Betriebsrente oder Betrugsrente? Aufklärung in der heute show statt im Heute Journal/Heute Nachrichten

Albrecht Müller
Ein Artikel von:

Es ist eine verkehrte Welt. Dort, wo wir erwarten, informiert und aufgeklärt zu werden, passiert dies mit äußerster Zurückhaltung. Dort, wo wir unter der Rubrik „Comedy“ Belustigendes erwarten, werden wir aufgeklärt. Albrecht Müller.

Dieser Beitrag ist auch als Audio-Podcast verfügbar.

Das Team rund um Oliver Welke hat unter dem Titel „Sommerstussverkauf“ das neue Gesetz (Betriebsrentenstärkungsgesetz) in rund drei Minuten seziert.

„Weil die gesetzliche Rente so brutal zusammengekürzt wurde, gibt es jetzt eine Betriebsrente für alle“

„Weil sie für die Betriebsrente sparen, bekommen sie weniger gesetzliche Rente. Wie zynisch und böse ist das denn?“

„Richtig: Bescheißen ist immer eine kommunikative Herausforderung!“

Das böse Erwachen kommt für Betriebsrentner in der Auszahlungsphase: volle Besteuerung, teilweise Anrechnung auf die Grundsicherung, doppelte Sozialabgaben (Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeitrag) und eine niedrigere gesetzliche Rente.

Auf den NachDenkSeiten konnten Sie diese Analyse schon mehrfach lesen. Hier eine Zusammenfassung (Prof. Bosbach):

  • Die Arbeitgeber erhalten vom Staat einen Zuschuss von 30 Prozent, wenn sie für Geringverdiener/innen 240 bis 480 Euro im Jahr in die betriebliche Altersvorsorge einzahlen. Die Zuschüsse für den Arbeitgeber zahlen also die Steuerzahler/innen.
  • Weil der Beitrag für die Betriebsrente vom Bruttolohn abgeht, sparen sich die Arbeitgeber die Beiträge für die Sozialversicherung. Das macht fast 20 Prozent. Bei einer Million Euro für die betriebliche Altersvorsorge sind das fast 200.000 Euro Einsparung für die Unternehmer. Allerdings sollen Milliarden und nicht nur Millionen in die Betriebsrente fließen. Einen kleinen Teil seiner Ersparnis muss der Arbeitgeber laut Gesetzentwurf aber an die Versorgungsreinrichtung weiterleiten.
  • Wie bei Riester findet hier eine Umverteilung über die Steuern statt. Alle zahlen ein, auch die Armen (etwa über die Mehrwertsteuer), die Gutverdienenden bekommen die Zuschüsse und die Versicherungen ihren Profit.
  • Die Betriebsrente soll bis zu einem bestimmten Betrag nicht mehr mit der Grundsicherung im Alter verrechnet werden. Damit bekommt die Betriebsrente einen großen Vorteil gegenüber der gesetzlichen Rente, für die das nicht gilt. Und wenn das irgendwann auch für die Riester-Rente gilt, werden Geringverdiener/innen geradezu in die private Altersvorsorge getrieben. Hier wird die private Versicherungswirtschaft auf Kosten der gesetzlichen gefördert.

In den Heute Nachrichten ist man mit Kritik sehr viel zurückhaltender als in der Heute Show. Der Beitrag vom 29.5.2017 titelt noch unter der Überschrift „Betriebsrenten werden attraktiver“. Die zuständige Bundesministerin Andrea Nahles (SPD) wird positiv zitiert:

„…wir schaffen damit eine sehr gute, attraktive, verlässliche Gelegenheit…“

Verlässlich?? Klar, für Arbeitgeber, weil das Haftungsrisiko entfallen wird und sie trotzdem Sozialabgaben sparen können.

In Andrea Nahles‘ Redebeiträgen werden häufig die „kleinen und mittleren Unternehmen“ bemüht, denen man mit diesem Gesetz etwas Gutes tun möchte. Dass von diesem Gesetz, was die Größenordnung der Einsparmöglichkeiten angeht, vor allen Dingen aber große, tarifgebundene Unternehmen profitieren werden -staatlich gefördert! – , diese Erkenntnis lässt man gerne unter den Tisch fallen.

Im Heute Journal vom 01.06.2017 gab es dann in weniger als drei MInuten einen ansatzweise kritischeren Beitrag. Andrea Nahles wird aber auch hier mit einer positiven Aussage zitiert:

„…starkes Element der Altersversorgung für ArbeitnehmerInnen mit geringem Einkommen und für kleine und mittelgroße Betriebe…“.

Einen Experten, der das ganze Gesetz als das entlarvt, was es ist, nämlich eine Mogelpackung für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, sucht man in diesem Beitrag trotzdem vergebens. Auch die Tatsache, dass mittels Gehaltsumwandlung auf Arbeitnehmerseite, sich ganz nebenbei auch noch die zu erwartende Rentenanwartschaft verringert, bleibt unerwähnt. Im Gegenteil: der Schlusssatz des Finanzexperten Arno Gottschalk schlägt als Alternative die Riesterrente vor. Vermutlich ist das die Botschaft, die bei Vielen hängen bleiben soll.

Das ist unglaublich, denn die Riester-Rente muss als gescheitert betrachtet werden. Dazu siehe diesen Bericht und hier. Ein Fünftel (d.h. 3 Mio) Verträge ruhen.