Einflussversuche der etablierten Meinungsmacher im Internet

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

Manch einer glaubt, das Internet sei einigermaßen gefeit gegen die Einflussnahme der herrschenden Meinungsführer und der dahinter stehenden großen Interessen. Das scheint mir nicht garantiert zu sein. Schließlich verfügen die etablierten Kräfte in der Wirtschaft, in ihren Verbänden und in den Medien quasi über unbegrenzte Ressourcen zur „Pflege“ von Blogs und anderen Internetseiten. Das fällt schon auf. Einen neuen Fall, der die NachDenkSeiten betrifft, möchten wir noch immer als Versehen betrachten. Aber unsere Leser sollten den Fall kennen. Albrecht Müller.

Es geht im Kern darum, dass auf der Internetplattform Readers Edition ein von uns stammender Text auf Betreiben von Dr. Peter Schwark, bisher Pressechef des Gesamtverbandes der Versicherungswirtschaft (GDV) und jetzt Geschäftsführer des Bereichs Lebensversicherung/Pensionsfonds des GDV um eine Passage gekürzt wurde. Meines Erachtens im vorauseilendem Gehorsam.

Zum Hergang:

  1. Am 16.7. erschien in den NachDenkSeiten ein Beitrag „Über die Dreistigkeit von FINANZtest und die Kritiklosigkeit wohlbestallter deutscher Medien“ Darin hatte ich unter anderem kritisiert, dass Finanztest erst jetzt und nicht vor der auch von Finanztest betriebenen massiven Werbung für die Privatvorsorge auf die hohen Kosten aufmerksam macht.
  2. Dieser Text wurde von Margarethe Gorges, die im Saarland einen Blog betreibt und immer wieder Beiträge aus den NachDenkSeiten übernimmt, auch bei Readers Edition eingestellt.
  3. Er löste eine beachtliche Diskussion aus. Unter anderem meldete sich Dr. Peter Schwark vom GDV zu Wort. Er konterte am 17.7. 2008 um 19 Uhr mit einem Beitrag, der so begann (Link wie oben):

    Als Erstes eine Frage: Würden Sie kein Auto kaufen, bloß weil Ihnen jemand vorrechnet, dass damit in den nächsten 6 Jahren wahrscheinlich etwa 10.000 Euro Kosten für Benzin verbunden sind? Wäre der Kauf dieses Autos deshalb unrentabel? Nein, Sie würden sicher antworten, das kommt doch darauf an wie viel Kilometer man mit diesem Geld fahren kann. Oder mit anderen Worten: Wie hoch sind die Kosten pro 100 Kilometer..

  4. Ich habe nach einem Hinweis von Margarethe Gorges eine Entgegnung geschrieben, den diese wiederum bei Readers Edition einstellte. Hier ist er:

    „Wenn jemand mit Analogien arbeitet, wie Herr Dr. Schwark vom GDV gleich zu Beginn, dann muss man schon skeptisch sein. Im konkreten Fall können wir ihm jedoch folgen. Er schreibt:

    Als Erstes eine Frage: Würden Sie kein Auto kaufen, bloß weil Ihnen jemand vorrechnet, dass damit in den nächsten 6 Jahren wahrscheinlich etwa 10.000 Euro Kosten für Benzin verbunden sind? Wäre der Kauf dieses Autos deshalb unrentabel? Nein, Sie würden sicher antworten, das kommt doch darauf an wie viel Kilometer man mit diesem Geld fahren kann. Oder mit anderen Worten: Wie hoch sind die Kosten pro 100 Kilometer.

    Auf den Vergleich von gesetzlicher Rente und Riester-/Rürup-Rente lässt sich das sehr gut übertragen. Die Privatvorsorge kostet – im übertragenen Sinn – 10.000 Euro Benzin, die gesetzliche Rente ein Zehntel, also 1000 Euro. Für die Privatvorsorge-Verträge werden den Nutzern nämlich Kosten des Betriebs und Vertriebs zwischen 10 und 25% abgeknöpft, das Umlageverfahren arbeitet mit ca. 1,5% der eingezahlten Beiträge. Es ist also klar, welches „Auto“ vernünftige Zeitgenossen/innen kaufen. Warum sollten sie mit ihrem Autokauf auch noch das süße Leben des Herrn Dr. Schwark und all seiner netten Kolleginnen und Kollegen in den Vorstandsetagen der Versicherungswirtschaft finanzieren oder zum Beispiel die Feste des Carsten Maschmeyer und seiner AWD, mit Wulff und Schröder samt Damen und Babys, mit Rürup und Riester, usw..

    Siehe hier oder die Bunte vom 10.7. – fünf lohnende Seiten mit vielen Fotos, die über die Machenschaften der Riester-/Rürup-Rentenprofiteure mehr sagen als noch so lange Texte:

    (Quelle: Nachdenkseiten Hinweis vom 14.7.2008 Nr. 10)“

    Usw. wie bei uns am 14.7. als Hinweis Nr. 10 im Netz.

  5. Auf Initiative von Margarethe Gorges wurde dieser Text unter dem Datum des 18.7. bei Readers Edition eingestellt.
  6. Wenig später war von der Redaktion auf Betreiben von Dr. Schwark (GDV) die fett wiedergegebene Textpassage gestrichen worden und folgender Hinweis eingefügt: „[xxx…Textpassage wegen Unsachlichkeit von der Redaktion entfernt…xxx]“ – Nun kann man als empfindliche Seele den Hinweis auf das süße Leben für unsachlich halten. Daran hätte mein Herz nicht gehangen, obwohl ich es ziemlich langweilig finde, wenn solche Formulierungen in den Texten im Internet nicht auftauchen dürfen. Aber alles weitere gehört voll zur Sache. Das ist der gerade das Problem: die Riester-Rentner und die Rürup-Rentner zahlen mit ihren Beiträgen und wir als Steuerzahler zahlen mit den Zulagen und Steuervergünstigungen die hohen Kosten, die die Versicherungswirtschaft von den Beiträgen und den Leistungen der Steuerzahler abzweigt. Maschmeyer von AWD selbst hat bezeugt, dass er von der Privatvorsorge massiv profitiert. Sein Fest in Hannover hat direkt etwas mit den Zahlungen der Beitrags- und der Steuerzahler zu tun.

    Ich finde es deshalb unangemessen, die gesamte Passage zu streichen und kann angesichts der guten Arbeit, die die Redaktion ansonsten leistet, nur annehmen, dass es ein Versehen war, Herrn Dr. Schwarks Streichungsbegehren zu entsprechen. Ich hoffe, die Redaktion korrigiert das noch. Meinetwegen kann sie das „süße Leben“ ja weglassen, wenn sie diesen Farbtupfer für unsachlich hält.

    Wehret den Anfängen!! Hier wie bei Wikipedia.

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