Hinweise des Tages II

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Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. BGH verweigert Kunduz-Entschädigung: Schuld? Aber wir doch nicht
  2. CETA-Zusatzerklärung: Gegner prangern weiterhin bestehende Mängel an
  3. Wer einen permanenten Wirtschaftskrieg führt, darf sich über Schüsse von der anderen Seite nicht wundern
  4. Deutsche Bank – Game over!
  5. Wie Schäuble zum Weltenretter werden kann
  6. Auf einem Auge blind – Wenn ein SPD-Vorsitzender Wirtschaftspolitik macht
  7. Fast 50 Prozent mehr Fahrgäste in Fernbussen
  8. Krankmeldungen beuteln Tuifly – Flugbetrieb wird eingestellt
  9. Menschenhandel in der BRD
  10. Finanzminister gegen verbindliche Vorgaben für Menschenrechte
  11. Sozialhilfeanspruch von EU-Ausländern soll beschränkt werden
  12. BND kann Internetverkehr nicht zuverlässig nach In- und Ausland filtern und verstößt so gegen Gesetze
  13. Inkompetenz und Chimären
  14. Streit der Millionäre eskaliert: Claassen zeigt Maschmeyer an
  15. Polen: Ein großer Erfolg
  16. Protest gegen “parlamentarischen Putsch” in Brasilien erreicht nicht die Wahlurnen
  17. Honduras: Das gefährlichste Land für Aktivisten
  18. Das Letzte: Rentenniveau dringend sichern

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. BGH verweigert Kunduz-Entschädigung: Schuld? Aber wir doch nicht
    Die Karlsruher Entscheidung zum Kunduz-Bombardement entspricht internationalem Standard, dennoch ist sie unmoralisch: Täter werden in Kriegszeiten stets besser geschützt als Opfer. Wenn die Bundeswehr bei ihren sich häufenden Einsätzen draußen in der Welt Mist baut, was jederzeit vorkommen kann, dann haftet dafür niemand und schon gar nicht die Bundesrepublik Deutschland. Es mögen im Nachhinein Hinterbliebene auftreten, deren Kinder ums Leben kamen, es mögen Witwen und Waisen offenkundig berechtigte Klage führen: Sie haben keinerlei Recht auf irgendwelche Entschädigung, noch nicht einmal dann, wenn sich deutsches Personal fahrlässig verhalten haben sollte.
    Der Bundesgerichtshof hat das am Donnerstag so entschieden und damit nur bekräftigt, was weltweit die selbstverständliche Regel ist. Nationalstaaten verbitten sich jede Be- und Verurteilung von außen, wenn sie die Welt mit Gewalt gestalten, und sei es per ferngesteuerter Drohne. Solange keine Kriegsverbrechen vorliegen, können die Staaten im Grunde verfahren, wie sie wollen. Täter werden in Kriegszeiten stets besser geschützt sein als Opfer, das vor allem wurde den Hinterbliebenen der Bombenopfer von Kunduz am Donnerstag in Karlsruhe kühl beschieden.
    Quelle: Spiegel Online

    dazu: Verfahren wegen Bombenangriff in Kundus 2009 soll weitergehen
    Anwalt kündigt Verfassungsbeschwerde an. BGH sieht keine Verantwortung beim damaligen Bundeswehr-Oberst Georg Klein […]
    Der Anwalt des in Deutschland anhängigen Verfahrens, Popal, will den Prozess weiter betreiben – “bis zu einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte”. Die Frage der grob fahrlässigen Handlungsweise des damaligen Befehlsgebers Oberst Klein sei in den vorherigen Instanzen verneint worden. Der Vorschlag der US-Piloten, die Menge im Tiefflug auseinander zu treiben, sowie widersprüchliche Berichte über die Personen vor Ort seien nicht beachtet worden. “Die Hinterbliebenen sind sich sicher, dass mittlerweile dieses Verhalten der Bundesrepublik Deutschland, sich nicht für die Toten zu entschuldigen und auch keinen Schadenersatz zu leisten, in Afghanistan den Hass auf Deutsche fördert” so Popal.
    Der Fall Kundus zeigt zugleich die Widersprüche in der Wahrnehmung von Kriegen und Kriegsverbrechen auf. Denn während die Bundesregierung eine Entschuldigung ablehnt und juristische Instanzen Forderungen nach Entschädigung abweisen, sprachen Vertreter der Regierungskoalition im Fall des jüngsten Angriffs auf einen Hilfskonvoi in Syrien unmittelbar von einem Kriegsverbrechen – weil eben Zivilisten ins Visier genommen wurden.
    Quelle: Telepolis

  2. CETA-Zusatzerklärung: Gegner prangern weiterhin bestehende Mängel an
    Mit einer Zusatzerklärung wollen Kanadas Regierung und die EU das Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA) retten. Nun wurde der Entwurf bekannt und sorgt bereits wieder für heftige Diskussionen. In einer gemeinsamen Erklärung gehen Kanada und die EU auf Bedenken zum Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA) ein. Die Erklärung soll dem umstrittenen Freihandelsabkommen angeheftet werden, wenn es beim geplanten EU-Kanada Gipfel Ende Oktober endgültig auf den Weg gebracht werden soll. Gegner nennen den geleakten fünfseitigen Entwurf bestenfalls schlechte Werbung.
    Quelle: Heise Online

    dazu: Kaum Reform, viel heiße Luft
    Die EU-Kommission hat Nachbesserungen für das Freihandelsabkommen Ceta erarbeitet. Die sind jedoch kaum relevant. Für Sigmar Gabriel macht das die Lage nicht leichter.
    Mit hohen Erwartungen verhält es sich manchmal wie mit einem Soufflé. Holt man es zu schnell aus dem Ofen, fällt es in sich zusammen – und viel heiße Luft entweicht. Genau das ist jetzt mit dem europäisch-kanadischen Freihandelsabkommen Ceta passiert. Das sollte, so hatte es Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel jüngst seiner Partei in Aussicht gestellt, an ein paar kritischen Punkten noch einmal geprüft und wenn nötig nachgebessert werden; damit es auf jeden Fall ein gutes und modernes Abkommen werde. Mit dieser Strategie hatte Gabriel zuletzt auch auf dem Konvent der SPD die Kritiker des Abkommens eingebunden und im Gegenzug von ihnen grünes Licht für ein Zustimmung zu Ceta bekommen. Der Vertrag gilt als Blaupause für das europäisch-amerikanische TTIP-Abkommen.
    Jetzt aber ist vorab ein Papier bekannt geworden, in dem die EU-Kommission ihre Vorschläge für Nachbesserungen formuliert. Und in dem steht, kurz zusammengefasst: viel heiße Luft. In keinem Punkt gehe das Papier substanziell über den bisherigen Vertrag hinaus, so Peter-Tobias Stoll, Völkerrechtler der Universität Göttingen: “Alle Probleme, auf die auch der Beschluss des SPD-Konventes hinweist, bleiben weiter bestehen.” Ob dieses Papier dem Vertrag hinzugefügt werde oder nicht, sei ziemlich egal. “Es liest sich wie eine Schlussakte und hat in dieser Form kaum eine zusätzliche juristische Wirkung”, sagt Stoll.
    Quelle: Zeit Online

  3. Wer einen permanenten Wirtschaftskrieg führt, darf sich über Schüsse von der anderen Seite nicht wundern
    Die USA nehmen europäische Unternehmen aus unterschiedlichen Gründen ins Visier. Das ruft die deutsche Politik auf den Plan. Was die konservativen Politiker allerdings nicht zur Kenntnis nehmen, ist die Rolle Deutschlands im internationalen Handelskonzert. Wer über Jahrzehnte als Merkantilist auftritt, darf sich über interessengeleitete Handelspolitik der anderen Seite nicht beschweren. […]
    Nach der Finanzkrise erreicht der deutsche Saldo gegenüber den USA und insgesamt neue Rekorde. In diesem Jahr wird er mindestens wieder so hoch wie 2015 sein. Wann schlägt ein solch dummes und leicht durchschaubares merkantilistisches Verhalten bei den Partnern in blanke Wut und in den Wunsch um, diesen „Musterknaben“ wo immer es geht, eine Lektion zu erteilen? Ist es nicht verständlich, dass eine US-Administration, die seit Jahren in Sachen Außenhandel von den Deutschen an der Nase herumgeführt wird, irgendwann die Faxen dicke hat und die Parole ausgibt, man müsse den Deutschen ans Leder, wann immer man es greifen kann?
    Aber davon kann in Deutschland ja öffentlich nicht die Rede sein, weil man sich entschlossen hat, einfach nicht mehr über diesen Saldo zu reden. Man schaue nur die Gemeinschaftsdiagnose der so genannten Wirtschaftsforschungsinstitute an, die vergangene Woche (hier) veröffentlicht wurde. Kein Wort, dass der extreme deutsche Überschuss, der von den Instituten locker und ohne rot zu werden bis 2018 fortgeschrieben wird, für andere Länder ein Problem sein könnte.
    Quelle: Makroskop
  4. Deutsche Bank – Game over!
    Der Absturz der Deutschen Bank Aktie am letzten Septemberfreitag konnte nur durch ein ominöses Gerücht gestoppt werden, dass die Strafzahlung auf 5,4 Milliarden Dollar runtergehandelt wurden. Wir bezweifeln dies stark! Zum einen, weil sich weder die US-Behörde, noch die Deutsche Bank dazu offiziell geäußert haben. Zum anderen weil die Verhandlungen der Deutschen Bank mit dem Department of Justice (DOJ) noch gar nicht begonnen haben und DB-Chef Cryan erst nächste Woche in die USA fliegt um dort mit dem DOJ zu verhandeln. Auch bei Lehman Brothers gab es immer wieder Gerüchte über Rettungen und potenzielle Käufer, die sich alle als Finten herausgestellt haben. Die Parallelen zu Lehman Brothers sind erschreckend – auch im Chartverlauf:
    Die Deutsche Bank hat so viele Fehler gemacht, dass ihr Modell sich überlebt hat. Sie steht vor dem Ruin. Mittlerweile ist es nicht mehr zu leugnen – der Deutschen Bank steht das Wasser bis zum Hals. Das US-Justizministerium fordert in einem ersten Vergleichsvorschlag im Streit um windige Hypothekengeschäfte vor der Finanzkrise 2008 eine Strafe in Höhe von 14 Milliarden Dollar (rund 12,5 Milliarden Euro) – ein Riesenbatzen Geld. Die Rückstellungen der Bank in Höhe von 5,5 Milliarden Euro werden da wohl kaum ausreichen. Selbst wenn diese Strafzahlung auf 5,4 Milliarden Dollar reduziert werden würde, wäre die Kasse schon recht knapp bei der Frankfurter Bank.
    Quelle: Matthias Weik und Marc Friedric auf Telepolis
  5. Wie Schäuble zum Weltenretter werden kann
    Nach einer Studie, die das Bundeswirtschaftsministerium gerade veröffentlicht hat, finanzieren sich gut ausgewählte Investitionen in Verkehr, Bildung, Kitas und Forschung nach ein paar Jahren selber: weil sie Aufträge, Fachkräfte und Wirtschaftsleistung mit sich bringen – und der Kassenwart darauf ja wieder Steuern erheben darf. Nach Rechnung der Experten kommt so systematisch mehr Geld rein, als der Finanzminister ursprünglich investieren musste. Das Geld in Schulen und Kitas zu stecken, bringt demnach jährlich 14 Prozent Rendite im Etat. Traumhaft.
    Richtig ist, dass unser Finanzminister dafür Geld vorschießen muss, sprich: einmal kurz von der schwarzen Null abweichen, im Wahljahr. Aber, was ist das schon, wenn er dafür die deutsche Wirtschaft aus der latenten Investitions-Lethargie holen, die Deutsche Bank retten und uns von den irren Niedrigzinsen des Mario Draghi befreien kann? Und er beim nächsten Treffen von IWF und Weltbank keine nervige Kritik mehr hören muss? Retter der Welt. Oder meinen Sie, der will das gar nicht?
    Quelle: Thomas Fricke auf Spiegel Online

    Anmerkung André Tautenhahn: Schäuble bleibt lieber bei seiner sturen Haltung und tat beim Treffen von IWF und Weltbank in Washington sogar so, als täte er was. Geglaubt hat es ihm nur niemand.

  6. Auf einem Auge blind – Wenn ein SPD-Vorsitzender Wirtschaftspolitik macht
    REWE und die anderen Kläger wollen ihren Widerstand gegen die Ministererlaubnis aufgeben. Damit wäre der Weg frei die Übernahme der 450 Läden von Kaiser’s Tengelmann durch EDEKA. Angeblich werden dadurch die Arbeitsplätze bei KT “weitgehend” erhalten. Doch das könnte zum Pyrrhussieg werden zu Lasten von Verbrauchern, Produzenten und Anbietern. Ein teuer und auf Kosten aller erkaufter, kurzfristiger Imagegewinn für den SPD-Vorsitzenden.
    Quelle: Cives
  7. Fast 50 Prozent mehr Fahrgäste in Fernbussen
    Fernbusreisen sind nicht gerade Luxus, aber genau das macht sie so attraktiv – sie sind nämlich unschlagbar billig. Die Nachfrage steigt deutlich. Das Interesse der Deutschen an Fernbusfahrten nimmt weiter rasant zu. Im vergangenen Jahr transportierten die Busunternehmen 23,2 Millionen Fahrgäste, 47 Prozent mehr als im Vorjahr, wie das Statistische Bundesamt am Freitag mitteilte. Der “Boom” im Fernbusmarkt halte somit an.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung JK: Das ist so gesehen keine große Überraschung. Die Deutsche Bahn ist auf den von ihr bedienten Fernverbindungen erst einmal nur eines: teuer. Für eine Fahrt von München nach Hamburg und zurück sind ohne BahnCard und ohne Nutzung diverser Sparangebote regulär knapp 300 € fällig. Das muss man sich leisten können. Obwohl die Deutsche Bahn vollständig im Besitz des Staates ist, richten sich die Angebote im Fernverkehr primär an zahlungskräftige Geschäftsreisende. Wo bleibt da die Versorgung der Bürger mit bezahlbaren Transportangeboten? Vorhandene Mittel werden ja auch lieber in Irrsinnsprojekten, wie Stuttgart21 im Boden versenkt. Doch halt, der “Pöbel” kann ja jetzt mit dem Fernbus fahren und noch mehr Verkehr auf die Autobahn bringen.

  8. Krankmeldungen beuteln Tuifly – Flugbetrieb wird eingestellt
    Immer mehr Krankmeldungen des Kabinenpersonals bringen beim Ferienflieger Tuifly den Flugplan massiv durcheinander. Dutzende Flüge müssen annulliert werden – am Donnerstag würden 47 von 110 Flügen ersatzlos gestrichen, teilte Tuifly mit. Tausende Passagiere mussten auf ihre Verbindungen warten oder ihre Urlaubsreisen zu den Herbstferien gleich ganz abblasen. Am Freitag wird der Flugbetrieb sogar komplett eingestellt: 108 Verbindungen fallen aus. Um Urlauber aus den Feriengebieten nach Hause zu bringen, habe die Konzernmutter TUI erneut Flugzeuge anderer Airlines gechartert. Kooperationspartner Air Berlin kündigte Sondereinsätze des eigenen Personals an.
    Bei der in Hannover ansässigen Fluggesellschaft hatten schon am Montag und Dienstag viele “kurzfristige Krankmeldungen” des Cockpit- und Kabinenpersonals für zahlreiche Verspätungen gesorgt. Am Mittwoch wurden rund ein Viertel der geplanten Flüge gestrichen. Hintergrund vieler Krankmeldungen sind möglicherweise die Sorgen der Mitarbeiter um ihre Zukunft. Am Mittwoch war offiziell bekannt geworden, dass die Touristiksparte von Air Berlin mit Tuifly zusammengelegt werden soll. Darüber wurde bereits seit der vergangenen Woche spekuliert; die Beschäftigten waren aber nicht im Vorfeld informiert. Arbeitnehmervertreter fürchten Job-Verluste und schlechtere Tarifbedingungen. Die Fluggesellschaft teilte hingegen mit, dass den Mitarbeitern “Zugeständnisse” gemacht wurden.
    Quelle: Süddeutsche

    dazu: Der Ausnahmezustand
    Die Gewerkschaften befinden sich momentan wegen ausgehandelter Verträge mit TUIfly derzeit in der Friedenspflicht, dürfen also nicht streiken. Es darf angesichts des Zeitpunktes und der Anzahl der Fälle von Krankmeldungen zumindest vermutet werden, dass hinter den plötzlichen Krankmeldungen eine Form des Protests gegen die Unternehmenspolitik von TUI steckt. Solche eigentlich Aktionen bezeichnen Arbeitsrechtler als “wilden Streik” gegen den Arbeitgeber quasi machtlos sind. Die Gewerkschaften distanzieren sich offiziell von solchen Maßnahmen. Nicoley Baublies, Sprecher der Unabhängige Flugbegleiter Organisation (UFO) erklärt die Situation anders: “Die Art und Weise, wie das Unternehmen mit seinen Mitarbeitern kommuniziert, ist miserabel. Wer derart im Unklaren über seine beruflich Zukunft gelassen wird, kann schnell psychische Probleme bekommen.” Ob abgesprochen oder nicht, die vielen Krankmeldungen von Crewmitgliedern können als deutliches Signal an die Unternehmensleitung von TUIfly verstanden werden, dass die Belegschaft den geäußerten Zukunftsplänen des Unternehmens heftig misstraut.
    Quelle: Zeit Online

  9. Menschenhandel in der BRD
    Die deutsche Fleischindustrie boomt. Tönnies Lebensmittel ist mit 17,2 Millionen getöteten Tieren im vergangenen Jahr zum fünftgrößten Schlachter der Welt aufgestiegen, berichtete das Magazin Pig International im November 2015. Die Absatzchancen sind in diesem Jahr so gut wie nie. Allein China habe im ersten Halbjahr 2016 mit 1,4 Millionen Tonnen Fleisch seine Importe im Vergleich zum Vorjahreszeitraum verdoppelt, schrieb die Lebensmittelzeitung im August. Tönnies wolle zusätzlich in Exportkapazitäten investieren.
    Produziert wird der Exportüberschuss der Steaks aber auch deshalb, weil in der Branche Niedriglöhne die Regel sind. Der Mindestlohn liegt bei 8,60 Euro, die Beschäftigten sind meist über befristete Werkverträge in Subunternehmen angestellt. Viele kommen aus dem EU-Ausland. Ihnen werden falsche Versprechungen gemacht – über Lohnhöhe und Arbeitsbedingungen.
    Das deutsche Strafgesetzbuch definiert »Menschenhandel zum Zweck der Ausbeutung der Arbeitskraft« in Paragraph 233. Demnach wird mit bis zu zehn Jahren bestraft, »wer eine andere Person unter Ausnutzung einer Zwangslage oder der Hilflosigkeit, die mit ihrem Aufenthalt in einem fremden Land verbunden ist, zur Aufnahme oder Fortsetzung einer Beschäftigung bei ihm oder einem Dritten zu Arbeitsbedingungen, die in einem auffälligen Missverhältnis zu den Arbeitsbedingungen anderer Arbeitnehmerinnen oder Arbeitnehmer stehen, welche die gleiche oder eine vergleichbare Tätigkeit ausüben.«
    Quelle: junge Welt

    Anmerkung Christian Reimann: Die Fleischindustrie scheint nicht die einzige Branche zu sein, in der der Menschenhandel als lukrativ erscheint. Zu denken ist insbesondere an die Prostitution – auch hier kommen die Opfer nicht selten aus dem EU-Ausland.

  10. Finanzminister gegen verbindliche Vorgaben für Menschenrechte
    Das Bundesfinanzministerium zieht sich den Zorn von Menschenrechtlern zu. Denn das Haus von Wolfgang Schäuble stellt sich gegen einen Aktionsplan, der die Wirtschaft in die Pflicht nehmen soll, um menschenrechtliche Standards durchzusetzen. Der Widerstand des von Wolfgang Schäuble (CDU) geführten Bundesfinanzministeriums gegen den Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte stößt auf Unverständnis. „Wir brauchen diesen Aktionsplan, um die sozialen und ökologischen Bedingungen in den Produktionsländern zu verbessern“, sagte die Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Bärbel Kofler (SPD), am Donnerstag dem Evangelischen Pressedienst. Der Widerstand des Finanzministeriums sei „völlig unverständlich“. Am Freitag soll bei einem Staatssekretäre-Treffen über den Aktionsplan beraten werden.
    Mit dem Regelwerk sollen deutsche Unternehmen zur Einhaltung von menschenrechtlichen Standards bei ihren Handelsbeziehungen und in ausländischen Produktionsstätten verpflichtet werden. Unter anderen geht es um Arbeitsschutz, existenzsichernde Löhne, sauberes Trinkwasser, das Verbot ausbeuterischer Kinderarbeit und das Klagerecht von Arbeitnehmern im Ausland vor deutschen Gerichten.
    Quelle: Migazin
  11. Sozialhilfeanspruch von EU-Ausländern soll beschränkt werden
    Die Bundesregierung will die Zuwanderung ins deutsche Sozialsystem erschweren. EU-Ausländer sollen künftig erst nach fünf Jahren Anspruch auf Hartz IV erhalten.
    Im Bundeskabinett soll einem Bericht zufolge in der nächsten Woche ein Gesetzentwurf beschlossen werden, wonach Ausländer aus anderen EU-Staaten, die nicht in Deutschland arbeiten, erst nach fünf Jahren Aufenthalt Sozialhilfe beziehen können. Ein entsprechender Gesetzentwurf von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) sei jetzt zwischen den Ressorts ausverhandelt worden, berichten die Zeitungen der Funke Mediengruppe am Freitag unter Berufung auf Kreise des Bundesarbeitsministeriums.
    Grundsätzlich soll auf diese Weise eine Zuwanderung ins deutsche Sozialsystem unterbunden werden, unter anderem aus osteuropäischen EU-Staaten. Nahles hatte die Änderungen bereits Ende 2015 angekündigt. Die Ressortabstimmung dauerte aber deshalb so lange, weil Innenminister Thomas de Maizière (CDU) nach Informationen der Funke-Zeitungen ursprünglich noch zusätzliche Verschärfungen verlangt hatte.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung Christian Reimann: Was aus finanzpolitischer Sicht sinnvoll erscheinen mag, könnte im Sinne eines gemeinsamen Europas widersinnig sein.

  12. BND kann Internetverkehr nicht zuverlässig nach In- und Ausland filtern und verstößt so gegen Gesetze
    In zwei unabhängigen Gutachten kam Experten zu dem Schluss, dass man bei IP-Paketen nicht eindeutig unterscheiden kann, ob sie aus dem In- oder Ausland stammen. Der BND darf ohne spezielle Genehmigung keine Deutschen abhören, kann aber auch nicht alle Deutschen ausfiltern, wenn er Internetverkehre abschnorchelt – und das ist rechtswidrig. Der BND ist ein Auslandsnachrichtendienst. Er soll Informationen außerhalb Deutschlands beschaffen. Will er Deutsche abhören, braucht er – im Regelfall vorher – eine sogenannte G-10-Anordnung, eine Genehmigung. Aber wie kann der BND ausschließen, dass er Deutsche mitabhört, wenn er an Glasfasern lauscht, über die sowohl deutsche als auch ausländische Internetverkehre laufen?
    Das ist eine der immer wieder aufkommenden Fragen im NSA-Untersuchungsausschuss. Daher hat der Ausschuss nun zwei Gutachten angefordert, um zu verstehen, ob der BND anhand der IP-Adresse eines Datenpaketes eindeutig bestimmen kann, woher es kommt, ob er dadurch zuverlässig deutsche Kommunikation ausfiltern kann und ob man ohne weiteres Inhalte auf einer Leitung unterscheiden kann.
    Quelle: Netzpolitik

    dazu: Gutachten für NSA-BND-Untersuchungsausschuss: BND-Operationsgebiet Inland
    Das Gutachten offenbart eine Zwickmühle, die der Auslandsgeheimdienst BND totzuschweigen bemüht ist: Einerseits darf er inländische Kommunikationsinhalte nicht analysieren, andererseits kann er sie ohne eine tiefgehende Analyse nicht von ausländischen Datenpaketen unterscheiden. (…)
    „Wenn man den Geheimdiensten besser auf die Finger schauen und nicht nur Beteuerungen glauben will, hilft das Verständnis der tatsächlichen technischen Vorgänge im Netz“, sagte CCC-Sprecher Frank Rieger. „Niemand sollte sich weiterhin vorgaukeln lassen, der BND oder seine Partnerdienste würden beim Abhören sicher zwischen in- und ausländischen Datenverkehren unterscheiden können, ohne dabei tief in die Inhalte hineinzuschauen.“
    Quelle: Chaos Computer Club

    Anmerkung Christian Reimann: Das Gutachten können Sie hier nachlesen.

  13. Inkompetenz und Chimären
    Eine unabhängige Historikerkommission hat die ersten vier Bände zur Geschichte des Bundesnachrichtendienstes vorgelegt. Die Forscher fällen ein hartes Urteil über die damaligen Mitarbeiter. Sie sollen an alten Feindbildern der Nazis festgehalten und Unschuldige verfolgt haben. […]
    Die “Rote Kapelle” sollte ein Sowjetunions-Spionagering sein, tatsächlich aber war sie wohl eher ein nicht sonderlich fester Widerstandszusammenschluss gegen die Nazis. Nach dem Krieg hielt die Organisation Gehlen noch bis weit in die 1950er Jahre am Feindbild “Rote Kapelle” fest, so der Autor des Bandes Gerhard Sälter:
    “Also das ist so fantasiert, dass jeder, der seinen Verstand zusammen nimmt, sofort hätte sehen müssen, dass da irgendwas nicht in Ordnung ist. Also wenn man, “Rote Kapelle”, eine Geheimorganisation in Deutschland, mir angucke, und wenn dann gesagt wird, einer der Geheimführer sei Tito, dann hat man eine Vorstellung davon, dass das irgendwie ein bisschen überdehnt ist, sag ich mal.”
    Im Buch fällt Sälter noch härtere Urteile: Neben dem festen Weltbild sei auch eine “kaum glaubliche Inkompetenz” der Pullacher für derartige Märchen verantwortlich gewesen. Selbst der dem BND und seinen Vorläufern wohlgesonnene Hans Globke, erster Kanzleramtsminister unter Adenauer, wurde von Gehlen persönlich bei seinen US-Verbindungen als mögliches Mitglied der “Roten Kapelle” angeschwärzt, berichten die Historiker.
    Quelle: Deutschlandfunk
  14. Streit der Millionäre eskaliert: Claassen zeigt Maschmeyer an
    Zuerst ist Carsten Maschmeyer zur Staatsanwaltschaft gegangen. Vor einem Monat reichte der prominente Multimillionär und Investor aus Hannover dort Strafanzeige gegen den nicht weniger bekannten Geschäftsmann Utz Claassen ein. Claassen, ehedem Chef des Energiekonzerns EnBW und anderer Unternehmen, soll Vermögen der gemeinsamen Medizinfirma Syntellix veruntreut haben. Es geht um ein Sponsoring von Syntellix beim Fußballklub Real Mallorca, der früher Claassen gehörte, in Höhe von 120 000 Euro.
    Jetzt holt Claassen zum Gegenschlag aus und zeigt seinerseits Maschmeyer an; ebenfalls bei der Staatsanwaltschaft in Hannover. Der Ex-Konzernchef bezichtigt den Investor und einen seiner Anwälte der falschen Verdächtigung, der Verleumdung und anderer Delikte. Maschmeyer wolle ihn, glaubt Claassen, diskreditieren und gezielt schädigen. Auf diese Weise wolle sich der Investor “hinterrücks” die Mehrheit an der gemeinsamen Medizinfirma sichern.
    So steht es, wie die SZ erfuhr, in Claassens Strafanzeige gegen Maschmeyer. Die Strafanzeige soll 37 Seiten umfassen und damit mehr als doppelt so umfangreich sein wie Maschmeyers Eingabe gegen Claassen bei der Staatsanwaltschaft. Maschmeyers Anzeige ist 17 Seiten lang. Beide Papiere haben jeweils den gleichen Tenor: Man sei von dem Geschäftspartner übel auf´s Kreuz gelegt worden.
    Quelle: Süddeutsche
  15. Polen: Ein großer Erfolg
    Mit der Ablehnung des Abtreibungsverbotes gelingt den Polen ein Novum. Die Regierung verwirft zum ersten Mal unter dem Druck von Demonstranten einen Gesetzesentwurf. […]
    Es ist ein großer Erfolg der Polen, die am Montag gegen eine Verschärfung des Abtreibungsgesetzes protestiert haben. Zum ersten Mal haben sich die Parlamentarier des Sejm dem Druck der Demonstranten gebeugt und einen wesentlichen Gesetzesentwurf der Regierung abgelehnt. Noch am Mittwochabend hatte die parlamentarische Kommission, in der die regierende Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) die Mehrheit hat, dem Sejm empfohlen, er solle den Gesetzesentwurf für ein völliges Abtreibungsverbot ablehnen. Dazu kam es dann am heutigen Donnerstag. Der Sejm stimmte mit einer großen Mehrheit (darunter viele, wenn auch nicht alle Abgeordnete der PiS) gegen den Entwurf.
    Dieser Entwurf war sehr radikal, vor allem vor europäischem Hintergrund. Er sah eine Gefängnisstrafe von bis zu fünf Jahren für eine Abtreibung vor – für die betroffene Frau sowie für die Person, die sie durchgeführt hat, also in der Regel den behandelnden Arzt. Eine Abtreibung sollte selbst dann unter Strafe stehen, wenn die Schwangerschaft das Resultat eines Verbrechens, beispielsweise einer Vergewaltigung oder von Inzest war. Dieselbe Strafe sollte außerdem auch die Person treffen, die die Frau zur Abtreibung bewegt haben sollte.
    Quelle: Zeit Online

    Anmerkung JK: Man sieht, wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt. In Deutschland hätte man diesen Protest sicher als demokratiegefährdende Pöbelherrschaft denunziert – auch in der Zeit.

  16. Protest gegen “parlamentarischen Putsch” in Brasilien erreicht nicht die Wahlurnen
    Bei den landesweiten Kommunalwahlen am 2. Oktober gibt es vor allem einen Gewinner: die Nichtwähler. In 18 der 50 größten Städte und Gemeinden ist die Anzahl der ungültigen Stimmen höher als die abgegebenen Stimmen. Dies trifft auch für die beiden größten Städte São Paulo und Rio de Janeiro zu. In Brasilien herrscht Wahlpflicht. Die bürgerlich-konservativen Parteien PMDB, der auch De-facto-Präsident Michel Temer angehört, und PSDB gewinnen in den meisten Wahlkreisen. Die PMDB wird zukünftig 7.568 Abgeordnete in den Kommunalparlamenten stellen, die PSDB 5.731. Bei 213 der gewählten Kandidaten der PMDB ist bisher nicht geklärt, ob sie die Wahl auch annehmen werden können, weil gegen sie wegen Korruption ermittelt wird. Dies trifft auch auf 146 Kandidaten der PSDB zu.
    Quelle: amerika21
  17. Honduras: Das gefährlichste Land für Aktivisten
    Wer sich in Honduras gegen Wasserkraft- oder Bergbauprojekte wehrt, muss mit dem Tod rechnen. Investitionen und angeblicher Entwicklung soll nichts und niemand im Wege stehen. Wegen eines Wasserkraftwerks, an dem die deutschen Unternehmen Siemens und Voith beteiligt waren, wurde eine Aktivistin ermordet. […]
    Als sich die Bewohner wehrten, schützte der Staat nicht sie, sondern das Unternehmen. Die Repression begann. Dorfbewohner und Copinh-Aktivisten wurden erschossen. Immer wieder kam es zu Gewalt, die Atmosphäre vergiftete. Tomas Gomez erinnert sich: “Das Unternehmen DESA hat kurz vor dem Mord an Berta eine Medienkampagne gestartet, um sie zu diskreditieren. Alle Medien dieses Landes haben das aufgenommen und versucht, nicht nur Berta, sondern auch die Dorfbewohner zu kriminalisieren.”
    Honduras ist ein Land, in dem Unternehmer die Macht über Medien und Politik haben. Einheimische Journalisten ließen sich nach dem Mord an Berta Cáceres nicht in Rio Blanco blicken, nur Ausländer. Aktivisten – egal, ob sie für die Umwelt oder für die Rechte von Indigenen streiten, gelten in Honduras als Störenfriede, die den Fortschritt bremsen. 109 von ihnen sind laut der NGO Global Witness zwischen 2010 und 2015 ermordet worden. Die staatliche honduranische Menschenrechtskommission will das nicht bestätigen. Ombudsman Roberto Cáceres hat allerdings früher auch als Präsidentenberater für die Ausbeutung von Bodenschätzen gearbeitet:
    Quelle: Deutschlandfunk
  18. Das Letzte: Rentenniveau dringend sichern
    Der frühere Bundesarbeitsminister Müntefering sieht akuten Handlungsbedarf zur Rentensicherung in der Zukunft.
    Quelle: Deutschlandfunk

    Anmerkung unseres Lesers A.L.: Das Franz Müntefering als “Schöpfer” der Rentenaltersanhebung auf 67 Jahre, nun für eine Sicherung des Rentenniveaus eintritt, lässt die Betroffenen nicht wissen, ob sie lachen, oder weinen sollen.

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