Rechtes Gedankengut kann man nicht verbieten … man kann es aber durch gute Politik vertreiben

Jens Berger
Ein Artikel von:
Jens Berger

Sonderlich überraschend ist es nicht, dass das zweite NPD-Verbotsverfahren heute vor dem Bundesverfassungsgericht gescheitert ist. Im Kern hielten die Richter die NPD zwar schon für verfassungsfeindlich. Man erkannte jedoch selbst mit viel Phantasie keine Chance, dass die NPD irgendwann ihre verfassungsfeindlichen Ziele wird durchsetzen können und lehnte daher ein Parteiverbot ab. Die Verhältnismäßigkeit sei nicht gewahrt. Auch wenn dieser Entscheid ärgerlich ist und auf den ersten Blick unverständlich erscheint … im Kern haben die Richter schon Recht. Eine wirklich wehrhafte und sattelfeste Demokratie müsste keine Angst vor ein paar ewig gestrigen Witzfiguren haben. Doch so sattelfest ist unsere freiheitlich demokratische Grundordnung leider auch wieder nicht, wie die jüngsten Ergebnisse und Umfragewerte einer anderen rechten Partei zeigen – der AfD. Mit Verboten kommt man hier jedoch nicht weiter. Wer rechtes Gedankengut bekämpfen will, der sollte lieber alles daransetzen, eine Politik zu verfolgen, mit der man die Herzen und Köpfe gewinnen kann und die Menschen damit gegen rechte Verlockungen immunisiert. Von Jens Berger.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Kaum hatte sich der Nebel aus zahlreichen Falschmeldungen gelichtet, gab es in den sozialen Netzwerken auch schon die erste Kritik am Urteil des Bundesverfassungsgerichts: Karlsruhe sei offenbar auf dem rechten Auge blind, schließlich spielte es beim KPD-Verbot im Jahre 1956 auch keine Rolle, dass die Kommunisten nie eine realistische Chance hatten, aus der Bundesrepublik einen Arbeiter- und Bauernstaat zu machen. Doch dieser Vorwurf geht am Ziel vorbei, da die Karlsruher Richter das Urteil ihrer Vorgänger beim KPD-Verfahren in ihrer Urteilsbegründung explizit kritisieren. Es ist immer besser, einen Fehler einzugestehen, als in einem falschen Verständnis für Kontinuität an alten Fehlern festzuhalten.

Deutschland hat zahlreiche Probleme und wenn man an die Zukunft denkt, kann einem schon oft angst und bange werden. Aber eine Abschaffung des Grundgesetzes und der freiheitlich demokratischen Ordnung durch die NPD gehört sicher nicht zu den größten Sorgen, die man sich heutzutage machen muss. So abstoßend die NPD auch ist, außerhalb der vier ostdeutschen Flächenländer spielt sie de facto keine Rolle mehr. Ihren größten Erfolg außerhalb dieser vier Bundesländer feierte sie 2012 im Saarland, mit bescheidenen 1,2% und selbst in ihren Hochburgen wie Sachsen ist die NPD nicht mehr in den Parlamenten vertreten und es ist unwahrscheinlich, dass sich daran etwas ändern wird. Doch dies ist kein Grund zum Feiern, da die Zahl rechter Wähler nicht ab-, sondern zugenommen hat; nur dass nicht mehr die NPD, sondern die AfD im Westen, Osten, Süden und Norden dramatisch Stimmen hinzugewinnt. Die NPD ist nun einmal nicht mehr zeitgemäß und spielt in den zeitgenössischen politischen Auseinandersetzungen schlicht keine Rolle mehr. Ganz anders die AfD, die es als einzige Partei im Lande immer wieder schafft, im Zusammenspiel mit den Medien Themen zu setzen.

Anders als die NPD ist die AfD jedoch nicht erkennbar offen verfassungsfeindlich; eine erweiterte Verbotsdebatte ist daher alleine schon aus diesem Grund zum Scheitern verurteilt. Zudem bewirken solche Verbotsdebatten stets eine seltsam anmutende Fraternisation auf beiden Seiten. Gegen die Nazis sind wir alle und wer gegen Nazis demonstriert, ist nie allein. Abgrenzung gegenüber Dritten kann halt auch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe stärken. Und wann stehen schon einmal Sozialdemokraten, Kirchenmitglieder, Gewerkschafter, Arbeitgeberverbände und die außerparlamentarische Linke Seit´ an Seit´? Doch wofür? Ich will nicht zusammen mit dem Politiker, der neoliberale „Reformen“ durchpeitschen will und dem Arbeitgeber, der sich vor seiner gesellschaftlichen und sozialen Verantwortung drücken will, zusammen marschieren; noch nicht einmal gegen Nazis. Auf der anderen Seite bieten Verbotsdebatten für die Angeklagten natürlich auch stets eine hervorragende Plattform, um sich selbst als Opfer in Szene zu setzen. Vor allem die AfD hat es in dieser Rolle ja, seit niemand mehr der NPD zuhören mag, durchaus schon jetzt zur Meisterschaft gebracht. Hört man AfD-Anhängern zu, könnte man beispielsweise glatt denken, die Massenmedien hätten sich gegen die AfD verschworen; dass eher das Gegenteil der Fall ist und die AfD ohne die penetrante Inszenierung durch die Massenmedien in der Vergessenheit verschwinden würde, wird von Seiten der Rechten freilich vehement abgestritten.

Doch zurück zur NPD. Wem wäre – emotionslos durchkalkuliert – eigentlich mit einem Parteiverbot am meisten geholfen? Den Opfern rechter Gewalt? Wohl kaum. Ob der Skinhead, der einen Flüchtling verdrischt, nun Mitglied der NPD oder einer Nachfolgepartei ist, spielt nicht nur für das Opfer keine große Rolle. Politisch hat die AfD der NPD ohnehin das Zepter auf der politischen Rechten abgenommen und die gesamte politische Rechte würde ein Parteiverbot als Verrat des verhassten Staates an seinen eigenen Werten interpretieren und feiern. In Sonntagsreden Hohelieder auf die Demokratie singen und die Meinungsfreiheit feiern und dann Parteien verbieten, sobald diese fundamentale Kritik äußern – diese Argumentationsschiene haben die Karlsruher Richter den Rechten genommen. Kein Rechter kann sich nun als Opfer inszenieren und das ist gut so.

Die beste Methode, die politische Rechte zu diskreditieren, ist es, sie einfach auszulachen und sich über sie lustig zu machen. Ohne dies direkt aufzunehmen, was für das oberste deutsche Gericht auch ungebührlich wäre, haben die Karlsruher Richter den deutschtümelnden Chauvinisten nun durch die Blume gesagt, wie lächerlich und unbedeutend sie doch sind. Der Verzicht auf ein Parteiverbot aufgrund der nicht vorhandenen gesellschaftlichen Relevanz der betreffenden Partei ist wohl der schlimmste Stinkefinger, den man die Nazis zeigen kann.

Die Vorstellung, mit Parteiverboten gegen rechtes, menschenverachtendes Gedankengut vorzugehen, ist ohnehin seltsam weltfremd. Denken wir ernsthaft, die Menschen würden sich von den Nazis abwenden, wenn wir nur die NPD verbieten? So wichtig ist die NPD dann doch nicht und wenn man sich einmal die gesamte politische Rechte anschaut, muss man wohl auch anerkennen, dass ein Großteil der Mitläufer Unzufriedene sind, die nicht unbedingt rechtes Gedankengut teilen, sondern – so paradox dies auch ist – durch Pegida-Märsche, Fremdenfeindlichkeit und die Unterstützung rechter Parteien ihre falsch verstandene Form des zivilen Widerstandes leben. Die Menschen sind unzufrieden und laufen ausgerechnet den Rechten in Scharen in die Arme, um ihrer Unzufriedenheit eine radikale Stimme zu geben, die „von denen da oben“ gehört wird. Das ist zwar fürchterlich, aber keineswegs aussichtslos. Die Politik müsste die Warnschüsse nur hören und richtig reagieren. Leider ist jedoch momentan das Gegenteil der Fall.

Wie Albrecht Müller bereits im Mai letzten Jahres anmerkte, ist der eigentliche Rechtsruck in unserer Politik bereits im vollen Gange. Wie auch sonst soll man denn bitte eine neoliberale Politik bezeichnen, die zu einer immer größeren Spaltung der Gesellschaft führt und die Menschen gegeneinander ausspielt? Diese Lektion wurde „verstanden“ und nun suchen die Opfer dieser Politik die Verantwortlichen nicht in der Belle Etage, sondern im Asylbewerberheim. Die Saat ist aufgegangen und dafür ist es vollkommen unerheblich, ob wir die NPD nun verbieten oder endlich anfangen, diesen boshaften Abort kranker Ideen durch rigorose Missachtung maximal zu bestrafen.

Und wenn wir schon mal dabei sind: Man muss nicht jedes „auf der Tastatur ausrutschen“ einer AfD-Politikerin oder jeden Verbalfurz eines AfD-Politikers kommentieren und schon gar nicht zum Top-Thema der nächsten Talkshow machen. Es ist gesellschaftlich doch ziemlich egal, was ein Herr Gauland über Herrn Boateng denkt oder ob Frau von Storch nun schwangere Flüchtlinge an der deutschen Grenze totschießen lassen will oder doch nicht. Das alles ist gesellschaftlich ungefähr so relevant, wie wenn im Führerbunker ein Sack Reis umfällt. Da man Idioten ohnehin nicht verbieten kann, sollte man sie zumindest ignorieren und wenn man dann noch eine vernünftige Politik anbieten würde, die die Gesellschaft zusammenführt, anstatt sie zu spalten, die zu Chancengleichheit beiträgt, die Kleinen nicht vergisst, Fairness und Integrität vorlebt und Konflikte möglichst friedlich löst, dann – und nur dann – müssen wir auch keine Angst vor der politischen Rechten haben. Lassen wir es doch mal auf einen Versuch ankommen.

Die NachDenkSeiten sind für eine kritische Meinungsbildung wichtig, das sagen uns sehr, sehr viele - aber sie kosten auch Geld und deshalb bitten wir Sie, liebe Leser, um Ihre Unterstützung.
Herzlichen Dank!