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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (PS/JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Türkei
  2. Würzburg
  3. Labour
  4. Die EU zerstört Europa
  5. Kultur der Belehrung: Entkoppelung zwischen linker Politik und ihren traditionellen Wählern
  6. Bankenrettung: EuGH gibt grünes Licht für Gläubigerbeteiligung
  7. TTIP auf dem Sterbebett
  8. Deutscher Werberat schützt die Junkfood-Industrie
  9. Polen: „Der Präsident ist egal“
  10. Freiwillige Kurzdiener bei der Bundeswehr: Weiterhin bricht ein Viertel ab
  11. Weißbuch zur Sicherheitspolitik: Bundeswehr geht in die Cyberoffensive
  12. Die Unbelehrbaren, ein Skandal
  13. EuGH-Generalanwalt schließt Massenüberwachung nicht aus
  14. Die CIA und das Öl
  15. Vergleich mit AfD und Front National: Gabriel erteilt Bündnis mit Linken Absage
  16. Entmündigung als Bildungsziel

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Türkei
    1. Der wahre Putschist ist Erdogan selbst
      Der türkische Staatspräsident nutzt den gescheiterten Putsch, um die Demokratie mit Massenverhaftungen in eine Despotie zu verwandeln. Gewaltenteilung und Opposition stehen vor dem Aus. Erdogan erweist sich als der eigentliche Putschist. (…) Nur wenige Stunden nach dem gescheiterten Putschversuch wurden auf einen Schlag 2745 Richter abgesetzt, darunter oberste Verfassungsrichter und Staatsanwälte. Rund 6000 Soldaten wurden festgenommen, fast 13.000 Staatsbeamte abgesetzt, 8000 Polizisten suspendiert. Sie alle werden binnen Stunden beschuldigt, an der vereitelten Machtübernahme beteiligt gewesen zu sein. (…) Es muss vorgefertigte Säuberungslisten mit Namen von Erdogans Gegnern gegeben haben – anders ist die blitzartige Verhaftungswelle in der Türkei nicht zu erklären. Erdogan hat die Gleichschaltung der Türkei offenbar generalstabsmäßig geplant. Schon kurz vor dem Putsch waren 1500 Richter und Staatsanwälte in den Präsidentenpalast “eingeladen” worden, um auf Linie gezwungen zu werden. Die Juristen mussten in ihren Roben erscheinen, die Teilnahme war verpflichtend – so hat Erdogan erkennen können, welche Juristen ihm loyal gegenüberstehen und welche nicht. Und Ende Juni hatte das Parlament zudem einen umstrittenen Gesetzesvorschlag der islamisch-konservativen Erdoganpartei AKP verabschiedet, der einen Abbau von Richterstellen vorsieht und Erdogan das Recht einräumt, Richter persönlich zu benennen. Bereits das war ein Anschlag auf die demokratische Verfassung und Gewaltenteilung. Nun macht Erdogan die Justiz im Handstreich zum Handlanger der Exekutive.
      Quelle: Wolfram Weimer bei n-tv

      Anmerkung unseres Lesers S.L.: … die Geister die ich rief … hier muss sich Europa, insbesondere Deutschland selbst an die eigene Nase fassen.

    2. Suspendierungen in der Türkei – Jetzt trifft es Bildung und Medien
      Nach dem gescheiterten Putschversuch geht die türkische Regierung weitergegen vermeintliche “Staatsfeinde” vor. So hat das Bildungsministeriumrund 15.000 Beamte entlassen, 24 Radio- und Fernsehsendern wurde die Sendelizenz entzogen. Nach dem gescheiterten Putschversuch in der Türkei reißt die Suspendierungswelle nicht ab. So wurde bekannt, dass das Bildungsministerium 15.000 Beamte entlassen hat. Die Staatsbediensteten würden verdächtigt, Verbindungen zur Bewegung des in den USA lebenden islamischen Predigers Fethullah Gülen zu haben, teilte das Ministeriummit. Gegen sie werde nun ermittelt. Der türkische Hochschulrat forderte laut einem Bericht der Nachrichtenagentur Anadolu zudem die Rektoren allerstaatlichen und privaten Universitäten zum Rücktritt auf. Auch beim Geheimdienst MIT habe es Berichten der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu zufolge personelle Konsequenzen gegeben. 100 Mitarbeiter sollen hier suspendiert worden sein. Diese hätten aber keinen Zugang zu Geheimdienstinformationen gehabt. Weitere Medienberichte sprechen von rund 250 Suspendierten in der Behörde des Ministerpräsidenten und fast 500 Mitarbeitern der Religionsbehörde. Insgesamt stieg die Zahl der Suspendierungen aus dem öffentlichen Dienst seit Niederschlagen des Putschversuches auf rund 29 000.
      Quelle: Tagesschau

      Passend dazu:

      Quelle: Conflict News via Twitter

      Anmerkung Jens Berger: Wo sind sie denn nun, die aufrechten “Demokraten”, die sich gegen den Militärputsch gestellt haben? Wir sind Zeugen eines Putschs; aber nicht eines Militärputschs, sondern eines präsidialen Putschs. Und es erzähle mir niemand, dass diese 29.000 Opfer spontan, als Reaktion auf den Putsch, herausgesucht wurden. Ohne “schwarze Listen” sind derlei “Massensäuberungen” nämlich nicht möglich. Ginge es nicht um Erdogan, sondern um Putin, würde es sicher schon Sanktionen aus Brüssel und Washington hageln.

    3. Bundesregierung zur Türkei: “Ein Land mit Todesstrafe kann nicht Mitglied der EU sein”
      Die Einführung der Todesstrafe hätte für die Türkei radikale Konsequenzen. Laut Merkel-Sprecher Steffen Seibert würde dies das Ende der EU-Beitrittsverhandlungen bedeuten.
      Quelle: Spiegel Online

      Anmerkung unseres Lesers H.K.: Merkel sagt: Ein Land mit Todesstrafe kann nicht Mitglied der EU sein. Warum kann ein Land mit Todesstrafe aber Mitglied der NATO sein, wenn doch beide “Institutionen” die gleichen “Werte” vertreten?

    4. Die westliche Lebensart wird unter Beschuss genommen
      Der Leiter des Goethe-Instituts in Istanbul, Christian Lüffe, zeigt sich besorgt über das Vorgehen der türkischen Regierung nach dem Putschversuch und der Stimmung im Land. Der Unmut von AKP-Sympathisanten richte sich vor allem gegen westliche Intellektuelle, sagte er im DLF. “Es beginnt eine Hetzjagd auf alles, was nicht religiös-konservativ ist.”
      Quelle: Deutschlandfunk

      Anmerkung JK: Erdogan überzieht die Türkei mit einer Säuberungswelle, die, wie einem Hinweis bereits treffend umschrieben, nur als stalinistisch bezeichnet werden kann. Unter aller Augen wird die Türkei fast nach Lehrbuch in eine Diktatur verwandelt und den politischen Eliten in Brüssel und Berlin fallen dazu nur hilflose Appelle ein. Man stelle sich die Reaktion vor, wenn sich derartiges in Russland ereignen würde.
      Der Punkt ist, dass sich die Türkei als NATO-Mitglied in einer expliziten geostrategischen Position befindet. Ohne die Türkei wäre der IS, auch wenn Erdogan diesen bisher gegen seinen Erzfeind Syrien unterstützt hat, nur schwer zu bekämpfen. Ohne die Türkei wäre die Flüchtlinge nur schwer von den EU-Grenzen fern zuhalten. Ohne die Türkei wäre es für die USA viel schwieriger direkten Einfluss auf den syrischen Bürgerkrieg zu nehmen. Da schadet so ein wenig Diktatur nicht, solange die Interessen der europäischen Oligarchie gewahrt bleiben. Wobei das Beispiel Griechenlands demonstriert, dass man es mit einer Diktatur in der EU nicht so genau nimmt – der griechischen Regierung wurden Maßnahmen gegen die eigene Bevölkerung abverlangt, die man eigentlich nur unter einer militärischen Besetzung hätte durchzusetzen können.

  2. Würzburg
    1. Kritik an Polizei-Schüssen: Künast bereut Würzburg-Tweet – ein bisschen
      Renate Künast kritisierte die Todesschüsse auf den Attentäter von Würzburg, danach hagelte es Vorwürfe. Jetzt erklärt die Politikerin, wie sie ihre Bemerkung gemeint hat. Grüne gehen auf Distanz.
      Renate Künast ist eine langjährige Bundestagsabgeordnete der Grünen, sie war mal Fraktionschefin, Bundesministerin, Spitzenkandidatin und Bundeschefin ihrer Partei. Seit der Nacht zum Dienstag ist die 60-Jährige aber vor allem eine Politikerin, die womöglich zu schnell und zu missverständlich die Axt-Attacke von Würzburg kommentiert hat.
      Bereits wenige Stunden nach der Tat twitterte Künast: “Wieso konnte der Angreifer nicht angriffsunfähig geschossen werden????” Am Montagabend hatte ein 17-jähriger Afghane Fahrgäste in einem Regionalzug verletzt, vier davon schwer. Nach seiner Flucht wurde er von der Polizei erschossen.
      Quelle: SPIEGEL Online

      Anmerkung Jens Berger: Das ist mal wieder „typisch grün“ … was gibt es an dem Tweet denn eigentlich zu bereuen? Dass ein komplettes SEK es nicht schafft, einen leicht bewaffneten 17jährigen zu stoppen, ohne ihn dabei tödlich zu verletzen, ist in der Tat erst einmal kaum zu glauben. Solche Fragen müssen in einer offenen Gesellschaft gestellt werden dürfen, ohne dass gleich der Mob mit Fackeln und Forken über einen herfällt und man zurückrudern muss. Ich wünsche den Grünen – nicht nur in diesem Punkt – viel mehr Mut.

    2. Nach Dallas, Nizza und Würzburg: Wer ist eigentlich ein Terrorist und wer nur psychisch gestört?
      Nach einem medialen Drehbuch scheinen immer wieder junge Männer mit einem blutigen Spektakel ihre Leben beenden zu wollen. Ist das politisch?
      Die französische Regierung betonte schnell, dass es sich bei dem Massaker in Nizza um einen Terroranschlag handelte. Etwas gewunden und zögerlich hatte sich der IS schließlich über seine “Nachrichtenagentur” Amaq die Tat des Tunesiers Mohamed Lahouaiej Bouhlel zugeschrieben, vermutlich hatte man Schwierigkeiten mit einem “IS-Soldaten”, der nicht religiös war, Alkohol trank und auch ansonsten nicht der Dschihad-Moral der Islamisten folgte.
      Zwar war sich Innenminister Cazeneuve erst einmal nicht sicher, ob es sich um einen Terroristen mit islamistsichen Verbindungen handelte, aber Regierungschef Valls sah dies von vorneherein als gegeben an. Das Bekennerschreiben des IS und die These von der Schnellstradikalisierung sollen das Bild aufrechterhalten, dass es es sich hier um den Handlanger einer Gruppe handelt, mit der man im In- und Ausland im Krieg liegt.
      Ähnliche Probleme der Einordnung gab es auch in den USA, etwa mit Omar Mateen, der 49 Menschen in einer Schwulenbar in Orlando getötet hatte. Er hatte sich ebenso wie Larossi Abballa, der bei Paris einen Polizisten und dessen Frau ermordete, vor der Tat noch schnell zum IS bzw. zu dessen Führer al-Bagdadi bekannt (Sicherheitsbehörden sind bei der Terrorismusabwehr überfordert). Fraglich ist auch bei den beiden jungen schwarzen Männern, die in Dallas und Baton Rouge gezielt Polizist erschossen, ob sie einen Rachefeldzug gestartet haben oder ob die jüngsten Vorfälle der Polizeigewalt gegen Schwarze nur Auslöser, aber nicht die Ursache ihrer Taten waren.
      Quelle: Telepolis
  3. Labour
    1. Corbyn über britische Atomwaffen: „Drohung mit Massenmord“
      Der Chef der britischen Labour-Partei unterliegt im Streit um neue Atomwaffen. Trotz seines Protestes stimmt die Mehrheit der Fraktion für ein milliardenschweres Rüstungsprojekt – und offenbart damit abermals den tiefen Riss, der durch die Partei geht. Großbritannien setzt weiterhin auf nukleare Abschreckung. Mit großer Mehrheit stimmte das Parlament in London am Montagabend für die Erneuerung der mit Nuklearwaffen bestückten U-Boot-Flotte des Landes. Nach einer stundenlangen Debatte im Parlament stimmten am Montagabend 472 Abgeordnete für das umgerechnet rund 37 Milliarden Euro teure Rüstungsprogramm. 117 Abgeordnete votierten dagegen. Die Abstimmung offenbarte abermals den Riss, der durch die britische Labour-Partei geht. Während sich Labour-Chef Jeremy Corbyn gegen eine Erneuerung der U-Boot-Flotte aussprach, stimmte die Mehrheit seiner Fraktion für das Rüstungsprogramm. (…) Labour-Chef Corbyn forderte dagegen die Abrüstung des britischen Atomwaffenarsenals und bezeichnete nukleare Abschreckung als „Drohung mit Massenmord“ – zum Unmut vieler seiner Fraktionskollegen.
      Quelle: FAZ.net

      Anmerkung Paul Schreyer: Corbyn im Originalwortlaut: „Ich glaube nicht, dass die Drohung mit Massenmord ein legitimes Verfahren in internationalen Beziehungen ist.“ Die britischen Atomraketen bezeichnete er in seiner Rede wiederholt als „Massenvernichtungswaffen“, eine Bezeichnung, die ohne Frage zutreffend ist, die im Westen aber bekanntlich eher für die Waffen von Terroristen oder missliebigen Regierungen verwendet wird.

    2. Großbritannien: Labour pledges national investment bank to mobilise £500bn
      Shadow chancellor also promises to build network of regional banks to ‘rebuild Britain’s industries after years of neglect’ – John McDonnell has pledged that Labour will mobilise £500bn of investment and lending from the creation of a new national investment bank to help the UK economy recover post-Brexit – with £350bn coming directly from the public purse. The shadow chancellor also promised to build a network of regional banks, inspired by Germany’s government-owned development bank, which he said could “rescue Britain’s communities from decay and rebuild Britain’s industries after years of neglect”.
      Quelle: The Guardian

      Anmerkung Paul Schreyer: Ein interessanter Plan des Corbyn-Vertrauten McDonnell: Offenbar hat er das Beispiel der deutschen KfW im Sinn. Noch effektiver wäre das Ganze freilich, wenn eine solche staatliche Förderbank direkt und günstig an neu geschöpftes Geld der Zentralbank käme und somit nicht ihrerseits – indirekt über den Staat – auf eine Verschuldung bei privaten Banken angewiesen wäre. Eben das ist eine grundsätzliche Machtfrage, siehe auch hier.

  4. Die EU zerstört Europa
    Fabio de Masi über die Notwendigkeit neuer EU-Verträge – und das, was die Linke bis dahin zu tun hätte
    In der EU brennt die Hütte. Erst Brexit, nun Stress bei Italiens Banken. Derweil heuert der einstige EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso bei Goldman Sachs an, während sein Land zu Strafen wegen des Haushaltsdefizits verknackt wird, obwohl Portugal brav die Troika-Reformen umsetzte. Auch in Frankreich, Italien oder Schweden wächst die Stimmung für einen EU-Austritt. Es reicht daher nicht, mit dem Finger auf die Insel zu zeigen. Die EU hat offensichtlich ein Problem.
    Sicher war die Brexit-Kampagne von Rassismus, Lügen und Angst vor Zuwanderung geprägt. In Österreich stimmte fast jeder Zweite bei den Präsidentschaftswahlen für die FPÖ. Das ist nicht neu. Neu ist die Ohnmacht der Linken angesichts dessen – denn es nützt wenig, das Publikum zu beschimpfen.
    Laut Umfragen trieben die Briten vor allem soziale Ängste um: Lohndumping durch Zuwanderung, Mangel an Wohnraum und der Zustand des Gesundheitswesens. Doch wer die Angst der Briten vor Zuwanderung beklagt, darf von der EU nicht schweigen.
    So wird ein polnischer Bauarbeiter, der auf eine britische Baustelle »entsandt« ist, häufig nicht nach dem Tarif in Manchester oder Liverpool bezahlt, sondern gemäß dem »Herkunftslandprinzip« auf dem niedrigeren Warschauer Niveau. Das schafft tatsächlich Lohnkonkurrenz.
    Die EU bietet keinen Schutz vor der sozialen Gewalt der Globalisierung. Wir können nicht die Handelsverträge der EU mit Kanada (CETA) und den USA (TTIP) kritisieren, aber zum EU-Binnenmarkt schweigen. Denn das Prinzip ist gleich: Die niedrigeren Standards setzen sich durch. Die EU schafft Wettbewerb bei Steuern und Löhnen, ihre Troika-Mafia erzwingt Privatisierungen und untergräbt oft die Demokratie.
    Quelle: Fabio de Masi im Neuen Deutschland
  5. Kultur der Belehrung: Entkoppelung zwischen linker Politik und ihren traditionellen Wählern
    Die Parteien der linken Mitte haben den Kontakt ausgerechnet zu denen verloren, deren Interessen zu vertreten sie vorgeben und aus deren Emanzipationsbewegungen sie einst hervorgegangen sind: Die Milieus der kleinen Leute, der abhängig Beschäftigten und der Schlechterverdiener. Stattdessen werden sie von den aufgeklärten Mittelschichten gewählt, den Besserverdienern, den höheren Angestellten und Teilen des Managements. (…) Die Linke reagiert darauf zunehmend mit einer Kultur der Belehrung und der Demokratie nach Gutsherrenart. Ricolfi bringt diese Haltung seiner linksbürgerlichen Freunde und Kollegen auf die Formel „souverän ist das Volk, wenn es so wählt, wie es soll“. Tut es das nicht, dann muss man intervenieren, bzw. wie es vor ein paar Wochen hier in der ipg hieß „das Volk vor sich selbst schützen“ in dem man die gesellschaftlichen Mehrheitsverhältnisse parlamentarisch in die richtige Richtung korrigiert. Kulturelle oder politische Hegemonie erringt man mit dieser Haltung in Zeiten des Internets und der sozialen Medien nicht mehr. Antonio Gramsci, der große Theoretiker einer linken kulturellen Hegemonie hatte in seinen „Gefängnisheften“ einst genau das Gegenteil dieser Politik propagiert: Ein Ernstnehmen der einfachen Bevölkerung als „Intellektuelle“ ihres Alltags und die Nutzung des Alltagsverstandes, des „senso comune“ als Sockel eines linken, emanzipatorischen Projekts. Die heutige Linke ist davon weit entfernt. Die Legitimität der „Alltagsvernunft“ wird schlicht geleugnet, als falsches Bewusstsein diskreditiert.
    Quelle: IPG Journal

    Anmerkung Paul Schreyer: Ein sehr hellsichtiger Kommentar von Ernst Hillebrand, der bis vor kurzem das Referat für internationale Politikanalyse bei der Friedrich-Ebert-Stiftung leitete und auch der SPD schon einiges ins Stammbuch schrieb.

  6. Bankenrettung: EuGH gibt grünes Licht für Gläubigerbeteiligung
    Zur Rettung von Banken dürfen in der EU auch Anteilseigner und Gläubiger herangezogen werden. Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg urteilte im konkreten Fall über die Sanierung slowenischer Geldhäuser im Jahr 2013. Die Regierung hatte die Institute mit über drei Milliarden Euro vor dem Kollaps bewahrt, die einen Berg fauler Kredite angehäuft hatten. Dabei waren auch Bankaktionäre und Besitzer von Wertpapieren zur Kasse gebeten worden. Wie der EuGH betonte, verstößt dies nicht gegen Unionsrecht.
    Quelle: Deutschlandfunk
  7. TTIP auf dem Sterbebett
    Jetzt endgültig stoppen und CETA verhindern! Tot ist TTIP noch nicht – aber nach der letzten offiziellen Verhandlungsrunde in der vergangenen Woche liegt das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und den USA auf dem Sterbebett. Jetzt gilt es, dafür zu sorgen, dass es sich nicht wieder erholt. Damit ist es aber nicht getan. Wir müssen auch CETA verhindern. Denn das bereits fertig verhandelte Abkommen der EU mit Kanada ist der kleine Bruder von TTIP. Es ist ähnlich intransparent verhandelt worden, enthält ebenfalls private Schiedsgerichte und setzt auf eine fortwährende Anpassung an die Interessen großer Konzerne, während Gemeinwohl, Demokratie und Umweltschutz auf der Strecke bleiben. Und es würde TTIP quasi durch die Hintertür einführen: US-amerikanische Konzerne mit Niederlassungen in Kanada bekämen durch CETA die Möglichkeit, über Schiedsgerichte gegen angebliche Handelshemmnisse in der EU vorzugehen. Weil der Widerstand gegen CETA in den EU-Staaten wächst, sucht EU-Handelskommissarin Cecilia Malmström jetzt nach Wegen, die nationalen Parlamente aushebeln. Dafür setzt sie auf die vorläufige Anwendung des EU-Kanada-Abkommens, noch bevor die Abgeordneten in den Mitgliedsländern darüber beraten und abstimmen können.
    Quelle: attac
  8. Deutscher Werberat schützt die Junkfood-Industrie
    foodwatch und die Deutsche Diabetes Gesellschaft (DDG) legen Einspruch gegen ein Urteil des Deutschen Werberats ein. Dieser hatte eine Beschwerde der Organisationen gegen die EM-Kampagne von Coca-Cola zurückgewiesen. Das absurde Argument: Die Marketingmaßnahmen, darunter Cola-Aktionspackungen mit Panini-Stickern und Cola-Sammeldosen mit den Gesichtern der deutschen Nationalelf, richteten sich nicht explizit an Kinder, sondern in erster Linie an Erwachsene.
    foodwatch und die DDG hatten Ende Juni einen sofortigen Stopp der EM-Kampagne von Coca-Cola gefordert und dies mit einem Verstoß gegen Verhaltensregeln für Lebensmittelwerbung begründet. Bei der Kampagne „Hol Dir das Team auf 24 Sammeldosen“ sind die Gesichter der Fußballnationalspieler auf Cola-Dosen abgebildet. Coca-Cola bietet zudem Aktionspackungen mit speziellen Stickern für die beliebten Panini-Alben an.
    Coca-Cola verstößt gegen mehrere Verhaltensregeln
    Coca-Cola verstößt mit seiner Kampagne gegen drei Verhaltensregeln des Deutschen Werberats über die „kommerzielle Kommunikation für Lebensmittel“: Erstens sei die Kampagne eine „direkte Aufforderung zum Kauf oder Konsum an Kinder“. Zweitens nutze Coca-Cola das besondere Vertrauen aus, das Kinder Vertrauenspersonen wie den deutschen Fußball-Nationalspielern entgegenbringen. Drittens erschwere die Kampagne das „Erlernen einer ausgewogenen, gesunden Ernährung“. Zuckergetränke wie Coca-Cola gelten nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) als unausgewogene Lebensmittel, für deren Absatz Hersteller kein Kindermarketing betreiben sollten.
    Quelle: foodwatch
  9. Polen: „Der Präsident ist egal“
    Die polnische Oppositionelle Barbara Nowacka über Polens Weg in den Autoritarismus.
    Sehen Sie eine echte Gefahr, dass Polen autokratisch wird?
    Ja, die sehe ich. Alle Zeichen weisen darauf hin. Kaczyński ist nicht daran interessiert, Institutionen am Leben zu halten, die ihn kontrollieren können. Er hat gezeigt, dass der Präsident nicht zählt. Der Präsident tut, was der Parteivorsitzende ihm sagt, einschließlich des Absegnens von Gesetzen und Nominierungen mitten in der Nacht. Der Präsident ist nicht mehr wichtig für die polnische Gesellschaft. Kaczyński nennt die Ministerpräsidentin ein „Experiment“ – eine etwas merkwürdige Sicht auf die eigene Regierung. Jeder in Polen weiß, dass er die Minister ernennt. Da nun das Verfassungsgericht lahmgelegt ist, wird ihn nichts mehr aufhalten, die Dinge so zu gestalten, wie es ihm gefällt, seien es die Medien, sei es die Polizei, sei es die Justiz. Das alles ist ein großer Schritt in Richtung einer autokratischen Regierungsform.
    Quelle: IPG Journal
  10. Freiwillige Kurzdiener bei der Bundeswehr: Weiterhin bricht ein Viertel ab
    Gut fünf Jahre nach der Aussetzung der Wehrpflicht bricht weiterhin ein Viertel der Freiwillig Wehrdienstleistenden (FWDL) den Dienst vorzeitig ab. Diese Zahl nannte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen nach Angaben der Rheinischen Post. Für die Ursache machte die Ministerin die Bundeswehr mit verantwortlich: „Die hoch motivierten jungen Leuten wollen bei der Bundeswehr gefordert werden. Da müssen wir uns als Arbeitgeber noch mehr anstrengen.“
    Quelle: Augen Geradeaus!
  11. Weißbuch zur Sicherheitspolitik: Bundeswehr geht in die Cyberoffensive
    Das neue Weißbuch zur Sicherheitspolitik macht klar: Die Bundeswehr soll für den Krieg im Cyberraum aufgerüstet werden. Ungewohnt deutlich ist auch von Offensivfähigkeiten die Rede. Bei der IT-Sicherheit verschwimmen die Grenzen zwischen Innen- und Außeneinsatz. Schon seit längerem fokussiert sich die Bundeswehr immer mehr auf den sogenannten Cyber- und Informationsraum und erhebt das Internet neben Land, Luft, See und Weltraum zum potentiellen Kriegsgebiet. Ab Oktober 2016 soll es eine neue Abteilung im BMVg mit dem Namen „Cyber / IT“ geben, bis April 2017 soll ein „militärischer Organisationsbereich für den Cyber- und Informationsraum“ in der Bundeswehr folgen. Diese Entwicklung spiegelt sich auch im aktuellen Weißbuch zur Sicherheitspolitik und zur Zukunft der Bundeswehr wieder. Der Grundtenor des Weißbuchs gilt auch und vor allem für die Cybertruppen der Bundeswehr: Mehr Aufrüstung, mehr Geld und mehr Einsatzbefugnisse. Ungewohnt deutlich ist formuliert, dass die Bundeswehr auch für den Angriffsfall im Cyberraum rüsten will: „Die Bundeswehr muss sich als Hochwertziel für staatliche wie nichtstaatliche Akteure und als Instrument der wirksamen Cyberverteidigung für den Umgang mit komplexen Angriffen aufstellen. Die Verteidigung gegen derartige Angriffe bedarf auch entsprechender defensiver und offensiver Hochwertfähigkeiten, die es kontinuierlich zu beüben und weiterzuentwickeln gilt.“
    Quelle: Netzpolitik.org
  12. Die Unbelehrbaren, ein Skandal
    Die Bundesregierung plant eine Art „Autobahn AG“. Dafür will sie die Verfassung ändern. Ein Gesetzesentwurf, der im Umlauf ist, sieht vor, dass Versicherungen, Pensionsfonds und Banken zunächst einmal bis zu 49 Prozent der Anteile an dieser „AG“ übernehmen könnten. Klar doch, dass daraus bald mehr als 50 Prozent werden. Unklar ist, welcher der drei zuständigen Minister Versicherungen, Pensionsfonds und Banken diesen Gefallen tun will. Dieser Versuch, die öffentliche Infrastruktur an Geldhäuser zu verscherbeln, ist ein Skandal und zeigt, wie heruntergekommen die Politik mittlerweile ist. Nach all den schlechten Erfahrungen – man denke an die Privatisierung von Eisenbahnen, Telekommunikationsunternehmen, Wasserversorgungseinrichtungen, Wohnungsbaugesellschaften usw… – kann man nur noch Unbelehrbarkeit diagnostizieren. Oder befindet sich die Politik mittlerweile mehr oder weniger in der Hand der Geldhäuser? Wenn dieser Wahnsinn nicht gestoppt wird, stirbt die Demokratie.
    Quelle: Oskar Lafontaine via Facebook

    Anmerkung Christian Reimann: Bitte lesen Sie dazu auch bzw. erneut:

    1. Die Staatsverbrecher
    2. Verscherbelt die Regierung unsere Autobahnen?
  13. EuGH-Generalanwalt schließt Massenüberwachung nicht aus
    Gutachter spricht sich nicht für generellen Stopp der Vorratsdatenspeicherung aus, sieht aber Gefahr der Katalogisierung einer ganzen Bevölkerung – Datenschützer in Europa können höchstwahrscheinlich nicht auf einen Stopp der Vorratsdatenspeicherung durch den Europäischen Gerichtshof (EuGH) hoffen. Das stellte der Generalanwalt des EuGH, Henrik Saugmandsgaard Øe, am Dienstag in Luxemburg klar. Er sprach sich damit gegen ein grundsätzliches Verbot der Massenüberwachung aus, legte aber nahe, dass die anlasslose Überwachung von Privatpersonen strengen Regularien unterliegen müsse.
    Demnach sei eine »generelle Verpflichtung zur Vorratsspeicherung von Daten mit dem Unionsrecht vereinbar«, heißt es in einer Erklärung. »Die Befugnis der Mitgliedsstaaten zur Einführung einer solchen Verpflichtung sei jedoch an die Einhaltung strenger Voraussetzungen geknüpft.« Nationale Gerichte hätten die Einführung außerdem unter dem »Licht aller relevanten Merkmale der innerstaatlichen Regelungen zu überprüfen«.Angestoßen worden war das Verfahren durch Gerichte aus Schweden und Großbritannien, die wissen wollten, wie nationale Gesetze zur Vorratsdatenspeicherung zu behandeln sind, nachdem der EuGH die zugrundeliegende EU-Richtlinie 2014 für ungültig erklärt hatte. Die Luxemburger Richter störten sich damals daran, dass die Speicherpflicht nach der EU-Richtlinie in vielerlei Hinsicht zu weit ging. Gleichzeitig verwarfen aber auch sie das Prinzip der Vorratsdatenspeicherung nicht komplett. (…)
    Im Fall der Verhältnismäßigkeit sei die großangelegten Überwachung nur zur Bekämpfung schwerer Kriminalität gerechtfertigt, so der EuGH Generalanwalt. Es müsse »absolut notwendig« sein und Ermittler dürften keine anderen Möglichkeiten haben, die genauso wirksam seien und die Grundrechte weniger beeinträchtigten, so der EU-Gutachter. Die nationalen Gerichte müssten also prüfen, ob die Vorteile der Datensammlung die Gefahren für die demokratische Gesellschaft überwiegen. Immerhin entstehe die Möglichkeit, eine »Kartografie des Privatlebens einer Person« zu erstellen und »eine ganze Bevölkerung zu katalogisieren«, heißt es.
    Quelle: neues deutschland
  14. Die CIA und das Öl
    Freigegebene Geheimakten belegen paramilitärische Sabotagepläne der CIA für den Mittleren Osten im Kalten Krieg
    Vor Kurzem veröffentlichte das National Security Archive bislang gesperrte Akten der US-amerikanischen und der britischen Geheimdienste zum Mittleren Osten aus den Jahren 1947 bis 1963. Das zerfallende Empire und die Supermacht befürchteten eine russische Invasion der Ölfelder und planten eine Rückzugsstrategie der verbrannten Erde – hinter dem Rücken ihrer Gastgeber.
    Als in den 1950er Jahren die Arabian-American Oil Company (Aramco) in Saudi Arabien die Ölförderung ausbaute, hatten 600 Mitarbeiter und 45 leitende Angestellte des heute wertvollsten Unternehmens der Welt einen streng geheimen Auftrag. Die Ölbohrer versteckten heimlich Flammenwerfer und Sprengstoffe für einen Plan, der weder dem saudischen Königshaus noch der Bevölkerung gefallen hätte. Im Auftrag von Präsident Truman, der eine sowjetische Besetzung der Ölfelder befürchtete, bereitete die CIA eine konzertierte Selbstzerstörung vor. Um den Russen den Zugang zum Öl zu erschweren, erwogen Briten und die USA sogar nukleare Verseuchung.
    Auch für Iran, Irak und die Scheichtümer waren entsprechende Pläne mit den Briten abgestimmt. Um die Mentalität dahinter zu verstehen, bedarf es eines vertieften Blicks in die Geheimgeschichte des Ölgeschäfts und dessen Verquickung mit klandestiner Politik.
    Quelle: Telepolis
  15. Vergleich mit AfD und Front National: Gabriel erteilt Bündnis mit Linken Absage
    Bei der Frage nach einem rot-rot-grünen Bündnis bezieht SPD-Chef Gabriel eine klare Position: Diese Regierungskoalition werde es vorerst nicht geben. Als Begründung wartet der Vizekanzler mit einem drastischen Vergleich auf.
    Für SPD-Chef Sigmar Gabriel steht eine Regierungskoalition seiner Partei mit den Linken derzeit nicht zur Debatte. “Frau Wagenknecht hält im Bundestag Reden gegen Europa, wie es sonst nur die AfD oder die Rechtsradikalen in Frankreich tun”, kritisierte er in der “Bild”-Zeitung. “Wer so redet, entfernt sich eher von der Regierungsfähigkeit”. Diese Frage stelle sich erst dann, wenn sich die Linkspartei geändert habe, sagte er dem Blatt.
    Die Linkspartei müsse sich daher entscheiden, ob sie Gestalterin sein wolle oder Daueropposition. “Erst wenn sie das getan hat, wissen andere wie wir oder die Grünen, ob es sich lohnt, über Bündnisse nachzudenken.”
    Quelle: n-tv

    Anmerkung Paul Schreyer: Ähnlich wie viele andere, setzt Gabriel hier die EU mit Europa gleich. Sahra Wagenknecht aber kritisiert in ihren Reden eben nicht Europa, sondern die EU. Die falsche Gleichsetzung offenbart viel über das eigene Denken in „Alternativlosigkeiten“: Wer so redet, für den ist eine andere EU offenbar nahezu undenkbar.

    Anmerkung Jens Berger: Das ganze Rot-Rot-Grün-Gerede hat doch keinen Sinn. Unter diesem Personal ist die SPD schlicht nicht koalitionsfähig,

  16. Entmündigung als Bildungsziel
    Das virtuelle Klassenzimmer ist ein Schattenarchiv von Bildungsbiographien. Das Schicksal der Daten bleibt im Dunkeln. Versicherungen und Datenhändler könnten sich dafür interessieren. Für die Anbieter von Massive Open Online Courses, sprich: Moocs, öffnet sich ein lukratives Nebengeschäft. Manche Mooc-Anbieter bieten sich schon heute als Personalvermittler an.
    Sie handeln mit einem kostbaren Wissen. Lerndaten sind Auskunftsdateien der Persönlichkeit. Sie sagen viel über Auffassungsgabe und Konzentrationsfähigkeit, über Schwächen, Erinnerungsvermögen, Motivation. Der Schweizer Mathematiker Paul-Olivier Dehaye, der an der Universität Zürich ein Online-Seminar über die Geschäftsmodelle von Bildungsanbietern abhielt, fragte den kalifornischen Weltmarktführer Coursera einmal nach dem Verbleib seiner Daten: ohne Reaktion. Er wollte sie nach geltendem EU-Recht wiederhaben: ohne Erfolg. Und ohne weitere Erklärung.
    Offenheit ist hier eine Einbahnstraße. Vor der Transparenz kommt das Geschäft. Als Dehaye die Daten seines Seminars sperrte, wurden ihm die Dozentenrechte entzogen. Danach manipulierte Coursera sein Profil. Mails, die er seinen Studenten schrieb, wurden ohne sein Wissen unsichtbar.
    Quelle: FAZ

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