Hinweise des Tages

Ein Artikel von:

(KR/WL)

Heute unter anderem zu folgenden Themen:

  • Prozesslawine gegen Hartz
  • Hartz-Regelsätze sind wirklichkeitsfremd und betreffen alle
  • Flaute gefährdet Pläne zur weiteren Senkung der Arbeitslosenversicherung
  • Privatanleger bei den Bundesschulden lassen Banken schäumen
  • EZB hat sich vergaloppiert
  • Die Exportabhängigkeit steigt weiter
  • Sozialabbau als Rekrutierungshilfe der Bundeswehr
  • Atomenergie kommt Steuerzahler teuer zu stehen
  • Zur Rentenversicherung und Pensionsfonds
  • Mehr Thatcher denn je
  • Lehrermangel
  • Ruanda
  • Hoffentlich ein letztes Mal zu Clement

Vorbemerkung: Dieser Service der NachDenkSeiten soll Ihnen einen schnellen Überblick über interessante Artikel und Sendungen verschiedener Medien verschaffen.

Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Der Staat vor Gericht
    Gegen Hartz IV begehren die Menschen massenhaft auf. Fast die Hälfte der Prozesse gewinnen die Kläger. Die Zahl der Verfahren bricht in der ersten Hälfte 2008 alle Rekorde. Angesichts der hohen Erfolgsrate der Klagen rät DGB-Arbeismarktexperte Wilhelm Adamy allen Hartz IV-Empfängern, jeden Bescheid genau zu prüfen und bei Zweifeln juristischen Rat zu suchen.
    Quelle: FR

    Siehe dazu auch:

    Blamage mit Hartz IV
    Der anhaltende Ansturm auf die Sozialgerichte ist für den Gesetzgeber eine Blamage. Mit Hartz IV wollte die Politik den Sozialstaat vereinfachen und Bürokratie abbauen. Aber das Gegenteil ist eingetreten. In jedem Fall geklärt ist die Frage, ob Hartz IV Arbeit schafft. Bei Anwälten, Richtern und in der Arbeitsmarktverwaltung wirkt die Reform tatsächlich wie ein gigantisches Beschäftigungsprogramm.
    Quelle: FR

    Anmerkung WL: Massenhafte Klagen gegen Verwaltungsgesetze sind in der Regel ein Zeichen, dass die Gesetze schlecht gemacht sind, dass sie unbestimmt, nicht eindeutig, ja sogar widersprüchlich sind. Das kann man über die mit heißer Nadel genähten Hartz-Gesetze mit Sicherheit sagen. Statt nun die Gesetze zu verbessern, gibt es Pläne, die Klagemöglichkeiten zu beschränken, etwa in dem man die Sozialgerichte durch finanzielle Hürden vor Recht suchenden Hartz-IV-Opfern abzuschirmen versucht.

  2. Immer weniger zu leben mit Hartz IV – Die Regelsatzhöhe ist wirklichkeitsfremd
    Um der Realität der Preissteigerungen gerecht zu werden, käme nach Vorstellung des PARITÄTISCHEN ein preisangepasster Regelsatz für Anfang 2008 ein Betrag von 434 Euro heraus. Nur so kann tatsächlich der Bedarf des notwendigen Lebensunterhalts außerhalb von Einrichtungen mit Ausnahme von Leistungen für Unterkunft und Heizung und der im Gesetz vorgesehenen Sonderbedarfe gedeckt werden. Der Paritätische fordert (darüber hinaus) endlich eine eigenständige Untersuchung der Kinderbedarfe zur Ermittlung des Existenzminimums von Kindern und Heranwachsenden.
    Quelle: Neue Rheinische Zeitung

    Anmerkung WL: Weithin unbekannt dürfte Folgendes sein:

    Der Regelsatz bestimmt nicht nur die Höhe der Sozialhilfe: Niveau und Struktur von Sozialhilfe als Hilfe zum Lebensunterhalt und Arbeitslosengeld II bzw. Sozialgeld sind im Wesentlichen gleich gestaltet. Gleiches gilt für die bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Für Leistungsempfänger in Einrichtungen ist der Regelsatz gleichfalls wichtig, da sich der Barbetrag zur persönlichen Verfügung im Form von Taschengeld (§ 35 SGB XII) am Regelsatz orientiert. Darüber hinaus richten sich die Grund- und Kinderfreibeträge in der Einkommensteuer – das steuerlich zu verschonende Existenzminimum – nach dem im Sozialhilferecht anerkannten Mindestbedarf. Weitere Bereiche, in die der Regelsatz allerdings nicht unmittelbar hineinwirkt, sind der Kinderzuschlag (§ 6a Bundeskindergeldgesetz), die Pfändungsfreigrenzen in der Zivilprozessordnung (§§ 850, 850a ff. ZPO) und das Asylbewerberleistungsgesetz. Damit hat fast die gesamte deutsche Wohnbevölkerung direkt oder indirekt etwas mit dem Regelsatz zu tun.

  3. Flaute gefährdet Beitragssenkung
    Die drohende Konjunkturflaute gefährdet den Spielraum für Beitragssenkungen bei der Bundesagentur für Arbeit (BA): Nach Berechnungen aus dem BA-Verwaltungsrat, die dem Handelsblatt vorliegen, könnte das verfügbare Finanzpolster selbst ohne Beitragssenkung schon Ende 2009 beinahe auf null zu schmelzen. Die drohende Konjunkturflaute und neue Ausgabenprogramme der Regierung lassen den Spielraum für Beitragssenkungen bei der Bundesagentur für Arbeit (BA) schwinden. Nach Berechnungen aus dem Verwaltungsrat der Nürnberger Behörde könnte das verfügbare Finanzpolster der BA Ende 2009 auch ohne eine weitere Senkung des Beitrags zur Arbeitslosenversicherung bereits annähernd aufgebraucht sein.
    Quelle: Handelsblatt

    Anmerkung WL: Wir haben stets darauf hingewiesen, dass es vernünftiger und vorsorgender wäre, bei der Arbeitsagentur ein Finanzpolster für Zeiten des konjunkturellen Abschwungs und wieder steigender Arbeitslosigkeit anzulegen. Die Senkung der Arbeitslosenversicherungsbeiträge hatte vor allem den Sinn, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, in der Flaute wegen der dann entstehenden Defizite die Leistungen der Arbeitsagentur weiter einzuschränken.

  4. Steinbrück lässt Banker schäumen
    Banken und Finanzministerium streiten heftig über das Geschäft des Bundes mit Privatanlegern. Nach dem erfolgreichen Start der Tagesanleihe vor einigen Wochen soll die mit dem Schuldenmanagement der Bundesrepublik beauftragte Finanzagentur nach dem Willen des Finanzministers Peer Steinbrück (SPD) weitere Produkte unters Volk bringen.
    Quelle: FR

    Siehe dazu auch:

    Fabelhaft
    Was sollten Bürger von ihrem Staat erwarten dürfen? Effizienz im Umgang mit den Steuergeldern, oder ein Programm, das die Gewinne bei Banken, Sparkassen und Fondsgesellschaften fördert? Die Antwort auf diese simple Frage sollte ausreichen, um das Sommertheater in der großen Koalition rasch zu beenden. Finanzminister Peer Steinbrück und die SPD haben recht: Der Plan, den Anteil der Privatanleger an der Finanzierung der Bundesschuld zu erhöhen, ist fabelhaft. Und das aus einem einfachen Grund: Wenn die Bürger direkt beim Bund Anlageprodukte kaufen, können Staat und Anleger sich die Marge teilen, die ansonsten die Bank oder Fondsgesellschaft einsackt. So fallen die Zinskosten für den Bund geringer aus, was bedeutet, dass die Steuerlast sinkt. Und der Clou: Die Anleger, die Geld direkt in Bundestiteln anlegen, erhalten auf lange Sicht auch noch eine höhere Verzinsung als wenn sie den Umweg über die Bank gingen. Rechnet man noch Wettbewerbseffekte hinzu, kann es der Bund mittels halbwegs flotter Produkte sogar schaffen, dass die Kosten für diese Art der Sparanlage in ganz Deutschland sinken. Mehr kann ein Staat kaum tun, der seine Bürger verpflichtet, privat für das Alter vorzusorgen.

    Dass die Bankenverbände nun schreien, ist verständlich. Es zeigt nur, dass die Finanzagentur jetzt nach und nach kluge Produkte auf den Markt bringt. Übrigens das erste Mal seit fast 30 Jahren. Aber dass sich die CDU auf die Seite der Lobby schlägt, ist peinlich. Alle Argumente gegen den Plan des Finanzministers laufen ins Leere. Es handelt sich um keine Subvention. Das wäre nur dann der Fall, wenn der Bund Konditionen zahlte, die der Markt nicht hergibt. Doch davon kann keine Rede sein. Der Bund zahlt sogar etwas weniger als der Markt, weil ihm ja Kosten entstehen – und er Steuern sparen will. Nur zahlt er im Mittel immer noch mehr als den Anlegern nach Abzug aller satten Fonds- und Bankgebühren bliebe.
    Quelle: FR

    Anmerkung KR: Und dennoch gibt es eine bessere Einnahmequelle, die Schulden und Zinsen vermeiden hilft, für deren Nutzung der Staat aber mehr leisten müsste, damit die Bürger dies akzeptieren: Sinnvolle und gerechte Steuern.

  5. Die EZB hat sich vergaloppiert
    Die EZB stehe international isoliert da. Alle anderen bedeutenden Zentralbanken lockerten aktuell die Geldpolitik. “Die engstirnige Geldpolitik der EZB hat Gründe”, sagt Herbert Schui, wirtschaftspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE.

    Sie fällt zunehmend auf Psychologismen zurück. Die letzte Zinserhöhung begründete sie nicht mit ihrer Wirkung auf die Preise, sondern mit ihrer Wirkung auf die Inflationserwartungen. Die EZB ist die letzte Vertreterin des dogmatischen Monetarismus. Selbst der Internationale Währungsfonds fordert sie inzwischen auf, die überholte ‘monetäre Analyse’ aufzugeben. Hinter diesen wissenschaftlichen Fehlleistungen stecken Interessen: Die EZB sieht ihre Hauptaufgabe darin, die Gewerkschaften zur Lohnzurückhaltung zu drängen.

    Quelle: Linkszeitung

  6. Deutsche Ausfuhren im Juni 2008: + 7,9% zum Juni 2007
    Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) anhand vorläufiger Ergebnisse mitteilt, wurden im Juni 2008 von Deutschland Waren im Wert von 88,3 Milliarden Euro ausgeführt und Waren im Wert von 68,6 Milliarden Euro eingeführt. Die deutschen Ausfuhren waren damit im Juni 2008 um 7,9% und die Einfuhren um 5,3% höher als im Juni 2007. Im Vormonatsvergleich war die Entwicklung von Aus- und Einfuhren kalender- und saisonbereinigt gegenläufig: Während die Ausfuhren gegenüber Mai 2008 um 4,2% stiegen, nahmen die Einfuhren um 0,1% ab.

    Die Außenhandelsbilanz schloss im Juni 2008 mit einem Überschuss von 19,7 Milliarden Euro ab. Im Juni 2007 hatte der Saldo in der Außenhandelsbilanz 16,7 Milliarden Euro betragen. Kalender- und saisonbereinigt lag im Juni 2008 der Außenhandelsbilanzüberschuss bei 18,1 Milliarden Euro.

    Zusammen mit den Salden für Dienstleistungen (– 1,7 Milliarden Euro), Erwerbs- und Vermögenseinkommen (+ 3,3 Milliarden Euro), laufende Übertragungen (– 2,2 Milliarden Euro) sowie Ergänzungen zum Außenhandel (– 0,7 Milliarden Euro) schloss – nach vorläufigen Berechnungen der Deutschen Bundesbank – die Leistungsbilanz im Juni 2008 mit einem Überschuss von 18,5 Milliarden Euro ab. Im Juni 2007 hatte die deutsche Leistungsbilanz einen Aktivsaldo von 18,1 Milliarden Euro ausgewiesen.

    In die Mitgliedstaaten der Europäischen Union wurden im Juni 2008 Waren im Wert von 56,5 Milliarden Euro versandt und Waren im Wert von 45,5 Milliarden Euro von dort bezogen. Gegenüber Juni 2007 stiegen die Versendungen in die EU-Länder um 5,9% und die Eingänge aus diesen Ländern um 3,8%. In die Länder der Eurozone wurden im Juni 2008 Waren im Wert von 37,2 Milliarden Euro (+ 4,7%) geliefert und Waren im Wert von 31,3 Milliarden Euro (+ 2,4%) aus diesen Ländern bezogen. In die EU-Länder, die nicht der Eurozone angehören, wurden im Juni 2008 Waren im Wert von 19,3 Milliarden Euro (+ 8,4%) geliefert und Waren im Wert von 14,2 Milliarden Euro (+ 6,9%) von dort bezogen.

    In die Länder außerhalb der Europäischen Union (Drittländer) wurden im Juni 2008 Waren im Wert von 31,8 Milliarden Euro exportiert und Waren im Wert von 23,1 Milliarden Euro aus diesen Ländern importiert. Gegenüber Juni 2007 stiegen die Exporte in die Drittländer um 11,7% und die Importe von dort um 8,6%.
    Quelle: Statistisches Bundesamt

    Anmerkung WL: Wieder einmal ein Beleg dafür, wie exportabhängig Deutschland ist. Es ist höchste Zeit, die deutsche Binnenkonjunktur auf der Kaufkraftseite endlich anzukurbeln, damit sie wenigstens einen Teil des zu erwartenden Exportrückgangs auffangen kann.

  7. „Sozialabbau als Rekrutierungshilfe der Bundeswehr“
    Lange Zeit wurde ein Zusammenhang zwischen Militarisierung und Sozialabbau allein über die sinkenden Sozialausgaben bei steigenden Militärausgaben hergestellt. Gerade in Deutschland aber, wo das Militär gerne als „Spiegelbild“ der Gesellschaft und der Soldat als „Staatsbürger in Uniform“ dargestellt wird, verpflichten sich immer mehr Jugendliche aus gesellschaftlich unterprivilegierten Gruppen als „Freiwillig-Längerdienende“, weil sie für sich keine oder kaum eine Chance auf dem zivilen Arbeitsmarkt sehen. Ähnlich wie in den USA unterwerfen sich Jugendliche den Gefahren des Kriegseinsatzes, weil ihnen die Gesellschaft keine anderen Chancen lässt.

    Besonders profitiert die Bundeswehr von der Verschärfung der Auflagen für unter 25jährige Hartz IV Empfänger. Vor diesem Hintergrund erweist sich der Sozialabbau als Rekrutierungsgehilfe der Bundeswehr. Dies geht mittlerweile soweit, dass die Bundeswehr in zahlreichen Arbeitsämtern bereits ständige Büros unterhält und sogar Berichte vorliegen, dass Hartz IV Empfängern Leistungskürzungen angedroht wurden, sollten sie sich weigern, an einer Rekrutierungsveranstaltung teilzunehmen.
    Quelle: Informationsstelle Militarisierung (IMI) [PDF – 660 KB]

  8. Atomenergie kommt Steuerzahler teuer zu stehen
    Wenn Wirtschaftsminister Glos die Laufzeitverlängerung mit dem Argument durchsetzen will, Atomstrom sei billig, so ist das eine Lachnummer”, reagiert Ulla Lötzer, Obfrau im Wirtschaftsausschuss, zur Antwort auf eine Kleine Anfrage der LINKEN zu den volkswirtschaftlichen Kosten der Atomenergie. “Wird den Bürgern das Geld für die teure Atomenergie nicht über den Strompreis aus der Tasche gezogen, dann eben über Steuern. Denn letztlich ist es der Staat, der die Defizite dieser Technik bezahlt”, so Lötzer.

    Ob Atomforschung, Stilllegung von Reaktoren, Beiträge zu Euratom und IAEO oder die Altlasten der Atomenergie in Ostdeutschland – Steuerzahlerinnen und Steuerzahler seien kräftig dabei, wenn es um die Lasten der Atomindustrie geht. Über 667 Millionen Euro seien im Bundeshaushalt 2008 für die Unterstützung der Atomenergie eingestellt. Zugegeben habe das Wirtschaftsministerium zudem, dass auf den Staat auch in den nächsten Jahren Milliarden Lasten aus der Atomenergienutzung zukommen:

    • 1,5 Mrd. Euro für die Stilllegung der Forschungsreaktoren und der Wiederaufarbeitungsanlage Karlsruhe,
    • 2,2 Mrd. Euro für die Schließung von Morsleben,
    • 1,3 Mrd. Euro für die weitere Sanierung der Wismut.

    “Dies sind nur einige Posten”, sagt Ulla Lötzer. “Andere Lasten sind noch gar nicht absehbar. Für das Atommülllager ASSE II werden 536 Mio. angegeben, doch keiner weiß, wie teuer die Sanierung des Lagers wirklich wird. Schließlich weiß ja wohl auch keiner, was dort wirklich eingelagert wurde.”
    Quelle: Linkszeitung

    Anmerkung WL: Die größte Zeitbombe bei den Kosten für die Atomkraft tickt, wenn die Kraftwerke nach der Stillegung sicher eingeschlossen oder rückgebaut werden müssen.

    Ich habe damit selbst nach der Stilllegung des winzigen Versuchsreaktors an der damaligen Kernforschungsanlage Jülich bittere Erfahrungen sammeln müssen. Die Kosten für den sicheren Einschluss oder den Rückbau (grüne Wiese) explodierten. Ich kenne nicht mehr den neuesten Stand, aber im Jahre 2003 beliefen sich die geschätzten Kosten für den „sicheren Einschluss“ auf weit über 200 Millionen Euro. Für den Rückbau wurden weitere 300 Millionen Euro angenommen, die, da die Betreibergesellschaft zahlungsunfähig war, vollständig auf Bund und Land zuliefen. Eine halbe Milliarde also, das ist ein Mehrfaches des Betrages, den der Bau dieser relativ kleinen Anlage gekostet hat.

    Ganz Ähnlich verlief es nach der Stilllegung des Thorium-Hochtemperator-Reaktors in Hamm-Uentrop. Die Betreibergesellschaft war sofort insolvent und konnte für die Kosten nicht herangezogen werden. Also blieben die Kosten von gleichfalls einer halben Milliarde Euro gleichfalls beim Steuerzahler hängen. Der Rückbau wird noch mindestens 20 Jahre beanspruchen.

  9. Dresdner Bank in Dortmund bringt Betriebsrat zum Schweigen
    Der Betriebsrat der Dresdner Bank Ruhr und Westfalen kann die 1.300 Belegschaftsmitglieder in 60 verschiedenen Standorten im Ruhrgebiet, Münsterland und Südwestfalen nicht mehr über einen E-Mail-Verteiler informieren. Der Leiter der Personalabteilung für Nordrhein-Westfalen, Direktor Holger Goray, teilte der Interessenvertretung mit, dass mit „sofortiger Wirkung“ die Berechtigung, E-Mails an alle Mitarbeiter zu versenden, gelöscht worden ist. Das bankeigene elektronische Netz ist angesichts der weit verzweigten Unternehmensstruktur die einzige Möglichkeit, mit den Angestellten schnell und flächendeckend zu kommunizieren.

    ver.di-Bundesvorstandmitglied Uwe Foullong nannte das Abschalten der Sendeberechtigung einen „schwerwiegenden Eingriff“ in das Betriebsverfassungsgesetz. „In einem demokratischen Land kann keine Unternehmensleitung als Zensor bestimmen, was die Beschäftigten lesen“, sagte Foullong. Das ver.di-Vorstandsmitglied forderte die Dresdner Bank auf, die „brutale Verhinderung der Betriebsratsarbeit“ sofort einzustellen.
    Quelle: ver.di-Bundesvorstand

  10. Rische bringt skandinavisches Vorsorgemodell ins Spiel
    Zur Überwindung der noch immer weit verbreiteten Altersvorsorge-Lethargie hat der Chef der Deutschen Rentenversicherung Bund, Herbert Rische, ein so genanntes “öffentliches Produkt” nach skandinavischem Vorbild angeregt. Ein solches Produkt könne als Alternative zum kaum noch übersehbaren Vorsorgeangebot der privaten Finanzdienstleister auf den Markt kommen und lasse sich zudem mit einer “Komponente der Invaliditätssicherung” verbinden, sagte Rische in einem Interview.

    Zur Begründung verwies Rische auf die Nachteile privater Berufsunfähigkeitsversicherungen. Viele Angebote seien “versicherungstechnisch heikel und entsprechend teuer”, sagte Rische. Der Präsident der Deutschen Rentenversicherung Bund bezog damit indirekt Stellung zur aktuellen Debatte über die wachsende Armutsgefahr von Erwerbsgeminderten. Fachleute der gesetzlichen Rentenversicherer hatten in jüngster Zeit mehrfach darauf hingewiesen, dass schon jetzt fast die Hälfte der Bezieher der staatlichen Grundsicherung Invalide seien. Dieser Anteil wird nach Ansicht von Experten wegen der Abschläge auf Erwerbsminderungsrenten vor dem 63. Lebensjahr und der geringen Verbreitung privater Berufsunfähigkeitsversicherungen in den kommenden Jahren vermutlich noch zunehmen.

    Zugleich verteidigte Rische das umlagefinanzierte Rentensystem in Deutschland als “äußerst flexibel”. Die gesetzliche Rente habe in den vergangenen 50 Jahren viele Anpassungsprozesse mitgemacht. “Diese Fähigkeit, auf gesellschaftliche Veränderungen reagieren zu können, zählt zu den großen Vorteilen des Modells”, so Rische. Allerdings müsse der Gesetzgeber dafür sorgen, dass die Erwerbstätigen auch künftig ausreichend hohe Einkünfte erzielen könnten. Wer von Niedriglohnjobs und staatlichen Lohnzuschüssen leben müsse, “von dem kann man schlichtweg nicht erwarten, dass er fürs Alter vorsorgt”, sagte der ranghöchste Vertreter der Deutschen Rentenversicherung.
    Quelle: Ihre Vorsorge

    Anmerkung KR: Auch ein sogenanntes “öffentliches Produkt” bringt keinen Nutzen, sondern zusätzliche Verwaltungskosten und Risiken (sofern es sich um eine auf Kapitaldeckung hoffende Variante handelt, siehe dazu auch der folgende Hinweis) mit sich. Hat man Rische zu verstehen gegeben, dass er keinen Klartext reden darf, weil dies politisch unerwünscht ist?

  11. Pensionsfonds erleiden durch die Finanzkrise riesige Verluste
    Diese Fonds verlieren jeden Tag und jeden Monat viel Geld (1.500 Milliarden US-Dollar Verlust seit Januar 2008 (2)) und werden in den nächsten Monaten und Jahren noch mehr verlieren. Wir gehen davon aus, dass die Pensionsfonds trotz ihren Versuchen, die riskantesten Investitionen abzustoßen, 2008 insgesamt mindestens weitere 3.000 Milliarden Dollar verlieren werden, und ihre Rendite (inflationsbereinigt) auf bestenfalls 5% zurückgehen wird.

    Wir gehen davon aus, dass mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit bis Ende 2008 die Krise der Pensionsfonds die eklatanteste Facette der gegenwärtigen umfassenden weltweiten Krise bieten wird. Dies bedeutet, dass viele Rentner in finanzielle Schwierigkeiten geraten werden. Besonders werden die Rentner in den USA (deren Versicherten 2006 über 45% der globalen Gesamtsumme des Anlagevermögens der Pensionsfonds verfügten) und in Japan (18%) betroffen sein. Aber auch Rentner in einigen EU-Ländern, deren Rentensysteme verstärkt auf dem kapitalfinanzierten System aufbauen, also in Großbritannien (7% der globalen Gesamtsumme des Anlagevermögens der Pensionsfonds), Schweden (1%), Dänemark (1%) und vor allen Dingen in dem Eurozonen-Mitgliedstaat Niederlande (6%) werden nicht das Geld aus den Pensionsfonds erhalten, mit dem sie gerechnet hatten.
    Quelle: Global Europe Anticipation Bulletin

  12. Verluste aus Lebenspolicen verrechnen
    Wer seine Lebensversicherung kündigt, verliert in vielen Fällen Geld. Denn zunächst müssen Abschluss- und Verwaltungskosten beglichen werden, bevor überhaupt ein Cent Guthaben angezeigt wird. Das Versicherungsvertragsgesetz (VVG), das seit Beginn des Jahres in Kraft ist, schreibt zwar vor, dass die Abschluss- und Verwaltungskosten auf die ersten fünf Vertragsjahre verteilt werden müssen. “Trotz allem drohen hohe Verluste bei der Kündigung einer Lebensversicherung”, sagt Edda Castelló von der Verbraucherzentrale Hamburg. Der einzige Trost für all diejenigen, die ihre Lebensversicherung nach dem 1. Januar 2005 abgeschlossen haben, ist der Fiskus. Denn das Finanzamt kann an den aufgelaufenen Verlusten beteiligt werden. “Ist die Versicherungsleistung niedriger als die eingezahlten Beiträge, kann der Differenzbetrag als negative Einnahmen aus Kapitalvermögen steuermindernd verrechnet werden”.

    Schließlich geht es um viel Geld. Die Bundesbürger besitzen im Schnitt 95 Mio. Lebensversicherungen. Schätzungsweise eine Million Kunden kündigen Jahr für Jahr ihren Vertrag. Häufig verkaufen die Versicherten ihre Police mit hohen Verlusten. Schließlich müssen die Kunden in den ersten Monaten und Jahren des Vertrags zunächst Abschluss und Verwaltungsgebühren berappen, bevor sich auch nur ein Cent Guthaben auf ihrem Vertrag bildet. Eine Analyse der Hamburger Verbraucherschützer von mehr als 400 gekündigten Verträgen ergab, dass der durchschnittliche Verlust der Verbraucher bei rund 3300 Euro und damit bei knapp 70 Prozent lag. Jahr für Jahr dürften sich die Verluste nach Schätzungen der Verbraucherschützerin Castelló auf rund 3,3 Mrd. Euro belaufen.
    Quelle: Welt

    Anmerkung Martin Betzwieser: Gewinne privatisieren, Verluste sozialisieren – wie üblich. Allerdings haben Langzeitarbeitslose meistens kein steuerpflichtiges Einkommen, von dem die beschriebenen Verluste abgesetzt werden können. Werden sie als „Kunden“ von der örtlichen ARGE genötigt, ihre Lebensversicherungen aufzulösen, haben sie besondere Nachteile.

  13. Krankenhäuser in Hessen rechnen mit 450 Millionen Euro Defizit
    Die Krankenhäuser in Hessen rechnen 2008 und 2009 mit einer Finanzierungslücke von 450 Millionen Euro. Gründe dafür seien die hohen Tarifabschlüsse, steigende Energie- und Lebensmittelkosten sowie der medizinische Fortschritt. Zur «Rettung der Krankenhäuser» haben sich nun zehn Organisationen unter Führung der Hessischen Krankenhausgesellschaft zusammengeschlossen. Sie forderten am Donnerstag in Wiesbaden unter anderem eine volle Refinanzierung der Tarifsteigerungen durch den Bund sowie ein Ende der Deckelung der Krankenhaus-Budgets. Sie wünschen sich einen Ausgleich für steigende Sachkosten, Innovationen sowie mehr Geld für die Ausbildung des Nachwuchses. «Da die Rationalisierungspotenziale der Krankenhäuser inzwischen mehr als ausgeschöpft sind, kann die Finanzierungslücke nicht aus eigener Kraft geschlossen werden», sagte der Präsident der Krankenhausgesellschaft, Holger Strehlau.
    Quelle: Frankfurter Neue Presse
  14. Mehr Thatcher denn je
    Untersuchungen zeigen, dass die Briten unter Labour viel marktliberaler denken als in der Zeit der konservativen Regierung. Seit rund zehn Jahren hat sich die Einstellung gegenüber ärmeren Menschen im Land beinahe grundsätzlich gewandelt. „Armut wird heutzutage viel mehr auf eigenes Verschulden und zu wenig persönliche Anstrengung zurückgeführt“, sagt der Sozialwissenschaftler Peter Taylor-Gooby. Auch Einkommensunterschiede werden stärker akzeptiert als noch vor dem Amtsantritt von Tony Blair 1997. „In gewisser Weise ist England unter New Labour viel mehr Richtung Thatcher gegangen als je unter den Konservativen“, sagt der Wissenschaftler, der auch federführend an der größten jährlichen Umfrage zur Einstellung der Briten zum Sozialstaat mitwirkt. Während noch 1995 fast die Hälfte der Briten meinte, dass die direkten Zuschüsse für Arme steigen müssten und beinahe keiner der Ansicht war, dass diese Zuschüsse zu hoch seien, hat sich das Bild nun ins Gegenteil verkehrt. 2006 waren fast 40 Prozent der Meinung, dass die Zuschüsse zu hoch sind. Außerdem glauben heute doppelt so viele Briten, dass es in Ordnung ist, wenn sich Reichere eine bessere Gesundheitsversorgung leisten können. Vom Staat werde zwar eine Grundversorgung in Sachen Gesundheit und Bildung erwartet, aber wer sich mehr leisten kann, soll dafür auch sein „hart verdientes Geld“ ausgeben können.
    Quelle: tagesspiegel

    Anmerkung Orlando Pascheit: Als Gründe für diese Einstellungsänderung nennt Taylor-Gooby die Politik New Labours, aber auch die Erkenntnis, dass „im Zeitalter der Globalisierung eine Regierung vieles nicht mehr kontrollieren kann“. Im Zuge dessen sei Ungleichheit in einer Gesellschaft die logische Folge. „Da sind Engländer immer pragmatischer geworden und fragen nur, wie der Staat Chancen schaffen kann, dass sich mehr am Markt beteiligen.“

    Man kann auch sagen, die Leute haben sich den von New Labour geschaffenen Realitäten gefügt. Dass der Staat gegenüber der Globalisierung machtlos sei und dass diese nun einmal ungerecht sei, braucht man nur 10 Jahre lang über alle Medien zu verbreiten, bis alle indoktriniert sind, das sehen wir auch bei uns. Der Satz, „In gewisser Weise ist England unter New Labour viel mehr Richtung Thatcher gegangen als je unter den Konservativen“, lässt sich locker auf Deutschland und die Schröder- Regierung übertragen. Wer, wenn nicht die SPD, konnte weiter gehen, als eine CDU/FDP-Regierung je erträumte.

  15. Bundesweit fehlen rund 25000 Lehrer
    Zum neuen Schuljahr rechnet die GEW mit einer weiteren Verschlechterung der Personalsituation. Ein Gespräch mit Ilse Schaad, Leiterin des Bereichs Angestellten- und Beamtenpolitik im Hauptvorstand der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW): „Um eine kontinuierliche Lehrerversorgung zu gewährleisten, müssten jährlich rund drei Prozent des Bestandes neu eingestellt werden. Das haben die Länder seit Beginn unserer Erhebung nicht ein einziges Mal geschafft, weshalb die Nachwuchslücke in jedem Jahr größer wurde. In den alten Bundesländern sind nur 16 Prozent aller Lehrer unter 35 Jahren, in den neuen Bundesländern sogar nur vier Prozent. Angesichts von 380000 Lehrkräften, die bis 2015 in den Ruhestand gehen, sind solche Zahlen mehr als besorgniserregend.“
    Quelle: Junge Welt
  16. Kumpanei mit Mördern
    Eine Untersuchungskommission in Ruanda ist zu dem Schluss gekommen, dass Frankreich das Morden der Hutu-Milizen im Jahr 1994 politisch, logistisch und auch militärisch unterstützt hat. Französische Soldaten sollen an Ermordungen und Vergewaltigungen beteiligt gewesen sein
    Quelle: taz

    Dazu auch:

    Ruanda, vergessener Hinterhof
    Der Völkermord in Ruanda 1994 war für eine gewisse französische Großmachtpolitik in Afrika Höhe- und Endpunkt zugleich. Französische Kolonialnostalgiker betrachteten Afrika als Hinterhof. Daraus entwickelte sich die Strategie, Ruanda zum Vorposten eines von West- und Zentralafrika aus expandierenden französischen Einflussgebiets auszubauen. In Ruanda waren damit Hutu-Kämpfer, die sich gegen die aus dem englischsprachigen Uganda eindringenden ruandischen Exiltutsi stellten, Vorposten eines französischen Weltmachtanspruchs. Für Frankreich mussten sie ihr Land halten, selbst um den Preis der physischen Vernichtung des Gegners.
    Quelle: taz

  17. Zu guter letzt:

    Volker Pispers über Wolfgang Clement
    Quelle: wdr

    Doch die Realität überholt die Satire:
    Gut zwei Stunden nach seiner Entschuldigung attackierte Clement im Interview mit dem ZDF erneut die hessische SPD-Chefin Andrea Ypsilanti: „Ich hätte sie nicht gewählt zur damaligen Zeit mit der Politik, die sie dort vertreten hat – in der Energiepolitik vor allen Dingen“, sagte Clement dem Sender. „Ich kann nicht eine Energiepolitik unterstützen, die ich für irreal halte.“
    Siehe ZDF Mediathek, Heute Journal vom 7.8.08: „Clement legt nach“

    Siehe zum Thema Clement auch noch:

    Grenzen der Meinungsfreiheit
    Von Erhard Eppler
    Quelle: SZ

    Anmerkung WL: Eppler hat mit seinen theoretischen Überlegungen über die Rolle von Parteien durchaus Recht. Diese Betrachtung blendet jedoch aus, dass es Clement gar nicht um Meinungsfreiheit geht. Mit seinem energiepolitisch begründeten Angriff auf Ypsilanti und mit der jetzt von ihm inszenierten Kampagne geht es um etwas ganz anderes: Clement will die SPD zwingen, bedingungslos auf Agenda-Kurs zu bleiben, er will schon gar die Parteiführung darauf festnageln, dass sie sein „Lebenswerk“, die Hartz-Reformen, ohne Einschränkungen unterstützt.

    Auf dieses Politikum geht Eppler nicht ein und er kann darauf um der eigenen Glaubwürdigkeit willen auch nicht eingehen, denn er selbst hat sich als „Parteilinker“ auf den Parteitagen für Schröder und die Agenda eingesetzt und damit wesentlich dazu beigetragen, dass Schröder die SPD auf seinen Kurs zwingen konnte.
    Auch er muss sich deshalb wie die Parteiführung der SPD einer Zurückweisung clementscher Positionen enthalten und kann nur auf das unsolidarische Verhalten Clements mit dessen Rat, die eigene Partei nicht zu wählen, abstellen.

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