Hinweise des Tages II

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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (AT)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Der Ausnahmezustand vom Ausnahmezustand
  2. Lohn oder Kapital?
  3. It’s the Economy – Geflüchtete und Arbeitsmarkt
  4. Wie man die Benachteiligung von Frauen kleinrechnen kann, oder: Die Unstatistik als Unstatistik
  5. Wer türkisch klingt, hat schlechte Chancen
  6. Milde Gaben: Wieviel Geld bekommt ein EM-Spieler, wieviel ein Handicap-Sportler?
  7. Neoliberalismus? War nur so eine Idee
  8. Europa
  9. Mit TTIP und CETA droht weitere Explosion an Konzernklagen
  10. „Eines der extremsten Überwachungsgesetze, das je in einer Demokratie verabschiedet wurde“
  11. Wie es zum Bürgerkrieg in der Ukraine kam
  12. Als Bomben auf die Brücke von Varvarin fielen
  13. Ostasiens Mittelmeer (II)
  14. 15 Jahre 9/11: Die Saudi-Connection ist nicht alles
  15. SPD
  16. Wo ist die Gegenseite? Es gibt keine linke Querfront
  17. Bilderberg-Konferenz: Was geschieht in Dresden?
  18. Zu guter Letzt: Ist Maaßen ein russischer Agent?

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Der Ausnahmezustand vom Ausnahmezustand
    Ein großes Fußballturnier kann im besten Falle Ablenkung vom Alltag sein. Das »Kribbeln« will jedoch noch nicht einsetzen. Das liegt am Turnier selbst – in einer Zeit, in der Undenkbares zur Normalität geworden ist.
    Vielleicht liegt es einfach am Alter. Mit jedem großen Turnier, sei es eine Welt- oder wie die heute beginnende Fußball-Europameisterschaft, stellt sich die Spannung, das Kribbeln auf das Turnier später ein. Das kann daran liegen, dass man schon so viele Turniere verfolgt hat. Dass der Fußball generell nicht mehr so eine große Rolle im eigenen Leben spielt wie bis ins junge Erwachsenenalter.
    Vielleicht liegt es aber auch am Turnier selbst und den Zeiten, in denen es stattfindet. Ein Abschalten vom Alltag lässt es wohl kaum zu. Der positive Ausnahmezustand, den so ein Ereignis erzeugen kann – er ist längst dem alltäglichen Ausnahmezustand gewichen, in den sich das Ereignis fügt. In Frankreich ist er Regierungspraxis. Terroristische Attacken sind nach den Anschlägen von Paris und Brüssel keine abstrakte Bedrohung, sie sind konkrete Gefahr. Aber »Ausnahmezustand« – das sind auch schwerbewaffnete Soldaten, denen man unversehens in den Gewehrlauf blickt, Taschendurchsuchungen an jeder Ecke. In einem Land, dass gerade innenpolitisch in den Auseinandersetzungen um eine »Arbeitsmarktreform« erschüttert wird.
    Quelle: Neues Deutschland

    dazu: Streiks und Krisengeschrei: Und wenn Frankreich gewinnt?
    Wenn es um die Franzosen und ihre Wirtschaft geht, rattert hierzulande die Klischeemaschine: Tatsächlich könnten die vermeintlichen Reformverweigerer bald als Gewinner dastehen – nicht nur auf dem Platz. […]
    Ob man die Entbehrungen der vergangenen Jahre nun ökonomisch richtig findet oder nicht: Sie könnten erklären, warum der eine oder andere mittlerweile genug von immer neuen Kürzungen hat. Nach Analyse der Experten vom Pariser Forschungsinstitut OFCE sind die Gewinnmargen der Unternehmen in keinem anderen größeren europäischen Land in den vergangenen beiden Jahren so stark gestiegen. Und auch bei den Exporten hat der Trend gedreht: Seit Sommer 2014 haben Frankreichs Unternehmen 3,6 Prozent Marktanteile gewonnen. Die Ausfuhren legten 2015 um gut 6 Prozent zu.
    Mehr noch: Selbst die Investitionen der privaten Unternehmen ziehen wieder an und lagen Anfang 2016 um stattliche 5 Prozent höher als ein Jahr zuvor. Jenseits aller Streiks und Turbulenzen mehren sich die Anzeichen, dass die Konjunktur anzieht – gerade weil die Regierung mittlerweile aufgehört hat, immer mehr zu kürzen oder Steuern anzuheben. Frankreichs Strukturdefizit sinkt 2016 erstmals seit Jahren kaum noch.
    All das ist noch kein rauschender Aufschwung, es wackelt, und es wird auch dauern, bevor sich Besserung im Alltag bemerkbar macht. Ein Grund mehr, auf neue Kürzungsorgien und Symbolkämpfe ums Reformieren zu verzichten, Monsieur le Président. Jedenfalls passt der Trend schon jetzt nicht mehr zum grotesken deutschen Klischee vom arbeitsscheuen, sozialverwöhnten Franzosen und seiner Reformweigerung.
    Quelle: Thomas Fricke auf Spiegel Online

  2. Lohn oder Kapital?
    Über die Ursachen der Krise in der Europäischen Währungsunion ist eine Kontroverse entbrannt. Es fehlt allerdings dabei an theoretischer Klarheit, weil man sich nicht explizit mit den neoklassischen Irrungen und Wirrungen befasst.
    Teil 1
    Seit einigen Wochen gibt es in Deutschland, teilweise sogar heftige, Diskussion darüber, ob die deutsche Lohnzurückhaltung zu Beginn der Europäischen Währungsunion wirklich verantwortlich ist für die gewaltigen Ungleichgewichte, die in den Leistungsbilanzen der Mitgliedsländer dieser Union entstanden sind. Besonders im linken politischen Spektrum gibt es viele, die der von Hans-Werner Sinn vertretenen These zuneigen, wonach Kapitalströme eine viel größere Rolle spielten als die Lohndifferenzen. Wobei Sinn durchaus ambivalent argumentiert: Die Bedeutung der Lohnstückkostendifferenzen räumt er ein, allerdings betont er immer nur die „zu hohen“ Lohnzuwächse in den Krisenländern, vergisst aber meist die „zu niedrigen“ Lohnzuwächse in Deutschland zu erwähnen.
    Sinn ist allerdings insoweit konsequent, als er als Neoklassiker die Position vertritt, dass es auch im Inland die „Ersparnisse“ (also die inländischen Kapitalströme) sind, die Investitionen induzieren, was nichts anderes heißt, als dass mehr Ersparnisse gut sind, weil sie mehr Investitionen mit sich bringen. Das überträgt er einfach auf die Außenbeziehungen und argumentiert folgerichtig, dass das Kapital immer in der Führungsrolle ist, wenn es um mehr Investitionen geht. In bester neoklassischer Tradition unterstellt er, dass es einen funktionsfähigen Zinsmechanismus gibt, der die Ersparnisse quasi automatisch und reibungslos zu Investitionen macht. Ob das von den Autoren auf der Linken auch vertreten wird, weiß ich nicht. Es wäre aber schon komisch, wenn man eine These verträte, bei der dieser Mechanismus im Inland ganz anders abliefe als in der Beziehung zum Ausland.
    Ich will in dieser dreiteiligen Serie die beiden Mechanismen miteinander vergleichen und meine eigene Deutung der Vorgänge dagegenstellen, so dass jeder entscheiden kann, welche Position er für plausibler hält.
    Quelle: Makroskop
  3. It’s the Economy – Geflüchtete und Arbeitsmarkt
    Die Situation am österreichischen Arbeitsmarkt ist nicht gerade erfreulich: hohe Arbeitslosigkeit und zunehmende Prekarisierung sind bedenkliche Entwicklungen. Doch der Ausschluss von Flüchtlingen vom Arbeitsmarkt ist kein Erfolgsrezept dagegen. Es braucht einen grundlegenden politischen Kurswechsel.
    Keine Frage, die Arbeitsmarktsituation in Österreich ist angespannt: höchste Arbeitslosigkeit seit den 1950er-Jahren, Zunahme atypischer, oft prekärer Beschäftigungsverhältnisse, steigende Arbeitsmigration aus dem EU-Ausland und daraus resultierende Verdrängungseffekte. Neu hinzu kamen 2015 Zehntausende Flüchtlinge. Allein in Österreich haben 2015 fast 90.000 Menschen Asyl beantragt. Im Dezember 2015 waren 21.154 Asylberechtigte und subsidiär Schutzberechtigte beim AMS gemeldet, für 2016 rechnen AMS und Sozialministerium mit weiteren 30.000 Flüchtlingen, die dem österreichischen Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen.
    Die Integration Zehntausender Arbeitssuchender in den Arbeitsmarkt ist eine enorme Herausforderung, ohne Zweifel. Allerdings verleitet sie nur allzu schnell zu populistischen Schnellschüssen. Da wurde das Aussetzen der Personenfreizügigkeit in der EU als Lösung für die Arbeitsmarktprobleme gefordert. Oder man meint, den Arbeitsmarkt vor neuen Arbeitskräften „schützen“ zu können, indem man auf alten Zugangsbarrieren beharrt oder neue aufzieht.
    Quelle: blog.arbeit-wirtschaft.at

    dazu: Ein-Euro-Jobs für Flüchtlinge sind nur 80-Cent-Jobs
    Flüchtlinge, die in Deutschland bleiben, sollen nicht auf Dauer zu Langzeitarbeitslosen werden. Damit das nicht nur auf dem Papier steht, will Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) für die Geflüchteten 100 000 neue Arbeitsgelegenheiten schaffen, bekannt als Ein-Euro-Jobs. “Der beste Weg zu einer ordentlichen Integration ist Arbeit”, sagt Nahles. So könnten Asylbewerber während des Wartens auf ihren Asylbescheid schon “etwas Vernünftiges tun” und den deutschen Arbeitsmarkt kennenlernen. Das klingt einleuchtend, trotzdem bekommt die Ministerin jetzt wegen ihrer Initiative Ärger. Die 100 000 Ein-Euro-Jobs sind nämlich gar keine Ein-Euro-Jobs, sondern zunächst nur 80-Cent-Jobs.
    Derzeit bekommen die mehr als 80 000 Ein-Euro-Jobber in Deutschland meist 1,05 Euro pro Stunde. In Einzelfällen können es auch knapp zwei Euro sein. Gezahlt wird dabei eine “Mehraufwandsentschädigung”, das Geld gilt nicht als Arbeitslohn oder Taschengeld. Auch Asylbewerber mit so einer auf maximal sechs Monate befristeten Arbeitsgelegenheit bekamen bislang 1,05 Euro. Der von Nahles und Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) vorgelegte Entwurf für das Integrationsgesetz sieht nun aber vor, asylsuchenden Teilnehmern künftig nur noch 80 Cent zu zahlen. Ausnahme: Der Ein-Euro-Jobber kann “höhere notwendige Aufwendungen” im Einzelnen nachweisen, die sich durch die Übernahme des Jobs ergeben.
    Quelle: Süddeutsche

    Anmerkung Christian Reimann: Der Niedriglohnsektor wird also – auch durch die SPD – ausgeweitet und die Lohnspirale nach unten gedrückt. Ist das die “soziale Gerechtigkeit”, von der Herr Gabriel kürzlich noch gesprochen hatte?

  4. Wie man die Benachteiligung von Frauen kleinrechnen kann, oder: Die Unstatistik als Unstatistik
    Sozialwissenschaftliche Methodik ist nie frei von normativen Annahmen und politischen Bezügen. Sie ist nie neutral. Ein Beispiel, wie man mit der Begründung sozialwissenschaftlicher (statistischer) Methodik eine politische Aussage unpolitisch erscheinen lassen kann, findet sich in der „Unstatistik des Monats“ vom 31. März.
    Einmal pro Monat veröffentlichen der Berliner Psychologe Gerd Gigerenzer, der Dortmunder Statistiker Walter Krämer und RWI-Vizepräsident Thomas Bauer ihre „Unstatistik des Monats“. Damit wollen sie sowohl statistische Zahlen als auch deren Interpretation kritisch hinterfragen – nicht selten zu Recht, aber immer mit einer gewissen liberal-konservativen Schlagseite.
    Quelle: annotazioni
  5. Wer türkisch klingt, hat schlechte Chancen
    Eine Studie zeigt, dass Menschen mit ausländischen Namen von Jobcentern bei Anfragen diskriminiert werden: Mustafa Yilmaz ist somit schlechter gestellt, als Anna Schäfer.
    Wenn Mustafa Yilmaz beim Jobcenter um Hilfe bei einem Hartz-IV-Antrag bittet, bekommt er häufig eine schlechtere Auskunft als Anna Schäfer. Menschen, deren Namen nicht Deutsch klingen, werden bei Anfragen diskriminiert: Das zeigt eine bisher unveröffentlichte Studie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung, die der FR vorliegt. „Der Unterschied in der Behandlung ist signifikant und substantiell“, sagt Anselm Rink, einer der beiden Autoren.
    Die Diskriminierung macht sich dabei nicht daran fest, ob überhaupt auf E-Mails geantwortet wird, sondern am Inhalt: Kamen die Anfragen von Personen mit türkisch oder rumänisch klingenden Namen, war die Qualität der Antworten deutlich schlechter als bei Absendern mit typisch deutschen Namen. Es fehlten etwa Informationen oder es wurde suggeriert, das Hartz-IV-Verfahren sei wesentlich voraussetzungsreicher als es tatsächlich ist, fanden die Forscher heraus.
    Quelle: FR Online
  6. Milde Gaben: Wieviel Geld bekommt ein EM-Spieler, wieviel ein Handicap-Sportler?
    Zahlen können verräterisch sein. Bei der Pressekonferenz zu den 30. Internationalen Deutschen Schwimmeisterschaften der Behinderten am Donnerstag in Berlin konnte man von Organisationschef Matthias Ulm erfahren, dass der Berliner Senat die paralympischen Sportarten pro Jahr mit 4.750 Euro fördert, wohlgemerkt nicht eine, sondern alle. Auch wenn diese bescheidenen Mittel von Behindertensportverband und Landessportbund noch um einiges aufgestockt werden – »damit können wir im internationalen Wettbewerb nur Trittbrettfahrer sein«, sagte Ulm. Dass es dennoch Erfolge, Medaillen und Siege bei Paralympics, WM und EM gibt, zeigt den besonderen Spirit des Behindertensports.
    300.000 Euro beträgt übrigens die Prämie für die DFB-Kicker, die der Verband zahlt, wenn sie die EM in Frankreich als Sieger beenden – wohlgemerkt nicht für die Mannschaft, sondern für jeden einzelnen Spieler. Für den Finaleinzug gibt es 150.000 Euro gezahlt, die Halbfinalteilnahme bringt 100.000, das Viertelfinale 50.000 Euro. Ausgehandelt hat das DFB-Schatzmeister Reinhard Grindel, der inzwischen Präsident des Verbandes ist. Nach Bekanntgabe der Prämien hieß es, das Team habe »Charakter« gezeigt, die Einigung zwischen DFB und Mannschaft wurde als »maßvolle, vernünftige Regelung« verkauft.
    Quelle: junge Welt
  7. Neoliberalismus? War nur so eine Idee
    Der Internationale Währungsfonds stellt seine alten Konzepte in Frage. Überzeugende neue hat er jedoch nicht. Ausgerechnet in einer Phase, in der politische Populisten in aller Welt mit Erfolg Globalisierung und Freihandel für alles verantwortlich machen, was in ihren Ländern schiefgeht, distanziert sich der Internationale Währungsfonds (IWF) von der sogenannten „neoliberalen Agenda“. Führende Köpfe der Institution melden in Aufsätzen und Reden Zweifel an: Hat die Globalisierung wirklich die Ernte gebracht, die versprochen war? Haben die Spar- und Privatisierungsprogramme die erwarteten Erträge gezeitigt? War es gut, auf die Öffnung von Kapitalmärkten zu drängen? Der IWF wirft die Fragen in selbstprüfender Absicht auf und beantwortet sie mit einem leicht reumütigen: „Wir haben es wohl übertrieben.“
    Quelle: FAZ

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Verwirrung allerorten, gerade bei den ideologischen Horten des Neoliberalismus wie der FAZ. “Wie soll der IWF-Manager vor Ort noch Sparprogramme durchsetzen, wenn die Fondsökonomen selbst nicht dran glauben?” – Wenn die Theorie Mist und die Schädlichkeit solcher Programme empirisch erwiesen ist, dann sollte man am besten solche Programme überhaupt nicht mehr durchsetzen, oder? Nur die FAZ hat mangels einer vernünftige Wirtschaftstheorie ein Problem mit der Abschaffung von Austeritätsprogrammen.

  8. Europa
    1. Sisyphos, Tantalos und ein Gefangenendilemma
      Wenn sich die europäische Politik nicht erheblich ändert, wird Griechenland früher oder später den Euroraum verlassen müssen – die Frage ist nur wann und wie. […]
      Aber als der Europäische Rat tatsächlich damit gedroht hatte, Griechenland in den Abgrund zu stoßen („akzeptiert unsere Bedingungen oder verlasst den Euro“), machte Griechenland einen Rückzieher. Nach einer langen und schmerzhaften Verhandlungsnacht akzeptierte Tsipras schließlich die Bedingungen des Europäischen Rates. Seitdem hat Griechenland allem zugestimmt, was die Institutionen verlangt haben. Allem, wirklich allem, egal wie unvernünftig es war. […]
      Trotz ihres Namens repräsentiert die Eurogruppe im Wesentlichen die europäischen Gläubiger, da ihre Mitglieder die Finanzminister der Eurostaaten sind. Sie wollen ihr Geld zurück. Und zwar jeden Cent. Ihr alleiniges Ziel in diesem Spiel ist es, die volle Rückzahlung zu erreichen. Sie haben kein Interesse daran, der griechischen Wirtschaft wieder auf die Beine zu helfen, außer es hilft ihnen dabei, mehr Geld herauszuziehen.
      Seit dem Sieg beim Felskanten-Spiel sind sie psychologisch in der Oberhand – die europäischen Gläubiger wissen, dass Griechenland nicht das Risiko eingeht, aus dem Euro gedrängt zu werden, und daher können sie jede x-beliebige Forderung stellen, denn Griechenland wird sich fügen. Die Gläubiger können nicht verlieren, solange nicht etwas vollkommen Unvorhergesehenes passiert.
      Quelle: Makronom

      Anmerkung unseres Lesers P.F.: Wenn es nicht so schmerzhaft wäre, würde ich nach der Lektüre dieses Textes jetzt noch mal alle deutschen Kommentare aus dem letzten Jahr lesen, die behaupteten dass die bösen Griechen die Europäer erpressen würden, obwohl es doch genau andersrum war.

    2. Zehn Gründe, warum wir UK nicht brauchen
      „Please don’t go“: Nach den deutschen Politikern fleht nun auch der „Spiegel“ die Briten an, in der EU zu bleiben. Dabei ist UK schon jetzt nur noch halb drin – und oft kaum zu gebrauchen.
      Quelle: Eric Bonse auf Lost in Europe
    3. Ist Europa am Ende?
      Im Lokal des Aktionsradius Wien am Gaußplatz 11 führte Hannes Hofbauer vom Promedia Verlag ein Gespräch mit Willy Wimmer zu den Themen, die Europa derzeit bewegen: Konflikte im Nahen Osten, Völkerrecht, Migration, Kriegsstrategien, Ukraine-Krise, europäisch-russische Beziehungen, neuer Kalter Krieg u.a. Willy Wimmer gehörte 33 Jahre dem deutschen Bundestag an, war verteidigungspolitischer Sprecher der CDU/CSU, von 1994 bis 2000 OSZE-Vizepräsident und zur Zeit der Wiedervereinigung als Parlamentarischer Staatssekretär im Verteidigungsministerium für die Integration der Streitkräfte in Deutschland und die Beziehungen zu den sowjetischen Streitkräften in Deutschland politisch verantwortlich. Heute meldet sich der Ex-Politiker zum aktuellen politischen Geschehen immer wieder im Klartext zu Wort: „Wenn die Bundesregierung ihre Rolle als die eines Pudels der USA betrachtet, dann werden wir unseren Aufgaben nicht gerecht.“ Deutschland müsse seine Interessen mit den Nachbarn in Übereinstimmung bringen und sich bemühen, die Beziehungen zu Russland auf eine bessere Grundlage zu stellen, mahnte er etwa im Zusammenhang mit der Sicherheitskonferenz in München.
      Quelle: YouTube
  9. Mit TTIP und CETA droht weitere Explosion an Konzernklagen
    Ein neuer Bericht der UNCTAD* zeigt, dass sich die Anzahl der Konzernklagen gegen Staaten mittels Investitionsschutzabkommen weltweit auf einem neuen Rekordhoch befindet. Allein 2015 gab es weltweit 70 neue Klagen gegen Staaten, die Anzahl der öffentlich bekannten Klagen stieg damit auf insgesamt 696 an. In 52 Prozent der Fälle gewann dabei der Konzern oder es kam zu einem Vergleich.
    Für Attac bestätigt dieser Trend auch die Warnungen vor TTIP und CETA: „Mit TTIP könnten 47.000 US-Konzerne (statt bisher 4.500) gegen 28 (statt bisher neun) EU-Mitgliedstaaten klagen. Damit wären 99 Prozent aller US-Investitionen in der EU abgedeckt – eine wahre Explosion an Konzernklagen gegen unliebsame Umwelt- oder Sozialgesetze würde die Folge sein “, warnt Alexandra Strickner von Attac Österreich. Allein TTIP würde mehr Investitionen schützen als weltweit alle bisherigen Investitionsschutzabkommen zusammen. Bisher sind rund 20 Prozent der globalen Investitionen mittels entsprechender Abkommen vom Investitionsschutz erfasst. Mit den neuen großen Handelsabkommen der EU und der USA (TTIP, CETA, TPP) würde dieser Wert auf rund 80 Prozent steigen.
    Quelle: attac Österreich
  10. „Eines der extremsten Überwachungsgesetze, das je in einer Demokratie verabschiedet wurde“
    Nicht nur Deutschland versucht, die von Snowden aufgedeckte Überwachungspraxis zu legalisieren und auszubauen. In Großbritannien hat das Unterhaus gerade den Investigatory Powers Bill verabschiedet. Pam Cowburn von der Open Rights Group im Interview über das umfangreiche Überwachungsgesetz und wie es noch aufzuhalten sein könnte.
    Quelle: netzpolitik
  11. Wie es zum Bürgerkrieg in der Ukraine kam
    Die Ukraine mit ihren unterschiedlichen Sprachen und nationalen Minderheiten (Russen, Ungarn, Slowenen, Moldauer, Armenier, Griechen, Juden) als Staat zu erhalten, gelang nur, solange der Westen kein Exklusivrecht auf Einfluss in der Ukraine beanspruchte. Doch die 2014 von der EU geforderte Entscheidung zwischen der EU-Assoziation oder einer Zollunion mit Russland verstärkte die politische und kulturelle Spaltung des Landes und begünstigte die Entwicklung hin zum Bürgerkrieg.
    Die ukrainischen Präsidenten Krawtschuk, Kutschma und Janukowitsch, welche die Ukraine von 1991 bis 2004 und von 2010 bis 2014 leiteten, hatten erkannt, dass die Ukraine als Staat nur mit guten Beziehungen zu Russland und zur EU überleben kann. Die drei Präsidenten hofften von der EU und von Russland profitieren zu können und machten eine Schaukelpolitik, die sowohl der EU als auch Russland das Gefühl gab, in der Ukraine mitreden zu können.
    Doch die nationalistischen Kräfte in der Ukraine, die von der ukrainischen Diaspora in Kanada und den USA unterstützt wurden, waren nicht an einem Status quo interessiert. Schon seit Ende der 1980er Jahre, zu Zeiten von Gorbatschows Perestroika, gründeten sich in der westukrainischen Stadt Lviv (Lemberg) verschiedene ukrainisch-patriotische Organisationen. Das Spektrum reichte von der gemäßigten Dissidenten-Vereinigung “Ruch” über die ultranationalistische Versammlung der ukrainischen Nationalisten UNA mit ihre militärische Arm UNSO bis hin zu der 1991 gegründeten Sozial-Nationalen Partei der Ukraine, die nazistisches Gedankengut vertrat und sich aus taktischen Gründen 2004 in “Swoboda” (“Freiheit”) umbenannte.
    Einer der Gründungsmitglieder der National-sozialen Partei war Andrej Parubi. Er war im Winter 2013/14 Kommandant des Maidan in Kiew. Regierungskritiker in Odessa vermuten, dass Parubi der Drahtzieher des Massakers von Odessa am 2. Mai 2014 war. Am 14. April 2016 wurde der ultranationalistische Politiker von den Abgeordneten der Werchowna Rada zum Sprecher des ukrainischen Parlaments gewählt.
    Historisch gehörte der äußerste Westen der heutigen Ukraine lange zur österreichisch-ungarischen Monarchie. 1918, nach dem Zerfall des Habsburger Reiches, fiel Galizien an Polen. Durch den deutsch-sowjetischen Nichtangriffspakt und das geheime Zusatzprotokoll fiel der Großteil Galiziens dann 1939 an die Sowjetunion. Wer begreifen will, warum es heute in der Ukraine ein hohes Maß von Gewalt gegen Andersdenkende gibt, warum Krieg gegen die eigenen Landsleute im Osten geführt wird und warum es gegen die anti-russische, nationalistische Aufheizung der Gesellschaft im Land so wenig öffentlichen Widerstand gibt, muss einige Schlüsselprobleme berücksichtigen, die sich bereits in den 1990er Jahren andeuteten.
    Quelle: Telepolis
  12. Als Bomben auf die Brücke von Varvarin fielen
    Im Mai 1999 töteten Nato-Bomben zehn Zivilisten in der serbischen Kleinstadt. Die Nato rechtfertigte die Opfer als “notwendiges Übel”
    Zoran Milenković steht im Regen am Grab seiner Tochter und zündet eine Kerze an. “Sanja wäre heute 32 Jahre alt und hätte sicherlich die Universität abgeschlossen”, sagt er. Das Grab besteht aus einem Häuschen und einem kleinen Vorplatz. An der Wand hängen Bilder von Sanja. Sie zeigen sie beim Sommerurlaub am Strand und bei Familienfesten. “Sie war sehr gut in Mathematik”, sagt ihr Vater, “aber dann kam alles anders.” Der Grund dafür findet sich an einer Grabtafel, auf der in kyrillischen Lettern geschrieben steht: “Im Gedenken an die Opfer der Nato-Bombardierung vom 30. Mai 1999.” Als am 24. März 1999 die Bombardierung Serbiens durch die Nato begonnen hatte, holte der Bürgermeister Zoran Milenković seine Tochter nach Varvarin zurück. Die damals 15-jährige Sanja besuchte die neunte Klasse eines mathematischen Gymnasiums in der serbischen Hauptstadt. “Hier war es sicherer als in Belgrad, sie hatten ja keinen Grund, unser kleines Städtchen zu bombardieren”, sagt Milenković heute. […]
    Im Jahr 1999 gab es in Varvarin keine Luftabwehr, keine Kaserne und kein militärisches Gerät. Es gab nur eine Brücke, über die, so behauptet es die Nato, Nachschub für Milosevićs Truppen im Kosovo transportiert wurde. Die Bewohner sagen aber, die Brücke sei für den Nachschub bedeutungslos gewesen. Obwohl die serbische Luftabwehr bereits nach kürzester Zeit geschlagen war und den Nato-Bombern nichts mehr entgegenzusetzen hatte, weigerte sich der damalige Präsident Slobodan Milošević, bedingungslos zu kapitulieren und seine Armee aus dem Kosovo zurückzuziehen. Nachdem die militärischen Ziele in der Bundesrepublik Jugoslawien ausgeschaltet waren, begann die Nato deshalb vermehrt damit, zivile Ziele zu bombardieren. […]
    Sanja überquert mit zwei Freundinnen die Brücke, um den Markt zu besuchen, als zwei Bomber am Horizont auftauchen. Außer ihnen befindet sich noch ein Auto auf der Brücke. Die beiden Insassen kamen vom Markt und waren auf dem Weg nach Hause. Um 13.01 trifft eine Bombe den Mittelpfeiler der Brücke, die in sich zusammenbricht. Die drei Mädchen klammern sich an dem Brückengeländer fest, um nicht in die Morava zu fallen. Vom nahe gelegenen Markt laufen die Menschen zum Ufer, um den Mädchen und den anderen zu Hilfe zu kommen. Die F-16 fliegt über die Brücke und wirft eine zweite Bombe ab. Zehn Tote, 27 Verletzte. Die 15-jährige Sanja Milenković verblutet auf dem Weg ins Krankenhaus.
    Quelle: der Standard
  13. Ostasiens Mittelmeer (II)
    Die EU soll zur Durchsetzung eines Rechts auf “Navigationsfreiheit” Kriegsschiffe in Gewässer nahe der Volksrepublik China entsenden. Wie der französische Verteidigungsminister Jean-Yves Le Drian am vergangenen Wochenende ankündigte, wird Frankreich eine entsprechende Debatte vorantreiben und regelmäßige EU-Marinepatrouillen im Südchinesischen Meer durchsetzen. Deutsche Regierungsberater hatten bereits im vergangenen Jahr unter Verweis auf die Marinepräsenz Frankreichs im Pazifik empfohlen, Berlin und die EU sollten sich in den Konflikten in Ostasien “um ein eigenständiges Profil bemühen”. Hintergrund ist die Forderung der westlichen Mächte, auch Kriegsschiffe müssten in unmittelbarer Nähe der zahlreichen Inseln und zunehmend militärisch befestigten Riffe im Südchinesischen Meer volle “Navigationsfreiheit” in Anspruch nehmen dürfen. China, aber auch mehrere Staaten Südostasiens lehnen dies aus Schutzgründen dezidiert ab. Wie die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) urteilt, geht es bei dem Streit letztlich um die “Weltmachtrolle” der USA.
    Quelle: German Foreign Policy

    Anmerkung Christian Reimann: Teil (I) finden Sie hier.

  14. 15 Jahre 9/11: Die Saudi-Connection ist nicht alles
    Auch die Veröffentlichung von 28 geschwärzten Seiten des US-Kongressberichts zu 9/11 wird die Verbrechen nicht aufklären. Der Puzzlestein macht aber einmal mehr deutlich, dass von Grund auf neu ermittelt werden muss, argumentiert RT-Gastautor Mathias Bröckers.
    „Die Geschichte von 9/11 muss neu geschrieben werden” titelte in der vergangenen Woche das ARD-Magazin „Monitor“ mit einem Zitat des US-Senators Bob Graham, der „erstmals im deutschen Fernsehen“ ein Interview gab. Das Thema waren 28 geschwärzte Seiten in dem Abschlussbericht, den der Untersuchungsausschuss des US-Kongresses bereits im Jahr 2002 herausgegeben hatte. Schon damals, noch bevor die offizielle 9/11-Untersuchungskommission ihre Arbeit aufnahm, hatten diese aus Gründen der „nationalen Sicherheit“ zurückgehaltenen Informationen für gehörige Aufregung gesorgt.
    Quelle: RT Deutsch
  15. SPD
    1. Spargelfahrt ohne Ausstieg
      Sigmar Gabriel, der noch vor eineinhalb Jahren die Wiedereinführung der Vermögensteuer ablehnte – sie sei tot, diagnostizierte er – geht jetzt auf die Linken zu und »liebäugelt«, wie sich die »Frankfurter Allgemeine Zeitung« am Donnerstag ängstigte, mit der Idee, die Reichen höher zu besteuern. Keine Angst – der beißt nicht zu, er äugelt nur. Das sei doch alles so kompliziert, ließ er inzwischen verlauten.
      Linke SPD-Politik, wie sie Sigmar Gabriel versteht, ist heute eine Spargelfahrt auf dem Wannsee. Dazu hatte am Dienstag – wie alljährlich – der Reserveoberst und Sprecher des Seeheimer Kreises Johannes Kahrs seine Genossen geladen. »Keiner geht von Bord«, befahl der Vorsitzende Gabriel und insistierte: »Keiner geht von Bord, ehe wir nicht das Ziel erreicht haben!« Früher durften Genossen, die sich in diesem Kreis nicht wohl fühlten, schon an der Glienicker Brücke aussteigen. Wer diesmal auf den Kahrs-Dampfer stieg, musste bis zum Ende der Vergnügungsfahrt der Seeheimer durchhalten – da gab es kein Entrinnen.
      Quelle: Otto Köhler, Neues Deutschland
    2. Von Andrea zu Frauke
      Keine fünfzehn Jahre ist es her, da war Andrea Nahles noch arg gegen die Agenda 2010 und damit auch gegen Hartz IV. Sie hatte etwas gegen die »soziale Unwucht«, die das Reformpaket für den Arbeitsmarkt und das Sozialwesen beinhaltete. Gemeinsam mit Ottmar Schreiner mahnte sie, den sozialdemokratischen Weg nicht zu verlassen. Der alte Gewerkschafter verlieh der jungen Frau, von der man behauptete, sie gehöre dem linken Flügel ihrer Partei an, eine gewisse Reputation. Nach den ersten schweren Verlusten der Sozialdemokraten bei Landtagswahlen war es unter anderem Nahles, die die Niederlagen als Konsequenz der verlorenen Parteiseele ansah. Seinerzeit habe ich die Frau erstmals wahrgenommen. Von ihren Widerstand gegen den Schröder-Kurs zehrte sie noch einige Jahre. Als sie schon nicht mehr so unversöhnlich tat, weil sie von Müntefering mit in die Agenda geholt wurde, schrieben die Zeitungen noch immer von einer Parteilinken, die vielleicht einst der Partei ihre traditionellen Vorstellungen zurückgeben könnte. Lafontaine soll sie gar mal als »Gottesgeschenk für die Partei« bezeichnet haben. Das war zwar lange vor der Agenda 2010 und somit in einem anderen Zusammenhang gemeint, kann aber dennoch als Indikator gelten.
      Bekanntlich kam es geringfügig anders. Gegen Armut hat die Frau, die die Agenda ablehnte, aber tatsächlich etwas gemacht. Sie hat sie abgeschafft. Fast restlos, könnte man sagen. Die Armut, die sie vor vielen Jahren wegen Hartz IV am Horizont erblickte, redet sie jetzt einfach weg. Armut sei nämlich Definitionssache. Es gehe uns gut, ließ sie sich vor einigen Wochen zitieren. Bereits letztes Jahr lobte sie die Reformen aus Schröders Ära ziemlich deutlich, eine so arrogante Analyse der allgemeinen Befindlichkeit jedoch, unterblieb da noch. Jetzt hat es uns gut zu gehen. Armutsbekämpfung per Harmoniesucht. Kurz vor ihrer Ernennung zur Ministerin glaubte sie noch, dass es durchaus Nachbesserungsbedarf gäbe. Nicht alles sei falsch, aber vieles eben auch nicht richtig gewesen. Der Werdegang zeichnet sich ab. Von sozialdemokratischer Kritik am Neoliberalismus hin zum Postschröderianismus, zur Sachwalterin eines Erbes, dessen Aussaat sie noch vereiteln wollte.(…).
      Dieser Werdegang ist exemplarisch für dieses Zeitalter, da die Sozialdemokratie wie wir sie kannten, abgewirtschaftet hat. Diese Vita personalisiert, was die Gesamtpartei als Organ ereilt hat. Beides bedingt einander. Das sind die Werdegänge, die der aktuellen Entwicklung eine Grundlage verliehen. Viten voller Karrierismus und Opportunismus besiegelten die Entsozialdemokratisierung, nahmen den Arbeitern und Angestellten, die dringend eine politische Vertretung brauchten, eine wählbare Alternative und so mündet schließlich alles in dieser falschen Alternative, die derzeit den Takt der politischen Situation im Lande vorgibt. Es lässt sich hier leicht eine Linie ziehen: Weil es solche wie Andrea gibt, laufen sie zur Frauke.
      Quelle: Heppenheimer Hiob

      Anmerkung unseres Lesers G.M.H.: Exemplarisch an Andrea Nahles beschreibt der Autor hervorragend die Metamorphose von überzeugten zu Berufs-Politikern, die sich dann wirklich für nichts mehr zu schade sind. Dieser Beitrag passt hervorragend zum gestern auf den NachDenkSeiten veröffentlichten Kapitel des Buches “Eine Demokratie haben wir schon lange nicht mehr” von Wolfgang Koschnick. Ebenfalls zum Thema passend der Forenbeitrag von “Kornelia” zum Artikel “Echsen sind nicht schuld” auf Kontext-Wochenzeitung, der gestern als Nr. 13 in den Hinweisen des Tages gelistet wurde. Wie sich solche Politiker “in Verantwortung” dieser dem Wahlvolk gegenüber immer wieder entziehen, zeigt sich u.A. auch sehr deutlich, wenn sie sich, mit unangenehmen Fragen von Journalisten konfrontiert, wortlos umdrehen und weggehen. Vom Kommunalpolitiker bis zum Bundeskabinettsmitglied ist dieses unsägliche Verhalten heute weit verbreitet. Und hierin ist Frau Nahles eine wahre Meisterin.

    3. Rot-Rot-Grün ist sich einig
      Ein Regierungsbündnis von SPD, Grünen und Linken? Kriegen wir hin, meinen die Jugendorganisationen und sagen, was sie ändern wollen.
      „Erst wenn wir anfangen zu reden, glauben die da draußen, dass die Pause vorbei ist“, sagt Stefan Liebich. Der Bundestagsabgeordnete der Linkspartei sitzt an diesem Abend in der Weißenseer Brotfabrik, ein Kulturzentrum im Ostteil der Stadt, links neben ihm sitzen Johanna Uekermann, Jamila Schäfer und Josephine Michalke. Uekermann ist Bundesvorsitzende der Jusos, Schäfer gewählte Sprecherin der Grünen Jugend und Michalke vertritt die Linksjugend [‘solid].
      Vor ihnen balancieren Leute Wein- und Biergläser zu ihren Plätzen. Liebigs Satz bezieht sich auf das trödelnde Publikum, aber er passt auch gut zur Veranstaltung, einem Spitzentreffen der besonderen Art: die Köpfe der Jugendverbände von SPD, Grünen und Linkspartei tauschen sich über Rot-Rot-Grün als alternatives Regierungsbündnis nach der Bundestagswahl 2017 aus und die Chancen einer gemeinsamen Kandidatin für die BundespräsidentInnenwahl.
      Ihre jeweiligen Mutterparteien haben Rot-Rot-Grün in den letzten Jahren kaum noch erwähnt, also reden wir eben darüber, so der Gedanke hinter dem Treffen. Entstanden ursprünglich aus Frust über das kollektive Schweigen der Parteioberen, findet das Treffen zu einer Zeit statt, in der die Idee einer gemeinsamen Präsidentschaftskandidatin im Raum steht und erstmals wieder Optimismus aufkeimt, dass eine rot-rot-grüne Alternative zur Großen Koalition möglich wäre.
      Quelle: taz

      Anmerkung Christian Reimann: Die Überschrift soll wohl Optimismus signalisieren. Aber besteht dazu Anlass? Zumindest können Zweifel durchaus berechtigt erscheinen – u.a. durch diese Fragen angedeutet:

      1. Ist Herr Liebich als bekennendes Mitglied der Atlantik-Brücke für die Linkspartei repräsentativ?
      2. Können diese Jugendorganisationen ihre Mutterparteien von Rot-Rot-Grün überzeugen?
      3. Ist insbesondere diese SPD-Spitze, die zumindest mehrheitlich an der Einführung und Durchsetzung der Politik der Agenda 2010 und anderer Maßnahmen zugunsten der Arbeitgeberseite beteiligt war, nun ernsthaft an einer Politik für die Bevölkerungsmehrheit interessiert?
      4. Kann diese SPD-Spitze diesen Politikwechsel überhaupt glaubwürdig der Wählerschaft vermitteln?

      Die beiden zuletzt genannten Fragen könnte sich auch das Spitzenpersonal von Bündnis 90/Die Grünen stellen. Oder ziehen sie einen Wandel hin zu Schwarz-Grün vor?

  16. Wo ist die Gegenseite? Es gibt keine linke Querfront
    Am Donnerstag vergangener Woche gab Anetta Kahane, die Vorsitzende der Amadeu-Antonio-Stiftung, dem Weserkurier ein Interview, in dem sie kundtat, es gebe eine linke und eine rechte Querfront, die sich tendenziell vereinigen wollten. […]
    Historisch kommt der Begriff »Querfront« für Kahane »aus der Weimarer Zeit. Da gab es eine linke Strömung in der NSDAP, die extrem antikapitalistisch war. Die wollte einen Sozialismus von rechts.« Gemeint ist der Flügel um die Brüder Gregor und Otto Strasser, der sich gegen Adolf Hitler nicht durchsetzen konnte, der aber ebenso antimarxistisch und antisemitisch orientiert war.
    Tatsächlich aber geht der Begriff »Querfront« zurück auf die zwischen März 1930 und Januar 1933 amtierenden Minderheitsregierungen unter den Reichskanzlern Heinrich Brüning, Franz von Papen und Kurt von Schleicher. Diese verfolgten den Plan, ein »Querfront«-Bündnis aus Reichswehr, Gewerkschaften und dem Strasser-Flügel der NSDAP zu schaffen. Das Projekt »Querfront« war das Konzept der konservativen Reichsregierung und keines, das sich irgendwie als »links« bezeichnen ließe. Zu gerne hätten die Herrschenden schon damals die Gewerkschaften vor ihren reaktionären Karren gespannt. Geschichtsklitterungen nach dem Muster »links gleich rechts« dienen den Repräsentanten, Sprechern und Medien der politischen Klasse in der Bundesrepublik dazu, linke Politik pauschal zu diskreditieren.
    Quelle: junge Welt

    Anmerkung unseres Lesers J.B.: Meiner Ansicht nach bietet der offensive Ansatz dieses Artikels über den Gegenvorwurf der Geschichtsklitterung einen effektiven Hebel gegen die unsäglichen Querfrontkampagnen in jüngster Zeit. Wenn man mit Dreck beworfen wird – und was anderes sind ja solche Querfrontvorwürfe nicht -, bleibt leider immer etwas hängen, auch wenn man sich noch so gut zu verteidigen weiß.

  17. Bilderberg-Konferenz: Was geschieht in Dresden?
    Die einen sehen ein Treffen der geheimen Weltregierung, die anderen versuchen, es in seiner Bedeutung herunterzuspielen
    Während rechte Verschwörungstheoretiker das Bilderberg-Treffen in Dresden zu einem Treffen der geheimen Weltregierung oder zumindest der Global Player der NWO kolportieren, bemühen sich “Experten” und Medien darum, das Treffen in seiner Bedeutung herunterzuspielen. Beides trübt den Blick auf ein im Wesen demokratiefeindliches Treffen selbsternannter westlicher Eliten.
    Die Bundesregierung verlautbart, dass auf der Bilderberg-Konferenz “ein informeller Gedankenaustausch über aktuelle politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Themen” stattfindet. “Austausch und Dialog, insbesondere in internationalen Formaten, sind der Bundesregierung grundsätzlich wichtig, auch ohne dass hierbei konkrete Ergebnisse erzielt werden müssen.” Offensichtlich gibt es nicht einmal ein Problembewusstsein innerhalb der politischen Klasse, die demokratietheoretisch als Stellvertreter des Souveräns rechenschaftspflichtig wäre, sich aber faktisch als Politelite versteht und von den Untertanen Gehorsam oder zumindest uneingeschränktes Vertrauen erwartet.
    Quelle: Telepolis

    dazu: Jung & Naiv
    Die berühmte Bilderberg-Konferenz findet ab morgen in Dresden statt: Auch Mitglieder der Bundesregierung sind dabei. Doch was machen Finanzminister Wolfgang Schäuble, Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen und Innenminister Thomas de Maizière dort? Mit dem Grund für die Teilnahmen möchte man nicht so wirklich herausrücken… Komisch.
    Quelle: Jung & Naiv via Facebook

  18. Zu guter Letzt: Ist Maaßen ein russischer Agent?
    Nein, ist er natürlich nicht, aber die Frage kann man ja mal stellen, oder? Immerhin nutzt der Verfassungsschutzchef ähnliche Argumente, um Snowden zu diskreditieren.
    Hans-Georg Maaßen glaubt, Edward Snowden sei ein russischer Spion. Nicht, dass er Beweise für seine Behauptung hätte. Der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz findet nur – aufgrund seiner Erfahrung als Geheimdienstler, wie er sagte –, dass es plausibel sei. Russland führe schließlich einen Propagandakrieg gegen Westeuropa, Snowden schade der Beziehung zwischen Europa und den USA, also sei es doch gut möglich, dass er von Russland angestiftet wurde, um Teil dieses Feldzuges zu sein. Das zumindest behauptete Maaßen mehrfach als Zeuge im NSA-Untersuchungsausschuss.
    Es gibt kein Indiz für diese Theorie. Sie ist nach allem, was bisher bekannt wurde, abenteuerlich. Selbst hohe amerikanische Geheimdienstler gehen nicht so weit. Die einzigen, die diese Theorie verbreiten, sind Hans-Georg Maaßen und Patrick Sensburg. Der Vorsitzende des NSA-Untersuchungsausschusses hatte sie in einem Beitrag für Frankfurter Allgemeine Zeitung erwähnt. Er sagte: “Snowden hat sich entschieden, nach Russland zu reisen. Er hat sich damit auf eine Seite des Propagandakriegs zwischen Moskau und dem Westen geschlagen.” Sensburg gab in diesem Interview vor allem die Meinung von “Sicherheitskreisen” weiter, wahrscheinlich also die von Maaßen.
    “Haben Sie einen Beleg dafür, dass Snowden ein russischer Agent ist?”, fragte André Hahn von der Linkspartei im NSA-Ausschuss. “Nein”, sagte Maaßen. “Aber es hätte eine hohe Plausibilität.”
    Quelle: Kai Biermann auf Zeit Online

    dazu: Ob Verfassungsschutz-Präsident Maaßen Agent der NSA ist, kann derzeit nicht belegt werden. Es gibt Indizien.

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