Betrifft den Kampf um Hessen – Zeichen für die Auszehrung demokratischer Verhältnisse

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

Man muss neidlos anerkennen: Der versammelten konservativen Rechten aus Union, Wirtschaft und Medien ist es im Falle Hessens wieder einmal gelungen, den Durchbruch einer alternativen Machtkonstellation auf der linken Seite des politischen Spektrums zu verhindern. Jetzt wird auch noch daran gestrickt, die Ursachen dieser die Demokratie bedrohenden Alternativlosigkeit und die Ursachen der Beschädigung der SPD zu vernebeln. Albrecht Müller.

Schuld sei Kurt Beck mit seinen einsamen Entscheidungen. Oder: „Andrea Ypsilanti zahlt nun den Preis für politische Dummheit.“ So die Frankfurter Rundschau in einem irren Leitartikel vom Samstag: „Abtreten, Ypsilanti und Beck!“. Natürlich wird weiter der so genannte Wortbruch als Ursache des Debakels festgemacht. Und die Zusammenarbeit mit den „Kommunisten“. Das Durcheinander. Das hin und her, so Bütikofer. Selbst einem Autor wie Franz Walter, der nicht völlig in die herrschenden Kreise eingebunden ist, fällt vor allem Vordergründiges und Abwegiges ein: die SPD stehe ohne Zentrum, ohne Mitte da. Kommunikationsfehler, mangelhafte Synchronisierung der Spitze seien schuld; anders als zu Wehners Zeiten hielten sich auch führende Sozialdemokraten nicht an gemeinsame Beschlüsse. Da stimmt schon der Hinweis auf Wehner, den großen Disziplinierer, nicht. Gerade Wehners Disziplinlosigkeit, von Moskau aus den damaligen Bundeskanzler und Parteivorsitzenden Brandt zu diffamieren („der Mann badet lau“), hat die noch heute spürbare personelle und programmatische Erosion der SPD kräftig befördert. Das ist ein kleines aber interessantes Detail zur aus meiner Sicht abwegigen Spurensuche nach den Ursachen dafür, dass eine linke Mehrheit unterm Volk machtpolitisch nicht wirksam wird.

Die eigentlichen Ursachen des Scheiterns einer Alternative in Hessen und der damit verbundenen Krise der SPD liegen viel tiefer, und sie markieren zugleich eine Bedrohung demokratischer Verhältnisse:

  1. Die innere Willensbildung der SPD – und der Grünen übrigens auch – ist über weite Strecken fremdbestimmt. Das gilt für die in der Praxis wirksame Programmatik, für die politische Strategie und für wichtige Personalentscheidungen. Die Scharniere dafür sind teils ideologischer, teils finanzieller Natur.

    Zur Begründung in Stichworten:

    Es ist schon seit der Wahl Willy Brandts zum Bundeskanzler im Jahr 1969 erkennbar, dass die konservative Rechte nicht nur versucht, mithilfe ihrer Medienmacht und ihrer finanziellen Macht Einfluss auf die Wählerinnen und Wähler zu bekommen, sondern auch die innere Willensbildung des politischen Gegners zu beeinflussen sucht. „Wir können nicht länger schweigen“ war eine Anzeige von Spitzenmanagern überschrieben, die im November 1971 erschien und u. a. die Steuerpolitik der SPD beeinflussen sollte. Diese Versuche halten bis heute an. Sie waren über weite Strecken erfolgreich. Am erfolgreichsten dann unter der Leitung von Gerhard Schröder.

    Die Anpassung an die konservativen Glaubensmuster begann in der rot-grünen Koalition schon vor der Wahl des damaligen Bundeskanzlers Schröder und seines Vize Fischer mit der Festlegung der beiden Personen im Oktober 1998 durch Präsident Clinton beim Antrittsbesuch in Washington, sich beziehungsweise unser Land an militärischen Einsätzen außerhalb des Nato-Bereichs zu beteiligen, konkret dann im März 1999 an der Intervention im Kosovo-Krieg. Das waren keine von innen heraus bei SPD und Grünen entwickelten Willensbildungsentscheidungen. Das war von außen über die Führung implementiert und dann mit massiver Propaganda vor und während des Krieges innerparteilich wie auch beim Volk insgesamt abgesichert.

    Auch der Verzicht auf eine aktive makroökonomische Politik zur Förderung der Beschäftigung und die damit zusammenhängende Anpassung an die Theorie der Monetaristen wie auch die Agenda 2010 waren über weite Strecken von außen bestimmt. Die Abkehr von der beschäftigungspolitischen Verantwortung folgt aus der Verinnerlichung der Sprüche der herrschenden Ökonomie über Keynesianische Instrumente. Die Agenda 2010 war über weite Strecken in konservativen Kreisen wie der Bertelsmann-Stiftung vorbereitet worden. Genauso die Entscheidung für die Förderung der Privatvorsorge mit Milliarden für die Riester-Rente und Rürup-Rente, die gleichzeitige Zerstörung der Leistungsfähigkeit der gesetzlichen Rente, die massive Forcierung der Privatisierung bis hin zur weiterhin bestehenden Absicht, die Bahn gegen den erkennbaren Mehrheitswillen von Volk und Sozialdemokraten zu privatisieren, die unentwegte Senkung von Unternehmenssteuern und gleichzeitig die Erhöhung der Mehrwertsteuer um drei Punkte entgegen dem Versprechen im Wahlkampf 2005, die Förderung der Heuschrecken durch Steuerbefreiung und Erleichterung des Zugangs auf den deutschen Markt, und so weiter.

    Mit einer eigenen Programmatik hat dies alles nichts mehr zu tun. Die SPD hat sich in ihrer praktischen Politik an die konservativen Inhalte angepasst. Das Hamburger Programm mit einem anderen Inhalt zu beschließen, widerlegt die Feststellung, dass sie sich in der politischen Praxis weitgehend angepasst hat, nicht.

    Bei den Grünen ist dieser Prozess mit Ausnahme des engeren Kapitels Umweltpolitik mindestens so sehr fortgeschritten.

    Beide Parteien haben sich auch in der Begründung für ihre so genannte Reformpolitik an die neoliberale Agitation angepasst. Sie haben über demographische Entwicklung und die angeblich völlig neue Herausforderung der Globalisierung genauso schwadroniert wie die neoliberalen Originale.

    Wichtige Vertreter sowohl der SPD als auch der Grünen hatten auch keine Scheu, sich mit den Kampagneros der liberalen Bewegung gemein zu machen: Sie arbeiteten mit der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft zusammen (Clement, Metzger, Gerster, Scheel zum Beispiel), sie lehnten sich an Bertelsmann und die Wirtschaft insgesamt an und machten bei so genannten Initiativen wie Konvent für Deutschland hemmungslos mit.

    Auch die politische Strategie des Umgangs mit der Linken ließ sich die SPD-Führung von außen vorschreiben. Als Stratege des konservativen Lagers konnte man sehr leicht darauf kommen, eine Stigmatisierung der Linken zu betreiben, um auf diese Weise jede Option für eine sozialdemokratisch geführte Regierung von Anfang an zu zerstören. Man hatte diese Strategie schon im Umgang mit den Grünen erprobt. Auch damals war sie wirksam. Auch damals, Ende der siebziger und in den achtziger Jahren, wurde diese Strategie mithilfe des Einflusses auf Personen im Führungszirkel der SPD umgesetzt.

    Dass diese Strategie im Interesse der konservativen Machterhaltung ist, ist klar, dass Sozialdemokraten sich als nützliche Idioten dieser Strategie einsetzen lassen, war damals bemerkenswert und ist heute wieder bemerkenswert. Das hat etwas mit den Ziffern 5 und 6 meiner Erklärungsversuche zum jetzigen Desaster zu tun. (Siehe unten)

    Die Stigmatisierung der Linken und das daraus folgende selbst verhängte Koalitionsverbot mit all seinen Konsequenzen kann man nur verstehen, wenn man die Ziffer 3 (siehe unten) mit in Rechnung stellt: die Hegemonie der konservativen Kräfte bei den Medien. Nur so war es möglich, völlig absurde und sich widersprechende Festlegungen zu treffen und wirr zu begründen. Eigentlich ist die Festlegung, Koalitionen mit der Linken im Osten ja, im Westen und im Bund nein auch rein logisch nicht nachvollziehbar. Gerade wenn man zum Beispiel so denkt wie die Darmstädter Abgeordnete Metzger und Koalitionen ablehnt wegen Mauerbau und Schießbefehl muss man Koalitionen mit den politischen Nachfolgern der SED gerade in Berlin oder in Mecklenburg-Vorpommern ablehnen. Oder sind die Nachfolger der SED im Osten unter- und plötzlich im Westen aufgetaucht? Solch absurdes Theater, solche Konstrukte kann man durchhalten, solange es den Meinungsführern unserer Medien gefällt.

    Aber schon beim ersten Versuch der Flucht aus dieser Festlegung wird man dann des Wortbruchs geziehen. Dass dieser Vorwurf nur an Andrea Ypsilanti und Kurt Beck hängen blieb, hat wiederum etwas mit der konservativen Dominanz bei den Medien zu tun.

    Dort werden am laufenden Band Wortbrüche geschätzt: von der Ablehnung der „Merkel-Steuer“ zur Erhöhung der Mehrwertsteuer um drei Punkte – ein Wortbruch, der nicht geahndet wurde, weil er den kleinen Leuten wehtut und zur die Forderung nach Senkung der Unternehmenssteuern passte.
    Auch der Wortbruch der Grünen in Hamburg – kein Problem.

    Und auch wenn die Grünen in Hessen mit der CDU koalieren – ein Wortbruch ohne Probleme.
    Unsere Medien hätten auch den Wortbruch hingenommen, der mit einer großen Koalition in Hessen auf Seiten beider großen Parteien zu verzeichnen gewesen wäre.

    Wie sehr Gehirnwäsche bei uns schon möglich ist, erkennen Sie an diesen Operationen. Es bedarf nur starker finanzieller und publizistischer Macht, dann ist zumindest bei der veröffentlichten Meinung und den bürgerlichen Meinungsführern die Implementierung jedes Unsinns möglich. Es muss nur oft genug und aus verschiedenen Ecken kommend wiederholt werden.

    Es bleiben die von außen gesteuerten Personalentscheidungen: Wolfgang Clement, Hans Eichel und Peer Steinbrück waren Wahlverlierer und hatten auch in der Sache nicht viel auf die Beine gestellt, als sie zur Überraschung kritischer Beobachter in Berlin promovierten. Einer innerparteilichen Willensbildung und Entscheidungsfindung war ihre weitere Karriere nicht zu verdanken. Möglich war dies, am besten sichtbar bei Wolfgang Clement, weil sie von konservativer Seite und vor allem von den damit verbundenen Medien gemocht und propagiert wurden. Bei Steinmeier ist das ähnlich.

    Becks Vorschläge für den inneren Zirkel der SPD-Führung mit einer – von Andrea Nahles abgesehen – kräftigen Schlagseite ins konservative Lager kann man gar nicht anders erklären als getragen von der Sorge, dass er, wenn er weniger konservative Politiker vorgeschlagen hätte, von den Medien hart kritisiert worden wäre. Das war vorauseilender Gehorsam – oder aber Kurt Beck denkt eben so wie Steinbrück, Steinmeier und Heil.

    Für Angela Merkel ist der konservative Einfluss auf die Personalentscheidungen der SPD ein sehr komfortabler Zustand. Wenn Politiker wie Steinmeier oder Steinbrück zu potentiellen Kanzlerkandidaten gemacht werden, von denen man aufgrund ihrer Spröde schon annehmen kann, dass sie verlieren, was will sie mehr?!

  2. Die SPD hat sich in den letzten 30 Jahren immer mehr ihrer eigenen inhaltlichen Vorstellungen entledigt. Sie hat den Anspruch auf inhaltliche Gestaltung des Landes nach eigenen Vorstellungen infolgedessen immer mehr aufgegeben.
  3. Die überwiegende Mehrheit der Medien ist in den Händen der Wirtschaft und der rechts-konservativen, politischen Kreise. Die SPD hat es wie die gesamte linke Seite insgesamt mit einer hohen, immer schwieriger zu überwindenden Medienbarriere zu tun. Kritische Medien gibt es kaum noch. Die Hegemonie der Konservativen und der Wirtschaft ist nahezu perfekt. Die Gleichschaltung ist erstaunlich weit gediehen. Gehirnwäsche ist möglich und wird praktiziert.

    Die Auseinandersetzung um die Entscheidung von Andrea Ypsilanti, sich zur Wahl zu stellen und notfalls von den Abgeordneten der Linken wählen zu lassen, hat schlaglichtartig gezeigt, wie einseitig die Medienlandschaft in der Bundesrepublik Deutschland inzwischen aussieht: von Pluralität in den Hauptmedien keine Spur, dafür um so mehr Bereitschaft zum Kampagnenjournalismus im Interesse der vorherrschenden Ideologie und ihrer politischen Arme.

    Wir haben in den NachDenkSeiten schon mehrmals in den letzten Wochen dokumentiert, wie eifrig und wie gleichgeschaltet Medien wie die Bild-Zeitung oder SpiegelOnline agiert haben. Wir konnten das am vergangenen Sonntag wieder beobachten – vom Presseclub über Anne Will bis in die Nachrichtensendungen immer das gleiche Thema und der gleiche Tenor. Wir müssen davon ausgehen, dass es unter den Chefredakteuren beziehungsweise sonstigen wichtigen Redakteuren wichtiger Medien eine Art von Telefonrundschaltung oder ein höfisches konkludentes Handeln gibt, das die Gleichschaltung garantiert und das immer wieder erlebte Brainwashing möglich macht.

    Es gibt keine Talkshow mehr, die nicht im Interesse der dominanten Kreise gesteuert wird. Es gibt nur noch ganz wenige Magazinsendungen, die die Meinung der Mehrheit der Bevölkerung zum Ausdruck bringen oder wenigstens thematisieren.

    Nicht nur die privaten kommerziellen Sender haben sich Wirtschaftsinteressen untergeordnet. Das gilt auch für die öffentlich-rechtlichen. Wenn einmal kritische Sendungen zum Beispiel zur Privatvorsorge ausgestrahlt werden, dann wie „Rentenangst“ am Sonntag in der Nacht um 23:30 h, während die Sendungen pro Privatvorsorge reihenweise zur besten Sendezeit und in Serie gelaufen sind.

    Die Printmedien sind nahezu geschlossen im konservativen Lager angelangt. In einer entscheidenden Phase hat sich jetzt auch die Frankfurter Rundschau eindeutig und massiv engagiert. Der oben zitierte Leitartikel ist ein Symbol dafür, ein Symbol für die Anpassung, aber zugleich auch für die Widersprüchlichkeit und mangelnde Qualität der konservativen Journaille. (Lesen Sie diesen Leitartikel, wenn Sie Zweifel an meiner Aussage haben. Er ist wirklich wegweisend für das, was uns in der nächsten Zeit erwartet) – Der Spiegel ist schon lange weg ins Lager der Kampagnenblätter. Andere Blätter wie die Süddeutsche Zeitung folgen leider. Die taz sozusagen gut zur Hälfte auch.

    Von großer Bedeutung für die mediale Konstellation in Deutschland insgesamt ist die Radikalisierung und Entdemokratisierung wichtiger Medien. Wenn die Bild-Zeitung, wie in ihrer Propaganda für die Privatvorsorge überdeutlich erkennbar, alle Hemmungen verliert und redaktionelle Arbeit und Werbung geplant vermischt, dann prägt sie damit den verletzenden Umgang mit solchen Regeln wie der Trennung von Werbung und redaktioneller Arbeit.

    Wenn die Bild-Zeitung und andere Blätter hemmungslos persönlich diffamieren und verhöhnen, wie das zum Beispiel beim Umgang mit dem Namen von Andrea Ypsilanti bei Bild gleich mehrmals geschah, dann werden die Maßstäbe bei anderen gleichfalls verschoben.

    Wenn die ARD beim Wahlabend in Hamburg dem Wunsch der CDU entsprechend schon bei der Abbildung der Wahlergebnisse die Wunschkonstellation zusammenrückt, also vom gewohnten Spektrum abweicht und Grün und Schwarz nebeneineinander platziert, dann verlieren die anderen Medienmacher sowieso ihrer Hemmung. Die Medien sind mit unsichtbaren kommunizierenden Röhren verbunden. Die eine Regelverletzung signalisiert dem andern die freie Fahrt für den nächsten Tabubruch.

    Zusammenfassend: Entscheidend und zugleich bedrohlich ist,

    • dass der kritische Verstand schwindet, mit der Folge, dass die mediale Begleitung und der mediale Druck auf eine gute Qualität der öffentlichen Meinungsbildung und damit auf eine gute Qualität der politischen Entscheidungen immer schwächer wird und
    • dass die Interessen der großen Mehrheit unseres Volkes – der Arbeitnehmer, des Mittelstands, der Rentner und der Arbeitslosen – nicht mehr vorkommen.
  4. SPD und Grüne problematisieren diese Entwicklung nicht einmal. Sie sind nicht fähig oder nicht willens, diese Gefährdung demokratischer Willensbildung wie auch ihrer eigenen Möglichkeiten offen anzusprechen. Damit bleibt diese Machtballung unreflektiert und unkritisiert, und deshalb kann sie sich immer mehr verankern.

    Sozialdemokraten und Grüne analysieren den Niedergang der Pluralität der Medien wie auch die Zugriffe außenstehender Ideologien auf die eigene Willensbildung nicht. Das ist zwar verständlich, weil jeder und jede, die das tun, sofort der medialen Verfolgung ausgesetzt sind. Man fährt als Politiker besser, wenn man sich der herrschenden Meinungsmacht anpasst.
    Die Richtigkeit dieser Beobachtung finden Sie heute jeden Tag neu bestätigt: Steinbrück, Steinmeier, Naumann, von Dohnanyi, Dagmar Metzger aus Darmstadt und Johannes Kahrs, der Sprecher der Seeheimer, kommen immer wieder vor und werden freundlich zitiert und interviewt. Und niemand fragt den Herrn Kahrs nach seinen Verbindungen zur Rüstungsindustrie.

    Auch diese unterschiedliche Behandlung von genehmen und nicht genehmen Politikern durch die Medien ist prinzipiell nichts Neues. Neu ist die geballte Einseitigkeit.

    Bei den Grünen kommt durch die Chance zu Schwarz-Grün noch hinzu, dass die führenden Personen dort die Dominanz der Wirtschaftsinteressen in den Medien gar nicht mehr so schlecht finden. Dieser Umstand wird ihnen nämlich künftig auch zugute kommen. Sie werden profitieren vom Kampf dieser Medien gegen SPD und Linke. Schon jetzt zeichnet sich ab, wie freundlich die Vertreter des Anpassungskurses der Grünen von den Medien behandeln werden. Von ihrem Wortbruch spricht niemand. Schwarz-Grün wird als staatstragend und innovativ gewürdigt. Der Verrat an der sozialen und sozialkritischen Tradition der Grünen wird ihnen von diesen Medien selbstverständlich nicht vorgehalten.

  5. Ein beachtlicher und mächtiger Teil der SPD-Führung hat den Willen zur Macht aufgegeben. Die wollen gar nicht federführend regieren. Ihnen kommt es vor allem auf die Durchsetzung neoliberaler Ziele an. Und vermutlich aufs Mitregieren.

    Wenn die Gegner der Zusammenarbeit oder zumindest der Duldung durch die Linke ein bisschen denken und rechnen würden, dann kapierten sie, dass sich die SPD ohne eine solche Öffnung auf Dauer völlig aus der Macht katapultiert. Siehe dazu auch „SPD im politischen Schachmatt“

    Vermutlich wissen sie das, denn so dumm kann man nicht sein. Daraus muss geschlossen werden, dass dieser Teil der SPD gar kein Interesse am Erringen der Kanzlerschaft hat. Dass dies so ist, ergibt schon eine Analyse des Begehrens von Müntefering und Schröder auf Neuwahlen im Jahr 2005. Der Neuwahlbeschluss vom 23. Mai 2005 war ein Beleg für den Verzicht auf die Kanzlerschaft. Es gab damals keine Chance, als rot-grüne Koalition nach der Wahl besser dazustehen als vorher. Daraus kann man nur den Schluss ziehen: Müntefering und Schröder wollten die Kanzlerschaft gar nicht mehr. Sie wollten mit dem Beschluss zu Neuwahlen und dem damit verbundenen Wahlkampf das Scheitern ihrer Reformpolitik überlagern und diese in einer neuen Koalition, der großen Koalition, retten. Alles andere, einschließlich der Rüpeleien Gerhard Schröders gegenüber Angela Merkel am Wahlabend 2005, waren Nebelkerzen. (Diese Einschätzung habe ich im einzelnen schon im Kapitel II Konkursverschleppung von „Machtwahn“ begründet.)

    Dass dies auch jetzt so ist, wird am Verhalten einschlägiger Personen wie Steinmeier erneut sichtbar.

    Und hier noch drei weitere Wegweiser bei der Spurensuche nach den Gründen der jetzigen Krise der SPD:

  6. Die Rechten in der SPD haben allenfalls dann Lust auf das Regieren, wenn sie innerhalb der SPD die Macht haben. Das gilt insbesondere für die Seeheimer, vermutlich aber auch für die Netzwerker.
  7. Die SPD rekrutiert ihr Personal nicht mehr auch über die inhaltliche Motivation, sondern im Wesentlichen über das Angebot, jedenfalls die Erwartung, von Karrieremöglichkeiten.
  8. Sie ist nicht mehr attraktiv für gut ausgebildete, sachlich engagierte, also an der Bewältigung von realen Problemen interessierte junge Leute. Karriere, vor allem lukrative Karriere, kann man wegen der Nähe der konservativen Parteien zur Wirtschaft eher dort machen.

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