Hinweise des Tages

Ein Artikel von:

(KR/WL)

Heute unter anderem zu folgenden Themen:

  • Koalitionskompromiss zu Mindestlöhnen
  • Biokraftstoffe und Klimaschutz
  • Zur Privatisierung, speziell der Bundesdruckerei
  • Zur Schadensersatzklage der Stadt Hagen gegen die Deutsche Bank
  • Joseph Stiglitz zum Untergang des Neoliberalismus
  • Zu Profilierungsversuchen innerhalb der Union
  • Zum Lobbyismus
  • Walter Riester und Abgeordnetenwatch
  • ZEW-Studie zur angeblichen Benachteiligung von Familienunternehmen in Deutschland
  • Miegel mal wieder auf allen Kanälen
  • Kürzungen bei Hartz IV-Kindern finanzieren höheres Kindergeld
  • Neues Unterhaltsrecht beschlossen: Risikofaktor Kind
  • Deutsche Wirtschaft fordert Milliarden für Hochschullehre – von Studierenden

Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.

Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. DGB: Mindestlohngesetze mit großen Pferdefüßen
    „Als einen nicht ausreichenden Kompromiss mit großen Pferdefüßen“, hat das zuständige DGB-Vorstandsmitglied Claus Matecki den Kabinettsbeschluss zu Mindestlöhnen bezeichnet. Es bedürfe wesentlicher Nachbesserungen im Gesetzgebungsverfahren, um beide Gesetzentwürfe akzeptabel zu gestalten, erklärte er am Mittwoch in Berlin. Matecki forderte die SPD-Bundestagsfraktion und die CDA-Abgeordneten auf, entsprechende Initiativen und Änderungen im Bundestag zu ergreifen. Denn die jetzigen Gesetzentwürfe seien nicht geeignet, Existenz sichernde Mindestlöhne durchzusetzen.

    Hauptkritikpunkt sei die Tatsache, dass tarifierte Dumpinglöhne so genannter christlicher und anderer Mini- oder Pseudogewerkschaften nach dem Mia, dem Mindestarbeitsbedingungengesetz, praktisch Bestandsschutz erhalten sollen, erklärte Matecki. Damit laufe das ganze Vorhaben ins Leere und bringe keine Vorteile für betroffene ArbeitnehmerInnen.

    Auch im neu gefassten Entsendegesetz sieht die Bundesregierung Möglichkeiten vor, repräsentative Mindestlohntarifverträge auszuhebeln, beklagte Matecki. Denn wenn für zwei oder mehr Tarifverträge die Allgemeinverbindlichkeit nach dem Entsendegesetz beantragt wird, soll der Verordnungsgeber die widerstreitenden Grundrechtsinteressen „zu einem schonenden Ausgleich“ bringen. In der Praxis dürfte das darauf hinauslaufen, dass eine Entscheidung zu Gunsten geringerer Entgelte getroffen wird. Auch das könne der DGB nicht akzeptieren, weil es zur Absenkung von repräsentativen Tarifverträgen der DGB-Gewerkschaften führen dürfte, wenn gleichzeitig Minigewerkschaften und ihre vertragsschließenden Arbeitgeberverbände niedrigere Mindestlöhne beantragen.
    Quelle: DGB

    Anmerkung WL: Es wird künftig (vielleicht) mehr Mindestlöhne geben, möglicherweise für eineinhalb Millionen Beschäftigte, aber es wird keinen gesetzlichen Mindestlohn geben. Stattdessen soll es gleich zwei Gesetzesnovellen geben, nämlich im Arbeitnehmer-Entsendegesetz und im (seit den fünfziger Jahren geltenden) Mindestarbeitsbedingungsgesetz (MIA).

    Es ist aber erstens noch völlig unklar, in welchen Branchen ein Mindestlohn gelten soll. Bisher gibt es einen Mindestlohn auf dem Bau, beim Abbruchgewerbe, beim Dachdecker- und Malerhandwerk, bei der Gebäudereinigung und den Briefdienstleistern. Die Aufnahme in das Entsendegesetz haben momentan acht Wirtschaftszweige mit insgesamt 1,4 Millionen beantragt, darunter Zeitarbeitsfirmen, Pflegedienste, Wach- und Sicherheitsgewerbe, Bergbauexperten, private Forstbetriebe, die Weiterbildungsbranche, die Abfallwirtschaft und Großwäschereien. Dabei ist die Zeitarbeitsbranche besonders problematisch, weil es dort divergierende Interessen unter der Arbeitgeberseite gibt.

    Selbst wenn es in diesen neuen Branchen zu Mindestlöhnen käme, bleibt offen, ob diese existenzsichernd sein werden.

    Ein weiteres Problem ergibt sich, wenn es in diesen Branchen Tarifverträge gibt, die von Mini- oder Spaltergewerkschaften abgeschlossen wurden und die zumeist erheblich niedrigere Löhne vorsehen als etwa die Verträge der DGB-Gewerkschaften. In diesem Fall seien „mit besonderer Sorgfalt die von einer Auswahlentscheidung betroffenen Güter von Verfassungsrang abzuwägen und die widerstreitenden Grundrechtsinteressen zu einem schonenden Ausgleich zu bringen“. Claus Matecki vom DGB befürchtet nicht zu unrecht, dass diese schwammige Formel eher zu einem Unterlaufen der höheren DGB-Tarife führen dürfte.

    In Branchen, in denen Tarifverträge bisher kaum eine Rolle spielen, soll künftig nach der Novelle des MIA ein Verfahren vorgegeben werden, in dem Mindestlöhne staatlich festgesetzt werden können. Ein Hauptausschuss, gebildet aus Arbeitgebern, Gewerkschaften und „neutralen Experten“, soll eine Empfehlung abgeben. Über die Höhe des Mindestlohns in einer bestimmten Branche befindet wiederum ein Fachausschuss, beziehungsweise das Bundeskabinett, nachdem der Fachausschuss dem Arbeitsministerium eine entsprechende Empfehlung gegeben hat. Matecki befürchtet, dass nach dem MIA künftig „tarifierte Dumpinglöhne so genannter christlicher oder anderer Mini- oder Pseudogewerkschaften praktisch Bestandsschutz erhalten“, denn diese Löhne sollen auch künftig gezahlt werden können.

    Claus Schäfer vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung meinte dazu gegenüber der „jungen Welt“: „Es wurden so viele Unsicherheiten und Hürden in die Gesetze eingebaut, dass die Umsetzung eher schwierig wird“. Es sei bezeichnend, dass sich die Koalition nicht einmal über die Aufnahme weiterer Branchen ins Entsendegesetz einigen konnte. »Hier bahnt sich offenbar schon der erste Interpretationskonflikt an«, so Schäfer.

    Siehe auch:

    Ein neuer Trippelschritt
    Quelle: Die Zeit

    Siehe auch:

    Robert von Heusinger: Abschwung für alle
    Zwar hat das Kabinett mit zwei Gesetzen den Weg zu mehr Mindestlöhnen frei gemacht, wie Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) zu Recht feststellte. Das Problem ist ein anderes: Diese Bundesregierung wird den Weg nicht beschreiten. Beim Mindestlohn steht sie still. Sie schafft Gesetze, mit denen manches möglich wäre. Aber sie wird ihre eigenen Gesetze nicht oder nur in Randbereichen anwenden. Neue Paragrafen zu schaffen ist der erste Schritt, der ohne den zweiten wertlos ist.

    Zwar simulieren die SPD und ihr Arbeitsminister gern Bewegung, und sei es nur, um die Linkspartei nicht weiter davoneilen zu lassen. Aber all das Getue mit zwei neuen Gesetzen kann über das Entscheidende nicht hinwegtäuschen: Die Union will keine Mindestlöhne. Und die SPD hat nicht die Macht, sie dazu zu zwingen. Nicht einmal die Kanzlerin könnte dies, selbst wenn sie es wollte. Merkel aber möchte vor allem Ruhe im Laden, damit sie möglichst ungestört ihre Regierungszeit bis zum vorgesehenen Zeitpunkt zu Ende bringen kann.

    Dafür muss sie der SPD, dem angeschlagenen Koalitionspartner, gelegentlich etwas bieten, damit dieser nicht Amok läuft. Also bekommen die Sozialdemokraten mit Merkels Hilfe zwei Gesetze, mit denen ein SPD-Kanzler flächendeckend Mindestlöhne einführen könnte. Den SPD-Kanzler aber gibt es nicht.
    Quelle: FR

    Anmerkung: Man möchte noch hinzufügen: Und damit es auch künftig keinen SPD-Kanzler gibt, der den Mindestlohn umsetzen müsste, plädiert Steinbrück für die Fortsetzung der Großen Koalition.

  2. Biokraftstoffe tragen kaum zum Klimaschutz bei
    Die Förderung von Biokraftstoffen in der EU, den USA und Kanada trägt nur minimal zum Klimaschutz bei, sie verursacht aber für Verbraucher und Steuerzahler jährlich Kosten in zweistelliger Milliardenhöhe. Dies geht aus einer Studie zu den ökonomischen Effekten der Biokraftstoffförderung hervor, die die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) heute in Paris vorgestellt hat.
    Quelle: OECD

    Anmerkung WL: Nun sollte man bei Studien der wirtschaftsfreundlichen OECD immer sehr vorsichtig sein, denn es könnten hinter solchen Untersuchungen auch immer die Interessen der Energiemonopole stecken, dennoch wollen wir Sie auf diese Publikation hinweisen.

  3. Nochmals Privat statt Staat – Bürger zahlen drauf
    Hier das Manuskript der Sendung.
    Quelle: Frontal 21 [PDF – 52 KB]
  4. Bundesdruckerei: Käufer gefunden
    Das Bundesfinanzministerium wird die Bundesdruckerei offenbar an eine Risikokapitalgesellschaft verkaufen. Nach einem internen Papier, das SPIEGEL ONLINE vorliegt, ist bereits ein Börsengang der Gelddrucker vorgesehen.
    Quelle: Spiegel Online

    Das war die Meldung vom 15. 11. 2000. Heute sieht die Situation so aus:

    Bieterverfahren für Bundesdruckerei gescheitert
    Die Bundesdruckerei gilt als Beispiel einer misslungene Privatisierung. 2000 hatte der damalige Bundesfinanzminister Hans Eichel das Unternehmen mit Sitz in Berlin-Kreuzberg für gut eine Milliarde Euro an den Finanzinvestor Apax verkauft. Dieser bürdete dem Unternehmen wie in der Branche üblich hohe Schulden auf, führte es damit aber an den Rand der Pleite. 2002 stieg Apax wieder aus, seither gehört der frühere Staatsbetrieb dem Treuhänder Heinz-Günter Gondert von der Anwaltskanzlei Clifford Chance. Die Auktion der Bundesdruckerei ist Regierungskreisen zufolge abgeblasen worden. “Der Bieterwettbewerb ist beendet”, sagte eine mit dem Vorgang vertraute Person am Dienstag der Nachrichtenagentur Reuters. Der Bund werde seine gestundeten Forderungen von rund 300 Millionen Euro nun in eine 25,1-Prozent-Beteiligung an dem Hersteller von Pässen, Ausweisen und Banknoten umwandeln, hieß es in der Bundesregierung. Nach Vorstellungen der Regierung soll die Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba)[HLAG.UL] die restlichen 74,9 Prozent übernehmen, wie Reuters aus Finanzkreisen erfuhr. Sie ist seit dem ersten, gescheiterten Privatisierungsversuch der zweite Hauptgläubiger der Bundesdruckerei.
    Quelle: Reuters

  5. Schadenersatzprozess gegen Deutsche Bank: Stadt Hagen geht weitgehend leer aus
    Die Deutsche Bank hat im Streit mit Kommunen und lokalen Unternehmen um riskante Zinsgeschäfte einen weiteren Teilerfolg erzielt. Das Landgericht Wuppertal wies am Mittwoch eine Schadenersatzklage der Stadt Hagen in Höhe von rund 50 Millionen Euro ab. Allerdings muss das Kreditinstitut im Fall der Klage einer städtischen Tochter rund eine Million Euro zahlen. Stadt und Tochter hatten der Bank vorgeworfen, nur unzureichend auf die Risiken der Swapgeschäfte hingewiesen zu haben. Dem Gericht zufolge war die Beratung gegenüber der Stadt ausreichend, nicht jedoch bei der Tochter.
    Quelle: FAZ.Net

    Anmerkung: Das war im Prinzip auch nicht anders zu erwarten. Wer sich im Kasino an den Spieltisch setzt, müsste wissen, dass er sein verlorenes Geld nicht einklagen kann. Dem Kasino Betrug nachzuweisen dürfte immer schwer fallen.

  6. Joseph Stiglitz: Das war’s, Neoliberalismus
    Die Finanzkrise und die Probleme der Entwicklungsländer zeigen: Ein Vierteljahrhundert nach Reagonomics und Thatcherismus ist die neoliberale Idee gescheitert. Daraus müssen die Regierungen nun ihre Lehren ziehen. Dieser Marktfundamentalismus bildete die Basis von Thatcherismus, Reaganomics und dem sogenannten Washington-Konsens. Der diente als theoretische Grundlage, um Privatisierung und Liberalisierung zu forcieren, sowie unabhängige Zentralbanken, die sich auf die Bekämpfung der Inflation und sonst nichts konzentrieren.

    Nach über einem Vierteljahrhundert des Wettbewerbs unter den Entwicklungsländern stehen die Verlierer fest: Länder, die einen neoliberalen Kurs verfolgten, verloren ihre Wachstumsgewinne. Und wenn sie Wachstum verzeichnen konnten, profitierten davon in überproportionaler Weise die Eliten.

    Obwohl die Neoliberalen es nicht zugeben wollen, fiel ihre Ideologie auch bei einem anderen Test durch. Niemand kann nämlich behaupten, dass die Finanzmärkte in den späten 90er-Jahren ihre Aufgabe der Ressourcenverteilung brillant bewältigten. Der neoliberale Marktfundamentalismus war immer eine politische Doktrin, die gewissen Interessen diente. Sie wurde nie von ökonomischer Theorie gestützt, ebenso wenig von historischen Erfahrungen. Wenn diese Lektion jetzt gelernt wird, wäre das ein Hoffnungsschimmer hinter der dunklen Wolke, die momentan über der Weltwirtschaft hängt.
    Quelle: FTD

  7. Debatte über Profil der CDU
    Christian Wulff fordert eine konsequente Reformpolitik. Der nordrhein-westfälische Regierungschef Jürgen Rüttgers warnte dagegen die Union davor, die wachsenden Abstiegsängste der Bürger zu ignorieren. CDU-Präsidiumsmitglied Wolfgang Schäuble sagte, das Thema soziale Gerechtigkeit sei zwar bedeutsam, müsse aber »in der globalen Perspektive« gesehen werden.
    Quelle: PR Inside

    Anmerkung WL: Es ist sicherlich kein Zufall, dass dieser Beitrag in einer Public Relations-Website veröffentlicht wurde. Die PR-Leute wissen schließlich, wie man ein Produkt an möglichst viele Leute verkaufen kann. Die Macher der CDU wissen vermutlich genauso gut, wie sie ihre Partei für möglichst viele Wähler wählbar machen: Man muss öffentlich ein breites politisches Spektrum darstellen. Da spielt dann Rüttgers den Arbeiterführer, Wulff und Schäuble geben den Wirtschaftsflügel und die Kanzlerin fährt ungefährdet den Agenda-Kurs weiter.

    Ergänzende Anmerkung Orlando Pascheit: Man muss sich nur diesen Satz von Wolfgang Schäuble auf der Zunge zergehen lassen, um zu begreifen, wie zynisch und abgehoben unsere Politiker agieren: “Natürlich ist die Spanne zwischen denen, die bei uns nicht ruhig schlafen können, weil sie für ihr ererbtes Millionenvermögen Steuern zahlen müssen, und denen, die mit Hartz IV auskommen sollen, gewaltig. Aber wenn wir uns anschauen, wie die Lebenschancen für Chinesen, für Inder oder für Südamerikaner sind, relativiert sich das.”

    Der Mann hat sich verpflichtet, “Schaden vom deutschen Volke abzuwenden”, und hat nicht angesichts eines für ein hochentwickeltes Landes unwürdigen Sozialgefälles das Scheitern seiner Regierung mit faulen Vergleichen zu kaschieren.

  8. Der Drehtüreffekt: Aus dem Kanzleramt zur Energielobby – und andere Seitenwechsel
    Hildegard Müller, bislang Staatsministerin im Bundeskanzleramt, soll laut Handelsblatt ab Oktober den Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW) führen. Am 25. Juli soll der BDEW-Vorstand darüber entscheiden. Eine offizielle Bestätigung gibt es noch nicht. Das ist nur der neueste Drehtür-Fall. Rechtlich interessant ist insbesondere der Wechsel von Joachim Wuermeling zur Versicherungslobby.
    Quelle: LobbyControl

    Siehe dazu auch:

    Vertraute oder bald Abtrünnige
    Hildegard Müller schweigt. “Kein Kommentar”, lässt die Staatsministerin im Kanzleramt ausrichten. Aber die 41-jährige CDU-Politikerin tritt den Gerüchten auch nicht entgegen, sie stehe vor einem Wechsel in die Wirtschaft. Der “Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft” (BDEW) sähe sie gern an der Spitze ihrer Geschäftsführung. In der Lobbyorganisation sind die Stromkonzerne, aber auch die Stadtwerke zusammengeschlossen. In Zeiten, da viel über niedrige Sozialtarife und maximale Profite der Unternehmen gesprochen wird, wäre eine verbindlich auftretende, in der Öffentlichkeit gewandte Frau sicher ein Gewinn für die Außenvertretung der Branche.
    Quelle: FR

    Kommentar Orlando Pascheit: Elegant umschifft die FR die Förderung der Politikerkarriere durch die Dresdner Bank in einer Nebenbemerkung. Was ist nur mit unserer Presse los, dass sie den eventuellen Wechsel einer einflussreichen Politikerin aus dem engsten Umkreis der Macht in die Wirtschaft auf die Frage reduziert, ob bis zum Ende der Wahlperiode zugleich ihr Parlamentsmandat behalten will. Zugleich wird die arme Kanzlerin bedauert, die ihre wichtigsten Vertrauten an die Wirtschaft verliert. Kein Wort wird über die langjährigen Verquickungen unserer Energieversorger mit der Politik verloren (z.B. Müller, Tacke, Clement). Da wird dann Hildegard Müller an der Spitze des Bundesverbands für Energie- und Wasserwirtschaft sitzen und uns erklären, dass die horrenden Gewinne der Energieversorger Voraussetzung für eine konkurrenzfähige Verzinsung des benötigten Kapitals für den dringend erforderlichen Aus- und Umbau der Netze seien.

  9. “In der Lobby brennt noch Licht” – Lobbyismus-Tagung im September
    Nach “Lobbyismus als politisches Schattenmanagement in Politik und Medien” fragt eine Tagung vom Netzwerk Recherche und Forschungsjournal Neue Soziale Bewegungen am 19. und 20. September in Berlin.

    Die Tagung soll anhand konkreter Fallstudien das Themenfeld Lobbyismus mit seinen Grauzonen ausloten und nach den Chancen einer demokratischen Kontrolle des Lobbyismus fragen: reicht ein freiwilliger Verhaltenskodex für Lobbyisten oder brauchen wir ein obligatorisches Lobbyregister? Ist eine „Karenzzeit“ zwischen dem Wechsel vom Parlament in Lobbyfunktionen erforderlich? Muss der Einfluss der Lobbyisten auf Gesetze verbindlich dokumentiert werden? Welche Transparenzregeln sind sinnvoll?
    Quelle: LobbyControl

    Anmerkung: Bertelsmann wird in den Tagungsunterlagen von Netzwerk Recherche wieder einmal mit keinem Wort erwähnt.

    Siehe dazu:

    Netzwerk Recherche ohne Berührungsängste zur Bertelsmann Stiftung. Nicht mehr zu verstehen.

  10. Walter Riester verweigert sich auch abgeordnetenwatch
    „Sie können meiner Antwort an Frau … vom 29.05.08 entnehmen, dass ich die Korrespondenz über Abgeordnetenwatch nicht mehr weiterführen werde. Viele Anfragen die ich über Abgeordnetenwatch erhalten habe, gingen immer wieder auf gleiche Sachverhalte zurück, die bereits in der vorausgegangen Korrespondenz von mir beantwortet wurden.

    Aus diesem Grunde möchte ich hier nochmals die Gelegenheit nutzen, um darauf hinzuweisen, dass ich auch weiterhin gerne bereit bin sachliche Fragen persönlich zu beantworten. Hierfür möchte ich Sie aber bitten, mir Ihre Fragen auf den üblichen Kommunikationswegen – per Brief oder per E-Mail unter Angabe Ihrer Adresse – zukommen zu lassen.“
    Quelle: abeordnetenwatch

    Anmerkung: Riester verweigert nicht nur die Diskussion mit Blüm, sondern auch mit den Bürgern. Die Fragen werden zu lästig.

  11. Studie: Unattraktiver Standort für Familienunternehmen
    Deutschland landete bei der Untersuchung, in der das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) im Auftrag der Stiftung Standortfaktoren in 18 Industrieländern verglichen hat, lediglich auf Rang zwölf. Die attraktivsten Standorte für Familienbetriebe sind demnach Großbritannien, Dänemark und die Schweiz. Schlusslicht ist Italien.

    „Nirgendwo sonst werden Einstellungen und Kündigungen von Arbeitnehmern durch Bestimmungen und Vorschriften so stark beeinflusst wie in Deutschland“, sagte Studienleiter Friedrich Heinemann. Diese starke Regulierung gehe auf Kosten der Flexibilität, die gerade für Familienunternehmen besonders wichtig sei. Sie sei die Grundlage, um wettbewerbsfähig zu bleiben und dynamisch zu wachsen, sagte Heinemann. Für die Studie wurden die Bereiche Steuern, Arbeitskosten, Regulierung, Finanzierung und Infrastruktur in den verschiedenen Ländern verglichen.

    Punkten konnte der Standort Deutschland bei der Infrastruktur. Der Ausbau des Straßennetzes sowie die Anbindung an den Bahn- und Flugverkehr seien vergleichsweise gut, ergab die Studie. Dies gelte auch für die Informations- und Kommunikationsstruktur. Auch die Kreditversorgung und die Finanzierungsmöglichkeiten für Familienunternehmen seien besser als in vielen anderen Industriestaaten, sagte Heinemann.

    Weit hinten landete Deutschland dagegen bei den Arbeitskosten und der Produktivität. Grund dafür seien vor allem überdurchschnittlich hohe Personalzusatzkosten wie Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung oder Urlaubsgeld, sagte der ZEW-Studienleiter. Während in Deutschland eine Arbeitsstunde durchschnittlich 41,50 Euro koste, seien es im Durchschnitt der untersuchten Länder 38 Euro pro Stunde. Zu schaffen mache den Familienunternehmen auch eine relativ hohe Steuerbelastung.
    Quelle 1: Personal-Magazin

    Anmerkung Martin Betzwieser: Das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung GmbH ist alles andere als ein neutrales Wirtschaftsforschungsinstitut. Präsident und wissenschaftlicher Leiter ist Professor Wolfgang Franz, Mitglied im Sachverständigenrat; solche Querverweise wirken bei Pressemitteilungen ja zunächst seriös. Im wissenschaftlichen Beirat fallen neben zahlreichen Unternehmensvertretern und Wissenschaftlern/innen sofort Arbeitgeberpräsident Dr. Dieter Hundt und Prof. Dr. Beatrice Weder di Mauro (Sachverständigenrat, Uni Mainz, Kollegin von Raffelhüschen im Aufsichtsrat des ERGO-Versicherungskonzerns) auf. Im Aufsichtsrat finden wir u.A. den Versicherungsvertreter mit Professorentitel Axel Börsch-Supan. Und das ZEW hat einen Förderkreis, der im Wesentlichen aus Großunternehmen, Versicherungsunternehmen und Finanzdienstleistern besteht. Wenn es also um so prickelnde Themen wie Lohngestaltung, Sozialversicherung, Renteneintrittsalter 67 oder Lohnnebenkosten geht, dürfte klar sein, welches erkenntnisleitende Interesse hinter einer solchen Studie steht.

    Quelle 2: ZEW (Wolfgang Franz)

    Quelle 3: ZEW (Wissenschaftlicher Beirat)

    Quelle 4: ZEW (Aufsichtsrat)

    Quelle 5: ZEW-Förderkreis

    Anmerkung WL: Ganz typischerweise stellt die ZEW-Studie auf die Arbeitskosten ab. Die Kosten pro Stunde werden von der Arbeitgeberseite ständig als Propagandamittel zur Senkung der Löhne ins Feld geführt. Für die Wirtschaftlichkeit eines Unternehmens sind die Arbeitskosten jedoch ein nachrangiger Indikator. Viel entscheidender sind die Lohnstückkosten, also die Kombination der Arbeitskosten mit der Produktivität. Beim Lohnstückkosten-Index liegt Deutschland aber eher am Tabellenende – schon wenn man die Zuwächse der letzten Jahre vergleicht.

    Die gleiche, arbeitgeberbezogene Sicht bei den „Personalzusatzkosten“: Das Statistische Bundesamt hat in einem europäischen Vergleich festgestellt: Im Vergleich mit 27 EU-Staaten liegt Deutschland beim Gesamtanteil der „indirekten“ Arbeitskosten auf Platz 14, bei den per Gesetz vorgeschriebenen Arbeitgeberbeiträgen zur Sozialversicherung sogar nur auf Rang 17.
    Um es noch konkreter zu sagen:

    Die Handwerkskammern in Bayern etwa veranschlagten 2003 die Kosten für eine Handwerkerstunde auf 43 Euro. Davon sind 4,70 Euro (= 10,9 %) Sozialabgaben (Rest: 13,60 Euro Betriebskosten und Gewinn, 12,30 Euro Bruttolohn, 6,50 Euro tarifliche und freiwillige Sozialleistungen und 5,90 Euro Mehrwertsteuer). Würde man die Sozialabgaben gar um 2 Prozentpunkte senken, würde dies die Kosten einer Handwerkerstunde um ganze 25 Cent senken. Die Nachfrage nach Handwerkerleistungen würde das wohl kaum erhöhen.

  12. Gescheiterte Einwanderung: von der Armut in die Armut
    Mit einem gemeinsamen “Aktionsprogramm” wollen Arbeits- und Innenministerium den Zuzug hochqualifizierter Fachkräfte nach Deutschland erleichtern. Unternehmer halten die geplante Regelung schon jetzt für nicht ausreichend und fordern mehr. Um gezielt mehr Fachkräfte nach Deutschland zu locken, plädiert beispielsweise der Vorsitzende des Bundesverbandes Junger Unternehmer, Dirk Martin, für eine Punkteregelung, wie sie in Kanada praktiziert wird.

    Quelle 1: ZDF – Frontal21 (Text) [PDF – 52 KB]

    Quelle 2: ZDF – Frontal21 (Video)

    Anmerkung: Es ist schon erstaunlich, welcher qualitative Unterschied zwischen zwei aufeinander folgenden Beiträgen eines Politmagazins besteht. War die Reportage über den Irrsinn von PPP trotz der knappen Zeit eine gelungene Zusammenfassung der Problematik, scheint sich dieser Beitrag ausschließlich an Arbeitgeberinteressen zu orientieren. Zu Bildungs- und Finanzdefiziten bei Migranten/innen spricht ausgerechnet Demographie-Papst und Werbemaskottchen der Versicherungsindustrie Meinhard Miegel.

    Wer nach der Sendung Frontal21 in die ARD umschaltete, erlebte ein kleines Déja-Vu. In der Sendung PlusMinus gab es zum Thema „Arbeiten im Alter – warum Ältere aus dem Job gedrängt werden“ schon wieder den „Sozialwissenschaftler“ Meinhard Miegel.

    Quelle 1: ARD – PlusMinus (Text)

    Quelle 2: ARD – PlusMinus (Video)

  13. Schreckgespenst Altersarmut: Was tun, wenn die Rente nicht reicht?
    Das Rentensystem ist besser als sein Ruf. Es hat dafür gesorgt, dass Altersarmut zu einer Randerscheinung geworden ist. Nur zwei Prozent der Senioren müssen derzeit ihr Altersgeld durch die staatliche Grundsicherung aufstocken lassen. In einigen Jahren wird sich das dramatisch ändern. Geringverdiener, Minijobber, Teilzeitbeschäftigte, Langzeitarbeitslose – sie alle werden später eine gesetzliche Rente beziehen, die zum Leben nicht reicht.

    Studiogäste:

    • Dirk von der Heide, Deutsche Rentenversicherung Bund
    • Eberhard Beer, Die Alten Hasen GmbH
    • Bernd Katzenstein, Deutsches Institut für Altersvorsorge

    Quelle 1: Deutschlandradio (Text)

    Quelle 2: Deutschlandradio (Podcast)

    Anmerkung: Diese Dauerwerbesendung für private/kommerzielle Altersvorsorge ist zwar schon vier Wochen alt, aber Leser/innen, die sich für das Thema und die damit verbundene Meinungsmanipulation interessieren, lohnt es sich. Immerhin erwähnte der Moderator, dass Gesellschafter des Deutschen Institutes für Altersvorsorge Unternehmen der Deutschen-Bank-Gruppe sind – das war dann auch das Maximum an Transparenz in dieser Sendereihe. Bernd Katzenstein durfte unwidersprochen behaupten, das Institut sei neutral und unparteiisch; er selbst habe nur aufgrund der absoluten Neutralität einen Arbeitsvertrag beim Institut. Dass er auch noch als Redakteur und Moderator für den Finanzdienstleister MLP tätig ist, erfährt in dieser Radiosendung niemand.

    Quelle 3: Deutsches Institut für Altersvorsorge (DIA)

    Quelle 4: Nachdenkseiten vom 06.03.2007

    Quelle 5: Nachdenkseiten vom 30.08.2007

  14. Kürzungen bei Hartz IV-Kindern finanzieren höheres Kindergeld
    Die neu gründete Bündnisplattform “Kinderarmut durch Hartz IV” wirft Finanzminister Peer Steinbrück vor, seine im Haushaltsentwurf 2009 eingestellten Mittel für Familien mit Kindern in Höhe von einer Milliarde Euro würden zur Hälfte durch Einsparungen bei Hartz IV-Kindern gegenfinanziert. Mit Einführung von Hartz IV im Jahr 2005 sei Kindern und Jugendlichen ab sieben der Wachstumsbedarf aberkannt worden, und die Bundesregierung sei bis heute nicht bereit, diese Kürzung wieder zurück zu nehmen.
    Quelle: Linkszeitung
  15. Neues Unterhaltsrecht beschlossen: Risikofaktor Kind
    Seit 1. Januar 2008 gilt prinzipiell, dass der Partner, bei dem die Kinder bleiben, nach dem dritten Lebensjahr des Kindes keinen Anspruch mehr auf Betreuungsunterhalt hat. Nach Ablauf dieser Frist kann ein Gericht entscheiden, ob der Expartner weiterhin zahlen muss. Es wird untersucht, welche Arbeit zumutbar ist, ab wann, und ob in Teil- oder Vollzeit. “Billigkeit” wird das genannt, und Zumutbarkeit ist gemeint. Was zugemutet werden kann, damit müssen sich in Zukunft vor allem Frauen auseinandersetzen. Denn es sind fast ausschließlich Mütter, die sich um die gemeinsamen Kinder nach der Trennung kümmern.

    Nach dem neuen Unterhaltsrecht soll sich die Mutter eine Stelle suchen, damit der Exmann entlastet wird. Immerhin, die Idee, Mütter in die Erwerbstätigkeit zu drängen, klingt fortschrittlich. Doch die realen Bedingungen in der Arbeitswelt und bei den Betreuungsangeboten hinken hinterher. Die Kitaplätze und Tagesmütter, die Familienministerin Ursula von der Leyen in den nächsten fünf Jahren aufstocken will, existieren noch nicht. Auch wer einen Betreuungsplatz für den Nachwuchs ergattert hat, kann nicht einfach einen Vollzeitjob annehmen: Viele Kindergärten schließen schon mittags. Eine flächendeckende Betreuungslandschaft, in der die Kinder komplett von morgens bis 19 Uhr versorgt sind, ist Wunschdenken.

    Eine geschiedene oder getrennte Mutter hat also kaum Möglichkeiten, den Karriereeinbruch Kind auszugleichen. Vor Gericht muss sie sogar für die Errechnung des Unterhalts genau nachweisen, wie viel sie hätte verdienen können, hätte sie ihren Mann nie kennengelernt und keine Kinder bekommen. Eine traurige Rechnung, und unpraktikabel zugleich.
    Quelle: taz

  16. Verfassungsschutz soll an Schulen Stimmung gegen Linkspartei machen
    Die CDU Niedersachsens will mit harten Bandagen gegen die politische Konkurrenz von links vorgehen. Das Land will nicht nur die “Beobachtung” der Linkspartei durch den Verfassungsschutz verstärken. Offenbar soll der Geheimdienst auch an Schulen Stimmung gegen die Linkspartei machen. Es gebe keinen Grund, wie andere Bundesländer von einer Observierung Abstand zu nehmen, sagte Innenminister Uwe Schünemann (CDU) der “Neuen Osnabrücker Zeitung”. “Wir müssen sie im Gegenteil ausbauen”, sagte er. Der Verfassungsschutz werde an die Schulen gehen und – wie bereits jetzt im Bereich Rechtsextremismus – Multiplikatorenschulungen durchführen.
    Quelle: NGO-online

    Kommentar unseres Lesers L.F.: Soweit das Demokratie- und Rechtsstaatsverständnis des niedersächsischen Innenministers und seiner CDU.

  17. Psychische Störungen verursachen die meisten Kliniktage
    Depressionen sind im Krankenhaus auf dem Vormarsch: 2007 verbrachten Patienten mit psychischen Krankheiten erstmals mehr Tage in Kliniken als Herz-Kreislauf-Kranke. Dabei machen Erkrankungen der Psyche nur ein Zehntel aller Diagnosen aus. Deutlich wurde in der Studie außerdem, dass die Art der Berufstätigkeit offenbar einen Einfluss auf die Dauer der Krankenhausaufenthalte hat: Ingenieure und Zahntechniker lagen beispielsweise 474 und 507 Tage (bezogen auf 1000 Versicherte und Jahr) im Krankenhaus, bei den Verkäufern waren es 813 Tage.

    Noch deutlicher sind die Unterschiede zwischen Arbeitslosen und jenen, die Arbeit haben: Im Schnitt verbrachten Arbeitslose mit 1730 Krankenhaustagen (bezogen auf 1000 Versicherte) mehr als doppelt so viele Tage in der Klinik wie Beschäftigte aus 30 verschiedenen Berufsgruppen.
    Quelle: SPIEGEL

  18. SPD-Fraktion gibt Widerstand gegen Anti-Terror-Abkommen mit den USA auf
    Für einen verstärkten Datenaustausch zwischen Deutschland und den USA im Zuge der Terrorismusbekämpfung ist eine wichtige Hürde gefallen. Die SPD-Bundestagsfraktion gab ihren Widerstand gegen ein entsprechendes Abkommen zwischen beiden Staaten auf. Die Abgeordneten würden “mit gutem Gewissen zustimmen”, kündigte der innenpolitische Sprecher Dieter Wiefelspütz am Dienstag (15. Juli) an. Die Opposition kritisierte den Sinneswandel als “Kapitulation beim Thema Datenschutz”.
    Quelle: ngo Online
  19. Deutsche Wirtschaft fordert Milliarden für Hochschullehre
    Zur Bekämpfung des Fachkräftemangels haben die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft deutlich mehr Geld für die Hochschullehre gefordert. Bei der Präsentation eines neuen Finanzierungsmodells für die Hochschulen sprachen sich die Verbände am Mittwoch dafür aus, die für die Lehre bestimmten Mittel von derzeit 12,2 Milliarden Euro pro Jahr auf 14,7 Milliarden Euro zu erhöhen. Das Gros der Erhöhung soll durch die bundesweite Einführung von Studiengebühren von 1.000 Euro pro Jahr finanziert werden.

    Allein durch die bundesweite Einführung von Studiengebühren erwarten die Verbände zwei Milliarden Euro zusätzliche Einnahmen. Mit diesem Geld könnten die akademischen Einrichtungen verstärkt in die Lehre investieren, zum Beispiel, in dem sie zusätzliches Personal einstellten, begründete der Direktor des IW Köln, Michael Hüther, bei der Präsentation in Berlin.
    Quelle 1: FAZ
    Quelle 2: Institut der deutschen Wirtschaft [PDF – 2,2 MB]

    Anmerkung WL: Es ist schon ziemlich dreist, dass die „deutsche Wirtschaft“, die durch die letzte Unternehmenssteuerreform um weit mehr als 5 Milliarden € pro Jahr und durch Steuersenkungen der letzten Jahre (konservativ geschätzt) um 60 Milliarden € vom Fiskus entlastet wurde, nun 2 Milliarden gerade von den Studierenden fordert, die nun wirklich kein eigenes Geld haben. Und es ist grotesk, dass die Wirtschaft, die bei den Ausgaben für Forschung und Entwicklung im internationalen Vergleich weit hinterherhinkt und gemessen am BIP gerade mal mit 1,8 Prozent (Steigerung seit 1995 gerade mal 0,3 Prozent) [PDF – 280 KB] beiträgt, nun gerade von Studierenden und vom Staat mehr Milliarden fordert. Das kann sich auch nur die deutsche Wirtschaft erlauben, nämlich im Glashaus zu sitzen und mit Steinen nach anderen zu werfen. Aber so wie man die veröffentlichte Meinung in Deutschland kennt, wirft wohl keiner einen Stein zurück.

  20. Nur drei Prozent der Uni-Absolventen sind arbeitslos
    Raus aus der Uni, rein in die Arbeitslosenkartei? Eine neue Studie beruhigt: Fast alle jungen Akademiker fädeln sich in den Arbeitsmarkt ein – manche mit Mühe, Ingenieure meist schnell und mit gutem Salär. Darum trommelt die Bundesregierung erneut für die Technikfächer (…)

    Nicht alle feiern damit aber gleich neue Einkommensrekorde: Seit der vorigen Erhebung zum Absolventenjahrgang 1997 hat sich an den Einkünften im Durchschnitt nichts geändert – vier Jahre sind also auch an Berufstätigen ohne echten Gehaltszuwachs vorbeigegangen.
    Quelle: SPIEGEL

    Anmerkung J.A.: Nicht nur tendenziös, sondern schlicht falsch: Drei Prozent der Uni-Absolventen „von vor fünf Jahren“ sind heute arbeitslos; aber was ist mit den Ingenieuren und Informatikern über 50, den Frauen, die nach der Babypause keinen Job mehr finden? Und selbst mit Job: Was sind das für Stellen? Gut bezahlt, oder befristet, Niedriglohnjob, prekär, Hilfsarbeit?

  21. Briten fordern höhere Löhne
    Im größten Arbeitskampf seit vielen Jahren sind die städtischen Angestellten in England, Wales und Nordirland für zwei Tage in den Ausstand getreten. Schulen, Museen und Büchereien mussten geschlossen werden, Rathäuser stellten den Betrieb ein, die Müllabfuhr fiel in zahlreichen Kommunen aus. Der weitflächige Streik richtet sich gegen ein Tarif-Angebot der Kommunen von 2,45 Prozent – bei einer Inflationsrate von gegenwärtig 4,6 Prozent. Mit dem anhaltenden Lohnabbau sei “die Grenze des Erträglichen erreicht”, erklärten die Gewerkschaften.
    Quelle 1: FR
    Quelle 2: guardian.co.uk
  22. Kolumbien: Wirtschaftswunder à la Uribe
    Allen Skandalen zum Trotz scheint die Herrschaft des ultrarechten kolumbianischen Präsidenten Alvaro Uribe gefestigter denn je. Dass ihm die Beziehungen zu den Todesschwadronen und zur Kokainmafia nicht zum Verhängnis werden, liegt nur zum Teil an den militärischen Erfolgen gegen die linke Guerillaorganisationen FARC und ELN. Genauso wichtig und eng damit verknüpft ist die dynamische Wirtschaftsentwicklung der letzten Jahre, von der neben der Oligarchie auch größere Teile der Mittelschichten profitieren.
    Quelle: Telepolis
  23. Help US fight skyrocketing oil prices

    “Dear US Airways customer, As you can read in the attached letter signed by 12 airline CEOs, US Airways and other carriers in partnership with the Air Transport Association (ATA) are joining a broad coalition of consumer and industry groups calling upon Congress to take swift action to reign in irresponsible oil speculators. We advocate putting common sense limits on unchecked oil speculation by paper traders who are running up the price, but do not intend to take possession of the oil they trade. While the reasons for surging oil prices are complex, common sense tells us that escalating prices are more than a supply and demand issue. In the long term, we must reduce our dependence on foreign oil. The airline industry fully supports maximum efforts to increase domestic production of oil, alternative energy sources and conservation. But there is also a short term problem which has significantly impacted the price of oil. While this is not the only solution, it is perhaps the quickest way to stop or reduce the rising price of oil. Without immediate oil speculation reform by Congress there will likely be additional service level reductions and higher airfares. We urge you to contact your representatives in Congress immediately. Thank you for your support and business during this unprecedented time for our industry. Take action now.“

    Quelle: Brief von US Airways an Roger Strassburg

    Anmerkung von Roger Strassburg: Amerikanische Fluggesellschaften rufen nach mehr Regulierung im Ölmarkt. Interessant, wie die Wirtschaft nach Regulierung schreit, wenn sie selbst davon profitieren könnte. (Den beiliegenden Brief habe ich im Rahmen eines Vielfliegerprogramms von US Airways bekommen. Es sind eigentlich zwei Briefe, der erste von US Airways, der zweite von einer Gemeinschaft von zwölf amerikanischen Fluggesellschaften.)

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