Alte und neue Techniken politischer Kommunikation. Wie drücken wir unsere Botschaft durch?

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

Ein DeutschlandfunkKultur-Zeitfragen-Beitrag vom 17.05.2017. Dazu Interviews mit Peter Radunski und Albrecht Müller, Wahlkampfmanager von CDU und SPD, und anderen Fachleuten. Außerdem in einem II. Teil einige Überlegungen zur Frage, was man aus früheren Wahlkämpfen für heute lernen könnte – was sind die quasi zeitlosen Regeln für gute Wahlstrategien und Planungen?

Teil I: Zum Beitrag des DeutschlandfunkKultur
Hier der Einstieg in das Feature, das Sie, wenn Sie das Thema interessiert, nachlesen und hören können.

Der Autor des DeutschlandfunkKultur-Stücks Johannes Nichelmann hat recht, wenn er meint, es habe sich bei den Wahlkämpfen vieles verändert. Das gilt vor allem für die Techniken der Kommunikation und sicher auch für die Voraussetzungen bei den anzusprechenden Wählerinnen und Wählern. Vermutlich ist das politische Interesse geringer als vor 30, 40 oder 50 Jahren. Aber: Viele der früheren strategischen Überlegungen zu Wahlkämpfen sind nicht überholt.

Teil II: Quasi zeitlose Regeln für gute Wahlstrategien und Planungen

Der Einfachheit halber ist im Folgenden die Liste der Gründe für den Wahlerfolg Willy Brandts und der SPD von 1972 eingescannt. Es handelt sich dabei um einen Auszug aus dem Inhaltsverzeichnis meines Buches „Willy wählen ‚72. Siege kann man machen“.

Es geht hier nicht um eine nostalgische Betrachtung, sondern um die Frage, welche dort genannten Überlegungen zur Kommunikation in einer politischen Auseinandersetzung im Vorfeld von Wahlen heute noch relevant sind:

Anmerkungen zu einzelnen der genannten strategischen Überlegungen:

  1. Aufbau einer Gegenöffentlichkeit. Wie 1972 wäre das auch heute der Schlüssel zum Erfolg jener politischen Kräfte, die Kanzlerin Merkel ablösen wollen. Sie hat die Mehrheit der Medien und auch das Große Geld hinter sich. Wer dagegen gewinnen will, muss Menschen mobilisieren. Das ging und das ginge auch wieder.
  2. Die CDU hat in Nordrhein-Westfalen vorgeführt, was eine gute Konfliktplanung zu leisten vermag: NRW als Schlusslicht darzustellen, beim Thema innere Sicherheit anzugreifen, genauso beim Stundenausfall in den Schulen. Das waren gut geplante Konflikte. Damit war sie aber nur erfolgreich, weil die Ministerpräsidentin Kraft und die SPD nichts aus der Vergangenheit lernen wollten.
  3. Hätten sie eine genaue Analyse der Taktik des politischen Gegners gemacht, dann hätten sie unschwer erkennen können, wo die CDU angreift – siehe (2) – und dann hätten sie versuchen müssen, die eigenen Anhänger und über sie auch die Wähler zu immunisieren.
  4. Es sollte klar sein, in welcher politischen Formation, in welcher Koalition man die Regierungsmacht erreichen bzw. halten will. Zu meinen, man könne die Koalitionsfrage offen lassen, das ist ziemlich naiv. Denn damit verlangt man von den Wählerinnen und Wählern, dass sie die Katze im Sack kaufen.
  5. Zusammenarbeit Rechts-Links. Das bezog sich damals auf die Zusammenarbeit innerhalb der SPD – also zwischen dem Brandtflügel und den sogenannten Kanalarbeitern. Heute wäre es auf die Linkspartei anzuwenden. Wenn die Flügel sich dort bekriegen, dann wird daraus nichts.
  6. Selbst bei kleinen Parteien ist das anzusprechende Wählerpotenzial nicht homogen, bei größeren Parteien sowieso nicht. Menschen haben aber verschiedene Interessen und verschiedene Ansichten. Deshalb kommt ein guter Wahlkampf ohne eine gewisse Vielfalt nicht aus. Die Forderung nach Geschlossenheit ist das blödsinnigste, was man sich für einen guten Wahlkampf vorstellen kann.
  7. Politische Kommunikation ist dann erfolgreich, wenn die angesprochenen Menschen an der Ansprache hängen bleiben, darüber kommunizieren, es weitersagen. Das geht besonders gut mit Witz und Humor. Die SPD hat 1972 von Tommy Ungerer ihre Einstiegskampagne illustrieren lassen. Das war witzig und löste vielfältige Kommunikation aus.
  8. Klassenkampf von oben und offen sagen, was ist. Das ist hochaktuell. Den Klassenkampf gibt es und er betrifft alle. Besser als mit der auseinandergezogenen Einkommens- und Vermögensverteilung kann man das gar nicht belegen. Und dennoch wird dieses Thema von der offiziellen Politik ziemlich verschwiegen. Es wird auch nicht offen darüber geredet, wie das Große Geld und die konzentrierten Medien in die Meinungsbildung und damit auch in die Entscheidungsfindung eingreifen. Wir haben 1972 die Intervention des großen Geldes in die politische Auseinandersetzung offensiv angesprochen und damit die Mehrheit der Menschen beeindruckt und gewonnen. Das war nicht nur Wahlpropaganda sondern auch ein Akt der politischen Bildung.
  9. Für die Wählerinnen und Wähler muss erkennbar sein, welche Werte diejenigen prägen, die um unsere Stimme werben. Dabei ist klar: die Rolle der Egoisten ist in der Regel besetzt und auch nicht attraktiv für jede fortschrittliche Partei.
  10. Meinungsführung statt Anpassung. Die Anpassung an die konservativen und neoliberalen Vorstellungen markiert das Elend der Sozialdemokratie. Damit ist kein Blumentopf zu gewinnen, jedenfalls nicht dauerhaft.

Soviel zu einigen der fortgeltenden Überlegungen für erfolgreiche Wahlkämpfe. Sie liegen auf der Straße, man könnte sie auflesen und umsetzen.

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