Eine große linke Sammlungspartei für einen neuen New Deal schaffen

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Zusammenfassung der wichtigsten Aussagen des in der Pariser Tageszeitung Le Monde vom 24.4.2008 erschienenen Debattenaufsatzes von Jean-Pierre Chevènement; Originaltitel „Un grand parti de gauche pour un New Deal“.

Chevènement sieht die tiefere Ursache der jüngsten Finanzkrisen in der von den USA durchgesetzten, neoliberalen Globalisierung seit dem Ende der New Deal-Ära (diese Ära setzt C. zwischen 1945-1979 an, meint also national den unbedingten Vorrang der Vollbeschäftigungspolitik im Wohlfahrtsstaat und international das Bretton-Wood-Abkommen).

Die fortschreitende Liberalisierung der Waren- und Kapitalmärkte mit dem Dollar als Leitwährung habe ökonomisch zur unumschränkten Dominanz des Finanzkapitals und politisch zur Hegemoniestellung der USA geführt, die sich über ihre multi-nationalen Konzerne die Kontrolle über die wichtigsten Welt-Rohstoff-Ressourcenvorkommen verschafft hätten. Spekulations-Exzesse des liberalisierten globalen Kapitalverkehrs und massenhafte Überschuldung der amerikanischen Privathaushalte seien die Auslöser der aktuellen Finanzkrise gewesen.

Unter Hinweis auf die historische Analyse des Yale-Professors Paul Kennedy („Aufstieg und Fall der großen Mächte“, Frankfurt/M 1989) meint Chevènement, die USA könnten durch die territoriale Überdehnung ihres Herrschaftsraums die Rolle einer dominierenden Weltmacht nicht mehr wirklich wahrnehmen und könnten auch auf längere Sicht die Herausbildung der sich abzeichnenden multipolaren Welt (mit den Zentren Europa, Russland, China, Indien, Brasilien) nicht verhindern.
Europa stehe heute vor der Frage, ob es neokonservativer amerikanischer Hegemonial-Politik folgen und als Westblock zusammen mit den USA in internationale Konflikte hineingezogen werden wolle oder ob es auf die globale Durchsetzung internationalen Rechts (unter dem Dach der UNO) setze, das allein Garant für dauerhaften Frieden in einer multipolaren und multikulturellen Welt sein könne.

Sowohl der Internationale Währungsfonds IMF als auch die Welthandelsorganisation WTO hätten sich in ihrer gegenwärtigen Verfasstheit als zur Eindämmung der internationalen Finanzkrise unfähig erwiesen und niemand könne heute ernsthaft behaupten, noch mehr internationaler Freihandel könne neues Wirtschaftswachstum anschieben. Zum staatlichen Management der aktuellen Finanz-Krise seien selbst in ultra-liberalen Industrieländern staatliche Interventionen und Verstaatlichungen wieder selbstverständliches Mittel der Politik geworden, wenn auch mit den Verstaatlichungen oft nur Verluste sozialisiert worden seien. Die große aktuelle Finanzkrise müsse jetzt von der Linken dazu genutzt werden, alle gängigen liberalen Glaubenssätze – vom ungebremsten Freihandel über die systematische Zurückdrängung des Staates bis zur Opferung selbst hoch entwickelter moderner Industrien dem Dogma des „freien Wettbewerbs“ – kritisch auf den Prüfstand zu stellen und alternative Politik-Szenarien (für Frankreich, Europa und die Welt) zu entwerfen. Hierzu seien u.a. die EU-Verträge aufgrund der bisherigen Erfahrungen zu reformieren.

Speziell im Hinblick auf Frankreich ist Chevènement der Meinung, die Niederlagen der französischen Linken bei den Präsidentschaftswahlen der Jahre 1995, 2002 und 2007 seien keine Zufallsereignisse gewesen, sondern logische Konsequenz verloren gegangener Bodenhaftung linker Politik in Bezug auf die reale Lebens- und Arbeitswelt der „kleinen Leute“ („couches populaires“). Nur der „Elektroschock“ der Neugründung einer großen Sammlungspartei könne die Linke in Frankreich wieder mehrheitsfähig machen. Die Programmatik dieser Partei müsse – an die Tradition eines Jean Jaurès anknüpfend – innergesellschaftliche und internationale Solidarität miteinander verbinden und die Partei müsse im Sinne einer fruchtbaren Diskussion neben „realpolitischen“ auch „radikal-utopische“ Strömungen zu Wort kommen lassen. Am Ende müsse ein sowohl den Herausforderungen unserer Zeit gerecht werdendes als auch den Interessen der Bevölkerung entsprechendes politisches Projekt stehen.
Die politische Linke sei angesichts der globalen Finanz-Krise dazu aufgerufen, dem neoliberal ausgerichteten Kapitalismus ihre Vision eines „neuen“ New Deals monetärer, sozialer und Umwelt schonender Politik-Regularien entgegen zu setzen und zum Thema internationaler Konferenzen zu machen.

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