Sonja Mikichs Angriff auf die Presse- und Meinungsfreiheit ist ein Angriff auf uns alle

Jens Berger
Ein Artikel von:

Sonja Mikich ist Chefredakteurin des WDR und als solche offenbar mit öffentlich-rechtlichen Scheuklappen oberster Güte gesegnet. In einem Kommentar für die Tagesthemen nahm sich die ehemalige Monitor-Moderatorin des Themas „Fake News“ an und scheiterte dabei kläglich. Und das liegt nicht nur an der für viele Vertreter ihres Berufsstands leider so charakteristischen Unfähigkeit zur Selbstreflexion. Sonja Mikich hat vielmehr eine rote Linie überschritten, indem sie in ihrem Kommentar aktiv zur Zensur von Nachrichten und Meldungen durch die Internetgiganten aufruft. Ja versteht Frau Mikich denn wirklich nicht, dass sie mit solchen Forderungen mit dem Feuer spielt und am ohnehin schon dünnen Ast der Presse- und Meinungsfreiheit sägt? Oder ist das nur Kalkül in einem zynischen PR-Feldzug zur Verteidigung der Deutungshoheit? Von Jens Berger.

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Der Kommentar von Sonia Seymour Mikich (WDR), zu Fake News
tagesthemen 22:15 Uhr, 12.12.2016

Wie bedeutend Facebook für eine funktionierende Gegenöffentlichkeit ist, zeigen die Erfolge des britischen Labour-Chefs Jeremy Corbyn und des US-Sozialisten Bernie Sanders. Die beiden sperrigen, linken Politiker konnten in diesem Jahr große Erfolge feiern, da sie der dichten Phalanx der ihnen feindlich gegenüberstehenden Massenmedien widerstanden. Dies war nur durch ihre Unterstützer in den Sozialen Netzwerken, allen voran Facebook und Twitter möglich. Diese Netzwerke sind gegenwärtig das Korrektiv für den Mainstream und damit natürlich auch eine Bedrohung für die Deutungshoheit der Konzernmedien und von der Politik bestellten öffentlich-rechtlichen Funktionäre.

Lesen Sie dazu bitte: Ist das der Beginn vom Ende der Deutungshoheit?

Das hier nur keine Missverständnisse aufkommen: Facebook ist apolitisch und ganz sicher kein Unterstützer oppositioneller Kräfte. Facebook ist ein renditeorientierter Internetgigant, der keine Inhalte produziert, sondern eine ausgeklügelte Software ins Netz stellt, über die die Nutzer Inhalte produzieren, die von anderen Nutzern abgerufen werden. Facebook verdient sein Geld damit, diesen Nutzern personalisierte Werbung vorzusetzen. Gefährlich daran ist vor allem, dass Facebook aufgrund seines großen Erfolgs ein Monopol innehat. Ähnlich wie Google ist Facebook der Herr über die Daten und deren Verteilung. Wer auf Facebook und Google anderen Nutzern nicht angezeigt wird, existiert streng genommen in der digitalen Welt überhaupt nicht. Und dies ist wohl die gefährlichste Form einer denkbaren Zensur. Was nützt Dir die Meinungsfreiheit, wenn Algorithmen dafür sorgen, dass niemand Deine Gedanken, Meinungen und Forderungen im digitalen Nirwana findet?

Lesen Sie dazu bitte: Die Allmacht der Algorithmen – unser Facebook-Dilemma

Und hier kommen wir zu Sonja Mikich zurück. Facebook ist ein schlafender Riese. Das Unternehmen hat bereits heute das Potential, sehr empfindlich in unsere Meinungsbildung und Meinungsfreiheit einzugreifen. Welche Nachrichten und Meldungen wir über Facebook angezeigt bekommen, hängt einzig und allein von komplett intransparenten Algorithmen ab. Bislang scheint es jedoch so zu sein, dass Facebook dieses Potential zum Glück (noch) nicht nutzt. Mir ist jedenfalls kein überzeugender Fall bekannt, bei dem Facebook von sich aus über seine Algorithmen politisch Einfluss genommen oder gar manipuliert hätte.

Wenn man Mikich wörtlich nimmt, dann will sie den schlafenden Riesen wecken und Facebook – gegen dessen Willen – dazu verpflichten, inhaltliche Zensuren vorzunehmen und die Algorithmen so umzuprogrammieren, dass die Nutzer keine „ungeprüften“ Nachrichten mehr vorgesetzt bekommen. Klingt oberflächlich gut, aber was bedeutet das? Wie und ob Nachrichten und Meldungen überprüft werden, ist für ein Netzwerk wie Facebook doch gar nicht nachvollziehbar. Oder soll Facebook künftig einen „Wahrheitskommissar“ in die Medienanstalten entsenden, der sich persönlich davon überzeugt, ob der WDR korrekt recherchiert oder nicht? Das ist nicht möglich und das weiß Frau Mikich auch.

Daher würde ihr „Vorschlag“ in der Praxis auf ein Zwei-Klassen-Netz hinauslaufen. Die großen Konzernmedien und ÖR-Anstalten würden als „die Guten“ vom Facebook-Algorithmus bevorzugt, während alternative Medien als „die Bösen“ benachteiligt würden. Das ist Zensur! Ist es das, was Sonja Mikich will? Es ist sehr traurig, dass selbst namhafte Journalisten derart geschichtsvergessen sind und ein so hohes Gut wie die Presse- und Meinungsfreiheit ohne ein Wimpernzucken opfern, wenn es darum geht, ihre eigene Deutungshoheit zu verteidigen. Mikichs Angriff auf die Presse- und Meinungsfreiheit ist ein Angriff auf uns alle. Auf uns als alternatives Medium und auf Sie als Leser. Lassen Sie sich das bitte nicht gefallen! Auch wenn es abgeschmackt klingt: Wir müssen den Anfängen wehren und in dieser unseligen Debatte laut widersprechen, bevor es irgendwann zu spät ist.

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