Hinweise des Tages

Ein Artikel von:

(WL)

Heute unter anderem zu folgenden Themen:

  • Entwicklung des Arbeitsmarktes im November 2008
  • Wozu 1-Euro-Jobs?
  • Kanzlerin für gutes Wetter
  • Eiszeit in Deutschland
  • 700 Milliarden? Ha! Es sind 8500 Milliarden
  • Bayern wird Bank
  • Finanzkrise als Schocktherapie
  • WSI-Verteilungsbericht 2008 – Anhaltende Verteilungsdramatik
  • Der Gesundheitsfonds: Neue Schieflagen – Keine Problemlösung
  • Zahl der Menschen ohne Krankenversicherung ist gesunken
  • Moderne Arbeitssklaven
  • AfA: Die gesetzliche Rentenversicherung muss zentrale Säule der Altersversorgung bleiben
  • Comeback von Peter Hartz wegen Kritik gescheitert
  • Roland Berger auf Sinnsuche
  • BND: Einsatz im Irak war keine Beteiligung am Krieg
  • Hauptschüler auf Grundschulniveau
  • Bayern antisemitischer als der Osten
  • Glosse: Manager und Schweine

Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind.

Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. BA: Die Entwicklung des Arbeitsmarktes im November 2008
    „Der Arbeitsmarkt ist noch stabil. Dies zeigen die aktuellen Zahlen: die Arbeitslosigkeit ist im November weiter gesunken. Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung nahm zu. Und die Nachfrage der Unternehmen nach Mitarbeitern befindet sich nach wie vor auf einem hohen Niveau. Allerdings mehren sich die Anzeichen, dass der wirtschaftliche Abschwung den Arbeitsmarkt bald erfassen wird.“, erklärte der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit (BA), Frank-J. Weise.
    Quelle: Bundesagentur für Arbeit

    Anmerkung WL: Worüber seltener berichtet wird:

    • Im Monat November befanden sich 1,62 Millionen Personen in einer vom Bund oder der Bundesagentur für Arbeit geförderten arbeitsmarktpolitischen Maßnahme. Das waren im Vergleich zum Vorjahr 0,2 Prozent mehr. Auch gemessen an der Förderintensität, also dem Verhältnis zwischen geförderten Personen und Arbeitslosen, hat von November 2007 zu November 2008 die Förderung durch Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik zugenommen. Während im November 2007 noch 2,1 Arbeitslose auf eine Person in Förderung kamen, waren es im November 2008 nur noch 1,8 Arbeitslose.
    • Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung lag im September nach der Hochrechnung der Bundesagentur für Arbeit bei 28,00 Mio., gegenüber dem Vorjahr war das ein Zuwachs von 578.000 oder 2,1 Prozent. Dabei entfällt knapp zwei Drittel des sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsplus auf Vollzeitstellen. D.h. ein Drittel des Plus landeten in Teilzeit oder andere prekäre Beschäftigung.
    • In Arbeitsgelegenheiten (in der Mehraufwandsvariante) waren nach vorläufigen Angaben im Oktober 301.000 Arbeitslosengeld II-Empfänger beschäftigt, 3.000 oder 1 Prozent weniger als vor einem Jahr.
    • Die Zahl der ausschließlich geringfügig entlohnt Beschäftigten hat nach ersten Hochrechnungen der Bundesagentur für Arbeit im September 4,84 Mio. betragen, 8.000 oder 0,2 Prozent weniger als vor einem Jahr. Darüber hinaus übten 2,31 Mio sozialversicherungspflichtig Beschäftigte zusätzlich einen geringfügig entlohnten Nebenjob aus, gegenüber dem Vorjahr 174.000 oder 8,1 Prozent mehr.
    • Vor allem bei unternehmensnahen Dienstleistungen gab es einen kräftigen Anstieg (bei der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung) (+5,0 Prozent bzw. +188.000), der zum Teil auf Arbeitnehmerüberlassung beruht.
    • Im Oktober lagen Anzeigen für 57.000 Kurzarbeiter vor. Im Vergleich zum Vormonat war das ein Anstieg um 30.000 und im Vergleich zum Vorjahr um 42.000 angezeigte Kurzarbeiter. Es ist davon auszugehen, dass sich die Zahl der Kurzarbeiter in den nächsten Monaten entsprechend erhöhen wird.
    • Das gesamtwirtschaftliche Stellenangebot hat im dritten Quartal deutlich abgenommen.
    • Die Arbeitslosigkeit hat sich von Oktober auf November um 8.000 auf 2.988.000 verringert. Der absolute und relative Rückgang war deutlich schwächer als im Durchschnitt der letzten drei Jahre (-56.000 oder -1,4 Prozent).
    • Von den 2.988.000 Arbeitslosen im November wurden 906.000 oder 30 Prozent im Rechtskreis SGB III von einer Agentur für Arbeit und 2.083.000 oder 70 Prozent im Rechtskreis SGB II von einem Träger der Grundsicherung betreut. Die Arbeitslosenzahl ist gegenüber dem Vormonat im Rechtskreis SGB III um 19.000 oder 2 Prozent gestiegen, während sie im Rechtskreis SGB II um 27.000 oder 1 Prozent gesunken ist.
    • Im November nahmen 1.010.000 Personen an Fördermaßnahmen teil, die kurzfristig allein durch die Teilnahme gesamtwirtschaftlich die Arbeitslosenzahl reduzieren. Gegenüber dem Vormonat hat sich die Teilnehmerzahl um 13.000 erhöht.
    • Im Juli 2008 verdienten insgesamt 1.353.000 oder 27 Prozent der erwerbsfähigen Leistungsbezieher in der Grundsicherung Einkommen aus Erwerbstätigkeit. Im Vergleich zum Vorjahr ist ihre Zahl um 100.000 oder 8 Prozent gestiegen.
    • Im November erhielten 5.491.000 erwerbsfähige Menschen Lohnersatzleistungen nach dem SGB III oder Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Das waren 431.000 weniger als vor einem Jahr. Integrierte Auswertungen zu Leistungsbezug und Arbeitslosigkeit liegen für den Juli vor. Danach waren 48 Prozent der Leistungsempfänger arbeitslos gemeldet.

    Quelle: Bundesagentur Monatsbericht [PDF – 1,1 MB]

    Siehe dazu allerdings:

    Gerd Bosbach: Die verschaukelte Bevölkerung – Wie man mit Statistik täuschen kann
    Die meisten Grafiken machen uns vor, die Arbeitslosigkeit sei rapide gesunken. Man beginnt bei der grafischen Darstellung aber dort, wo die höchste Arbeitslosenzahl ist, so dass jegliches Sinken durchaus erfreulich wirkt. Das kommt dadurch, dass man ein grafisches Bild nur flüchtig anschaut, aber dieser erste Eindruck bleibe haften. Sähe man allerdings eine Grafik der Arbeitslosigkeit, die die Wiedervereinigung seit 1989 einschließt, ist sie zwar leicht gesunken, aber immer noch schlechter als 1989. Von den prekären Arbeitsverhältnissen, in denen die meisten Arbeitslosen gelandet sind, ganz zu schweigen. Tatsächlich haben wir über 7 Millionen Hartz-IV-Bezieher. Gerade beim Problem der Arbeitslosigkeit täte die Politik aber so, als wäre das Problem schon beseitigt.
    Quelle: Neue Rheinische Zeitung

  2. Wozu 1-Euro-Jobs?
    Immer wieder sinnlos Mauern hochziehen, die gleich wieder eingerissen werden, nur um sie dann erneut aufzubauen? Einen ganzen Tag lang den gleichen Flur wischen? Von solchen oder ähnlich unsinnigen 1-Euro-Jobs wurde Ende 2004 in der Presse häufiger berichtet.1 Daran wird deutlich, dass mindestens zu Beginn der Arbeit mit dem “Hartz IV”-Gesetz Arbeitsagenturen und AnbieterInnen von Beschäftigungsmaßnahmen mit dem neu aufgelegten Instrument der 1-Euro-Jobs offensichtlich überfordert waren. Inzwischen haben öffentliches Interesse und Empörung deutlich nachgelassen, obwohl zwischen Anfang 2005 und August 2007 in Deutschland insgesamt deutlich über 1,7 Millionen 1-Euro-Jobs angefangen wurden.2 Angesichts dieser extrem hohen Zahl lohnt es sich, die 1-Euro-Jobs einmal näher unter die Lupe zu nehmen und aufzuzeigen, welche arbeitsmarktpolitische Funktion sie erfüllen: den immer stärkeren Ausbau des so genannten Niedriglohnsektors voranzutreiben.
    Quelle: Forum Recht [PDF – 296 KB]
  3. Thomas Fricke – Kanzlerin für gutes Wetter
    Die Deutschen sind im Grunde “sehr stark”, die Arbeitslosigkeit niedrig, deutsche Produkte wettbewerbsfähig und der Haushalt prima saniert. Das hat die Bundeskanzlerin diese Woche gesagt. Jetzt müsse nur noch eine Brücke zum nächsten Aufschwung gebaut werden. Das Bestreben mag ehrenwert sein. Beängstigend ist nur, dass Merkels Diagnose in der aktuellen globalen Krise naiv wirkt. Die kanzleramtliche Lobliste dürfte den Deutschen in den nächsten Monaten wenig helfen. Es könnte sogar sein, dass das Land auf diese Krise schlechter vorbereitet ist als andere. Nicht besser, wie die Kanzlerin erklärt. Grund genug für ein großes Notpaket. So schnell wie möglich.
    Quelle: FTD
  4. Eiszeit in Deutschland
    Solange es kein Konjunkturprogramm in Deutschland gibt, das den Namen verdient hat, solange Merkel und Steinbrück den Eichel machen, solange gilt die Wette: Das Brutto-Inlandsprodukt schrumpft nächstes Jahr um mindestens 1,5 Prozent. Damit bin ich deutlich pessimistischer als Sachverständigenrat und Herbstgutachter, die eine Stagnation erwarten.
    von Robert von Heusinger
    Quelle: Zeit blog
  5. 700 Milliarden? Ha! Es sind 8500 Milliarden
    Mit wie viel Geld haftet der amerikanische Staat tatsächlich für das US-Finanzsystem? Die Nachrichtenagentur Bloomberg hat erstmals alle Fazilitäten, Garantien und Nothilfen addiert – und kommt zu einem unfassbaren Ergebnis. Die tatsächlichen Risiken, die der amerikanische Staat bislang eingeht, übertreffen das im September verabschiedete, 700 Mrd. $ schwere Rettungspaket um mehr als das Zehnfache. Bei der Addition der Einzelposten kommt man auf 8500 Mrd. $, das ist mehr als die Hälfte des amerikanischen Inlandsprodukts. FTD-Online gibt den Überblick.
    Quelle: FTD
  6. Bayern wird Bank
    Die BayernLB rutscht immer tiefer in die Krise und bettelt bei Ministerpräsident Seehofer um noch mehr frisches Kapital. Nun soll der Freistaat die benötigten 10 Mrd. Euro allein zuschießen. Im Gegenzug soll Deutschlands zweitgrößte Landesbank quasi verstaatlicht werden.
    Quelle: FTD
  7. Finanzkrise als Schocktherapie
    Was den besten Argumenten nicht gelang, schaffte die Aufklärung über Realerfahrung mit der Finanzmarktkrise: Der neoliberale Fundamentalismus verspielte seine Glaubwürdigkeit. Den Glücksversprechungen der Marktradikalen wurde der Boden entzogen. Die Frage ist heute: Wie wird die neu entstandene politisch-ökonomische Situation verarbeitet? Welche Neujustierung erfährt das Verhältnis von Markt und Staat? Der Debattenbeitrag gibt dazu keine Lösungsvorschläge. Ihm geht es vor allem um eine Sensibilisierung für neue Unsicherheiten auf dem Weg zu tragfähigen Lösungen.
    Quelle: WSI-Mitteilungen 11+12/2008 [PDF – 104 KB]

    Anmerkung WL: Das offenkundige Scheitern der bisher herrschenden Lehre könnte eine Chance für einen Wechsel bieten, wenn wir nicht zulassen, dass die Banker, Politiker und Meinungsmacher von ihrem vorausgegangenen Tun ablenken und ihre Verantwortung für die Katastrophe auf einzelne „Sündenböcke” abschieben können. Hinter den Schuldzuweisungen und auch hinter den (zaghaften) Schuldeingeständnissen verbergen viele, der angeblich vom Saulus zum Paulus bekehrten, nur ihre Absicht des „Weiter-So”. Die FDP schiebt die Verantwortung ohnehin wieder nur dem Staat zu und CDU und SPD, vor allem in Person von Merkel und Steinbrück, graben sich ein und hoffen, dass der Sturm über Deutschland hinwegzieht, ohne größere Schäden anzurichten. Sie warten nur rat- und konzeptionslos ab, in der Hoffnung anschließend wieder weiter machen zu können wie bisher. Nächstes Jahr stehen die Bundestagswahlen an, wenn nichts geschieht, wenn wir uns nicht einmischen, wird es danach weitergehen wie bisher.

  8. WSI-Verteilungsbericht 2008 – Anhaltende Verteilungsdramatik
    Den bis vor Kurzem andauernden Aufschwung verbuchte die Politik als ihren Erfolg – ungeachtet des maßgeblichen Anteils, den jenseits nationaler Steuerung der florierende Weltmarkt am Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum hatte. Und sie verschloss gänzlich die Augen davor, dass es ihr trotz einer wirtschaftlichen Prosperitätsphase nicht gelungen ist, den seit Jahren zu beobachtenden Trend zunehmender sozialer Ungleichheit zu stoppen. Erst recht konnte sie ihn nicht umkehren. Im Gegenteil: Neoliberale Politikkonzepte verschärften die Einkommensungleichheit und belasteten das Wachstum. Dass nunmehr die Weltfinanzkrise zur Abkehr vom Neoliberalismus führt, ist derzeit nicht mehr als eine äußerst vage Hoffnung.

    Tabelle Hinweise 2811
    Quelle: Statistisches Bundesamt (Fachserie 18: Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen (Fachserie 18, Stand: Aug. 2008a). – Berechnungen des Autors. WSI Mitteilungen

    Quelle: WSI Mitteilungen 11 + 12/2008 [PDF – 300 KB]

  9. Der Gesundheitsfonds: Neue Schieflagen – Keine Problemlösung
    Es ist bereits heute absehbar, dass der Gesundheitsfonds dazu beitragen wird, die Finanzierungslasten in der GKV mittelfristig weiter von den Arbeitgebern auf die Versicherten zu verlagern. Wenn eine Krankenkasse ihre Ausgaben mit den ihr zugewiesenen Mitteln nicht mehr decken kann, muss sie entweder die kassenspezifischen Leistungen kürzen oder einen Zusatzbeitrag erheben, der allein von den Versicherten – und nicht vom Arbeitgeber – aufgebracht wird. Die Summe aller Zusatzbeiträge kann auf bis zu 5 % der GKV-Gesamtausgaben steigen – der Deckungsgrad durch den Gesundheitsfonds also auf 95 % sinken.
    Der Gesundheitsfonds trägt also nichts zur Lösung der Finanzierungsprobleme in der GKV bei: Weder stellt er die Finanzierung der GKV auf eine dauerhaft tragfähige Grundlage noch beseitigt er die Gerechtigkeitsdefizite in der Finanzierung der Gesetzlichen Krankenversicherung.

    Vielmehr beinhaltet er mittelfristig eine weitere Verlagerung der Finanzierungslasten von den Arbeitgebern auf die Versicherten. Zwar ist die Einführung von Elementen eines morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs im Ansatz ein Fortschritt; dessen Konstruktion bleibt allerdings unzureichend, und auch nach seiner Einführung werden starke Anreize zur Risikoselektion fortbestehen.

    Die Konstruktion des Zusatzbeitrags und die nur partielle Berücksichtigung der Morbidität bei der Finanzmittelzuweisung werden die Krankenkassen mit einem hohen Anteil an einkommensschwachen und chronisch kranken Mitgliedern weiterhin strukturell benachteiligen.
    Quelle: WSI-Mitteilungen 11 +12/2008 [PDF – 328 KB]

  10. Versicherungspflicht: Die Lücke schließt sich
    Ein Erfolg der Gesundheitsreform: Die Zahl der Menschen ohne Krankenversicherung ist zuletzt deutlich gesunken. Trotzdem bleiben Hürden. Und ohne konsequente staatliche Kontrolle der neuen Versicherungspflicht drohen den Kassen wachsende Beitragsausfälle.

    Knapp 120.000 Menschen, die zuvor nicht krankenversichert waren, haben zwischen April 2007 und September 2008 wieder Versicherungsschutz gefunden.
    Im 1. Quartal 2007, unmittelbar bevor die neue Regelung in Kraft trat, lebten in der Bundesrepublik rund 211.000 Menschen ohne Absicherung im Krankheitsfall.
    Jedoch: Einerseits werden nach wie vor potenzielle Versicherte abgeschreckt: Etwa durch Nachzahlungen, die nach einem verspäteten Eintritt in die GKV fällig werden – rückwirkend zum Beginn der Versicherungspflicht am 1. April 2007 – vor allem aber durch relativ hohe Prämien und Karenzzeiten in der PKV. Davon betroffen sei gerade “eine zentrale Risikogruppe für Nichtversicherte, nämlich die so genannten kleinen Selbstständigen ohne vormaligen gesetzlichen Krankenversicherungsschutz”, betonen die Forscher. Andererseits melden die gesetzlichen Krankenkassen bereits Beitragausfälle in Millionenhöhe durch säumige Neu-Versicherte.
    Quelle: Böckler Impuls 19/2008

  11. Moderne Arbeitssklaven
    Leiharbeiter gelten als effektive Maßnahme zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Doch die Bedingungen, unter denen sie schuften müssen, sind teilweise skandalös.Rund 50 Leiharbeiter sind in Leipzig tätig, die einen solchen Vertrag haben. Sie kommen für eine 38-Stunden-Woche auf einen Nettoverdienst zwischen 750 und 850 Euro im Monat.

    Gerade im Osten Deutschlands stellt sich die Situation nun aber wie folgt dar: Die Leiharbeiter-Quote liegt in Firmen nicht selten bei mehr als 50 Prozent, eine Übernahme zu besseren Bedingungen erfolgt dagegen eher selten. Zudem trifft es die billigen Arbeitskräfte als Erste, wenn die Unternehmen in Krisenzeiten, wie wir sie derzeit erleben, Personal abbauen.

    Wie das System funktioniert, wird beim Leipziger Porsche-Werk deutlich. Die Stuttgarter Sportwagenbauer, bekannt für ihre hohen Löhne, haben aus Kostengründen den Bereich Logistik ausgelagert. Das übernimmt als Dienstleister die Schnellecke-Gruppe, die weltweit vor allem für VW tätig ist und ausgerechnet dem CDU-Oberbürgermeister der VW-Stadt Wolfsburg, Rolf Schnellecke, gehört. Die Schnellecke-Gruppe beschäftigt nur rund 90 der 140 Logistik-Mitarbeiter selber. Die restlichen 50 Leute wurden wiederum an die Zeitarbeitsfirma Avance „outgesourct“. Dort sind sie als Leiharbeiter angestellt. Von dieser Konstruktion profitieren alle: Porsche, Schnellecke und Avance machen so Gewinne. Nur die Leiharbeiter schauen in die Röhre.

    • Laut Vertrag verpflichtet sich der Leiharbeiter, bei Kunden, sogenannten Entleihern, an verschiedenen Orten im gesamten Bundesgebiet und gegebenenfalls im benachbarten Ausland tätig zu werden. Er könne auch „mit minderqualifizierten Tätigkeiten“ betraut werden: „Der Arbeitnehmer kann jederzeit beim Kunden abgerufen und bei anderen Kunden eingesetzt werden.“ Dazu habe die Avance GmbH als Arbeitgeber das Recht.
    • Der Leiharbeitnehmer ist zur „Erbringung von Schicht-, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit“ verpflichtet. Nach Ende der Probezeit beträgt die Kündigungsfrist lediglich vier Wochen.
    • Der Stundenlohn liegt gerade mal bei 5,77 Euro – brutto. Durch eine Zulage von 0,84 Euro kommt der Leiharbeiter dann auf 6,61 Euro pro Stunde.
      Das Ganze ist übrigens legal. Denn Avance beruft sich auf einen Tarifvertrag, der mit den Christlichen Gewerkschaften abgeschlossen wurde.

    Quelle: Focus

  12. AfA: Die gesetzliche Rentenversicherung muss zentrale Säule der Altersversorgung bleiben
    Positionspapier der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA) in der SPD zur Zukunft einer solidarisch abgesicherten Altersversorgung in Deutschland. Unter anderem fordert die AfA wirksame Maßnahmen gegen Altersarmut und den Umbau der gesetzlichen Rentenversicherung zu einer Erwerbstätigenversicherung.
    Quelle: Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen [PDF – 124 KB]
  13. Comeback von Peter Hartz wegen Kritik gescheitert
    Mit einem Konzept für Langzeitarbeitslose wollte Peter Hartz im Saarland sein Comeback feiern. Nach dem Skandal um Schmiergelder und Lustreisen war es lange ruhig gewesen um den Namensgeber der Arbeitsmarktreform. Die Kritik am Comeback kam sofort – und die Saarbrücker Arbeitsagentur reagierte.
    Quelle: Die Welt Online

    Siehe dazu:

    Stille Konditionierung
    Man muss es sich schon auf der Zunge zergehen lassen: Peter Hartz darf Langzeitarbeitslose motivieren. Er darf sie motivieren! So berichten diverse Tageszeitungen, alle im gleichen Ton, kaum kritisch, dafür aber angereichert mit der Mär von der notwendigen Motivation arbeitsloser Menschen. Natürlich schreibt man nicht von der Faulheit der Arbeitslosen, von ihrem Sofa-Dasein und der Alkohollastigkeit – in den Tageszeitungen sind die Arbeitslosen nicht faul, sie müssen nur motiviert werden, um wieder arbeiten zu wollen. Wo darin der Unterschied liegt, kann – wenn überhaupt – nur die betreffende Redaktion beantworten.
    Quelle: ad sinistram

  14. Roland Berger: Der Ratgeber der Deutschland AG als Sinnsucher
    Als erster Einflüsterer der alten Deutschland AG hat er gleich drei Bundeskanzlern gedient, unzählige Vorstände beraten und nahezu jedes Dax-Unternehmen von innen gesehen. Damit ist jetzt Schluss, denn Roland Berger hat nach eigenen Worten “einen neuen Lebensabschnitt begonnen” – als Sinnsucher und Stifter. Aus seinem Privatvermögen hat der ehemalige Top-Berater 50 Mill. Euro spendiert, um damit seine neue Roland-Berger-Stiftung zu finanzieren. “Das ist eine stolze Summe und nicht mal eben etwas”, staunt denn auch Bundespräsident Horst Köhler, der am Montagabend in Berlin vor ausgesuchten Gästen aus Wirtschaft und Politik den ersten Menschenrechtspreis der Roland-Berger-Stiftung verlieh. Der mit einer Million Euro dotierte Preis geht an Somaly Mam, eine Aktivistin aus Kambodscha, die mit viel Mut und Leidenschaft gegen Menschenhandel und die sexuelle Ausbeutung von Kindern kämpft.

    Als “Ratgeber der Republik” habe Berger während seiner aktiven Zeit keine besonders soziale Ader gezeigt. Erst später sei in ihm die Einsicht gereift, dass man etwas tun müsse, um anderen zu helfen – und um der Nachwelt erhalten zu bleiben. Dass Berger auch in seiner neuen Rolle als Wohltäter gerne im Mittelpunkt steht, zeigte die mit viel Pomp und Prominenz gefeierte Preis-Gala.
    Quelle: Handelsblatt

    Statt einer Anmerkung: Am Geld der Roland Berger Stiftung kleben der Schweiß und das Leid von Millionen Menschen

  15. “BND-Einsatz war keine Teilnahme am Krieg”
    Während des Irak-Kriegs hat der Bundesnachrichtendienst (BND) nach Aussage von Ludwig Mundt keine “im engeren Sinne” militärisch nutzbaren Informationen zur Lage in Bagdad an die US-Armee geliefert. Vor dem Untersuchungsausschuss erklärte der ehemalige Leiter der Abteilung Operative Beschaffung beim BND am Donnerstag, die seinerzeit in der irakischen Hauptstadt aktiven zwei BND-Mitarbeiter hätten zwar eine Vielzahl auch militärisch bedeutsamer Zieldaten nach Pullach gemeldet. Die für Auswertung zuständige Abteilung habe jedoch gemäß der von der BND-Spitze und der Bundesregierung beschlossenen Vorgaben keine “kriegsrelevanten” Erkenntnisse zur Situation in Bagdad über einen beim US-Hauptquartier in Katar stationierten BND-Verbindungsmann (“Gardist”) an die Amerikaner weitergegeben. Das parlamentarische Gremium prüft, ob der BND-Einsatz der Linie der damaligen rotgrünen Bundesregierung widersprach, Deutschland mache beim Irak-Krieg nicht mit.
    Quelle: Deutscher Bundestag
  16. Hauptschüler auf Grundschulniveau
    Die Kultusminister beharren auf niedrigeren Test-Standards für Hauptschüler, um schlechte Pisa-Ergebnisse zu verschleiern. Ein Forscher warnt: Dann sind wir auf Grundschulniveau.

    Am späten Dienstagabend kämpfte Nordrhein-Westfalens Kultusministerin Barbara Sommer (CDU) im Fernsehen um ihre Hauptschüler. Man könne nicht pauschal behaupten, dass Hauptschüler dümmer seien, warnte sie in der Maischberger-Sendung “Wie dumm ist Deutschland?”. Schon am Donnerstag zeigt Sommer, wie sie dafür kämpfen will: Sie will die Ansprüche an Hauptschüler radikal absenken lassen. In Berlin tagt eine Sondersitzung von Schulstaatssekretären. Dort sollen die Bildungsstandards für den Hauptschulabschluss so überarbeitet werden, “dass Anspruch und Wirklichkeit in einem vertretbaren Spannungsverhältnis zueinander stehen”. So steht es in einem Vorbereitungspapier für die Sitzung, das der taz vorliegt. Kurzum: Für die Hauptschüler wird die Latte tiefer gelegt
    Quelle: taz

  17. Bayern antisemitischer als der Osten
    Eine Studie belegt, dass es in manchen Westbundesländern ähnlich viel Ausländerfeindlichkeit gibt wie in einigen ostdeutschen Regionen.
    Die Zahlen belegen, dass es in manchen wohlhabenden Westbundesländern ähnlich viel Ausländerfeindlichkeit und Antisemitismus gibt wie in einigen ostdeutschen Regionen. Dabei stechen Baden-Württemberg und Bayern besonders hervor. Außerdem nehmen antisemitische Einstellungen in Ostdeutschland leicht zu.

    Rund 32 Prozent der Befragten in Ost und West stimmen zu, dass die Bundesrepublik durch die vermeintlich vielen Ausländer “in einem gefährlichem Maß überfremdet” sei. Mit 40,8 Prozent sind Arbeitslose am häufigsten Befürworter ausländerfeindlicher Aussagen. Diese Werte korrespondieren mit den 29,9 Prozent der Befragten, die denken, dass, wenn Arbeitsplätze knapp werden, die “Ausländer wieder in ihre Heimat” zurückgeschickt werden sollen. Im Osten ist die Zustimmung zu ausländerfeindlichen Positionen höher, im Westen ernten antisemitische Aussagen eine höhere Zustimmung. “32,6 Prozent der ostdeutschen Bevölkerung zeigen ausländerfeindliche Einstellungen. Das ist beinah doppelt so viel wie in Westdeutschland”
    Quelle: taz

    Siehe auch die Studie selbst: Bewegung in der Mitte
    Quelle: Friedrich-Ebert-Stiftung [PDF – 660 KB]

    Anmerkung WL: Interessant und erschreckend an der Studie empfinde ich, dass bezogen auf die „Einstellungen“ der Rechtsextremismus ein politisches Problem in der Mitte der Gesellschaft ist. Bei diesen Einstellungen zeigten Ausländerfeindlichkeit und Chauvinismus die höchsten Zustimmungswerte, gefolgt vom Antisemitismus.

    Bei den Befragten mit rechtsextremer Einstellung war deren wirtschaftliche Ausgrenzung und das Gefühl politischer Ohnmacht ein wichtiger Faktor.
    Sehr viele tendieren zu der Meinung, dass wenn die Arbeitsplätze knapp werden, man die Ausländer wieder zurückschicken sollten.

  18. Zu guter letzt:

    Eine Glosse von Joke Frerichs

    Manager und Schweine

    Die Wortkombination Manager/Schweine mag die unterschiedlichsten Assoziationen auslösen. Hier soll es um die höchst aktuelle Frage gehen, was Manager von Schweinen lernen können.

    Der Zeitungslektüre entnehme ich, dass sich derzeit chinesische Manager in einem regelrechten Motivationsrausch befinden. Ausgelöst wurde dieser – Sie erraten es? – durch ein Schwein. Das kam so: Während des schweren Erdbebens in Südwestchina, bei dem ca. 70.000 Menschen umkamen, überlebte unter den Trümmern eines eingestürzten Hauses ein graues Hausschwein namens Zhu Jianquing. „Zhu“ heißt Schwein und „Jianquiang“ ungefähr kräftig, stark. Den Namen des Hausschweins könnte man folglich mit Sau Stark übersetzen.

    36 Tage lang hatte das Schwein unter den Trümmern gelegen, bis es von Soldaten befreit wurde, die an den Aufräumarbeiten beteiligt waren. Das Schwein, das ehemals 150 kg auf die Waage gebracht hatte, wog gerade noch 50 kg. Es war bis auf die Knochen abgemagert. Die lokale Presse widmete dem Ereignis einen Artikel, der wiederum den Kurator eines dortigen Museums zu einem Werbegag inspirierte. Er kaufte dem Bauern das Schwein ab und stellte es in einem Gatter in seinem Museum aus. Die Medien landauf landab griffen die Geschichte vom widerständigen Trümmerschwein begierig auf: als Erweckungserlebnis zur Krisenbewältigung.

    Seitdem pilgern führende Unternehmer, Politiker und Ökonomen in das besagte Museum und lassen sich neben dem mittlerweile wieder zu Kräften gekommenen und etwas trägen Borstenvieh fotografieren. Chinesische Manager tragen T-Shirts mit der Aufschrift: “Ich bin fett, ich bin stark!“ Das chinesische Internet verzeichnet mittlerweile 8 Millionen Beiträge mit Titeln wie: „Was können Unternehmer von einem Schwein lernen?“ So etwa lautet der Titel eines Essays des bekannten chinesischen Ökonomen Shi Hanbing. Nachdem dieser die Schweinstugenden ausführlich dargestellt und gewürdigt hat, kommt er zu folgendem Resultat: “In der Krise sollte man ausharren und sich auf die eigenen Reserven verlassen, statt gleich die Regierung um Hilfe zu rufen.“ Schweine seien friedliebend und fügten ihren Artgenossen keinen Schaden zu. Usw. usf.

    Die ganze Kampagne mit den schweinischen Tugenden scheint sich bis in die höchsten Kreise von Politik und Wirtschaft herumgesprochen zu haben. So rief einer der reichsten Unternehmer auf dem chinesischen Unternehmertag seine Kollegen auf, sich an dem Schwein ein Beispiel zu nehmen. „Wenn schon Schweine so hartnäckig sein können, wie sehr dann erst wir Menschen. Alle Unternehmen sollten von Zhu Jianqiang lernen.“

    Ob der Appell den Chinesen bei der Bewältigung der aktuellen Finanzkrise eine Hilfe ist, entzieht sich unserer Kenntnis. Vom Gesundheitszustand des Schweins allerdings lässt sich berichten, dass Zhu Jianquing mittlerweile wieder über 100 kg wiegt – dank eines speziellen Kraftfutters und bis zu vier Massagen täglich. Vielleicht könnte man in einem übertragenen Sinne von einem gezielten Konjunkturprogramm für Schweine sprechen. Das sei allen ideologischen Gegnern von Konjunkturprogrammen ein für allemal ins Stammbuch geschrieben!

Rubriken:

Hinweise des Tages

Schlagwörter:

Die NachDenkSeiten sind für eine kritische Meinungsbildung wichtig, das sagen uns sehr, sehr viele - aber sie kosten auch Geld und deshalb bitten wir Sie, liebe Leser, um Ihre Unterstützung.
Herzlichen Dank!