Mit der Rente „knapsen“

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Vielleicht kennt nicht jeder, der das liest dieses Wort. Oder auch das, was es meint. Doch es steht im Duden – mit der Erläuterung: umgangssprachlich für „geizen, eingeschränkt leben“. In unserem Zusammenhang erscheint die zweite Bedeutung treffender.
Von Kurt Pittelkau, Mitglied im Arbeitskreis Alterssicherung ver.di-Berlin.

In der ZDF-Sendung „Frontal21“ vom 6.11.2007 drückte es eine Rentnerin so aus:

Man muss eben sehen, dass man bis zum Monatsende mit der Rente auskommt und dass man das alles erledigt. Da muss man sparen und muss in die Geschäfte gehen, wo eben die Angebote sind.

ARD-„plusminus“ vom 5.2.2008 wiegelte dagegen ab. In dem an sich lobenswerten Bemühen, dem von BILD & Co. gemeinsam mit der dafür finanziell hochmotivierten Bank- und Versicherungslobby herbeigeschriebenen Ansehensverlust der gesetzlichen Rente etwas entgegenzusetzen, macht es vordergründig auf die jetzt noch „heile Welt“. Altersarmut? Ja, das ist wohl ein Problem von morgen, oder übermorgen, ein Problem der Kinder und Enkel. Falls die Rentenpolitik nicht umsteuert.
Ausgangspunkt der Sendung ist die Situation des Rentnerehepaares K.:

“Mit ihrer Rente kommen sie gut über die Runden. Ob dies auch für die nächste Generation gilt, da haben sie Zweifel.” Die Zwei leben klaglos. Schön für die beiden – und für alle, denen es ebenso geht. Dass sich das nicht so verallgemeinern lässt, sollte man wissen. Und sich um Ausgewogenheit bemühen!

Wie viele sind es, die inzwischen zu ihrer Minirente Grundsicherung beantragen? Ein paar hunderttausend auf jeden Fall, vielleicht bald eine Million? Pah – nicht mal eine Million! Also eine zu vernachlässigende Größenordnung? So sehen wir das nicht.

Jene mit einer gesetzlichen Rente über 1500 € (in 2006 nach Stat. Bundesamt 10,5 % der Männer, 0,3 % der Frauen im Westen, im Osten 5,5 % bzw. 0,2 %) vielleicht noch plus Betriebsrente, das allerdings praktisch nur im Westen, muss man nicht fragen, wie es ihnen wohl geht. Interessanter wäre diese Frage an die, deren Rente darunter liegt.

Der TAGESSPIEGEL (13.10.07) erläuterte:

Grundsicherung beziehen vor allem Menschen, die lange Zeit arbeitslos waren, so dass sie nur geringe Rentenansprüche aufbauen konnten. Da die Arbeitslosenquote in Berlin seit Jahren besonders hoch ist, gibt es in der Stadt auch auffällig viele Bezieher der Grundsicherung. … Im vergangenen Jahr musste Berlin 1,65 Mrd. Euro für die Grundsicherung ausgeben – mehr als die Hälfte der 3,1 Mrd. Euro, die alle deutschen Kommunen zusammen

dafür aufbringen mussten. Opfer der freien Marktwirtschaft oder verfehlter Wirtschaftspolitik? Bundesweit hatten 2006 rund 368.300 Personen im Alter von 65 Jahren und älter nach Antrag Grundsicherung erhalten, 8 % mehr als im Jahr davor. Im Durchschnitt 381 € monatlich (wobei auch die jüngeren Leistungsbezieher – wegen Erwerbsminderung – eingerechnet wurden).

Die Tendenz geht weiter in diese Richtung. Darüber gibt es kaum Meinungsverschiedenheiten. Das stellen nicht einmal die euphorischen Reden über den derzeitigen Aufschwung in Frage:

„Immer mehr Alte müssen zum Sozialamt!“ lese ich. Eine Allensbach-Umfrage zur deutschen Altersversorgung besagt: „Jeder Sechste rechnet damit, im Alter zu verarmen.“ Von den Jüngeren denken 22 % darüber nach, im Alter auszuwandern, sollte das Geld nicht ausreichen. Zitiert in: „Das Parlament“ (Nr. 31/07) Angesichts dessen kommen nun von verschiedener Seite Forderungen zu einer Reform der Grundsicherung.

Prof. Dr. B. Rürup, der Chef der „Wirtschaftsweisen“, sagte dem „Handelsblatt“ (2.1.), wer 35 Jahre in die Rentenversicherung eingezahlt habe, solle im Alter zumindest eine Rente erhalten, die „geringfügig über dem Niveau der Grundsicherung“ liegt. Ursula Engelen-Kefer, in ihrer Zeit als DGB-Vizevorsitzende engagierte Verteidigerin einer lebensstandardsichernden gesetzlichen Rente, erinnerte da sogleich daran („NachDenkSeiten“, 3.1.), dass „einschneidende Verschlechterungen des Niveaus der gesetzlichen Rentenversicherung“ mit dem Namen eben dieses Mannes verbunden sind. „Die pauschale Heraufsetzung des gesetzlichen Rentenalters auf 67 Jahre mit der Konsequenz höherer Abschläge bei den Renten … geht auf langjähriges Betreiben von Rürup zurück.“ Und nicht nur das!

Nach der Studie der Deutschen Rentenversicherung „Altersvorsorge in Deutschland“ (AViD 2005) ist im Gefolge heutiger Rentenpolitik für die vielen Langzeitarbeitslosen und Niedrigverdiener die Altersarmut vorprogrammiert. Im Osten, aber nicht nur dort.

Die höhere Dimension der Arbeitslosigkeit in den neuen Bundesländern schlägt dort bei den Alterseinkommen voll durch. … Der Anteil der ostdeutschen Männer, die Renten von weniger als 600 € beziehen, wird von 4 auf 28 % Prozent und für ostdeutsche Frauen von 18 auf 35 % steigen. Dies ist besonders problematisch, da sich das Alterseinkommen in Ostdeutschland zu 93 % aus der gesetzlichen Rente speist und sich dieser Anteil nur geringfügig vermindern wird.

So resümierte A. Buntenbach, DGB-Bundesvorstand, auf der Pressekonferenz zu der genannten Studie (22.11.07).

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