in seiner neuen Fabrik im rumänischen Jucu die Arbeitszeit über das in Rumänien zulässige Maß hinaus verlängern zu wollen. Dies wäre “eine neue Form der Sklaverei”, sagte der Präsident von Cartel Alfa, Bogdan Hossu, wie die rumänische Nachrichtenagentur Mediafax berichtete. An den rumänischen Standort wird die Produktion des Handy-Werks in Bochum verlagert, das im Gegenzug geschlossen wird.

    Nokia wolle über eine Änderung des rumänischen Arbeitsgesetzes erreichen, dass die Arbeiter in Jucu für 60 bis 70 Stunden pro Woche zur Arbeit verpflichtet werden dürfen, sagte Hossu weiter. Derzeit seien höchstens 48 Stunden zulässig. Rumäniens Arbeitsminister Paul Pacuraru hatte vor einigen Tagen erklärt, Nokia habe bei ihm eine Änderung des Arbeitsgesetzes mit dem Ziel beantragt, dieses “flexibler” zu machen. Einzelheiten wurden nicht genannt.
    Quelle: Frankfurter Rundschau

  12. „Keine Bange“
    Reinhard Höppner, früherer Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, rät seinen hessischen SPD-Freunden, es ihm nachzutun und sich von der Linkspartei tolerieren zu lassen.
    Quelle: ZEIT
  13. Rechtsextremismus – Auf dem Marsch in die Mitte
    Die weit verbreitete Annahme, Rechtsextremismus sei ein rein ostdeutsches Problem, widerlegt diese Untersuchung auf bestechende Weise. In ihrem Buch …und morgen das ganze Land zitieren die Journalisten Michael Kraske und Christian Werner die Studie – und stellen weitere Stereotypen über die neuen Nazis und die heimliche oder offene Zustimmung zu ihren Positionen mit überzeugenden Argumenten infrage. Vor allem aber beschreibt ihr Buch den rasanten Aufstieg des modernen Rechtsextremismus, den erfolgreichen Strategiewechsel der Ewiggestrigen und die brutale Gewalt, mit denen Neonazis um “befreite Zonen” kämpfen. Kraske und Werner haben mit Opfern rechter Anschläge, mit Sozialarbeitern, Verfassungsschützern und Aussteigern aus der Szene gesprochen. Entstanden ist ein erschreckender, alarmierender Bericht. “Rechtsextremisten verstecken sich längst nicht mehr, sie kämpfen offen um die Macht in den Städten”, schreiben die Autoren.
    Quelle: FR
  14. Überforderte Schüler – das Milliardengeschäft Nachhilfe
    “Wer sich Nachhilfe nicht leisten kann, hat Pech gehabt”, so die Vorsitzende des Bundesverbands Nachhilfe- und Nachmittagschulen, Dr. Cornelia Sussieck. Eine gefährliche Entwicklung, glaubt Marianne Demmer: “Meine Befürchtung ist, dass die Chancen-Ungleichheit in Deutschland noch weiter zunimmt.”
    Quelle: ZDF
  15. Entstaatlicht die Schulen
    Als Monopolist hat der Staat seine Unfähigkeit bewiesen, gute Schulen zu betreiben. Private Träger könnten die Bildungslandschaft bereichern.
    Quelle: taz

    Anmerkung AM: Das ist ein aus dem Bauch geschriebenes Plädoyer, ohne dass der Autor das in der Tat vorliegende Problem zu Ende gedacht hat. Die folgenden Punkte 1 –3 sind herauskopierte Zitate – meines Erachtens Behauptungen, die alle nicht stimmen, beziehungsweise grob fahrlässige Verallgemeinerungen:

    • „Staatliche Schulen sind kostenlos, Schulen in freier Trägerschaft nehmen Schulgeld.“
      Falsch. Es gibt zum Beispiel viele Schulen in kirchlicher Trägerschaft, die kein Schulgeld verlangen.
    • „Die spannendsten pädagogischen Konzepte werden an Schulen in freier Trägerschaft gelebt, nur selten an staatlichen Schulen.“
      Falsch: Es gibt viele öffentliche Schulen, die neue pädagogische Konzepte und Unterrichtsmethoden erproben und anwenden, genauso gut und erfolgreich wie Schulen in privater Trägerschaft. Beispiele dafür sind öffentliche Schulen in München, in Rheinland-Pfalz, in Nürnberg und an vielen anderen Orten.
    • „Eines der größten Hindernisse für gute Schule ist heute die planwirtschaftliche Personalpolitik.“
      Auch das ist eine unsinnige Übertreibung. Da und dort mag das so sein. Ich kenne aber Regierungspräsidien und „Dienstleistungszentren“, die sich schon seit Jahrzehnten um eine sachlich orientierte und gute Personalpolitik kümmern. Wer da allgemein von „planwirtschaftlich“ spricht, hat keine Ahnung und will stattdessen denunzieren. Vor allem hat er keine Ahnung von den Zwängen, in denen die Dezernenten, oder wie sie auch immer heißen mögen, stecken. Sie müssen nämlich mit den Lehrern auskommen, die nach der Rosinenpickerei der Schulen in freier Trägerschaft noch übrig bleiben.
      Irgendwann beim flotten Schreiben dämmert dies auch dem Autor. Dann notiert er Punkt 4, siehe unten. Aber er versäumt der Frage nachzugehen, was dann passiert, wenn alle sich das Personal aussuchen können. Das ist der berühmte Fall des so genannten Theaterbeispiels in der Ökonomie: Wenn einer oder einige wenige aufstehen, um besser zu sehen, dann sind sie damit erfolgreich. Doch wenn alle zugleich aufstehen, dann sieht niemand mehr besser, aber alle haben noch zusätzlich die Last des Stehens zu tragen.
    • „Staatliche Schulen können sich etwa in aller Regel ihr Personal nicht aussuchen, sondern bekommen es vom Kreisschulamt zugewiesen.“
  16. Marketing statt Meinungsbildung
    Wer genauer auf die Zahlen aus New York sieht, dem fällt freilich auf, dass noch niemals so viele Medienleute Marketing und Beratungsarbeit geleistet haben wie im vergangenen Jahr. Hier scheint es Jobs zu schütten. Bei den Tageszeitungen dagegen gab es 1990 noch mehr als 450 000 Stellen, im Dezember 2007 nur noch 340000. Von den oben genannten 886 900 Stellen in der Medienindustrie widmet sich nur noch ein Bruchteil mit der Produktion von Inhalten. 769000 sind mit deren Vermarktung und Bewerbung beschäftigt.

    Man kennt diese Entwicklung aus anderen Industrien. Die Produktion wird von immer weniger gemacht; Verwaltung und der Verkauf von immer mehr. Es lässt sich schneller Profit machen mit dem, das schon da ist, als mit dem, das noch konstruiert werden muss.
    Quelle: FR

  17. Wie ist der Krieg der USA in Afghanistan völkerrechtlich zu bewerten?
    von Prof. Dr. Ali Khan, USA
    Der US-Rechtsprofessor Ali Khan vertritt die These, die vorsätzlichen Morde, die Nato-Truppen Woche für Woche in ärmlichen Dörfern in den abgelegenen afghanischen Bergen begehen, um die Taliban auszuschalten, seien nach internationalem Recht als Völkermord zu werten.
    Quelle: Zeit-Fragen
  18. Adiós mit Pathos
    Es gibt zwar nicht allzu viele Gründe, dem Kuba des Fidel Castro irgendwann nachzutrauern. Es gibt leider ebenso wenige, sich auf die absehbare Alternative unbegrenzt zu freuen.

    Seine Ära ist unwiderruflich vorbei. Und was für eine Ära. Fast 50 Jahre ist es her, dass Castro mit seinen Revolutionären die Macht auf der Insel übernahm. Einer Insel, die unter dem Diktator Fulgencio Batista zum einen ein preiswerter Puff für US-Amerikaner war, zum anderen ein Ort brutaler Ausbeutung der Mehrheit durch die Minderheit der Großgrundbesitzer. Man muss an diese Tatsachen aus zwei Gründen erinnern: um zu verstehen, dass am Anfang nicht kommunistischer Firlefanz stand und nicht autoritäre Herrschaft, sondern ein Akt der Befreiung aus brutaler Unterdrückung im direkten Einflussbereich der Führungsmacht der “freien Welt”. Und um zu begreifen, dass es selbst für Castro-kritische Kubaner wie eine Drohung klingen muss, wenn der aktuelle Präsident dieser Führungsmacht von Demokratie auf Kuba spricht.
    Quelle: FR

    Anmerkung AM: Ein wohltuender Text, wenn man noch im Ohr und im Auge hat, was gestern Abend zum Beispiel im Heute Journal an ideologischer Sauce über die Kuba fehlende Freiheit ausgegossen worden ist.