Hinweise des Tages II

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Hier finden Sie einen Überblick über interessante Beiträge aus anderen Medien und Veröffentlichungen. Wenn Sie auf “weiterlesen” klicken, öffnet sich das Angebot und Sie können sich aussuchen, was Sie lesen wollen. (JB)

Hier die Übersicht; Sie können mit einem Klick aufrufen, was Sie interessiert:

  1. 35 Ermittlungsverfahren gegen Polizisten nach G-20-Einsatz
  2. Wie viele deutsche Ökonomen irren
  3. Schlechtes Vorbild Deutschland: Der Fall Attac im Licht globaler Einschränkungen zivilgesellschaftlicher Handlungsspielräume
  4. Unterlassene Hilfeleistung
  5. Bremen ist Hauptstadt der Leiharbeiter
  6. WSI-Report: Arm trotz Arbeit
  7. Die Dörfer sind im Notwehr-Modus
  8. Zweifel an EU-Studien – Glyphosat-Gegner kritisieren Datenmanipulation
  9. NATO-Terror in Libyen und das Massaker von Manchester: Was wusste die britische Regierung?
  10. Verfassungskrise in Polen – Der “Juli-Putsch”
  11. Nicht mehr allein in Afrika
  12. Herrschten in Hamburg bürgerkriegsähnliche Zustände?
  13. Google und die käuflichen Wissenschaftler
  14. Geschürte Russenhysterie in Washington
  15. Gaby Webers Kampf um Akten

Vorbemerkung: Wir kommentieren, wenn wir das für nötig halten. Selbstverständlich bedeutet die Aufnahme in unsere Übersicht nicht in jedem Fall, dass wir mit allen Aussagen der jeweiligen Texte einverstanden sind. Wenn Sie diese Übersicht für hilfreich halten, dann weisen Sie doch bitte Ihre Bekannten auf diese Möglichkeit der schnellen Information hin.

  1. 35 Ermittlungsverfahren gegen Polizisten nach G-20-Einsatz
    Nach den Krawallen beim G-20-Gipfel in Hamburg laufen 35 Ermittlungsverfahren gegen Polizeibedienstete.
    In 27 Fällen geht es um Körperverletzung im Amt, bestätigt die Hamburger Innenbehörde.
    Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) verteidigte die Polizeiarbeit zum wiederholten Male.
    Nach den Krawallen rund um den G-20-Gipfel in Hamburg laufen aktuell insgesamt 35 Ermittlungsverfahren gegen Polizeibedienstete. Das bestätigte Christoph Lührs von der Hamburger Innenbehörde der WELT. In 27 Fällen gehe es um Körperverletzung im Amt, so Lührs.
    Von den 35 Fällen basieren 28 auf Strafanzeigen von Dritten. Die restlichen sieben Verfahren wurden von Amts wegen durch das Dezernat Interne Ermittlungen (D.I.E.) eingeleitet, darunter vier Fälle wegen Körperverletzung im Amt. Für die Verfolgung der Ermittlungsverfahren ist in allen Fällen das D.I.E. zuständig.
    Die Angaben beziehen sich auf den Stand von Freitagmittag. „Erfahrungsgemäß wird die Anzahl der Ermittlungsverfahren in den nächsten Tagen weiter steigen“, sagte Lührs. (…)
    Scholz verurteilt Berichte über „Polizeigewalt“ als Denunziation
    Die Arbeit der Polizei beim G-20-Gipfel verteidigte Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) zum wiederholten Male. Auf die Fragen, ob die Polizei zu hart vorgegangen sei und ob es Anzeichen für Polizeigewalt gebe, sagte er am Freitagmorgen dem Sender NDR 90,3: „Polizeigewalt hat es nicht gegeben, das ist eine Denunziation, die ich entschieden zurückweise.“
    Quelle: Welt

    dazu: Polizeigewalt beim G20-Gipfel? Bundesregierung kennt keine Nachweise dafür
    Polizeigewalt gegen friedliche Demonstranten auf dem G20-Gipfel: War da was? Und ob! Zahlreiche Fälle sind mittlerweile dokumentiert. Was für die Bundesregierung​ allerdings nicht zählt: “Nachweise der Art, wie Sie sie beschreiben, wie Sie sie als Nachweise einstufen, liegen mir nicht als Nachweise vor”, erklärte das Bundesinnenministerium gegenüber Tilo gestern ausweichend. Hier die ganze Szene… Dass es viele Fälle von gewalttätigen Polizisten auf dem G20-Gipfel gibt, dokumentiert diese Seite.
    Quelle: jung und naiv

  2. Wie viele deutsche Ökonomen irren
    130 deutsche Professoren irren systematisch. Das liegt daran, dass sie selbst die Grundbegriffe ökonomischen wissenschaftlichen Arbeitens nicht beherrschen
    130 Professoren der Volkswirtschaftslehre, wenn das kein Gewicht hat! 130 deutsche Professoren lassen sich vom ifo-Institut zu aktuellen Themen befragen und sie lassen zu, dass die Ergebnisse einer solchen Umfrage in der Öffentlichkeit in einem unmittelbar politischen Zusammenhang verbreitet werden.
    Aus der FAZ erfahren wir, dass die jüngsten Ergebnisse einer Umfrage über die “Reformpläne” von Martin Schulz bestätigen, dass die “Wirtschaftswissenschaft die Liberalisierung des Arbeitsmarktes durch die Regierung Schröder wertschätze”. Gerhard Schröders Agenda 2010 werde reichlich Respekt gezollt, “der Einführung des Mindestlohnes aber keineswegs”.
    Das ist natürlich nicht überraschend. Wir wussten ja, dass die übergroße Mehrheit der deutschen Ökonomen der Neoklassik und damit politischen Maßnahmen huldigt, die dem Modell des neoklassischen Arbeitsmarktes entsprechen. Dass man aber so offen zeigt, dass man den Mindestanforderungen nicht nachkommt, die an ein Fach zu stellen sind, das sich Wissenschaft nennt, ist dann doch überraschend.
    Quelle: Heiner Flassbeck auf Telepolis
  3. Schlechtes Vorbild Deutschland: Der Fall Attac im Licht globaler Einschränkungen zivilgesellschaftlicher Handlungsspielräume
    Eine Nichtregierungsorganisation, die regelmäßig durch regierungskritische Statements und Aktionen auf sich aufmerksam macht, erhält ein Schreiben des für sie zuständigen Finanzamtes: Da sie sich über Gebühr politisch engagiere, werde ihr Status als gemeinnützige Organisation entzogen. Die Entscheidung ist existenzbedrohend, stehen mit dem Verlust der Gemeinnützigkeit doch rund 90% der Einnahmen der NGO auf dem Spiel. Nachdem die Organisation vor Gericht Recht bekommt, interveniert die Zentralregierung und dringt auf eine Revision des Urteils. Bis auf Weiteres bleibt der Organisation die Gemeinnützigkeit verwehrt. Nahezu idealtypisch spiegelt dieses Beispiel einen weltweiten Trend, der in der internationalen Debatte unter dem Schlagwort der „shrinking“ oder „closing spaces“ diskutiert wird: der schrumpfenden bzw. sich schließenden Freiräume zivilgesellschaftlichen Engagements. Seit der Jahrtausendwende haben je nach Zählung 40 bis 60 Regierungen rund um den Globus legale, administrative und außerlegale Maßnahmen ergriffen, die die Arbeit zivilgesellschaftlicher Organisationen empfindlich einschränken. Eine beliebte Strategie setzt dabei just an der Finanzierung zivilgesellschaftlicher Organisationen an. Über den Umweg restriktiver Finanzierungsregeln, die etwa den Status von NGOs daran binden, dass sie sich nicht in bestimmte politisch „sensible“ Bereiche einmischen, wird regierungskritisches zivilgesellschaftliches Engagement in weniger „gefährliche“ Bahnen gelenkt.
    Als prominente Beispiele für das Phänomen schrumpfender Räume gelten Länder wie Russland, Ägypten oder Äthiopien. Zahlreiche weitere Länder aus Afrika, Asien und Lateinamerika werden in diesem Zusammenhang diskutiert, zudem mitunter auch die USA und Israel sowie europäische Länder wie Polen und Ungarn. Deutschland hingegen gilt in der Regel als unproblematischer Fall. Nun allerdings stammt das einleitende Beispiel aus Deutschland. Konkret geht es um den Fall von Attac, dem deutschen Ableger eines in 50 Ländern präsenten Netzwerks, das sich als Teil der globalisierungskritischen Bewegung versteht. Mit dem administrativ-juristischen Vorgehen gegen Attac, das wir im Folgenden knapp umreißen, reiht sich Deutschland nun sicherlich nicht als ebenbürtiger Kandidat in die Reihe von Ländern ein, in denen regierungskritische Organisationen von der Steuerfahndung schikaniert, vom Geheimdienst überwacht, von Staatsanwälten strafrechtlich verfolgt oder von para-staatlichen Akteuren physisch bedroht werden. Gleichwohl und gerade deshalb unterminiert der Fall Attac die Glaubwürdigkeit Deutschlands, das sich im europäischen und globalen Rahmen gerne als unbedingter Fürsprecher des Rechts auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit präsentiert.
    Quelle: Leibniz-Institut Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung
  4. Unterlassene Hilfeleistung
    Wer am Rande der Gesellschaft steht, braucht eigentlich eine besondere Unterstützung, um Anschluss zu finden. Doch die Zeichen in der Bundespolitik stehen eher darauf, notwendige Hilfen zusammenzustreichen. So hat die Bundesregierung im vergangenen Jahr Arbeitslosen weniger Wiedereingliederungshilfen als eigentlich geplant zur Verfügung gestellt. Und die Nationale Armutskonferenz kritisierte am Donnerstag, dass Geringverdiener etliche Gesundheitsleistungen nicht mehr selbst bezahlen könnten. Diese Bevölkerungsgruppe stehe vor unüberwindbaren Finanzierungsproblemen, erklärte das Bündnis von Organisationen, Verbänden und Initiativen, die sich für eine aktive Armutsbekämpfung einsetzen.
    Die Konferenz forderte im Einzelnen eine vollständige Kostenbefreiung für Arbeitslosengeld-II-Bezieher sowie für Menschen, die auf den Kinderzuschlag für Geringverdiener oder Wohngeld angewiesen sind. Diese Gruppe könne die Zuzahlungen zu Medikamenten und Klinikaufenthalten nicht leisten, hieß es.
    Für problematisch hält der Zusammenschluss auch die Situation von Asylbewerbern. Ihnen stehen nur Akut- und Schmerzbehandlungen zu. Gefährdet seien zudem privat und gesetzlich Versicherte, die ihre Beiträge nicht mehr bezahlen können. Auch sie bekommen nur eine Notfallbehandlung.
    Die Politik habe sich weit von diesen Problemen entfernt, bemängelte die Armutskonferenz und forderte die Wiedereinsetzung der Arbeitsgruppe »Armut und Gesundheit« beim Bundesgesundheitsministerium.
    Quelle: neues deutschland
  5. Bremen ist Hauptstadt der Leiharbeiter
    Der Anteil der Leih- beziehungsweise Zeitarbeiter ist nirgends so hoch wie in dem kleinen Stadtstaat Bremen. Vor fünf Jahren lag er bei ungefähr fünf Prozent. Tendenz steigend. Bislang ist es nicht gelungen, die Leiharbeit einzudämmen. Stattdessen nimmt die Zahl der prekären Jobs weiter zu.
    “Das Schlimme ist ja, wenn du frei hast, hast du ja kein frei, weil sie dich ständig anrufen, ja, ist bei meinem Sohn auch immer.”
    Streikfrühstück bei Verdi im Bremer Gewerkschaftshaus – im Einzelhandel Bremen/Niedersachsen muss ein neuer Tarifvertrag ausgehandelt werden. Heftige Diskussionen vor der Tür.
    “Ich gehe gerne arbeiten, wirklich, ja aber unter anderen Bedingungen, ich bin auch ein Mensch und ich will Essen und Trinken, ich will davon leben können, und ich will auch mal in Urlaub fahren – das kann ich doch gar nicht.”
    Helga Rolle ist die Betriebsratsvorsitzende einen großen Textildiscounters. Sie ist in absoluter Streiklaune.
    “Gestern sagt einer zu mir, BILD Hannover, sagt der zu mir, warum wollen sie sechs Prozent, da guck ich den an und denke, was bist du denn für ein Spacken. Informiere dich mal, was wir generell verdienen. Ehrlich. Oder unsere Tarifverträge, wenn sie uns unsere Tarifverträge nehmen…”
    Quelle: Deutschlandfunk
  6. WSI-Report: Arm trotz Arbeit
    Immer mehr Menschen in Europa sind arm, obwohl sie arbeiten. In Deutschland hat sich die Erwerbsarmut seit 2004 verdoppelt. Eine EU-weite Analyse zeigt: Aktive Arbeitsmarkpolitik und auskömmliche Transferleistungen verringern das Risiko von Erwerbsarmut. Strenge Auflagen für den Leistungsbezug hingegen erhöhen die Wahrscheinlichkeit, trotz Arbeit arm zu sein.
    Quelle: Hans-Boeckler-Stiftung
  7. Die Dörfer sind im Notwehr-Modus
    Deutschlands Häuslebauer und Investoren bauen in ländlichen Regionen nach Einschätzung des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) zu viel. In einer Studie stellten die Kölner Wissenschaftler das kürzlich fest und forderten mehr Wohnraum in den Ballungszentren. Aus Sicht des ländlichen Raums muss dieser Studie allerdings mit großer Skepsis begegnet werden. Zweifellos gibt es in den Ballungsräumen derzeit großen Bedarf an Wohnraum. Das hat viele Gründe. Die Menschen – vor allem Neubürger – drängen in die Zentren, weil sie sich dort Arbeit erhoffen, weil sie das Stadtleben möglicherweise unkomplizierter wähnen, weil sie dort vielleicht anonymer oder besser unter “ihresgleichen” leben können. Dass sich in den Ballungsräumen leichter Arbeit findet, stimmt allerdings erwiesenermaßen und statistisch hinterlegt eher nicht. In Berlin liegt die Arbeitslosenquote aktuell beispielsweise bei 8,8 Prozent (Stand Juni 2017), in Köln bei 8,5 und in Hamburg bei 6,7 Prozent. Auch in Nürnberg sind 4,9 Prozent der Bürger arbeitslos gemeldet. Im ländlichen Kreis Weißenburg-Gunzenhausen gibt es dagegen nur 2,8 Prozent Arbeitslose und damit per Definition “Vollbeschäftigung”. Wohnraummangel in Großstädten ist oft hausgemacht – Stichwort “Gentrifizierung” (vereinfacht: Luxussanierung von Wohnraum). Wer mit offenen Augen durch die Metropolen geht, stellt fest, dass immer mehr Häuser zu hohem Wohnstandard modernisiert werden. Parallel steigen die Mieten exorbitant. Es ist davon auszugehen, dass gerade diese Bautätigkeit maßgeblich zum Wohnraummangel in den Städten beiträgt. Die Leute, die dort arbeiten, werden vertrieben, weil sie sich die Wohnung einfach nicht mehr leisten können. Stattdessen entstehen Zweitwohnsitze für Wohlhabende, und Investoren heizen den Markt an.
    Quelle: Treuchtlinger Kurier

    Anmerkung unseres Lesers G. G.: Besser kann man die gesellschaftliche Entwicklung im Bereich von “Wohnen und Arbeiten” durch den irrwitzigen profitorientierten Ökonomisierungs-Wahn der Gesamtgesellschaft am Beispiel der länglichen Bereiche unserer Republik kaum beschreiben.

  8. Zweifel an EU-Studien – Glyphosat-Gegner kritisieren Datenmanipulation
    Wissenschaftler erheben schwere Vorwürfe: Die Glyphosat-Einstufung der EU-Institutionen als “nicht krebserregend” sei “in gravierender Weise falsch”. Bei Studien sei die Datenlage “zugunsten” des Unkrautvernichters verändert worden. Es bestehe auch der Verdacht parteiischer Einflussnahme.
    Quelle: Deutschlandfunk
  9. NATO-Terror in Libyen und das Massaker von Manchester: Was wusste die britische Regierung?
    Der Attentäter von Manchester war keineswegs ein Einzeltäter, sondern Teil einer als „Manchester Boys“ bekannten Gruppe von Dschihadisten, die vom britischen MI5 unterstützt wurden und 2011 mit dessen Hilfe in den Krieg gegen Gaddafi nach Libyen geschickt wurden – schreibt John Pilger.
    Das Unaussprechliche in Großbritanniens Wahlkampf war Folgendes: Die Ursachenanalyse des Massakers von Manchester, in dem 22 überwiegend junge Menschen von einem Dschihadisten ermordet wurden, wird unterdrückt, um die Geheimnisse der britischen Außenpolitik zu schützen.
    Kritische Fragen – beispielsweise, warum der Geheimdienst MI5 in Manchester terroristische „Vermögenswerte“ aufrechterhielt und warum die Regierung die Öffentlichkeit nicht vor der Bedrohung in ihrer Mitte warnte – bleiben unbeantwortet. Sie werden abgespeist durch das Versprechen einer internen „Überprüfung“.
    Der mutmaßliche Selbstmordattentäter Salman Abedi war Teil einer extremistischen Gruppe, der Libyschen Islamischen Kampfgruppe (LIFG), die in Manchester gedeihen konnte und seit mehr als 20 Jahren vom MI5 großgezogen und genutzt wurde.
    Quelle: Die Freiheitsliebe
  10. Verfassungskrise in Polen – Der “Juli-Putsch”
    Polens Regierungspartei greift nach der Kontrolle über die Justiz: Sie will künftig Richter entlassen und deren Nachfolger selbst bestimmen. Kritiker sprechen vom Ende des Rechtsstaats – und die EU schaut dem Treiben machtlos zu.
    Als die Abgeordneten von Polens Regierungspartei PiS aufstanden und zu Ovationen ansetzten, griff Michal Stasinski zum Handy und filmte die Szene. “Heute um 16.41 Uhr, im Jahr des Herren 2017, endete in Polen die Dreiteilung der Macht”, twitterte der Politiker der oppositionellen Bürgerplattform (PO) später. Er sollte mit dieser Einschätzung nicht allein bleiben.
    Die nationalkonservative PiS-Partei hat am Mittwoch mit ihrer absoluten Mehrheit im Sejm einen weiteren Teil ihrer umstrittenen Justizreform beschlossen. Der 25-köpfige Landesrichterrat wird zwar auch künftig über die Besetzung von Richterposten in ganz Polen entscheiden. Aber alle Mitglieder werden vom Parlament gewählt. Bisher waren es 10 und die restlichen 15 wurden vom Standesrat der Richterschaft bestimmt. Wenn das Gesetz vom Senat abgesegnet wird – was als sicher gilt, da die PiS auch dort eine Mehrheit hat – und in Kraft tritt, soll die Amtszeit der Ratsmitglieder sofort enden.
    Quelle: SPIEGEL Online
  11. Nicht mehr allein in Afrika
    Arme, schwache und kleine Staaten haben nicht viele Möglichkeiten, ihre Unabhängigkeit zu sichern: Sie können sich abschotten und auf Autarkie setzen – oder, wenn sie sich nicht zu einseitig binden wollen, an alle größeren Mächte gleichzeitig verkaufen. Diesen Weg beschreitet Dschibuti, ein Armenhaus in Afrika mit gerade 850.000 Einwohnern. Das Land mag unterentwickelt und nur so groß wie Mecklenburg-Vorpommern sein, doch es liegt strategisch günstig an der Meerenge Bab Al-Mandab. Jedes Schiff, das durch den Suezkanal will, kommt hier vorbei.
    Das haben sich auch Frankreich, Saudi-Arabien, Japan und die USA gedacht, als sie hier ihre Militärbasen errichteten. Und nun die Volksrepublik China, die am Donnerstag ein Kriegsschiff nach Dschibuti verlegte. Dort ist seit zwei Jahren ein kleiner Marinestützpunkt geplant, der die chinesische Tankerflotte, die über diese Route die Hälfte ihrer Ölimporte abwickelt, schützen und UN-Blauhelmtruppen logistisch unterstützen soll. Der Stützpunkt umfasst nur 0,16 Quadratkilometer (ungefähr 16 Fußballfelder). Selbst eng gedrängt könnte man dort höchstens einige hundert Soldaten unterbringen.
    Anders sieht es bei den zukünftigen amerikanischen Nachbarn in ihrem »Camp Lemonnier« (zwei Quadratkilometer Fläche) aus. Die US-Streitkräfte haben dort 4.000 Mann, ein Drohnengeschwader und »Antiterrorkommando« sowie diverse Spezialkräfte stationiert. Im Gegensatz zu den Chinesen führen die Amerikaner schließlich in etlichen Nachbarländern Krieg.
    Trotzdem ist es die Volksrepublik, die mit ihrem allerersten ausländischen Marinestützpunkt einen »globalen Führungsanspruch« erheben wolle, mutmaßte die Tagesschau am Mittwoch. Die Basis wird als »Zeichen für eine neue chinesische Militärstrategie gewertet, die eine Abkehr vom Prinzip der Nichteinmischung bedeuten könnte«, so tagesschau.de. Ein solches Prinzip hat die BRD praktischerweise gar nicht, könnte also auch nie davon abweichen. Warum China dies aber vorhaben sollte, wird im quasistaatlichen deutschen Fernsehen nicht weiter erläutert. Es ist eben so.
    Quelle: junge Welt
  12. Herrschten in Hamburg bürgerkriegsähnliche Zustände?
    In seiner Kolumne “Mensch-Maschine” regt Sascha Lobo regelmäßig zu Diskussionen an. Auf ausgewählte Kommentare geht er jetzt auch in einem neuen Podcast ein – hier kommt die erste Folge. Unter dem Titel “World Wide Wut” hat sich Sascha Lobo am Mittwoch der Frage gewidmet, zu welch emotional getriebenen Reaktionen die G20-Krawalle von Hamburg in den sozialen Netzen geführt haben. Die Bilder schwarz gekleideter Gruppen, die durch Wohnstraßen marodierten und offenbar wahllos Autos anzündeten und Fenster einschlugen, hätten einen “emotional getriebenen Extremismus des Einzelnen” hervorgekehrt, schrieb er.
    Lobo zitiert Nutzer, die bei Facebook fordern: “Abschlachten das Pack”, “zur Strafe selbst anzünden”, “Erschießen ist zu gnädig”. Diejenigen, die nun plötzlich solche radikalen Vorgehensweisen befürworten, lokalisiert er in nicht im linken oder rechten Spektrum, sondern in der “Mitte der Gesellschaft”. Und er warnt, je existenzieller die Bedrohung scheint, desto wichtiger werde es, sie differenziert und fern jeder Emotion zu betrachten, zu bewerten.
    Mehr als 300 Leser hat dieser Text dazu angeregt, im Forum von SPIEGEL ONLINE über dieses Thema zu diskutieren, einen Kommentar oder ihre Meinung zu hinterlassen. In seinem neuen Debatten-Podcast reagiert Lobo auf einige ausgewählte Leserstimmen – hier können Sie sich die erste Folge anhören.
    Quelle: SPIEGEL Online
  13. Google und die käuflichen Wissenschaftler
    Nach einem Bericht des Wall Street Journal sollen Wissenschaftler, allen voran Rechtsprofessoren, schon mal 400.000 US-Dollar für einen nützlichen Wissenschaftsartikel erhalten
    Ende Juni konnte sich der US-Konzern Google nicht zur Wehr setzen. Die EU-Kommission verhängte wegen Missbrauchs seiner marktbeherrschenden Stellung eine Wettbewerbsbuße von 2,42 Milliarden gegen den Konzern, weil dessen Suchmaschine bei der Produktsuche Konkurrenten benachteilige. Wenn Google seinen Preisvergleichsdienst nach drei Monaten weiter ganz oben platziert, müsste der Konzern bis zu 5 % des durchschnittlichen täglichen weltweiten Umsatzes seiner Muttergesellschaft Alphabet zahlen. Das würde dann doch weh auf die Dauer tun. Im ersten Vierteljahr 2017 machte Alphabet einen Umsatz von mehr als 24 Milliarden US-Dollar und einen Gewinn von fast 5,5 Milliarden.
    Quelle: Telepolis
  14. Geschürte Russenhysterie in Washington
    Amerikanische Politik wird zum Medienspektakel über angebliches oder verurteilenswertes Fremdgehen
    Das Russlandfieber greift in den USA weiter um sich. Der neueste Fund ist ein Treffen von Donald Trumps ältestem Sohn mit der russischen Anwältin Natalija Wesselnizkaja am 9. Juni 2016 im Trump Tower. Dabei waren auch Trumps Schwiegersohn Jared Kushner, der jetzt als Chefberater im Weißen Haus fungiert, und Trumps Ex-Wahlkampfchef Paul Manafort. Trumps Sohn war interessiert, über die Anwältin an Information aus Russland über Hillary Clinton heranzukommen, die ihr schädlich sein könnten.
    Ausgelöst hat die Neugier der britische Klatschjournalist und Publizist Rob Goldstone, der jetzt eine Werbeagentur betreibt und Donald Trump gemailt hatte, die angeblich “russische Regierungsanwältin” habe Informationen von einem mit Putin verbundenen Generalstaatsanwalt. Die Übermittlung einiger “offizieller Dokumente und Informationen” wären ein “Teil der Unterstützung Russlands und seiner Regierung für Mr. Trump”. Goldstone betreute den russischen Popstar Emin Agalarov, dessen Vater Aras Agalarov mit Trump den Miss Universe-Wettbewerb 2013 nach Moskau gebracht hatte. Auf Emin wiederum berief sich Goldstone, als er Trumps Sohn kontaktierte, die Hilfe seitens Russlands sei über Emin und Aras zustande gekommen. Der Generalstaatsanwalt habe Aras getroffen und ihm eine Unterstützung von Trump angeboten.
    Wie auch immer, bislang gab es nirgendwo große Enthüllungen über das, was die Anwältin zu berichten hatte. Sie selbst sagt, sie arbeite nicht für die russische Regierung, was auch der Kreml-Sprecher bestätigte. Sie war als Anwältin tätig, um gegen das 2012 in Kraft getretene Magnitsky-Gesetz vorzugehen, das vor allem Personen sanktionierte, die mit dem Tod des russischen Anwalts Magnitsky im Gefängnis zu tun hatten. Russland protestierte damals ebenfalls mit Einreiseverboten von Amerikanern, die mit der Legalisierung der Folter in Abu Ghraib und anderswo verbunden und an der Verurteilung des Waffenhändlers Bout beteiligt waren, und verbot, dass russische Kinder von Amerikanern adoptiert werden.
    Quelle: Telepolis
  15. Gaby Webers Kampf um Akten
    Über Gaby Webers Recherchen zur “Operation Geschäftsfreund” der Regierung Adenauer, bei der es um die Finanzierung der israelischen Atomwaffenproduktion durch Deutschland ging, schrieb hier vor einem Jahr:
    “Dass der Chef-Manager des Holocaust, Adolf Eichmann, nicht 1960 nach jahrelanger Fahndung des israelischen Mossad in Argentinien gekidnappt werden mußte, sondern sein Aufenthaltsort und sein Job bei Mercedes Benz Argentinien, den er 1951 angetreten hatte, u.a. der “Organisation Gehlen” (BND-Vorläufer) und der CIA lange bekannt waren, ist dank der langjährigen Recherchen von Gaby Weber mittlerweile kein Geheimnis mehr (hier ihre Videodokumentation “Desinformation – Ein Lehrstück über unerwünschte Geschichte”). Dass bei dieser Deckung des NS-Verbrechers durch deutsche Dienste die “Operation Geschäftsfreund” eine Rolle gespielt haben könnte – die diskrete Forderung von Staatschef Ben Gurion an Adenauer, die israelische Atomwaffenproduktion mit 2 Milliarden Mark zu fördern um im Gegenzug vor Enthüllungen der NS-Verstrickung seines Kanzleramtschefs Globke verschont zu bleiben – ist wahrscheinlich ein Grund dafür, dass immer noch Teile der Eichmann,- und BND-Akten aus den 1950er Jahren geheim gehalten werden, deren komplette Freigabe Gaby Weber seit Jahren einklagt.”
    Jetzt hat das Bundesverfassungsgericht dazu entschieden und die Klage wegen einer Formalie abgewiesen: statt das Bundesarchiv hätte Gaby das Kanzleramt verklagen müssen. Zwar ist das Bundesarchiv die für alte Regierungsakten zuständige Institution, aber es verfügt nicht über alle “Geschäftsfreund”-Akten, die in Parteistiftungen und den Archiven der Deutschen Bank “privatisiert” sind. Vor dem Verwaltungsgericht hatte Gaby Weber geklagt, das Bundesarchiv zur Beschaffung dieser eigentlich ihm gehörenden Akten zu verpflichten – vergeblich. Da kann man nichts machen, meinten jetzt die Verfassungsrichter, die ich bisher noch immer für die letzte Bastion für Gerechtigkeit gehalten habe. Aber dieses Urteil ist dann doch sehr merkwürdig:
    Quelle: Matthias Broeckers