Wasser in kommunaler Hand – faire Preise, keine Gewinnmaximierung und hervorragende Qualität

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Unter der Überschrift: „Kommunale Strukturen der Wasserwirtschaft haben Spitzenniveau – Vorrang von Gesundheits- und Umweltschutz dauerhaft sichern“ hat der Deutsche Städte- und Gemeindebund zum weltweiten Tag des Wassers am 22. März 2008 eine Pressemeldung herausgegeben. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Dr. Gerd Landsberg, erklärte darin weiter, dass eine sichere und umweltgerechte Abwasserentsorgung elementare Ansprüche des Bürgers seien, die die Städte und Gemeinden in Deutschland auch in Zukunft zu verträglichen Gebühren gewährleisteten. Der diesjährige Weltwassertag steht unter dem Motto: „Sichere Sanitärversorgung weltweit gewährleisten“.
Landsberg weist darauf hin, dass aufgrund erheblicher Investitionen der Städte und Gemeinden die Wasserver- und Abwasserentsorgung in Deutschland im internationalen Vergleich ein Spitzenniveau erreicht habe. In Deutschland könne Leitungswasser zu jeder Zeit und an jedem Ort bedenkenlos getrunken werden. Von Christine Wicht

Insgesamt seien von den über 6 000 überwiegend kommunalen Unternehmen im Bereich der Wasserversorgung seit 1990 mehr als 35 Milliarden Euro in die Erhaltung, Modernisierung und den weiteren Ausbau der Wasserversorgungsanlagen investiert worden, um den Verbrauchern jederzeit ein qualitativ hochwertiges Trinkwasser anbieten zu können. Kommunale Kooperationen und eine effiziente Betriebsführung werden nach Information des Deutschen Städte- und Gemeindebundes auch in den kommenden Jahren eine sichere Wasserversorgung auf hohem Niveau gewährleisten.

Landsberg warnte in diesem Zusammenhang davor, die bewährten Strukturen der Wasserversorgung zu Gunsten einer Liberalisierung des Wassermarktes in Frage zu stellen. Fragen der Trinkwasserqualität und der Verfügbarkeit von Leitungsnetzen seien bei Wasser völlig anders zu bewerten als etwa im Bereich der Stromwirtschaft. Daher sei die Trinkwasserversorgung im Leistungsspektrum kommunaler Unternehmen besonders gut aufgehoben, weil für die kommunale Wasserwirtschaft der Versorgungsauftrag der Bevölkerung oberste Priorität habe. Dieser Auftrag werde zwar mit unternehmerischen Mitteln, aber nicht unter Renditegesichtspunkten erfüllt.

Landsberg betonte weiter, dass Wasser eines der bestkontrollierten Lebensmittel sei. Wasser werde für durchschnittlich 1,70 Euro je Kubikmeter frei Haus geliefert. Hervorhebenswert sei zudem, dass trotz des hohen Qualitätsniveaus sowohl die Trinkwasserpreise als auch die kommunalen Abwassergebühren weitgehend stabil geblieben seien. Die Trinkwasserpreise seien in Deutschland im Jahr 2007 im Vergleich zum Vorjahr um weniger als 1,5 % gestiegen. Die durchschnittliche Preiserhöhung für Trinkwasser für Haushaltskunden läge damit, wie schon in den Vorjahren, deutlich unterhalb der Inflationsrate.

Auch im Bereich der Abwasserentsorgung sei in Deutschland eine stabile Gebührenentwicklung zu beobachten. Die durchschnittliche Gebührenerhöhung im Bereich der Abwasserbeseitigung habe in den Jahren 2005 und 2006 lediglich ca. 1,6 % betragen. Die Bürger hätten somit im Mittel lediglich 35 Cent für die Ableitung und Behandlung des Schmutz- und Niederschlagswassers pro Tag und Einwohner ausgeben müssen. Für den Abrechnungszeitraum 2007 und auch für 2008 erwartet der Deutsche Städte- und Gemeindebund eine vergleichbare Gebührenentwicklung.

Landsberg führte des Weiteren auf, dass Kommunen und deren kommunale Unternehmen mit jährlichen Investitionen von über 5 Milliarden Euro auch im Bereich der öffentlichen Abwasserbeseitigung einen wichtigen Beitrag zur Qualitätssicherung leisteten.

Die Bereiche der Daseinsvorsorge, zu denen das Wasser gehört, sichern und prägen die grundlegenden Lebensbedingungen unserer Gesellschaft. Daseinsvorsorge durch die öffentliche Hand hat in Deutschland eine seit über 100 Jahren bewährte Tradition. Sie orientiert sich an dem Grundgedanken, Leistungen in gleichbleibend hoher Qualität, flächendeckend und zuverlässig allen Bürgern sozial gerecht und diskriminierungsfrei zur Verfügung zu stellen. Die öffentliche Hand verfolgt dabei keine kurzfristigen Gewinninteressen, sondern zielt auf eine nachhaltige Sicherung der Lebensgrundlagen für alle und gewährleistet so die Einhaltung hoher Standards der Hygiene, des Gesundheits- und Umweltschutzes. Die Grundversorgung der Bürger gehört zum Kernbereich der kommunalen Selbstverwaltung. Gemeinden und Kommunen entscheiden selbst über Leistungen, die sie Ihren Bürgern zur Verfügung stellen. Mit der Gemeinwohlverpflichtung, jedem Bürger die gleiche Qualität, eine absolute Zuverlässigkeit und faire Preise zu garantieren, ist die kommunale Daseinsvorsorge zu einer wichtigen Säule unserer Gesellschaft geworden.

Unter den Maximen der vorherrschenden neoliberalen Wirtschaftspolitik wird an dieser Säule heftig gerüttelt. Weltweit wird von Konzernen, der Welthandelsorganisation, der Europäischen Union, Regierungen und Parlamenten eine Liberalisierungs- und Privatisierungspolitik vorangetrieben – auch im Bereich der Leistungen der Daseinsvorsorge. Es gibt jeodch eine Vielzahl von Beispielen, wonach Privatisierungen vor allem bei leitungsgebundenen Leistungen zu regionalen privaten Monopolanbietern oder flächendeckend zu wirtschaftlichen Oligopolen geführt hat. In der überwiegenden Zahl der Fälle führte dies zu keinen Verbesserungen für die Versorgung der Bürger im Vergleich zu staatlichen Monopolen – schon gar nicht bei der Preisbildung. Ganz im Gegenteil, bei privaten Investoren stehen naturgemäß Renditeerwartungen im Vordergrund, es gab sogar Beispiele bei denen Investoren Unternehmen der Daseinsvorsorge regelrecht ausgeschlachtet haben.

Hat sich der Staat erst einmal der Verantwortung entzogen, kann er aus seiner defensiven Position privaten Unternehmen gegenüber kaum noch Einfluss ausüben. ver.di verweist darauf, dass die Verbraucher eine kommunal verantwortete Trinkwasserversorgung einfordern würden, das habe eine Umfrage des dimap-Instituts ergeben, bei der mehr als 75 Prozent der Befragten eine Privatisierung in der Wasserwirtschaft ablehnten. Das wertvolle Gut Wasser dürfe nicht zum Experimentierfeld der Brüsseler Binnenmarktstrategen werden. Darin seien sich ver.di und die Verbände der Wasserwirtschaft einig.

Wie wichtig privaten Anlegern allerdings die Öffnung dieser Bereiche ist, verdeutlicht ein erneuter Versuch der Europäischen Kommission die Gesetzgebung über die Dienstleistungskonzessionen zu ändern, um damit privaten Anbietern die Türen zu kommunalen Betrieben weiter zu öffnen.
Mit einer neuen Richtlinie unternimmt die Europäische Kommission einen weiteren Vorstoß, auch die Wasserwirtschaft durch die Hintertür zu liberalisieren. ver.di-Bundesvorstandsmitglied Erhard Ott erklärte anlässlich des internationalen Tag des Wassers, dass ver-di diese Brüsseler Pläne kategorisch ablehne.

Wenn von der Europäischen Union eine Richtlinie mit dem Gebot einer europaweiten Ausschreibung erlassen würde, wären die Anbieter der öffentlichen Hand privaten Anbietern auf dem Markt gleichgestellt und würden gleich behandelt wie ein privater Anbieter. Daraus ergäbe sich für kommunale Versorger folgende Problematik: Da sie nicht nach dem Prinzip der Gewinnmaximierung arbeiten, sondern auf die Zukunft ausgerichtete, langfristig angelegte Investitionen tätigen, können sie kaum gegen private Anbieter konkurrieren, deren Planungshorizont viel kurzfristiger angelegt ist und die ihre Investitionstätigkeit an kurzfristigen Renditeerwartungen orientieren.

Hinzu kommt: Wenn öffentliche Unternehmen privaten Anbieter gleichgestellt sind, dann müssen auch kommunale Anbieter Steuern entrichten. Bislang müssen Städte, Gemeinden und Kommunen, als Bereiche des Staates keine Steuern an die öffentliche Hand abführen.

Thomas Fritz von der Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Umwelt und Entwicklung e.V., Blue 21, hat in einem Papier „Daseinsvorsorge unter Globalisierungsdruck die Problematik der Ausschreibungspflicht dargelegt,

… dass es den staatlichen Stellen freigestellt ist, ob sie eine Dienstleistung selbst erbringen oder einen öffentlichen oder privaten Dritten damit beauftragen. Solange sie die Dienstleistungen selbst erbringen, unterliegen sie nicht den Vergaberegeln, sobald aber eine Übertragung an Dritte stattfindet, muss ausgeschrieben werden. Umstritten ist aber, wie all jene aus der öffentlichen Verwaltung ausgegliederten Einrichtungen zu behandeln sind, die sich nach wie vor in staatlicher Abhängigkeit befinden (z.B. Eigenbetriebe, Zweckverbände, Eigengesellschaften). Nach Urteilen des Europäischen Gerichtshofes sind sogenannte „Inhouse-Geschäfte“ von der Ausschreibungspflicht ausgenommen, wenn a) der öffentliche Auftraggeber über die beauftragte Einrichtung eine Kontrolle ausübt „wie über seine eigenen Dienststellen“ und b) die Einrichtung Tätigkeiten „im Wesentlichen“ nur für den Auftraggeber ausübt und keine eigene Entscheidungsgewalt besitzt (BMWA 2003: 60f.). Der BDI geißelt die „Taktik der öffentlichen Hand“, vermehrt derartige Einrichtungen auszugründen und sich von ihnen ohne vorherige Ausschreibung Leistungen erbringen zu lassen (BDI 2000: 24). Der Verband Kommunaler Unternehmen VKU fordert dagegen, „der Inhousegedanke ist grundsätzlich weiter auszubauen“ und lehnt eine generelle Ausschreibungspflicht ab (VKU 2003: 15). Die Kommission schließlich versucht in ihrem Grünbuch die Rechtslage so auszulegen, als verstoße die ausschreibungsfreie Inhouse- Vergabe grundsätzlich gegen die Wettbewerbsregeln. Nach ihrer Interpretation handelt es sich bei Inhouse-Leistungserbringern „um Unternehmen, so dass sie den Wettbewerbsbestimmungen des Vertrags unterliegen“ (Europäische Kommission 2003: 28). Ihre Beauftragung könne „auf eine Vertragsverletzung hinauslaufen“. Dies treffe schon dann zu, wenn es „eine alternative Methode zur Erfüllung der Verpflichtungen gibt, die weniger wettbewerbsverzerrende Auswirkungen hätte“ (ebd.). Nach dieser weitreichenden Interpretation läuft die Beauftragung öffentlicher Einrichtungen bereits dann auf eine Vertragsverletzung hinaus, wenn Private ebenfalls in der Lage sind, dieselben Aufgaben zu erfüllen. In der Tendenz verringert sich mit dem immer restriktiver ausgestalteten EU-Vergaberecht die Möglichkeit, öffentliche Einrichtungen mit der Erbringung von Daseinsvorsorgeleistungen zu betrauen. Von der ständig erweiterterten Ausschreibungspflicht profitieren all jene transnationalen Konzerne, die sich schon jetzt mit der Erfüllung öffentlicher Versorgungsaufträge ein lukratives Standbein im gesamten EU-Raum geschaffen haben. Je enger zudem die Zulässigkeit staatlicher Beihilfen für öffentliche Unternehmen ausgelegt wird, umso geringer sind deren Chancen, sich gegen Privatanbieter behaupten zu können.“ (Quelle: www.blue21.de [PDF – 68 KB])

Die Liberalisierung und Privatisierungsbestrebungen öffentlicher Bereiche und staatlicher Betriebe stehen schon seit geraumer Zeit auf der Prioritätenliste der Brüsseler Strategen. Zu lukrativ sind die Bereiche der öffentlichen Hand, als das sie aufgegeben werden können. Im Hintergrund finden seit Jahren Aktivitäten statt, die der EU-Bürger kaum wahrnimmt. So haben die Coalition of Service Industries (CSI), der Verband der US-amerikanischen Dienstleistungsindustrie, der Europäische Runde Tisch (ERT), dem unter anderem Vertreter der Konzerne E.ON und Suez angehören und der europäische Arbeitgeberverband UNICE (Union of Industrial und Employers Confederation of Europe) ihre Fäden gezogen, um eine Liberalisierung und Privatisierung ehemals staatlicher Bereiche voranzutreiben.

Für global agierende Konzerne ist der Dienstleistungssektor in Deutschland ein lukratives Geschäftsfeld. Es gibt viele Gründe warum private Anbieter immer wieder Vorstöße zur weiteren Liberalisierung der Daseinsvorsorge starten, ein Grund ist beispielsweise, dass die öffentliche Hand, mit den Geldern der Bürger, im Laufe der Jahre die Anlagen, gerade den Bereichen Strom, Wasser, Abwasser, Bahn, Öffentlicher Nahverkehr mit aufwendigen Investitionen aufgebaut hat. Da eine hervorragende Infrastruktur bereits vorhanden ist, können Konzerne jedenfalls über einen längeren Zeitraum kräftig Gewinne abschöpfen und zunächst nur die nötigsten Erhaltungsinvestitionen tätigen müssen. Das private Geschäft mit der Daseinsvorsorge ist besonders attraktiv, weil jeder Bürger von sauberem Trinkwasser, Müllentsorgung usw. abhängig ist. Der Anbieter kann von einer weitgehend stabilen Nachfrage nach diesen elementaren Gütern ausgehen. Aus diesen Gründen ist es für private Investoren ausgesprochen lukrativ, an den Kundenstamm der öffentlichen Hand zu kommen. Neben der Öffnungspolitik für private Investoren im Bereich der Daseinsvorsorge, gibt es eine weitere Strategie kommunaler Betriebe und Unternehmen der Daseinsvorsorge für Anleger sozusagen sturmreif zu schießen. Durch die Steuersenkungspolitik wird die öffentliche Hand so weit geschwächt, dass sie die Aufgaben der Daseinsvorsorge in vielen Bereichen nicht mehr ausreichend oder zufriedenstellend erfüllen kann. Aufgrund der Finanznot der öffentlichen Träger zusammen mit der aufkommenden Unzufriedenheit an den öffentlichen Leistungen entsteht ein Klima, das den Kommunen eine Privatisierung attraktiv erscheinen lässt. Damit kommen private Investoren zum Zuge, übernehmen die öffentlichen Unternehmen und schlagen Kapital aus den Leistungen, die sie den Bürgern meist zu höheren Preisen anbieten.

Laut einer aktuellen Pressemeldung der Thüringer Staatskanzlei hat die Europäische Kommission ihre Pläne, die Vergabe von Dienstleistungskonzessionen europarechtlich bis ins Detail zu regeln, inzwischen auf unbestimmte Zeit zurückstellt. Denn die Mitgliedstaaten reagierten auf dieses Vorhaben mit erheblichem Widerstand. Europaminister Wucherpfennig erklärt dazu: „Unser Widerstand gegen den Brüsseler Regelungseifer hat sich ausgezahlt. Weniger ist mehr in diesem Fall. Neue gesetzliche Regelungen zum Vergabewesen auf europäischer Ebene sind überflüssig wie ein Kropf. Mit der Entscheidung, die Kommissionspläne auf Eis zu legen, behalten die deutschen Kommunen ihre Handlungs- und Entscheidungsspielräume.“ (Quelle: www.thueringen.de)

Die Bürger stehen in vielen Fällen die Entwicklung der Privatisierung sensibler Sektoren ablehnend gegenüber und wehren sich. So beispielsweise zu Beginn des Jahres in Leipzig. Leipzigs Oberbürgermeisters Burkhard Jung (SPD) hatte beabsichtigt 49,9 Prozent der Leipziger Stadtwerke an den Konzern Gaz de France/ Suez zu verkaufen. Die Parteien CDU und FDP drängten darauf, auch noch weitere kommunale Betriebe an private Investoren zu veräußern. Dagegen bildete sich heftiger Widerstand in der Bevölkerung. Im endgültigen Abstimmungsverfahren stimmten 149.000 Leipziger gegen den Verkauf, das waren rund 87 Prozent der abgegebenen Stimmen. Eine Sprecherin des französichen Multikonzerns Gaz de France/Suez sagte seinerzeit, dass dies das Ergebnis eines demokratischen Entscheidungsprozesses sei. Der Konzern werde nach anderen Möglichkeiten suchen, um auf dem deutschen Markt weiter Fuß zu fassen. Suez sitzt am Runden Tisch in Brüssel und wird ein derart lukratives Geschäftsfeld nicht kampflos aufgeben.

Es sind jedoch weitere Vorstöße zur Änderung der Vergabekonzessionen aus Brüssel zu erwarten. Umso wichtiger ist es, dass Bürger die Entwicklung auf Brüsseler Ebene verfolgen und von kritischen Medien über Hintergründe informiert werden, damit sie auf demokratischer Ebene mit Bürgerbegehren und Volksabstimmungen reagieren können.

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