Gabi Weber: Ein Sturm im Wasserglas – Israellobby gegen ARD

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

Die Vorsitzende von Cafe Palestine Freiburg e.V., Dr. Gabi Weber, hat die Reaktion auf die Reportage der ARD über die Wasserknappheit in der Westbank zusammengestellt, kommentiert und um weitere interessante Informationen ergänzt. Danke. Allgemein interessant ist für uns dabei auch die von ihr gemachte Beobachtung, dass zur Meinungsbeeinflussung, also zur Manipulation von Menschen, gerne die Methode angewandt wird, einen Vorfall, eine Geschichte verkürzt zu erzählen. Albrecht Müller.

Wir übernehmen den Beitrag von der Internetseite

Ein Sturm im Wasserglas

„Es ist ganz leicht, die Wahrheit mit einem einfachen linguistischen Trick zu verfälschen: Man muss seine Geschichte nur mit dem ‚Zweitens‘ beginnen. Genau das hat Rabin getan. Er hat es ganz einfach unterlassen, von dem zu sprechen, was als Erstes passiert ist. Wenn man seine Geschichte mit dem ‚Zweitens‘ beginnt, wird die Welt auf den Kopf gestellt. Wenn man die Geschichte mit dem ‚Zweitens‘ beginnt, sind die Pfeile der Indianer die ursprünglichen Verbrecher und die Gewehre des weißen Mannes die ausschließlichen Opfer … Man braucht seine Geschichte nur mit dem ‚Zweitens‘ zu beginnen, und die verbrannten Vietnamesen haben die Menschlichkeit des Napalm verletzt, und Viktor Jaras Lieder sind die Schande und nicht Pinochets Geschosse, die so viele Tausende im Stadion in Santiago töteten. Es genügt, die Geschichte mit dem ‚Zweitens‘ zu beginnen, und meine Großmutter Umm Ata ist die Verbrecherin und Ariel Sharon ihr Opfer“

(Mourid Barghouti, I Saw Ramallah, p. 177-178)

Am Sonntag, 14.8.16, strahlten erst die Tagesschau und danach auch die Tagesthemen in der ARD einen Beitrag von Markus Rosch mit dem Titel „Der Streit ums Wasser“ aus. In dieser kurzen Vor-Ort-Reportage berichtete Rosch über die aktuelle allsommerliche Zuspitzung der von Israel organisierten Wasserknappheit in der Westbank. Als Experte wurde der Hydrogeologe Clemens Messerschmid interviewt, der seit vielen Jahren vor Ort lebt und arbeitet. Eine Familie im Städtchen Salfit (eine halbe Stunde nördlich von Ramallah gelegen) wurde besucht, um den akuten Wassermangel zu begutachten. Ein Sprecher der offiziellen israelischen Seite wurde in diesem Lokalbericht ausnahmsweise ebenso wenig zu Rate gezogen wie – ansonsten natürlich jedes Mal – ein offizieller palästinensischer Sprecher.

Wie immer in Deutschland, löst ein solcher Beitrag, der sich erlaubt, die mehr als schwierige Lebenssituation der PalästinenserInnen schlicht und faktisch darzulegen, in allen Instanzen der deutschen Israellobby einen Sturm der Entrüstung aus.

Die israelische Botschaft in Berlin, Ulrich Sahm von Honestly Concerned, Henryk M. Broder auf AchGut, Mitglieder von deutsch-israelischen Gesellschaften, die SPD-Bundestagsabgeordnete Michaela Engelmeier – ihres Zeichens Mitglied im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Mitglied der deutsch-israelischen Parlamentariergruppe im Deutschen Bundestag und Berichterstatterin der SPD-Fraktion für Israel und die palästinensischen Autonomiegebiete – die Springerpresse mit BILD und Welt, Israel-Lobbyist Buurmann auf seinem Blog Tapfer im Nirgendwo und andere fielen über Markus Rosch, Clemens Messerschmid und die ARD her. Buurmann postete fast täglich, als wenn er eine religiöse Mission zu erfüllen hätte, nämlich die, Markus Rosch fertig zu machen. Der antideutsche Alex Feuerherdt mit seinem Blog Lizas Welt konnte sich ebenso wenig zurück halten wie der amerikanische Journalist Benjamin Weinthal, Mitarbeiter des neo-konservativen US-amerikanischen Think Tanks Foundation for Defense of Democracies. Sein Arbeitsgebiet wird auf der Homepage der FDD so beschrieben: „..he serves as FDD’s eyes and ears in Europe„. Er petzt brühwarm jede anti-israelische Kritik aus Deutschland unter anderem direkt nach Israel und veröffentlicht die „deutschen Sünden“ in der Jerusalem Post. Weinthal bezeichnet Feuerherdt in seinem „Bericht zur Lage der deutschen Nation“ vom 28.8.16 sogar als „Experten für modernen Antisemitismus“.

Die „crème de la crème“ der Antisemitismus-Detektive für Deutschland hat sich wieder einmal versammelt, um die Wurzel des Übels der Israel-Kritik mit Vehemenz auszureißen.

„Einseitige“, „tendenziöse“, „unseriöse“, „parteiische“ Berichterstattung sind noch die harmloseren Vorwürfe, die dieser Fernsehbeitrag nach sich zog. Markus Rosch erhielt/erhält übelste Mails bis hin zu Morddrohungen. Clemens Messerschmid wurde/wird sein Status als Experte und Wissenschaftler kurzum aberkannt, da er – man beachte den angeblichen Widerspruch – nicht nur eine Expertenkappe trage, sondern sich darüber hinaus schuldig gemacht habe, aktiv (als „Aktivist“) FÜR eine minimale palästinensische Wasserversorgung kämpferisch einzustehen und auch noch hydro-politische Vorträge über sein Spezialgebiet – die Wassersituation in Palästina – vor nicht-fachkundigem Publikum zu halten.

Ulrich Sahm veröffentlichte unbefugt und selektiv einen Email-Austausch mit Messerschmid aus dem Jahr 2013, der allerdings mit der Wasserversorgung rein gar nichts zu tun hatte. Er unterstellt Messerschmid ebenso falsch wie ausdauernd das exakte Gegenteil dessen, was dieser wirklich und ausdrücklich geäußert hatte (Der Original-Email-Austausch liegt uns vor). Und Sahm wird von allen Medien, die in die „Anti-ARD-Debatte“ einsteigen, als Kronzeuge herangezogen.

Die Mittel, mit denen die Lobby zuschlägt, sind – wie gewohnt – nichts für Menschen mit schwachen Nerven.

Mutmaßungen und Unterstellungen, freche Lügen, Drohungen, Rufmord und rabiate Ausfälligkeiten ad hominem stehen dabei in krassem Gegensatz zur dick aufgetragenen Attitüde des unschuldig empörten Lammes, die gepaart mit dem lautstarken Ruf – fast schon Gebrüll – nach „Ausgewogenheit“ einhergeht. Auch die gerade in diesem Zusammenhang besonders albern anmutende „Antisemitismus“-Keule war innerhalb von Stunden der vorherrschende Tenor in der Pseudo-Diskussion um den ARD-Bericht. Das eigentliche Thema, die dramatische Situation der Wasserknappheit der PalästinenserInnen, wurde einmal mehr von Anfang an und fast durchgehend erstickt.

Mit anderen Worten – die übliche Doppelzüngigkeit und Hartherzigkeit der „Anti-Deutschen“, mit der die PalästinenserInnen als die Ursache allen Übels hingestellt und das Verhalten der Israelis weißgewaschen werden, wurde auch dieses Mal penetrant zur Schau gestellt.

Die Mechanismen, die längst griffbereit in der Schublade der Antideutschen liegen und bereits ad nauseam erprobt wurden (nicht zuletzt auch an Cafe Palestine Freiburg, wie schon hier und hier berichtet), werden alle innerhalb kürzester Zeit mobilisiert, sobald in Deutschland öffentlich Kritik an der rassistischen, expansionistischen und nationalistischen Politik Israels geübt wird. Dabei war die Kritik der Tagesschau noch harmlos, da sie sich lediglich auf die Wasserfrage und –nutzung beschränkte.

Diese Art „Kritik“ verlangt von den deutschen Medien, dass selbst eine offenkundige, längst bekannte und tausendfach nachgewiesene Sachlage wie der politisch erzeugte einseitige Wassernotstand in palästinensischen Dörfern und Städten, schlicht ausgeblendet werden muss, wenn er Israel schlecht aussehen lässt. Die Wirklichkeit soll hinter der guten „Meinung“ zurückstehen oder aber durch Meinungsäußerungen der israelischen Gegenseite zumindest so abgefedert werden, dass am Ende bestenfalls eine „Symmetrie“ zweier Streithähne übrigbleibt – und das beim Wassersektor, als ob es die Palästinenser seien, die israelische Brunnenbohrungen INNERHALB Israels tagtäglich verhinderten.

Dabei sollte es einer kritischen Öffentlichkeit ein echtes Anliegen sein, die Fakten, die Journalist Markus Rosch in seiner Reportage und der engagierte Hydrogeologe Messerschmid durch seine jahrelange Arbeit vor Ort zur Verfügung stellen, zur Kenntnis zu nehmen und mit ihrer Hilfe in eine echte Diskussion einzusteigen, abseits und unbeeindruckt vom Geschrei und der Propaganda der Israellobby.

Nachfolgend nun eine kleine, ausgewählte Chronologie der Geschehnisse (ohne Anspruch auf Vollständigkeit), die Licht auf die Mechanismen dieser urdeutschen Debatte werfen soll.

Originalbeiträge der ARD

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