Die gefährlichen Vorurteile unseres Führungspersonals – Steinbrück ist voll davon und tut deshalb nicht das Richtige.

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

Die Bundesregierung zwang uns Steuerzahler, fast 10 Milliarden für die Rettung der Industriekreditbank (IKB) zu zahlen, und dann 27, vielleicht sogar 50 Milliarden für die Münchner HRE-Bank, mehrere Milliarden für die Commerzbank, für die Bayerische Landesbank, usw. In der Summe mehrere 10 Milliarden, wenn nicht über 100 Milliarden, die uns alle in Zukunft belasten werden. Das mutet Peer Steinbrück uns und dem Bundeshaushalt zu. Zu Gunsten der Gesinnungsgenossen in der Finanzwirtschaft. Wenn es aber darum geht, zu Gunsten der Mehrheit der Beschäftigten und Arbeitslosen unser Land vor einer schlimmen Rezession zu bewahren, dann präsentiert uns Steinbrück seinen bekannten Wust von Vorurteilen gegen Konjunkturprogramme und gegen angeblich weitere Verschuldung. Auf den NachDenkSeiten konnten Sie schon viel dazu lesen. Deshalb beschränke ich mich auf Hinweise auf einen früheren Eintrag und einige andere einschlägige Artikel. Dies soll Ihnen zur Orientierung dienen. Albrecht Müller.

Steinbrück ist medial ausgesprochen präsent und macht dabei in den Augen seiner Zuhörer und Zuschauer und vor allem der ihn fördernden Medien eine gute Figur. Umso wichtiger ist es, darüber Bescheid zu wissen und auch darüber aufzuklären, wie falsch er liegt und wie schlecht für uns deshalb der Weg ist, den dieser Bundesfinanzminister und die mit ihm verbundene Bundeskanzlerin gehen.

Bei Steinbrück können wir hören:

  • Konjunkturprogramme sind Strohfeuer
  • Sie sind national nicht mehr möglich
  • Sie bringen mehr Schulden
  • Wir leben vom Export usw.
  • Ein Beispiel für einschlägige Äußerungen von Steinbrück ist seine Rede beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) vom 13.11.2008. Siehe Anlage 4 mit einem Auszug zum Thema Konjunktur.

    In mehreren früheren Beiträgen, unter anderem am 21. Oktober 2008 (siehe Anlage 1) sind wir auf diese Vorurteile und Legenden eingegangen. In meinem Buch „Die Reformlüge“ sind die einschlägigen Denkfehler abgehandelt, zum Teil dann auch in den NachDenkSeiten eingestellt. Dazu einige Hinweise:

    • Denkfehler 15: Konjunkturprogramme sind Strohfeuer
    • Denkfehler 16: Wir sind national nicht mehr handlungsfähig
    • Denkfehler 17: Wir leben vom Export
    • Denkfehler 31: Wer spart, baut Schulden ab.

    Informationen über einige der Belastungen, die uns Steinbrück ganz selbstverständlich zumutet, finden Sie in den Anlagen 2.

    Als Anlagen 3 findet sich der Hinweis auf zwei Artikel aus der Financial Times Deutschland zum aktuellen Versagen der Bundesregierung in der Wirtschaftspolitik.

    Und in Anlage 5 machen wir auf einen interessanten Beitrag von Heiner Flassbeck und Friederike Spiecker in Le Monde Diplomatique aufmerksam. Dieser Beitrag ist gerade erschienen.

    Anlage 1:

    Die aktuelle Debatte um Konjunkturprogramme – von Meinungsmache geprägt, absolut schräg und weit von der Sache entfernt.
    21. Oktober 2008
    Quelle: NachDenkSeiten

    Anlagen 2:

    Kosten der HRE-Rettung
    Genug für sieben Ministerien

    Mit bis zu 27 Mrd. Euro springt der Bund beim der Münchner Hypo Real Estate ein – fast ein Zehntel des Haushalts für 2009. FTD.de zeigt, welchen Quelle: FTD

    HRE: 50 Milliarden Euro Kosten für Steuerzahler?
    Erschienen am 05. Oktober 2008 | aktualisiert am 06. Oktober 2008 | Spiegel Online
    Der Zeitdruck ist immens: Bevor die Börsen öffnen, will die Regierung ein neues Rettungspaket für die taumelnde Hypo Real Estate schnüren. Die alte Bürgschaft platzte, weil die Bank viel mehr Geld benötigt als bekannt. Kanzlerin Angela Merkel schaltet sich persönlich ein.
    Quelle: wirschaft.t-online.de

    Anlagen 3:

    Lucas Zeise – Bund der Konjunkturbremser
    Europäische Zentralbank und Bundesregierung hintertreiben die Stützung der globalen Wirtschaft. Der Absturz wird dadurch tiefer ausfallen als nötig.
    Die Einschränkung “so weit erkennbar” steht hier, weil alle Konferenzen, deren Ergebnisse schließlich am Wochenende in einem gemeinsamen Krisengipfel in Washington gebündelt werden sollen, für die Öffentlichkeit arg intransparent sind. Sicher scheint jedoch, dass EZB und Bundesregierung wie so oft als Verbündete in einer schlechten Sache wirken. Das äußert sich zum Beispiel darin, dass Kanzlerin Angela Merkel jeden öffentlichen Angriff auf die EZB sofort pariert, dass sie den früheren Chefvolkswirt der EZB, Otmar Issing, in ihr Regulierungsberatungsteam holte und sich immer noch von denen beraten lässt, die wie Bundesbankpräsident Axel Weber vor allem durch Fehleinschätzungen der Krise aufgefallen sind.
    Quelle: FTD

    Das ist Ihre Rezession, Frau Merkel
    Der Befund einer deutschen Rezession schon im Sommer lässt erahnen, dass es noch andere Gründe für den Abschwung gibt als die Finanzkrise. Die Bundesregierung hat dazu maßgeblich beigetragen – und sollte daraus sofort Konsequenzen ziehen.
    Die Krise begann lange vor der Pleite von Lehman Brothers, als es für Kreditrestriktionen noch kaum Belege gab. Und die Verantwortung tragen auch die deutsche Regierung und die Notenbanker, die den Absturz viel zu lange kleinzureden versucht haben.
    Quelle: FTD

    Anlage 4:

    Bundesfinanzminister Peer Steinbrück – “Wie viel Vertrauen verdienen die Finanzmärkte?”
    Rede anlässlich der Jahrestagung des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V.
    Datum: 13.11.2008 10:12
    Redner: BM Peer Steinbrück
    Veranstaltungsort: Berlin
    Quelle: Bundesfinanzministerium

    (Auszug) Konjunktur:

    Die ökonomischen Kosten der Finanzmarktkrise sind unverkennbar. Die Weltwirtschaft wird durch die Finanzmarktkrise empfindlich getroffen. Das wird gerade am Exportweltmeister Deutschland nicht spurlos vorbeigehen. Wir befinden uns mitten im Abschwung, kommen mindestens in eine Stagnation, möglicherweise auch in eine Rezession. Ich will mich um den Begriff der Rezession hier gar nicht herum winden.
    In Deutschland hat sich die gesamtwirtschaftliche Dynamik seit dem Frühjahr 2008 merklich abgeschwächt. Die Industrieindikatoren weisen abwärts. Die weiter in die Zukunft reichenden Indikatoren zeigen an, dass die wirtschaftliche Abschwächung bis in das Jahr 2009 hinein anhalten dürfte. Auch die Exportdynamik dürfte sich im nächsten Jahr erheblich verlangsamen.
    Für 2008 rechnet die Bundesregierung in ihrer Herbstprojektion aufgrund des günstigen Einstiegs in diesem Jahr mit einer Zunahme des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von real 1,7%. Für 2009 geht die Bundesregierung davon aus, dass das BIP um real 0,2% wachsen wird. Die EU-Kommission erwartet, dass 2009 das reale Bruttoinlandsprodukt in Deutschland nicht wachsen wird. Auch aus meiner Sicht haben die Abwärtsrisiken deutlich zugenommen.
    Es ist ganz klar: Die Zeiten werden wieder härter. In dieser Situation hat die Abwehr von großem Schaden für unser Land die höchste Priorität. Dem muss sich auch unser Ziel, in 2011 keine neuen Schulden mehr zu machen, unterordnen. Das Ziel bleibt richtig, aber der Zeitpunkt hat sich verschoben.
    Das heißt aber nicht, dass jetzt – wie einige vorschnell meinen – alle Dämme brechen und die Zeit für ein teures, breit angelegtes Konjunkturprogramm gekommen ist. Im Jahrhundert der Globalisierung ist es eine teure Illusion, dass man eine globale Krise mit klassischen nationalen Konjunkturprogrammen aus dem 20. Jahrhundert bekämpfen könne. Das gilt besonders für Deutschland. Denn keine große Volkswirtschaft der Welt ist stärker mit dem Ausland verflochten als unsere.
    Ein breit angelegtes schuldenfinanziertes Kredit- und Konjunkturprogramm auf Pump wäre nichts anderes als das Verbrennen von Steuergeldern – denn spätestens nach ein paar Jahren müssten vor allem die Mittelschichten über höhere Steuern ein solches Programm bezahlen.
    Hinzu kommt: Breit angelegte Konjunkturprogramme wirken, wenn überhaupt, frühestens nach ein bis eineinhalb Jahren. Das ist zu spät. Steuersenkungen dauern genauso lange. Und es ist gar nicht klar, ob die Menschen das Geld auch ausgeben würden. Wahrscheinlicher ist, dass die meisten, zumindest in Deutschland, in diesen unsicheren Zeiten das Geld gar nicht ausgeben, sondern sparen.
    Wir werden wegen der Krise nicht anfangen, ungehemmt auf Pump zu leben, aber wir werden die Konjunktur auch nicht kaputt sparen. Die Bundesregierung wird weder Steuern erhöhen, noch Sozialleistungen senken oder Investitionen kürzen. Zusätzliches Sparen in der Krise wäre eindeutig der falsche Weg.
    Wir werden die Bürger nachhaltig entlasten und gezielte, statt ins Leere laufende Wachstumsimpulse setzen. Die große Koalition hat – anscheinend von den meisten unbemerkt – bereits ein Maßnahmenpaket im Umfang von bis zu 14 Milliarden Euro auf den Weg gebracht: Wir stabilisieren damit die Sozialversicherungsbeiträge, verringern den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung, erhöhen das Kindergeld, ziehen das Wohngeld vor, und entlasten bei den Krankenversicherungsaufwendungen.
    Darüber hinaus hat die Bundesregierung am 5. November 2008 ein weiteres umfangreiches Maßnahmenpaket zur Sicherung von Arbeitsplätzen beschlossen. Statt nach dem Gießkannenprinzip vorzugehen, spannt die Bundesregierung mit 15 punktgenauen Maßnahmen einen Schutzschirm für Arbeitsplätze, der rasch wirksam wird.
    Der Staat selbst setzt Impulse für Investitionen. Die Bürger werden entlastet. Die Finanzierung von Unternehmen wird gesichert, damit sie Investitionen tätigen und Beschäftigung sichern können. Die meisten dieser Maßnahmen sind für die nächsten zwei Jahre vorgesehen und werden Investitionen und Aufträge in der Größenordnung von voraussichtlich rund 50 Mrd. Euro fördern.
    Das ist weniger als ein breites Konjunkturprogramm, aber es ist nicht wenig und es stabilisiert die Konjunktur. Das sind gute, solide Maßnahmen, um die negativen Auswirkungen der Weltfinanzkrise auf Wachstum und Beschäftigung zu begrenzen, ohne die Erfolge der letzten Jahre aufs Spiel zu setzen.
    Denn wir schulden es den Bürgerinnen und Bürgern, dass wir das absichern, was wir in den vergangenen Jahren durch eine Reihe notwendiger Reformen erreicht haben: Eine stabile, deutlich robustere Wirtschaft, starke Verbesserungen auf dem Arbeitsmarkt, den Abbau der Staatsverschuldung. Diese Erfolge hätte es ohne die harte Arbeit und ohne manchen Verzicht der Bürgerinnen und Bürger nicht gegeben. Dieser Verzicht darf nicht umsonst gewesen werden.
    In der jetzigen Krisensituation erweist es sich zudem als großer Vorteil, dass die deutsche Volkswirtschaft einen wesentlich stärkeren Industriesektor und kleineren Finanzdienstleistungssektor hat als beispielsweise Großbritannien oder gar die USA. Es ist gut, dass wir immer noch viel „old economy“ haben, keinen aufgeblasenen Finanzdienstleistungssektor und keinen aufgeblähten Immobiliensektor.
    Denn in den Ländern, die von einem spürbaren Rückgang der Immobilienpreise betroffen sind; das Vereinigte Königreich, Irland, Spanien, und natürlich die USA, ist schwächt sich die wirtschaftliche Aktivität in 2009 besonders stark ab (Großbritannien: -1,0%; Irland: -0,9%; SPA -0,2% und USA -0,5% (EU-KOM Prognose))
    In Deutschland hat es dagegen in den letzten Jahren keine Übersteigerungen am Immobilienmarkt gegeben. Ich erwarte, dass auch dies die direkten Auswirkungen der Krise in Deutschland abmildern wird.
    Aber nicht nur wegen des Immobiliensektors sind wir in Deutschland in einer robusten Lage: Wir haben eine Sparquote von 10 bis 11 Prozent. Ein Land mit einer solchen Sparquote hat andere Refinanzierungsmöglichkeiten als ein Land, das eine negative Sparquote von 0,5 Prozent hat und deshalb ungefähr zwei Drittel der weltweiten Sparleistungen absorbieren muss.
    Und wir haben ein robustes Universalbanken­system. Das dreigliedrige Bankensystem ist relativ gesehen ein Stabilitätsanker. Auch deswegen sehen wir keine Anzeichen für eine Kreditklemme; wenn sich auch die Kreditkonditionen durch gestiegene Risikoprämien zu Zeit verschlechtern.
    Das alles sind auch in der Krise gute Nachrichten, die uns von den Auswirkungen des weltwirtschaftlichen Abschwungs nicht abschotten werden, sie aber robuster aushalten lassen.

    Anlage 5:

    Im Bauch des Sparschweins
    Warum Sparen keine Vorsorge für die Zukunft ist und acht Vorschläge, es anders zu machen
    von Heiner Flassbeck und Friederike Spiecker
    Die Finanzkrise bringt eine einfache Wahrheit zutage: Wir verstehen nicht, was Sparen bedeutet, und wir verstehen nicht, was schiefgehen kann, wenn wir mit einer falschen Vorstellung vom Sparen Wirtschaftspolitik machen.
    Quelle: LE MONDE diplomatique

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