Ein Doppel-Blick auf die Nazis im Landtag von Schleswig-Holstein und auf Rücktritt und Entlassung des „Linken“ Dr. Holm: Die BRD war schon immer auf dem rechten Auge blind.

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

Gestern Abend hörte ich im Deutschlandfunk einen Bericht über die erstaunliche Häufung von NSDAP-Mitgliedern im schleswig-holsteinischen Landtag. Von 342 Abgeordneten waren 115 früher Mitglied der NSDAP. Diese Gesamtquote von genau 33,6 Prozent sei etwa doppelt so hoch wie der Anteil der Nazis an der männlichen Bevölkerung Schleswig-Holsteins. Der Landtag war eine Art Zufluchtsstätte für frühere NSDAP-Mitglieder. – Dann las ich im Berliner Tagesspiegel „Verheimlichte Stasi-Vergangenheit. Humboldt-Uni entlässt Andrej Holm.Albrecht Müller.

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Im Tagesspiegel heißt es weiter: „Erst der Rücktritt als Berliner Staatssekretär, nun das Aus für Andrej Holm auch als Mitarbeiter der HU: Uni-Präsidentin Kunst spricht von arglistiger Täuschung – auch wenn sie den Wissenschaftler gern gehalten hätte.“

Mit dem vergleichenden Hinweis auf die beiden Ereignisse will ich das Verhalten des ehemaligen Berliner Staatssekretärs Holm nicht rechtfertigen. Ich will aber darauf aufmerksam machen, in welchem Missverhältnis

  • unser Umgang mit Menschen, die in die miesen Verhältnisse des DDR Sicherheitsapparates verstrickt waren,
  • und unser Umgang mit ehemaligen Nationalsozialisten, deren Karrieren in der Nachkriegszeit und bis zum Ende des Jahrhunderts blühten,

steht.

Nazis konnten nicht nur Landtagsabgeordnete, sondern auch Ministerpräsident (Filbinger, CDU) und Bundeskanzler (Kiesinger, CDU) werden. Wir waren schon als Schüler früheren Nazis schutzlos ausgeliefert. Ich selbst war als 13-jähriger Opfer eines Kriegstreibers, meines Mathematiklehrers. Davon habe ich im November bei einem Vortrag in meiner Heimatstadt Heidelberg berichtet. Siehe hier. Menschen mit kommunistischer Vergangenheit wurden in den fünfziger Jahren verfolgt und oft einem Berufsverbot ausgeliefert.

Die Bild-Zeitung spuckt jetzt große Töne wegen Holm.

„Es gibt nicht nur Höcke! – Heinz Buschkowsky schreibt zum Rücktritt von Andrej Holm: “Es war ein Akt der politischen Hygiene unseres Berlins

Wo war BILD und der Springer-Konzern, die mit Hamburg und seinem Umland und damit mit Schleswig-Holstein besonders eng verbunden sind, beim Reinemachen in Schleswig-Holstein?

In der vom Deutschlandfunk zitierten Studie über die Schwemme von NSDAP-Mitgliedern im Landesparlament Schleswig-Holsteins steht einiges Interessantes, was den Springer-Konzern schon wegen seiner besonderen Verbindung zu Israel und dem Holocaust interessieren müsste. Ich zitiere den Deutschlandfunk:

„In den ersten Nachkriegsjahren sei noch fast die Hälfte der Abgeordneten frühere NS-Verfolgte gewesen. Doch 1950 erfolgte eine Zäsur: Die Verhältnisse kehrten sich um. Der Geist des Neubeginns war verflogen. Professor Uwe Danker (einer der Verfasser der Studie):

“Von 1950 bis 1971 waren im Schleswig-Holsteinischen Landtag fast zur Hälfte, teilweise über die Hälfte aller Abgeordneten ehemalige Mitglieder der NSDAP. Dieses Ausmaß war bis dato nicht bekannt.”

Da gibt es sicher noch viel zu recherchieren. Zum Beispiel wäre die Frage zu stellen, welche Rolle die CDU bei der Förderung früherer NSDAP-Mitglieder in Schleswig-Holstein gespielt hat. Die Häufung früherer Nazis im Landtag kommt doch nicht von ungefähr?