Hinweise des Tages II

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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (AT)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. Geleakte Dokumente aus Geheimverhandlungen: Wie ein Abkommen den Datenschutz durchlöchert
  2. Rentengipfel
  3. Dr. Merkel und das gesammelte Schweigen
  4. Autobahnraub: Der Streit um die Beteiligung Privater an der Autobahngesellschaft war ein Ablenkungsmanöver
  5. Wenn Armut nur Ungleichheit sein soll
  6. Unionsfraktion will Tarifstreits per Gesetz schlichten lassen
  7. Die kalte Rechnung des Innenministers
  8. Flüchtlingsströme: Sie wurden alleingelassen
  9. Darum ist Erdogan das Parlamentsvotum egal
  10. EU-Parlament fordert strategische Kommunikation gegen russische Propaganda
  11. Die wesentliche Komponente
  12. Die engstirnige Arroganz und Intoleranz von 141 österreichischen Ökonomen setzt sich durch
  13. Rückkehr der Rechten
  14. Martin Schulz ist die Anti-These zur AfD
  15. Ehemaliger Vizekanzler erhält Nell-Breuning-Preis
  16. Das Letzte: Uli Hoeneß

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. Geleakte Dokumente aus Geheimverhandlungen: Wie ein Abkommen den Datenschutz durchlöchert
    Das Freihandelsabkommen TTIP zwischen den USA und der EU liegt auf Eis, das transpazifische TPP ist so gut wie tot, nachdem Donald Trump angekündigt hat, an seinem ersten Tag als US-Präsident aus dem Vertrag auszusteigen. Währenddessen wird aber still und leise ein weiterer völkerrechtlicher Vertrag verhandelt: das Trade in Services Agreement (TiSA), ein internationales Abkommen über den Handel mit Dienstleistungen.
    Vieles, was die TTIP-Gegner schon abgewehrt glaubten, könnte über diese Hintertür nun doch noch Wirklichkeit werden. Das belegen Dokumente aus der bisher vorletzten TiSA-Verhandlungsrunde im September, die die Umweltschutzorganisation Greenpeace erhalten und SPIEGEL ONLINE vor Veröffentlichung auf der Internetseite ttip-leaks.org zur Verfügung gestellt hat. Darin wird deutlich: Der Datenschutz droht aufgeweicht, kritische Infrastruktur unsicherer zu werden und Konzerne könnten mehr Einfluss auf geplante Gesetze bekommen.
    Worum geht es bei TiSA?
    Seit 2012 verhandeln insgesamt 50 Länder, darunter die 28 EU-Mitgliedstaaten, über TiSA, sie nennen sich “really good friends”. Ziel des Abkommens ist es, den internationalen Handel mit Dienstleistungen zu vereinfachen. Unternehmen sollen es leichter haben, nicht nur Waren, sondern auch Serviceleistungen im Ausland anzubieten. Die Wirkung wäre gigantisch: Die Dienstleistungsbranchen stehen für drei Viertel der europäischen Wirtschaftsleistung und drei Viertel der Arbeitsplätze – ein Milliardenmarkt.
    Ende dieses Jahres wollen die “wirklich guten Freunde” das Vertragswerk fertiggestellt haben. Ob es dazu kommt, ist aber unklar. Die nächste Verhandlungsrunde ist vorläufig abgesagt. Die bisher 21 Verhandlungsrunden waren so intransparent wie jene zu TTIP oder Ceta, wurden aber deutlich weniger beachtet.
    Zu Unrecht. Die TiSA-Kernaussage ist: “Jeder Staat soll Dienstleistungen und deren Anbieter nicht schlechter behandeln als seine eigenen Dienstleistungen und Anbieter”. Sie birgt eine ganze Reihe von Risiken.
    Quelle: Spiegel Online

    Anmerkung unseres Lesers D.W.: Ausnahmsweise mal ein faktenreicher solider Artikel auf SPON. Gerade an solchen Artikeln merkt man, wie unterirdisch das Niveau in diesem ehemaligen Sturmgeschütz der Demokratie sonst ist.

  2. Rentengipfel
    1. Arbeitgeber loben Rentenkompromiss
      Gleiche Renten in Ost bis West bis 2025, Verbesserung bei Erwerbsminderungsrente – die Ergebnisse des Rentengipfels finden ein unterschiedliches Echo. Kritik kommt – aus ganz verschiedenen Gründen – von FDP und Linken, Lob von den Arbeitgebern.
      Deutschlands Metall-Arbeitgeber haben die Ergebnisse des Koalitionsgipfels bei der Rente begrüßt. “Es ist bemerkenswert, wie die große Koalition dem Populismus trotzt und versucht, Ruhe in das komplizierte Thema Rente zu bringen”, sagte Gesamtmetall-Hauptgeschäftsführer Oliver Zander in Berlin.
      Quelle: Spiegel Online

      Anmerkung JK: Lob durch die Arbeitgeber. Hier gilt wieder frei nach Lenin: Sage mir, wer dich lobt, und ich sage dir, worin deine Fehler bestehen.

    2. Buntenbach: „46 Prozent Rentenniveau reichen nicht aus“
      Zum Rentenkonzept des Bundesarbeitsministeriums und den Ergebnissen der gestrigen Koalitionsrunde sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach am Freitag in Berlin: “Es ist gut, dass in die Frage des Rentenniveaus Bewegung gekommen ist. Zum ersten Mal liegt ein konkreter Vorschlag der Arbeitsministerin auf dem Tisch, der die Automatik des sinkenden Rentenniveaus stoppen will. Darauf haben wir Gewerkschaften massiv gedrängt. Für uns bleibt es allerdings dabei: Die Rente darf nicht unter das heutige Niveau von 48 Prozent sinken. Das Rentenniveau ist bereits in den vergangenen Jahren deutlich gesenkt worden und muss jetzt stabilisiert werden.
      Quelle: DGB
  3. Dr. Merkel und das gesammelte Schweigen
    Warum will Dr. Angela Merkel Deutschland weitere vier Jahre regieren? Gibt es ein Ziel, vielleicht gar eine Hoffnung, die man damit verbindet? Die deutschen Medien jubeln jedenfalls, als sei der Erlöser persönlich erschienen. Ungesagt bleibt all das, was man der Bundeskanzlerin auf die dunkle Seite ihres Stammbuches schreiben muss. Wir dokumentieren das gesammelte Schweigen. […]
    Man darf nicht sagen, Angela Merkel habe Europa in die größte Krise seiner Geschichte geführt, weil sie mit einer vollkommen ungeeigneten Politik andere Länder in eine tiefe Depression gestoßen hat. Man darf nicht sagen, die Bundeskanzlerin habe den Merkantilismus ihres Vorgängers auf die Spitze getrieben und mit dem Export von Arbeitslosigkeit Deutschland saniert. Man darf natürlich nicht sagen, Angela Merkel leugne – auch dies wie Gerhard Schröder – von Anfang an und bis heute die fatale Rolle, die Deutschlands Streben nach Wettbewerbsfähigkeit für die Europäische Währungsunion spielen musste. Niemand und niemals darf man sagen, dass unter der Kanzlerschaft von Angela Merkel Deutschland mit seinen ständig wachsenden Leistungsbilanzüberschüssen zum Störenfried Nummer eins des „freien“ internationalen Handels wurde.
    Beim gesammelten Schweigen muss leider auch der fatale Fehler abgelegt werden, den Merkel dadurch machte, dass sie den Eindruck erweckte, man könne Flüchtlinge willkommen heißen, ohne viel Geld für die Flüchtlinge und für die wenig begüterten eigenen Leute in die Hand zu nehmen. Dass die AfD dadurch und durch das Leugnen der deutschen Schuld in der Eurokrise erst groß werden konnte, wer will das schon wissen?
    Quelle: Heiner Flassbeck auf Makroskop

    dazu: Angela Weiterso: Die Patin der AfD
    Wieder hat sie die Agenda 2010 gelobt und gemeint, nur so könne Europa sein Wohlstandsversprechen einlösen. Die Millionen im Niedriglohnsektor, in Hartz IV, in Leiharbeit, schlecht bezahlten Werkverträgen oder in befristeten Jobs können nur mit kalter Wut reagieren. Merkel ist die Patin der AfD.
    Eine Bemerkung zum Schluss: In fast allen Kommentaren zeigen die „Qualitätsmedien“ ihre Voreingenommenheit und Blindheit und versuchen, der Partei DIE LINKE, die als einzige Partei gegen Lohndrückerei, Rentenkürzung und Sozialabbau ist und in der Steuer-, Sozial- und Wirtschaftspolitik Vorschläge macht, die der AfD die Grundlagen entziehen würden, AfD-Nähe zu unterstellen. So täuschen die Medien darüber hinweg, dass CDU, CSU, SPD, FDP und Grüne in der Steuer-, Sozial- und Wirtschaftspolitik die gleichen Grundsätze vertreten wie die AfD und werden so zu den unfreiwilligen Trotteln der AfD-Propaganda.
    Quelle: Oskar Lafontaine via Facebook

  4. Autobahnraub: Der Streit um die Beteiligung Privater an der Autobahngesellschaft war ein Ablenkungsmanöver
    Eingeschüchtert vom Gegenwind der öffentlichen Meinung haben Finanzminister Schäuble (CDU), Wirtschaftsminister Gabriel (SPD) und Verkehrsminister Dobrindt (CSU) ein nettes kleines Ablenkungsspiel gespielt. Nach viel ‚Bohai und scheinbarem Streit – immer nur “aus Kreisen” berichtet – haben sie sich nun geeinigt dass die Autobahngesellschaft in reinem öffentlichem Besitz bleibt. Das eigentliche Hauptthema ist so völlig aus der Diskussion verschwunden. Worum es eigentlich geht ist die Aufnahme von Fremdkapital durch die Betreibergesellschaft. Das sind viel höhere Beträge, die da im Raum stehen. Und da geht es wiederum darum, welche Rendite den Fremdkapitalgebern, also Allianz und Co., dafür gewährt wird. Wenn die staatliche Betreibergesellschaft eine ausdrückliche staatliche Garantie hätte, gäbe es keine Rechtfertigung dafür, Allianz und Co. nennenswert mehr zu bieten als für normale Bundesanleihen, also nahe Null. So ist es beim österreichischen Vorbild der ganzen Aktion, der ASFINAG. Für Allianz und Co. wäre das völlig uninteressant. Also darf es keine explizite Staatsgarantie geben. Man muss so tun, als könne die Betreibergesellschaft auch Pleite gehen. Tatsächlich ist natürlich völlig undenkbar, dass das geschieht, solange nicht der Staat insgesamt Pleite anmeldet. Das ist ja das Schöne für Allianz und Co. Sie bekommen dann eine deutlich höhere Rendite von der Autobahngesellschaft, aber die gleiche Sicherheit, wie wenn sie Bundesanleihen kauften.
    Quelle: Norbert Häring

    dazu: Roland Claus, DIE LINKE: Angekündigter Investitionshochlauf wird zum Privatisierungshochlauf
    „Herr Minister, nun haben Sie öffentlich darüber spekuliert, wie man mehr privates Geld für die Finanzierung der öffentlichen Infrastruktur einsetzen könnte. Da sagen wir als Linke: Sie wollen bei den Superreichen betteln gehen und sie Geschäfte machen lassen, wir dagegen wollen sie gerecht besteuern und diese Mittel einsetzen. Das macht den kleinen aber sehr entscheidenden Unterschied aus.“
    Quelle: YouTube

  5. Wenn Armut nur Ungleichheit sein soll
    Was ist Armut? Um diese Frage wird seit einigen Jahren heftig gestritten. Auf den ersten Blick scheint es sich dabei lediglich um eine Frage sozialwissenschaftlicher Methodik und Definition zu handeln. Tatsächlich aber steht dahinter eine politische Auseinandersetzung: Kann es eine Gesellschaft akzeptieren, dass immer größere Bevölkerungsteile von sozialer und politischer Teilhabe ausgeschlossen sind?
    Anlass für den Streit um eine adäquate Definition und Berechnung von Armut waren wiederholt die Armuts- und Reichtumsberichte der Bundesregierung, insbesondere aber die Armutsberichte des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverbandes (DPWV). Die Positionen der Beteiligten sind klar unterscheidbar: Auf der einen Seite legt jede Bundesregierung eine Neigung an den Tag, das Armutsproblem in Deutschland herunterzuspielen. Nicht zuletzt im vierten regierungsoffiziellen Armuts- und Reichtumsbericht von 2013 wird dies anhand zahlreicher Relativierungen und Beschönigungen deutlich. Sekundiert wird ihr dabei von konservativen und neoliberalen Wissenschaftlern und Medien, etwa der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, der Süddeutschen Zeitung, dem Focus oder Spiegel Online. Auf der anderen Seite unterstreichen und kritisieren viele Sozialverbände, Gewerkschaften, linke Wissenschaftler und Medien den Umfang und die Bedeutung von Armut in Deutschland.
    Im Kern dreht sich der Streit um die Frage, ab welchem Ausmaß der Entbehrung überhaupt von Armut gesprochen werden könne: Liegt Armut vor, wenn es an elementarsten Dingen des Lebens mangelt – an Nahrung, Kleidung und einem Dach über dem Kopf? Ist also nur arm, wer zu verhungern oder zu erfrieren droht? Wer so argumentiert, folgt einem absoluten Armutsbegriff. Oder kann von Armut auch gesprochen werden, wenn Nahrung, Kleidung und Wohnung zwar vorhanden sind, aber die Teilhabe an Gesellschaft, Kultur und Demokratie aufgrund eines – im Vergleich zum Rest der Bevölkerung – (zu) niedrigen Einkommens gefährdet ist? Ist also auch arm, wer sich nicht leisten kann, was in einer Gesellschaft als normal gilt? Wer so argumentiert, folgt einem relativen Armutsbegriff.
    Quelle: annotazioni

    dazu: Ohne Job: Arm und hochverschuldet
    Deutschland ist ein reiches Land. Doch bei der Verteilung des Reichtums ist Deutschland ein zutiefst ungleiches Land. Die Schere zwischen arm und reich öffnet sich seit Jahren unaufhaltsam. Auch bei uns fühlen sich viele finanziell und gesellschaftlich abgehängt. Der soziale Aufstieg ist für viele unmöglich, der soziale Abstieg in die Armutsfalle geht hingegen umso schneller, besonders wenn der Job weg ist. Der Schritt von der Armut in die Überschuldung ist für viele kurz.
    Quelle: DGB klartext

  6. Unionsfraktion will Tarifstreits per Gesetz schlichten lassen
    Angesichts des andauernden Streiks bei der Lufthansa kommt aus der Union die Forderung nach einem Gesetz, das Tarifkonflikte zwangsweise schlichten soll. Grund dafür seien die immensen Kosten, die durch die Streiks entstünden.
    Im neuerlichen Piloten-Streik fordert der stellvertretende Unions-Fraktionsvorsitzende Michael Fuchs einem Zeitungsbericht zufolge ein Gesetz zur Zwangsschlichtung. Arbeitsministerin Andrea Nahles sei gefordert, endlich entsprechend zu handeln, sagte Fuchs der „Bild“-Zeitung. Durch den Streik entstünden der Lufthansa täglich Kosten von zehn Millionen Euro, berichtete die Zeitung weiter unter Berufung auf Firmenkreise.
    Die Vereinigung Cockpit (VC) verlängerte am Mittwochabend den Ausstand bis einschließlich Freitag. Dann sollten die Kurzstrecken-Piloten ihre Arbeit niederlegen. Allein für Donnerstag wurden 912 Flüge gestrichen, das sind etwa zwei Drittel der Lufthansa-Verbindungen.
    Quelle: Frankfurter Allgemeine

    Anmerkung Christian Reimann: Nun möchte der offenbar Arbeitgeber-nahe Herr Fuchs das Schlichten von Tarifstreits per Gesetz. Das ist merkwürdig: Predigt die Union und insbesondere dieser CDU-Vertreter sonst nicht immer, der Markt müsse sich frei entfalten und von staatlichen Regeln befreit werden?

    dazu: “Piloten kämpfen für ihr gutes Recht”
    Die Lufthansa-Piloten kämpften für ihr gutes Recht auf Gehaltserhöhung, ist der Arbeitssoziologe Stefan Schmalz überzeugt. Er sieht darin eine Wiederbelebung der Gewerkschaften. Heute fallen mehr als 800 Flüge aus. Der Streik soll zunächst bis Samstag dauern.
    Im Vergleich zu Frankreich sei Deutschland immer noch ein streikarmes Land, sagt der Arbeitssoziologe Stefan Schmalz von der Universität Jena im Deutschlandradio Kultur. “Wichtig ist doch zu sehen, dass sich einiges verändert”, sagte er. Gerade im vergangenen Jahr habe man gesehen, dass viele Beschäftigte gestreikt hätten und es viele Streiktage gab.
    Aus seiner Sicht seien die Gewerkschaften auch häufiger dazu bereit, sich mehr einzusetzen und den Konflikt zu suchen. “Man sieht dort auch eine gewisse Erneuerung und Revitalisierung der Gewerkschaften”, sagte Schmalz. Auffallend sei auch, dass häufig bei früheren Staatsbetrieben gestreikt werde, wie jetzt bei der Lufthansa. Die Piloten kämpften für ihr gutes Recht, da die Gehälter seit mehren Jahren nicht erhöht worden seien. “Es ist sicher etwas dran, dass die Konzernstrategie dort eine Rolle spielt”, sagte er.
    Quelle: Deutschlandradio Kultur

  7. Die kalte Rechnung des Innenministers
    Thomas de Maizière will, dass weniger Flüchtlinge aus Afghanistan nach Deutschland kommen. Interne Dokumente zeigen: Dafür setzt er auch das zuständige Bamf unter Druck.
    Ginge es nach dem Grundgesetz und nach den internen Sicherheitseinschätzungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bamf), müssten die meisten Menschen, die aus Afghanistan nach Deutschland fliehen, hier bleiben dürfen. Doch es geht bei den Asylentscheidungen nicht nach den Buchstaben des Gesetzes. “Eigentlich geben uns das Grundgesetz und das Asylrecht vor, wer bleiben darf und wer nicht. Dass jetzt so viele Afghanen abgelehnt werden, ist politisch so gewollt.” Das sagt ein langjähriger Mitarbeiter des Bamf, der in der Behörde an verschiedenen Stellen eingesetzt war und um seine Zukunft fürchtet, wenn bekannt wird, wie er heißt. Sein Vorwurf: Wider besseres Wissen werden Menschen in ein lebensgefährliches Land zurückgeschickt, weil die Bundesregierung es so fordert.
    Ein Indiz hierfür liefert der jährliche Geschäftsbericht der Asylbehörde. Der weist für jedes Herkunftsland eine sogenannte Gesamtschutzquote aus. Nimmt man nur die offizielle Zahl, gibt es kaum einen Unterschied. Nach dieser bekamen im vergangenen Jahr 47,8 Prozent aller afghanischen Flüchtlinge einen Asylstatus und im ersten Halbjahr 2016 immerhin noch 44,6 Prozent.
    Quelle: Zeit Online

    Anmerkung Christian Reimann: Es soll weitere BAMF-MitarbeiterInnen geben, die die Vorwürfe gegen die Bundesregierung – zumindest in vertraulichen Gesprächen – bestätigen. Eine Person aus dem BAMF hat den Hinweis auf diesen Artikel gegeben. Danke.

  8. Flüchtlingsströme: Sie wurden alleingelassen
    Sie stehen immer und überall im schlechten Licht, und niemand will sie haben: Journalisten versuchen in einer Reportagensammlung, einen Kontrapunkt zur berüchtigten „Flüchtlingskrise“ zu setzen.
    „Wir leben nicht, wir warten.“ Die knappe Formel, mit der die pakistanische Englischlehrerin Fatima ihr Schicksal beschreibt, trifft auf die Mehrheit der weltweit 65 Millionen Menschen zu, die laut UNHCR auf der Flucht sind. Sie fliehen vor Krieg, Gewalt gegen Minderheiten, politischer Verfolgung, Armut, Hoffnungslosigkeit und stranden irgendwo, oft für Jahre, manchmal für immer. […]
    Das größte Flüchtlingslager der Welt liegt nicht in Griechenland oder der Türkei, sondern in Kenia. Bis zu einer halben Million Menschen lebten zeitweise in Dadaab im Nordosten Kenias an der Grenze zu Somalia. Heute warten in der Dornbuschsavanne noch 350.000 Flüchtlinge auf einen Ausweg aus dem verfestigten Provisorium. Und während die Scharfmacher von Pegida und AfD gern den Eindruck erwecken, Deutschland nehme ganz Syrien bei sich auf, hat in Wahrheit die Mehrzahl der syrischen Flüchtlinge in den Nachbarländern Syriens Zuflucht gefunden. Im Libanon, der bis heute unter den Folgen des eigenen Bürgerkriegs in den siebziger und achtziger Jahren leidet, leben vier Millionen Libanesen und offiziell 1,2 Millionen syrische Flüchtlinge. Inoffizielle Schätzungen gehen von zwei Millionen und mehr aus. 2015 wurden im Libanon mehr syrische als libanesische Kinder geboren.
    Die überforderten Aufnahmeländer wurden mit der Mammutaufgabe, Millionen Hilfsbedürftige zu versorgen, jahrelang alleingelassen. 2015 schlugen UNHCR und das Welternährungsprogramm Alarm: Ihnen ging das Geld zur Versorgung der syrischen Flüchtlinge aus. Lebensmittelrationen mussten auf 50 Cent pro Tag gekürzt werden, 360.000 Flüchtlinge blieben unversorgt. Für die Autoren der „Flüchtlingsrevolution“ ist die zeitliche Koinzidenz mit den steigenden Flüchtlingszahlen an Europas Grenzen kein Zufall.
    Quelle: FAZ

    Anmerkung unseres Lesers J.A.: Solche tollen, sachlichen und informativen Artikel findet man im FAZ-Feuilleton. Immer wieder großartig.

  9. Darum ist Erdogan das Parlamentsvotum egal
    Die Entscheidung wirkt auf den ersten Blick wie ein starkes Signal der EU in Richtung eines Staates, der die Menschenrechte, die Rechtsstaatlichkeit und die Pressefreiheit seit Monaten immer schamloser mit Füßen tritt. Doch das ist sie nicht. Vielmehr fügt sie sich nahtlos ein in die Türkei-Politik der EU der vergangenen Jahre, ja Jahrzehnte. Und die ist geprägt von einem Hin und Her, das die demokratischen Kräfte in der Türkei immer weiter von Europa entfremdet hat und Präsident Recep Tayyip Erdogan heute die Mittel an die Hand gibt, innenpolitisch und außenpolitisch daraus Kapital zu schlagen.
    Die Resolution des Europäischen Parlaments ist nicht bindend. Und selbst wenn die EU-Kommission sich der Forderung anschließt, ist sie nicht in Kraft. Beitrittsgespräche können nur die EU-Mitgliedstaaten beenden. 16 der 28 nationalen Regierungen müssten einem entsprechenden Antrag zustimmen und zudem 65 Prozent der EU-Bürger vertreten. Eine solche Mehrheit ist nicht wahrscheinlich. Eine gemeinsame Linie der EU lässt sich nicht erkennen.
    Quelle: Süddeutsche
  10. EU-Parlament fordert strategische Kommunikation gegen russische Propaganda
    Die EU sei nämlich gefährdet, heißt es in der Resolution des Parlaments, Propaganda “verzerre Wahrheiten, schüre Angst und Zweifel und wolle Europa spalten” – Ein Blick in den Text
    Man weiß, die Propaganda des einen ist die Wahrheit der anderen. Das ist so ähnlich wie bei den Terroristen, die für die einen Freiheitskämpfer sind und für die anderen eliminiert werden müssen. Das EU-Parlament hat nun wieder klar gemacht, dass Selbstreflexion keine sonderlich erwünschte Eigenschaft ist, sondern dass Propaganda mit Propaganda ge- oder erschlagen werden soll. Deutlich wird, dass man offenbar Angst hat oder Angst schürt, dass die EU mit ihren Institutionen und Werten den Einflüssen von außen nicht standhalten könnten, wenn sie nicht offensiv verteidigt werden.
    Mehrheitlich haben die Abgeordneten eine unverbindliche Resolution angenommen, die stärkere Gegenmaßnahmen gegen Propaganda durch Russland und den Islamischen Staat fordert. Sonderlich überzeugt waren aber viele Abgeordnete anscheinend nicht. 304 Abgeordneten stimmten für die Resolution, 179 dagegen und 208 enthielten sich. Russland und den IS damit gewissermaßen auf die gleiche Stufe zu stellen, ist selbst schon ein Versuch der strategischen Kommunikation.
    Sicherheitshalber droht das russische Außenministerium schon mal wie bei den Wirtschaftssanktionen mit Gegenmaßnahmen, wenn russische Medien in der Folge beschnitten würden. Russland werde damit weiter “dämonisiert”, das Dokument sei überladen mit Phobien, Fiktionen und Mythen. In der Resolution ist vom Abdrehen russischer Medien allerdings nicht die Rede. Wladimir Putin sieht in der Resolution, die er nicht kenne, eine Verschlechterung des Konzepts der Demokratie in Europa. Man wolle die Russen Demokratie lehren. Am besten sei eine “offene Diskussion”.
    Quelle: Telepolis

    dazu: Uli Gellermann: EU-„Anti-Propaganda“-Beschluss „lachhaft und idiotisch“
    Mit einer vom EU-Parlament am Mittwoch angenommenen Entschließung warnen die Abgeordneten vor einer Gefährdung der europäischen Demokratie durch die russische „Anti-EU-Propaganda“ und durch den IS. aus Russland? Sputnik hat nachgefragt bei dem Journalisten und Filmemacher Ulrich Gellermann.
    Quelle: Sputnik

  11. Die wesentliche Komponente
    Einer der einflussreichsten Berliner Außenpolitik-Think Tanks arbeitet an Plänen zur Wiederaufnahme der Zusammenarbeit zwischen Russland und der EU. Die Konfrontation zwischen beiden Seiten könne “nicht für immer andauern”, heißt es in einem Papier, das im Rahmen eines gemeinsamen Projekts der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) und des Russian International Affairs Council (RIAC) verfasst wurde: “Früher oder später” müssten “die Beziehungen zwischen Russland und der EU normalisiert werden”. Im Detail zielt das Projekt darauf ab, einerseits zwar ein spürbares Maß an Spannungen aufrechtzuhalten, solange Moskau sich den Weltordnungsplänen des Westens widersetzt, andererseits aber vor allem ökonomisch wieder zu einer ungehinderten Abwicklung lukrativer Geschäfte zu gelangen; Letzteres sei “die wesentliche Komponente”. Ursache ist nicht zuletzt, dass China immer engere Wirtschaftsbeziehungen zu Russland knüpft. Unklar ist, wie sich die Annäherung an Russland, die der künftige US-Präsident Donald Trump angekündigt hat, mit den deutschen Plänen verträgt; unklar ist allerdings auch, ob Trump seine Ankündigungen überhaupt gegen klar antirussische Kräfte in Washingtons Establishment durchsetzen können wird.
    Quelle: German Foreign Policy
  12. Die engstirnige Arroganz und Intoleranz von 141 österreichischen Ökonomen setzt sich durch
    Sage und schreibe 141 österreichische Ökonomen haben einen offenen Brief an das Bildungsministerium unterzeichnet, das die Zensur eines Schuldbuchs fordert – mit Erfolg. Der unter Ökonomen aufgeführte Christian Felber habe „keine ökonomische Ausbildung“ und seine Gemeinwohltheorie erfülle nicht “die üblichen Kriterien der Wissenschaftlichkeit”. Ob diese reinblütigen Ökonomen schon mal geschaut haben, was sogenannte Ökonomienobelpreisträger für Ausbildungen haben? (…) Man findet dann einen Leonid Hurwicz (2007) der Mathe, Experimentalphysik und Piano studiert hat, Roger Myerson und Eric Maskin (auch beide 2007), die Mathe studiert haben. Elinor Ostrom (2009) hat Politik studiert, Alvin Roth (2012) Operations Research, Lloyd Shapley (2012) Mathe und Bengt Holmström (2016) Mathe Physik, Statistik und Operations Research. Daneben gibt es noch vier, die Mathe, Physik oder Ingenieurwissenschaften studierten und immerhin noch ein Doktorandenstudium der Ökonomie draufsetzten; getreu dem Motto: die wichtigste Voraussetzung für einen Ökonomie-“Nobelpreis” ist die Fähigkeit eindrucksvolle mathematische Modelle basteln zu können. Das bisschen Ökonomie das man daneben braucht, lernt man On-the-Job oder im Doktorandenstudium. Dass es in den Augen der Großinquisitoren von der Wirtschaftsuni Wien und ihrer Hilfsinquisitoren völlig in Ordnung ist, wenn Mathematiker, Physiker und Ingenieurwissenschaftler den größten Preis der Ökonomen dominieren, aber zu verdammen, wenn ein Geisteswissenschaftler unter die Ökonomen gestellt wird, sagt sehr viel über das Selbstverständnis dieser Zunft aus.
    Quelle: Norbert Häring
  13. Rückkehr der Rechten
    Klasse, Scham und die Linken. Luxemburg Lecture von Didier Eribon *LIVESTREAM*
    Die Veranstaltung wird auch im LIVESTREAM übertragen.
    This event will be broadcastet via LIVESTREAM.
    Kaum ein Buch hat in diesem Jahr so viel Aufmerksamkeit erregt wie Didier Eribons «Rückkehr nach Reims». Angesichts der Wahlerfolge rechtspopulistischer Partien in vielen Ländern Europas trifft es den Nerv der Zeit: Warum wählen gerade die «Abgehängten», oft ehemals linke Stammwähler*innen, die Rechten? Eribons These ist schmerzlich: Die Linke habe sich abgewendet von der Klassenfrage und von den Arbeiter*innen selbst – und damit den Aufstieg der Rechten möglich gemacht.
    Diese Entfremdung zeichnet Eribon in der eigenen Biographie nach: Bildungsaufstieg und schwule Emanzipation waren ihm nur durch die Verleugnung seiner Klassenherkunft möglich. Er lenkt dabei den Blick auf die Wirkmächtigkeit sozialer Scham und die Widersprüche der Selbstbehauptung.
    Quelle: Rosa Luxemburg Stiftung
  14. Martin Schulz ist die Anti-These zur AfD
    Deshalb mögen ihn junge Menschen – obwohl er nach einer ähnlichen Logik funktioniert. […]
    Schulz nutzt seine Position in der EU seit Jahren dazu, „die dramatische soziale Ungerechtigkeit“ in Europa anzuprangern, Banken und Unternehmen für riskante Geschäftsmodelle und Steuerhinterziehung zu kritisieren. Als EU-Parlamentspräsident sagte er: „Wenn wir die Jugendarbeitslosigkeit nicht bekämpfen, weiß ich nicht, was aus der EU wird.“ Das könnte eigentlich auch eine Phrase sein – und klingt bei Schulz doch ehrlich besorgt. Weil man bei Schulz Kampfgeist raushören kann, wenn er solche Sachen sagt: „Was wir als handelnde Politikergeneration diesen jungen Menschen schulden, sind kluge Ideen, Mut und rasches Handeln.“
    Es klingt nach Wut auf ein System, das junge und nicht-reiche Menschen benachteiligt. Und Wut ist ja etwas, das bislang leider nur Rechte glaubhaft für sich in Anspruch nehmen.
    Quelle: jetzt.de

    Anmerkung Jens Berger: Zwicken Sie mich mal bitte. Das ist doch Satire. Oder?

  15. Ehemaliger Vizekanzler erhält Nell-Breuning-Preis
    Der frühere Arbeits- und Sozialminister und SPD-Chef Müntefering erhält den Oswald-von-Nell-Breuning-Preis der Stadt Trier.
    Quelle: Deutschlandfunk

    Anmerkung unseres Lesers A.L.: Oswald von Nell-Breuning dürfte sich ob dieses Preisträgers wohl im Grabe umdrehen. Fassungslos dürften auch diejenigen sein, die die Katholische Soziallehre hochachten, wenn sie lesen, dass Münteferings politisches Wirken der Katholischen Soziallehre entspräche. Die Rente mit 67 Jahren und das dogmatische Festhalten an der Agenda 2010 können nicht gemeint sein. Damit würde die Lehre ad absurdum geführt.

  16. Das Letzte: Uli Hoeneß
    1. „Der FC Bayern wird Uli willkommen heißen“
      Uli Hoeneß will sich nach verbüßter Haftstrafe wieder zum Bayern-Präsidenten wählen lassen. Zuvor spricht Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge über den Rückkehrer und seine Kritiker.
      Quelle: FAZ
    2. Die heile Welt des Uli Hoeneß
      Uli Hoeneß hat für seine Rückkehr als Präsident des FC Bayern große Pläne, davon sollen vor allem die Basketballer profitieren. Bei den Fußballprofis muss er sich erst wieder behaupten.
      Quelle: Spiegel Online

      Anmerkung JK: Muss man das verstehen? Wenn in Deutschland ein unbescholtener Bürger, der immer brav seine Steuern bezahlt hat, ohne eigenes Verschulden seinen Arbeitsplatz verliert, landet er spätestens nach 15 Monaten bei Hartz-IV und darf dann durch die Jobcenter gedemütigt, erniedrigt und schikaniert werden. Ein millionenschwerer Steuerhinterzieher wird dagegen nicht nur durch die Justiz mit Samthandschuhen angefasst, sondern danach auch noch wie ein Held gefeiert. Das ist eine Verhöhnung jedes anständigen Bürgers dieses Landes.