Hillary Clinton, die Lieblingskandidatin der Kriegspartei

Diana Johnstone
Ein Artikel von Diana Johnstone

Hillary Clinton fühlte sich lange Zeit als gesetzte Präsidentschaftskandidatin der Demokraten. Auch deshalb, weil sie auf die Unterstützung der US-Eliten, der großen Geldgeber und nicht zuletzt des Militärisch-industriellen Komplexes zählen kann. Bernie Sanders verkörpert das genaue Gegenteil, wurde lange Zeit belächelt und in vielen Medien u.a. als Populist diskreditiert, hat sich aber für Clinton zu einem ernstzunehmenden Gegner entwickelt, der für wirklichen Wandel steht. Der sogenannte Super Tuesday kann nun nicht nur bei den demokratischen Vorwahlen wegweisend sein. Die US-Amerikanerin und Journalistin Diana Johnstone zeigt in ihrem Buch Die Chaos-Königin – Hillary Clinton und die Außenpolitik der selbsternannten Weltmacht, das jetzt im Westend Verlag erscheint (288 Seiten, 20 Euro), dass Hillary Clinton nicht nur im Vergleich zu Sanders, sondern auch generell keine gute Wahl ist. Diana Johnstone verdeutlicht anhand zahlreicher Episoden aus Clintons Karriere, die auf das Fehlen eigener Prinzipien und einen unbedingten Aufstiegswillen hindeuten, dass sie schon seit geraumer Zeit eine der Speerspitzen der aggressiven US-Politik ist. Ein Auszug.

Die Bevölkerung der USA ist der Illusion verfallen, die »Ausnahmenation« zu sein, deren Auftrag die »Gestaltung« der Welt ist. Diese Illusion wird durch die vereinten Bemühungen der Massenmedien, der Intellektuellen des Verteidigungsestablishments, der Unterhaltungsindustrie und der mit Letzterer eng verbundenen Politiker und Kommentatoren aufrechterhalten. Hinter dieser Show steht eine Reihe von Sponsoren.

Um zu wissen, wer diese Sponsoren sind, kann man sich die Liste der Spender der Clinton-Stiftung ansehen, die Millionen von Dollar angeblich für Wohltätigkeit gegeben haben – aber für eine Wohltätigkeit, die vor allem ihnen selber nützt. Zu den Spendern im zweistelligen Millionenbereich gehören Saudi-Arabien, der pro-israelische Oligarch Viktor Pintschuk und die Saban-Familie, zu den Spendern im einstelligen Millionenbereich Kuwait, ExxonMobil, die »Freunde Saudi-Arabiens«, James Murdoch, Katar, Boeing, Dow Chemical Company, Goldman Sachs, Walmart und die Vereinigten Arabischen Emirate. Dann gibt es noch Geizhälse wie die Bank of America, Chevron, Monsanto, Citigroup und die unvermeidliche Soros-Stiftung, die lediglich Beträge im Bereich von etwa einer halben Million Dollar gespendet haben. Was haben die Clintons an sich, was sie so attraktiv macht, gerade für Saudi-Arabien?

Mit Freunden wie diesen braucht man auch Feinde. Und Hillary Clinton weiß, wo diese zu finden sind – in Ländern, die jenen edlen Spendern verhasst sind. In ihrem verzehrenden Ehrgeiz, die erste Präsidentin der Vereinigten Staaten zu werden, hat Hillary Rodham Clinton aus sich eine Figur der kollektiven Einbildung gemacht, indem sie in die Rolle der Topverkäuferin der Interessen der herrschenden Oligarchie geschlüpft ist.

Sie verlegte ihr Interesse vom Eintreten für Kinderrechte, einem für das große Geld unattraktiven Gebiet, auf die Förderung militärischer Macht (»die einzige Sprache, die sie verstehen«). Sie verbreitete die Botschaft, die US-Einmischung in andere Länder sei durch den großzügigen Wunsch motiviert, »unsere Ideale« in die fernen Winkel der restlichen Welt zu bringen. Sie ist schnell bereit, andere Staatsoberhäupter mit entmenschlichender Verachtung zu behandeln, erklärt gern, sie hätten »keine Seele« oder »kein Gewissen«, und tut sie als Kreaturen minderer Art ab, die »gehen müssen«. Sie »verspricht sich«, kann aber daran nichts Verkehrtes sehen. Wer in der Politik tut das nicht? Ihre Aufgabe besteht nicht darin, die Wahrheit zu sagen, sondern darin, eine Geschichte zu erzählen. Sie geriert sich immer noch als Frau, deren einziger Ehrgeiz darin besteht, »die Glasdecke zu durchbrechen« – aber zum Wohl aller Frauen, die danach endlich, Hillary sei Dank, Zugang zu all den Top-Posten im Land haben werden. Kurz, sie hat auf ihrem Karriereweg an die Spitze sämtliche Stereotypen und Klischees über den »Ausnahmecharakter Amerikas« eingesetzt. Hillarys Amtszeit als US-Außenministerin war zumindest in einer Hinsicht ein großer Erfolg: Sie ist zur Lieblingskandidatin der Kriegspartei geworden. Und das ist offenbar auch ihr Hauptziel gewesen.

Aber die Person Hillary Clinton ist keineswegs das ganze Problem. Das wirkliche Problem sind die Kriegspartei und der Würgegriff, in dem sie die US-Politik hält. Ein Grund, weshalb es so wenig Widerstand dagegen gibt, liegt darin, dass die von der Kriegspartei vom Zaun gebrochenen Waffengänge sich für die US-Amerikaner kaum wie Kriege anfühlen. Sie müssen nicht mit ansehen, wie ihre Häuser in Trümmer gelegt werden. Die Drohnen-Armada macht Schluss mit der Unannehmlichkeit von Veteranen, die nach »Bodeneinsätzen« mit einem posttraumatischen Stresssyndrom nach Hause kommen. Der Krieg aus der Luft wird immer sicherer, ferner, unsichtbarer. Für die meisten US-Amerikaner sind die Kriege ihres Landes nur Teil der Unterhaltungsindustrie, etwas, das man im Fernsehen mitbekommt, aber mit dem man selten direkt konfrontiert ist. Diese Kriege bringen einem etwas ernsthafte Unterhaltung für die Steuerdollar, die man zahlt, und sind nicht wirklich Sache von Leben und Tod.

Tatsächlich scheint es kaum noch von Bedeutung, was in diesen Kriegen geschieht. Die USA führen nicht einmal mehr Krieg, um zu gewinnen, sondern nur, um dafür zu sorgen, dass die andere Seite verliert. Hillary Clinton warf Wladimir Putin einmal – durchaus zu Unrecht – vor, er sei Anhänger eines »Nullsummenspiel[s]: Wenn der eine gewinnt, muss ein anderer verlieren.« Die Vereinigten Staaten jedenfalls spielen ein noch schlimmeres Spiel, nämlich ein »No-Win«-beziehungsweise ein »Lose-Lose«-Spiel, bei dem die andere Seite verliert, bei dem aber auch die USA nicht gewinnen. Es sind letztlich die Kriege eines Spielverderbers, die geführt werden, um wirkliche oder eingebildete Feinde loszuwerden, und bei denen am Schluss alle schlechter dastehen als zu Anfang. Die US-Bevölkerung wird konditioniert, sich an diese negativen Kriege zu gewöhnen, deren erklärtes Ziel darin besteht, irgendetwas zu beseitigen – sei es ein Diktator, sei es der Terrorismus oder seien es Menschenrechtsverletzungen.

Die Vereinigten Staaten streben die Vorherrschaft in der Welt an, indem sie die anderen Mitspieler vom Spielfeld werfen. Dabei sind »unsere Ideale« Teil des Kollateralschadens. Mit ihrem Durchgreifen gegen innere Feinde, der »Homeland Security« und dem »Patriot Act« opfern die USA nicht nur ihre eigene Freiheit. Sie untergraben damit auch den Glauben an die progressiven Werte selbst, und ebenso den an Demokratie, Fortschritt, Wissenschaft, Technologie und sogar an die Vernunft. Indem sie sich lauthals mit diesen Werten identifizieren, fördern die Vereinigten Staaten in Wirklichkeit deren Ablehnung, da sie in zunehmendem Maß nur noch als Feigenblatt für US-Aggressionen erscheinen. Was bringen demokratische und liberale Ideale, wenn sie zu Vorwänden reduziert werden, um Krieg führen zu können?

Und doch ist sicher, dass zahllose US-Amerikaner Gegner der Kriegspartei sind – und zwar wesentlich mehr, als dem Pro-Kriegs-Establishment klar ist. Aber zugleich fühlen sich diejenigen, die durch die Kriegsgefahr zunehmend alarmiert sind, außerstande, etwas dagegen zu tun. Das liegt daran, dass die Kriegspartei unser Zweiparteiensystem fest im Griff hat.

Im März 2015 schrieb der Kolumnist und stellvertretende Finanzminister der Reagan-Administration Paul Craig Roberts: »Die Auslagerung von Arbeitsplätzen hat die Industrie und die Branchengewerkschaften der USA zerstört. Ihr Niedergang und der gegenwärtige Angriff auf die Gewerkschaften des Öffentlichen Dienstes haben dazu geführt, dass die Demokratische Partei finanziell von denselben organisierten privaten Interessengruppen abhängig ist wie die Republikaner. Beide Parteien dienen nun denselben Interessengruppen. Wall Street, der Militärisch- und Sicherheitsindustrielle Komplex, die Israel-Lobby, das Agrobusiness und die Rohstoffindustrien (Öl, Bergbau, Holz) üben die Kontrolle über die Regierung aus, egal, welche Partei an der Macht ist. Diese mächtigen Interessengruppen betrachten alle eine Hegemonie der USA als vorteilhaft für sich. Die Folge ist, dass dieses Kräftekonstellationssystem internen politischen Wandel ausschließt.«

Und er schloss: »Die Achillesferse dieser Hegemonie ist die US-Wirtschaft.«

Wenn Roberts Recht hat – und es ist schwer erkennbar, wo er im Unrecht ist –, wäre das Einzige, was die Amerikaner von ihrer kriegerischen Fiktion befreien könnte, ein wirtschaftlicher Zusammenbruch. Das ist keine schöne Aussicht, und es ist gar nicht angenehm, auf eine ökonomische Katastrophe als Ausweg setzen zu müssen, um eine nukleare Vernichtung zu verhindern. So bleibt nichts übrig, als zu hoffen, dass die US-Bevölkerung zur Vernunft kommt und einen Weg findet, der Kriegspolitik ein Ende zu setzen und zu einer konstruktiven Art des Umgangs mit der Welt zu gelangen. Ein solches gutes Ende ist theoretisch möglich, scheint aber aufgrund des politischen Systems der USA sehr unwahrscheinlich.

Die US-Präsidentschaftswahlen sind im Wesentlichen ein großes Unterhaltungsdrama. Milliardenschwere Sponsoren schicken zwei sorgfältig geprüfte Wettbewerber in die Arena und sind sich sicher, so oder so zu gewinnen. Das intellektuelle Niveau des Streits zwischen Republikanern und Demokraten erinnert immer mehr an das der Zirkuswettrennen mit grünen Streitwagen auf der einen und blauen Streitwagen auf der anderen Seite, die das Byzantinische Reich spalteten. Bei der Präsidentschaftswahl 2016 werden die Partei der guten Cops und die der bösen Cops sich heftig über Fragen der Innenpolitik streiten, bevor dann im Kongress sowieso alles wieder zum Stillstand kommt. Aber in Wirklichkeit ist das wichtigste Thema die Kriegsfrage.

Da die Kriegspartei beide Zweige des Zweiparteiensystems dominiert, lässt die Erfahrung der letzten Jahre darauf schließen, dass die Republikaner einen Kandidaten nominieren, der so schlimm ist, dass Hillary Clinton sich neben ihm gut ausmacht.

Aber nehmen wir einmal an, ein Wunder geschieht, und nach einer echten Revolte der Bevölkerung nominiert eine der Parteien einen »Friedenskandidaten«. Das wäre ein gutes Zeichen, aber nicht genug. Wir erinnern uns, wie Obama »Veränderung« versprach und darin so überzeugend war, dass einige (angeblich) naive Juroren in Norwegen ihm sogar den Friedensnobelpreis verliehen. Danach ging er im Hinblick auf sinnlose, aggressive Kriegsaktionen sogar noch weiter als seine Vorgänger – wobei es aber auch Augenblicke des Zögerns gab, Augenblicke, die wir von Hillary Clinton nicht erwarten können.

Selbst der aufrichtigste Friedenskandidat braucht ein Friedensteam, mit dem er bei seinem Machtantritt die Kriegspartei im Weißen Haus und im Außenministerium ersetzen kann. Trotz seiner Fensterreden hatte Obama kein Friedensteam und überließ daher die Macht derselben alten Kriegspartei.

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