Gedanken zur Verantwortung und Haftung von Aufsichtsratsmitgliedern bei riskanten Geschäften von Banken

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

Am 23. Februar fanden Sie beim Hinweis Nummer 1 einige Fragen zu der Verantwortung des Aufsichtsratsmitglieds bei HRE und Depfa, Professor Dr. Hans Tietmeyer, der gleichzeitig Kuratoriumsvorsitzender der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft ist. Siehe dazu unten. Zwei NachDenkSeiten Leser haben sich dazu und zusätzlich zum Fall der HSH Nordbank Gedanken gemacht. Wir stellen diese Anmerkungen ein, auch mit dem Ziel, dass sich andere Nutzer der NachDenkSeiten weitere Gedanken machen und dass vor allem daraus eine Initiative zu Strafanzeigen wächst, so diese berechtigt sind. Da Vorstände und Aufsichtsräte bei den betreffenden Unternehmen jeweils gegen den andern Ansprüche geltend machen müssten, entsteht de facto eine gegenseitige Abhängigkeit und Blockade. Umso wichtiger wäre es, dass Staatsanwälte von sich aus tätig werden. Albrecht Müller

Hier zunächst der Hinweis und Kommentar von gestern:

HRE hat Milliardengeschäfte nicht in der Bilanz
Die Kette der Hiobsbotschaften im Zusammenhang mit der in Schieflage geratenen Hypo Real Estate reißt nicht ab. Einem Medienbericht zufolge hat der Immobilienfinanzierer Geschäfte in Milliardenhöhe getätigt, die nicht in der Bilanz auftauchen. Diese seien zum Teil hochspekulativ gewesen, berichtet die “Hannoversche Allgemeine Zeitung” (HAZ). Damit stellt sich die Lage noch wesentlich schlimmer dar, als bislang angenommen. Insgesamt habe der Münchener Finanzkonzern Kredite im Volumen von einer Billion Euro herausgegeben. Gegenüber der “Hannoverschen Allgemeinen Zeitung” bestätigten mehrere Finanzpolitiker, dass die HRE Verträge in Höhe von einer Billion Euro abgeschlossen habe, insbesondere in “außerbilanziellen Geschäften”. Öffentlich bekannt war bislang nur die Bilanzsumme in Höhe von 400 Milliarden Euro.
Quelle: FinanzNachrichten

Kommentar AM: In diesem Zusammenhang ist – weil es in den deutschen Medien in der Regel verschwiegen wird – daran zu erinnern, dass der Spiritus Rector und Kuratoriumsvorsitzende der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft, Professor Dr. Hans Tietmeyer (CDU), im Aufsichtsrat der HRE saß. „Der frühere Bundesbankchef saß mehrere Jahre auch im Verwaltungsrat der irischen Depfa-Bank, die die Probleme beim heutigen Mutterkonzern HRE zu großem Teil verursacht hat“, berichtete die Financial Times Deutschland vom 15.10.2008. Hat er von den Machenschaften in Dublin und München nichts mitbekommen? Oder entsprach das Verhalten der Unternehmensleitung von HRE und Depfa-Bank seinen Vorstellungen von sozialer Marktwirtschaft? Wusste Tietmeyer nichts davon, dass die HRE, diese Unternehmensgründung der HypoVereinsbank, eine Art Bad Bank darstellte?

Im folgenden finden Sie zunächst unter I. eine Stellungnahme des Juristen Manfred von Beinen und dann unter II eine solche eines Unternehmensprüfers zur HRE und von ihm dann auch noch unter III. die Kommentierung eines Interviews des Aufsichtsratsvorsitzenden der HSH Nordbank, Peiner:

I. Stellungnahme von Manfred von Beinen zu den Vorgängen bei der HRE

Der heutigen Tagespresse ist zu entnehmen: Bei der angeschlagenen Immobilienbank Hypo Real Estate (HRE) schlummern womöglich weitere Risiken außerhalb der Bilanz. Wie ein Sprecher der Bank am Freitag auf Anfrage bestätigte, hat die Bank ihre Markt- und Kreditrisiken mit Derivatgeschäften in Billionenhöhe abgesichert.
Nun hat die HRE, wie alle Kapitalgesellschaften dieser Größenordnung gemäß § 289 HGB einen Lagebericht zu erstellen, der die Bilanz ergänzt und erläutert. Außerhalb der Bilanz heißt keinesfalls, dass die HRE über schlummernde Risiken nicht hätte berichten müssen (und dies vielleicht ja auch getan hat, dazu müsste man den Bericht lesen).
In den Lagebericht gehören laut HGB und nach herrschender Meinung unter anderem Tatsachen bezüglich des Risikomanagements und der Absicherung von Risiken durch Sicherungsgeschäfte, sowie bezüglich der Ausfall- und Liquiditätsrisiken beim Einsatz von Finanzinstrumenten, sofern dies für die Beurteilung der Lage und der Entwicklung von Bedeutung ist.
Nach § 331 Nr. 1 des Handelsgesetzbuches macht sich derjenige strafbar, der als Mitglied des vertretungsberechtigten Organs (z.B. Vorstand) oder des Aufsichtsrates einer Kapitalgesellschaft die Verhältnisse der Gesellschaft im Lagebericht unrichtig wiedergibt oder verschleiert. Unrichtigkeit liegt vor, wenn die Darstellung der Lage des Unternehmens nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmt. Nach § 289 HGB ist die Lage der Gesellschaft so darzustellen, dass ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild vermittelt wird.
Geschieht das nicht, kann gegen den oder die Betreffenden eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe verhängt werden.
Dass ein Aufsichtsrat von der risikoreichen Geschäftspolitik nichts gewusst haben könnte, ist nicht recht wahrscheinlich. Nach § 90 Aktiengesetz muss der Vorstand dem Aufsichtsrat über die beabsichtigte Geschäftspolitik und andere grundsätzliche Fragen der Unternehmensplanung berichten. Dieser Bericht müsste ja vorliegen. Hat der Vorstand einen unvollständigen Bericht geliefert, ist er strafrechtlich verantwortlich (auch nach § 400 AktG), hat er korrekt berichtet hat der Aufsichtsrat den Schwarzen Peter.

Für einen Wirtschaftsjuristen ist das obenstehende gut bekannt. Ich wäre sehr verwundert, wenn die zuständige Staatsanwaltschaft nicht wenigstens einen Anfangsverdacht erkennen könnte.
Interessant wäre auch der Rattenschwanz von zivilrechtlichen Schadenersatzansprüchen, die sich aus einem fehlerhaften Bericht ergeben könnten. Ebenso interessant sind die möglichen Konsequenzen für die Abschlussprüfer, die nach § 162 Aktiengesetz zu prüfen hatten, ob die Angaben im Lagebericht nicht eine falsche Vorstellung von der Lage der Kapitalgesellschaft wecken.

Ich denke, die Sache wird noch spannend.
Mit freundlichen Grüßen
Manfred von Beinen, Ass.jur.

II. Stellungnahme eines befreundeten Fachmanns für Betriebsprüfungen zum Umgang mit ausgelagerten Risiken bei der HRE

Ich versuche es mal, soweit möglich, kurz und dennoch verständlich darzulegen.

„Bilanzfälschung“ ist der umgangssprachliche Begriff für die unrichtige Darstellung des Jahresabschlusses (§ 331 HGB) bzw. grundsätzlich die unrichtige Darstellung der Lage der Gesellschaft in Darstellungen oder Übersichten jedweder Art (§ 400 AktG). Beides sind strafbare Handlungen (sog. Nebenstrafrecht) und wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren geahndet. Beide Delikte sind Offizialdelikte, d.h. bei hinreichendem Tatverdacht ist die Staatsanwaltschaft zur Aufnahme von Ermittlungen verpflichtet.

Ein Jahresabschluss besteht nach § 264 Abs. 1 HGB nicht nur aus einer Bilanz und einer Gewinn- und Verlustrechnung sondern bei Kapitalgesellschaften (GmbH, GmbH & Co.KG, AG) auch aus einem Anhang und ist außer im Fall von kleinen Kapitalgesellschaften (§ 267 Abs. 1 HGB) um einen Lagebericht zu erweitern. Der Lagebericht wird von der Strafnorm des § 331 HGB umfasst, so dass auch die strengeren Kriterien des § 400 AktG darauf anzuwenden sind.

Die Verantwortung für die Aufstellung des Jahresabschlusses trägt der Vorstand, so dass auf diesen auch die Strafnormen der §§ 331 HGB bzw. 400 AktG anzuwenden sind. Im Fall von Aktiengesellschaften stellt der Aufsichtsrat den vom Vorstand aufgestellten Jahresabschluss fest, sofern er dies nicht in die Verantwortung der Hauptversammlung übergibt (§ 172 AktG).

In der Betrachtung hier gehe ich von Banken in der Rechtsform einer Aktiengesellschaften aus, da ich mich mit öffentlich-rechtlichen Banken nicht auskenne, aber auch die Landesbanken wie z. B. HSH Nordbank in der Rechtsform der Aktiengesellschaft geführt werden. Zur Anwendung der Normen des Aktiengesetzes auf öffentlich-rechtliche Banken hat Professor Lutter sich in seinem Aufsatz „Bankenkrise und Organhaftung“ (ZIP 2009, 197-201/ dazu siehe hier) auch nur kurz beschäftigt, sieht aber dort die gleiche Anwendung. Nach § 340a HGB haben Kreditinstitute, auch wenn sie nicht in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft betrieben werden, auf ihren Jahresabschluss die für große Kapitalgesellschaften geltenden Vorschriften anzuwenden. Daher würde ich diese Ansicht auch bejahen.

Die Thematik der außerbilanziellen Geschäftseinheiten (Zweckgesellschaften) ist ein äußerst schwieriges Thema, mit dem ich selbst bisher nur sehr wenig zu tun hatte. Geht man aber von der im Lagebericht verpflichtenden Risikoberichterstattung (§ 289 Abs. 1 und 3 HGB bzw. § 315 Abs. 1 HGB sowie DRS 5-10 „Risikoberichterstattung von Kredit- und Finanzdienstleistungsunternehmen) des Vorstands aus, so hat er alle Risiken, also auch diese, die nicht in der Bilanz der Gesellschaft erfasst werden, die Einfluss auf die Entwicklung der Gesellschaft haben können, ausführlich zu benennen.

Nach den internationalen Rechnungslegungsstandards sind Teile der zuvor genannten Verpflichtungen noch strenger.

Im Geschäftsbericht 2007 der HRE konnte ich keine Angaben zu Risiken aus Zweckgesellschaften finden. Unter diesem Aspekt und der nun in der Presse genannten Beträge von mehr als einer Billion Euro kann man wohl davon ausgehen, dass der Lagebericht der HRE unrichtig ist und somit ein strafbarer Verstoß gegen § 331 HGB („Bilanzfälschung“) vorliegt.

Die Staatsanwaltschaft müsste hier wegen einer strafbaren Handlung ermitteln.

Der Aufsichtsrat müsste, wie Lutter ausführte, wegen Sorgfaltspflichtverletzungen des Vorstands tätig werden. Da der Aufsichtsrat selbst auch schuldig sein dürfte, wird dies aber nicht geschehen. Es ist ein Systemfehler des Aktiengesetzes, dass der Aufsichtsrat die Ansprüche gegen den Vorstand geltend machen muss und der Vorstand die Ansprüche gegen den Aufsichtsrat. Im dualistischen System von Geschäftsführung und Aufsicht hat der Gesetzgeber nicht bedacht, dass beide Organe gemeinsam kriminell werden könnten.

Das wirksame Instrument hier wäre die Sonderprüfüng nach § 142 ff. AktG auf Antrag der Aktionäre und die anschließende Aktionärsklage nach § 148 AktG. Im Fall IKB steht dieses Vorgehen vor dem Scheitern. Steinbrück hat Steuermilliarden hineingesteckt und die IKB anschließend an Lone Star verschleudert. Lone Star als neuer Großaktionär will nun die im letzten Jahr beschlossene Sonderprüfung wieder einstellen. Ich würde etwas darauf verwetten, dass das ein Bestandteil des Deals mit Steinbrück war.

Anmerkung AM: Und mithilfe der FDP wurde verhindert, dass es einen Untersuchungsausschuss zur IKB gab.

III. Kommentierung eines Interviews des Hamburger Abendblatts mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden und ehemaligen Hamburger Finanzminister Peiner zur Problematik bei der HSH Nordbank

HSH Nordbank ging zu hohe Risiken bei nicht ausreichendem Risikomanagement ein

Waren die Eigentümer zu gierig, Herr Peiner?
Der Aufsichtsratsvorsitzende räumt Fehleinschätzungen des Vorstands ein, ist aber zuversichtlich, dass die Bank die Krise überstehen wird – ohne ihn. Denn er gibt sein Amt ab.

Wolfgang Peiner, Aufsichtsratsvorsitzender der HSH Nordbank im Interview mit dem Hamburger Abendblatt (Auszüge).
[Kommentar = Kursiv]

Peiner: Die Bank hatte nach ihrer Gründung, also der Fusion der beiden Landesbanken Hamburg und Schleswig-Holstein, ein Geschäftsmodell entwickelt, das ein großes Volumen von Kreditersatzgeschäften beinhaltete. …

Dieses Kreditersatzgeschäft-Portfolio war, das muss man aus heutiger Sicht sagen, vor dem Hintergrund des niedrigen Eigenkapitals der Bank und ihres Risikomanagements zu groß.

Diese Aussage lässt nur den Schluss zu, dass das Risikomanagement der Bank nicht ausreichend war, die eingegangenen Geschäfte in ihrer Auswirkung zu analysieren. Mit anderen Worten: der Vorstand hat fahrlässig gehandelt, gegen seine Sorgfaltspflicht verstoßen.

Abendblatt: Wer hat wann beschlossen, dass sich die Bank auf das hoch riskante Kreditersatzgeschäft einlässt, das in die Krise führte?
Peiner: Es ist nicht hoch riskant. Es ist ein überwiegend ganz normales Wertpapier-Portfolio, das allerdings in Zeiten einer Finanzmarktkrise erheblichen Wertschwankungen unterliegt. …

Nein. Weder die Eigentümer noch der Aufsichtsrat haben den Vorstand der Bank zu dem Abschluss besonders risikoreicher Geschäfte mit dem Ziel hoher Renditen ermuntert. Es war die Geschäftspolitik des Vorstands der Bank.

[Nicht hoch riskant? Aber doch besonders risikoreich. Peiner verstrickt sich in Widersprüche.]

Der Vorstand war in seiner Einschätzung der Folgen der Finanzkrise für die Bank zu optimistisch.

[Falsch. Der Vorstand war wegen des nicht ausreichenden Risikomanagements nicht in der Lage, die Folgen einzuschätzen. Trotzdem ist er solche folgenreichen Geschäfte eingegangen.]

Der Aufsichtsrat hat nach Ausbruch der Finanzkrise konsequent gehandelt: das Risikomanagement gestärkt, den Wachstumskurs zurückgenommen und die Ertragskraft gestärkt, den Vorstandsvorsitzenden ausgewechselt und ein neues Geschäftsmodell entwickelt.

[Hier bestätigt Peiner erneut, dass das Risikomanagement nicht ausreichend war.]

Aus heutiger Sicht erkennen wir, dass das Kreditersatzgeschäft für die Bank zu groß war. Ich frage mich, ob ich das nicht aufgrund meiner Erfahrungen schon früher hätte sehen und erkennen können.

[Diese Frage wird vielleicht noch die Justiz beschäftigen.]

Anmerkungen unseres Kommentators:

§ 91 Abs. 2 AktG:
Der Vorstand hat geeignete Maßnahmen zu treffen, insbesondere ein Überwachungssystem einzurichten, damit den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen früh erkannt werden.

§ 93 Abs. 1 AktG
Die Vorstandsmitglieder haben bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters anzuwenden. Eine Pflichtverletzung liegt nicht vor, wenn das Vorstandsmitglied bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf der Grundlage angemessener Information zum Wohle der Gesellschaft zu handeln.

§ 93 Abs. 2 AktG
Vorstandsmitglieder, die ihre Pflichten verletzen, sind der Gesellschaft zum Ersatz des daraus entstehenden Schadens als Gesamtschuldner verpflichtet. Ist streitig, ob sie die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters angewandt haben, so trifft sie die Beweislast.

§ 116 AktG
Für die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Aufsichtsratsmitglieder gilt § 93 über die Sorgfaltspflicht und Verantwortlichkeit der Vorstandsmitglieder sinngemäß.

§ 266 StGB
Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, missbraucht oder die ihm kraft Gesetzes, behördlichen Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

Weiterführende Literatur:

Die zur Erfüllung des Tatbestandes der Untreue erforderliche Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht muss auch bei unternehmerischen Entscheidungen eines Gesellschaftsorgans nicht zusätzlich „gravierend“ sein (Klarstellung zu BGHSt 47, 148 und 187; vgl. BGH 3 StR 470/04, NStZ 2006, 214). Ein Treueverhältnis im Sinne des § 266 StGB (Untreue) erfordert, dass der Täter innerhalb eines nicht unbedeutenden Pflichtenkreises bei Einräumung von Ermessensspielraum, Selbstständigkeit und Bewegungsfreiheit zur fremdnützigen Vermögensfürsorge verpflichtet ist (Tröndle/Fischer, StGB 52. Aufl. Rdn. 28, 29 m.w.N.)

Als Vorsatz des Täters genügt der bedingte Vorsatz (dolus eventualis), die schwächste Form des Vorsatzes. Um des angestrebten Zieles willen findet sich der Täter mit dem Risiko der Tatbestandsverwirklichung ab.

Ein riskantes Handeln, dessen Folgen einen anderen treffen, ist in der Regel pflichtwidrig, wenn der Handelnde den ihm gezogenen Rahmen nicht einhält, insbesondere die Grenzen des verkehrsüblichen Risikos überschritten hat. Ein von § 266 StGB erfasstes Risikogeschäft liegt insbesondere dann vor, wenn der Täter bewusst und entgegen den Regeln kaufmännischer Sorgfalt eine äußerst gesteigerte Verlustgefahr auf sich nimmt, nur um eine höchst zweifelhafte Gewinnaussicht zu erhalten (BGH NStZ 1990, 437 f.; BGH 2 StR 355/03; wistra 2005, 281-289).

Vgl. hierzu auch: Marcus Lutter: Bankenkrise und Organhaftung, ZIP 2009, 197-201.

Wenn es einen Grund gibt, Banken nicht insolvent werden zu lassen, dann kann man ihn vielleicht in § 321a HGB finden. Dieser Paragraph wurde Ende 2004 durch das Gesetz zur Einführung internationaler Rechnungslegungsstandards und zur Sicherung der Qualität der Abschlussprüfung oder kurz auch Bilanzrechtsreformgesetz (BilReG) eingefügt. In Absatz 1 heißt es:

„Wird über das Vermögen der Gesellschaft ein Insolvenzverfahren eröffnet oder wird der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahren mangels Masse abgewiesen, so hat ein Gläubiger oder Gesellschafter die Wahl, selbst oder durch einen von ihm zu bestimmenden Wirtschaftsprüfer oder im Fall des § 319 Abs. 1 Satz 2 durch einen vereidigten Buchprüfer Einsicht in die Prüfungsberichte des Abschlussprüfers über die aufgrund gesetzlicher Vorschriften durchzuführende Prüfung des Jahresabschlusses der letzten drei Geschäftsjahre zu nehmen, soweit sich diese auf die nach § 321 geforderte Berichterstattung beziehen. Der Anspruch richtet sich gegen denjenigen, der die Prüfungsberichte in seinem Besitz hat.“

Mit anderen Worten: bei einer Insolvenz würde sicherlich irgendein Aktionär (z. B. J. C. Flowers) oder ein Gläubiger Einsicht in die Prüfungsberichte verlangen. Dort würde sicherlich auch offenbar werden, dass die Prüfer über Jahre hinweg das mangelnde Risikomanagement geprüft (vgl. § 317 Abs. 4 HGB: Prüfung des Risikomanagements ist bei börsennotierten Aktiengesellschaften verpflichtend im Rahmen der Jahresabschlussprüfung) oder wenigstens im Fall einer nicht verpflichtenden Prüfung im Rahmen der Annahmen über die Fortführung der Gesellschaft für ausreichend befunden haben.

Die Wirtschaftsprüfer, bei den Banken überwiegend KPMG und PwC, in einigen Fällen auch Ernst & Young und Deloitte oder auch kleinere Prüfer wie BDO im Fall der HSH Nordbank, müssten sich ebenso verantworten wie Arthur Andersen im Jahr 2001 in den USA im Enron-Skandal. Auf die Branche der Wirtschaftsprüfung hätte dies fatale Auswirkungen. Fatal wären die Auswirkungen aber auch im Bereich der Wirtschaftskriminalität. Denn dort sind die Wirtschaftsprüfer fester Bestandteil eines Systems der Verschleierung.

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