Wozu braucht Bertelsmann ein Länder-Hochschulranking?

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Wer hat etwas von einem Hochschulranking auf Länderebene? Weder die Studierenden, noch die Hochschullehrer, noch die Hochschulen, noch die Abnehmer der Hochschulabsolventen, denn sie erfahren nicht welche Fakultät oder welche Uni in welchem Land in diesem Ranking gut oder schlecht abschneidet. Das im November vorgestellte CHE-Länderranking kann eigentlich nur auf die Politik zielen: Bertelsmann will damit einmal mehr das Wettbewerbsdenken fördern, diesmal nicht zwischen den Hochschulen sondern zwischen den Ländern. Um den Gewinnern oder Verlierern dieses Rankings die betriebseigenen Konzepte zum Erhalt oder zur Förderung ihrer Wettbewerbsfähigkeit andienen zu können und damit seinen ohnehin schon starken politischen Einfluss noch mehr stärken zu können, dazu braucht Bertelsmann ein „Länderranking“.

Hochschulrankings sind von den USA importiert worden. Sie machen dort einen Sinn, weil die Qualität der Studienangebote der überwiegend privat organisierten Hochschulen recht unterschiedlich ist. Rankings sind für die dort meist privaten Hochschulen von großer Wichtigkeit, weil sie einen erheblichen Einfluss auf deren Marktwert, d.h. auf die Höhe der einwerbbaren Studiengebühren haben.
In einem weitgehend staatlich verantworteten Hochschulsystem, wie dem deutschen, gilt grundsätzlich der Anspruch, dass alle Hochschulabschlüsse von möglichst gleicher guter Qualität sein sollten.
Die Qualität der Hochschulen bestimmt nicht der Markt oder die Reputation, sondern sie soll durch ein strenges Qualifizierungs- und Auswahlverfahren der Lehrenden einerseits und andererseits durch einheitliche Vorgaben für die Inhalte und das Niveau der Prüfungsleistungen in den jeweiligen Fächern gewährleistet werden. Die Preisgabe des Anspruchs auf Gleichwertigkeit und gleiche Qualität in den letzten Jahren durch Reformen unter den Schlagworten „Profilierung“ und „Diversifizierung“ von Studienangebote bis hin zur Schaffung von Elite-Universitäten und das Postulat des „Wettbewerbs“ zwischen den Hochschulen haben Raum, ja sogar ein Bedürfnis für Hochschulrankings geschaffen.

Über den Wert oder den Unsinn von Hochschulrankings kann man nun trefflich streiten. Wie bei dem berühmten Computer-Axiom gilt für deren Aussagewert das Motto: „Carbage in, carbage out“. Die entscheidende Frage ist: Sind die Vergleichsmaßstäbe (die bench marks) sinnvoll oder unsinnig für einen Qualitätsvergleich.
Und da kann man sich schon fragen, ob – wie bei den Rankings des CHE – die Anzahl der veröffentlichten Seiten ein sinnvoller Qualitätsmaßstab für die Forschungsexcellenz in den Geisteswissenschaften sein kann oder warum eine Einzelveröffentlichung mehr zählen soll als ein gemeinsam publizierte Forschungsarbeit. Man kann sich auch fragen, was es für eine Aussagekraft hat, wenn man Professoren – von denen nur die Hälfte antwortet – Urteile über die Reputation andere Kollegen fällen lässt. Ist da nicht die Hochschule von der man selbst kommt oder das „Old-boys-network“ viel entscheidender als die wissenschaftliche Excellenz? Wie viele der heutigen Professoren kommen schon von einer neu gegründeten oder von einer kleineren Hochschule und nimmt des deshalb wunder, dass solche Hochschulen schlechter abschneiden?
Genauso kann man an den Umfragen unter den Studierenden über deren Zufriedenheit über ihre Studienbedingungen zweifeln, wenn nur ein Drittel antwortet, wenn die überwiegende Zahl der Befragten nie eine andere Uni von innen gesehen hat und also gar keine Vergleiche ziehen kann oder wenn man weiß, dass für einen Großteil aller Studierenden nicht etwa die Studienangebote der Hochschule sondern die Attraktivität der Stadt oder der Region entscheidend für die Wahl des Studienortes sind. Wo man sich wohl fühlt, macht eben auch das Studieren mehr Spaß.

Aber immerhin kann ein Hochschulranking, wenn es fachbezogen ist, wichtige Hinweise für die Wahl der Hochschule geben, etwa wenn etwas über die unterschiedliche Dauer eines Studiums oder über die Ausstattung der Bibliotheken oder über die Betreuungsrelation zwischen Lehrenden und Studierenden ausgesagt wird.

Insofern mag man den früheren Hochschulrankings des CHE immerhin eine Hinweisfunktion für die Studierenden zubilligen. Für die Wahl des Studienortes haben sie zwar nach wie vor keine durchschlagende Bedeutung, sonst wäre es z.B. nicht erklärlich, dass auf einen betriebswirtschaftlichen Studienplatz in Hamburg drei Bewerber kommen, für die 300 Studienplätze im weniger attraktiv geltenden Freiberg es aber nur 101 Bewerbungen gab, obwohl Hamburg bei den Rankings weit hinter Freiberg liegt.

Problematisch werden die CHE-Rankings allerdings, wenn sie dem Anspruch auf Gleichwertigkeit der Studienabschlusse zuwider laufen und wenn damit an die Stelle bisheriger Methoden der Qualitäts- und Niveausicherung durch die Hintertür der Wettbewerb zwischen den Hochschulen als das entscheidende Qualitätskriterium und Steuerungsinstrument für die wissenschaftliche und die Hochschulentwicklung propagiert werden soll.
Niemand kann etwas gegen einen vernünftigen Leistungswettbewerb zwischen den Hochschulen haben, wenn aber mit Wettbewerb gemeint ist, „der Markt kann alles besser“ als der Staat oder gesellschaftliche Institutionen, dann sind die Rankings kein Serviceangebot mehr, sondern ein Hebel zur Ökonomisierung der Strukturen und der Inhalte der Wissenschaft. Und genau das ist die Leitidee nahe zu aller unter dem Deckmantel von Wissenschaftlichkeit vorgetragenen „Reformvorschläge“ des CHE, vom „betriebswirtschaftlichen Wissenschaftsmanagement“, über ein neues Qualitätsmanagement, die Ablösung der Kapazitätsverordnungen durch die Auslese der Studierenden durch die Hochschule, die nachfrageorientierte Steuerung der Hochschulen durch die Einführung von Studiengebühren bis hin zur Zulassung von staatsunabhängigen Stiftungsuniversitäten. Man kann eine Studie des CHE nach der anderen
durchgehen, immer geht es bei den daraus abgeleiteten Reformvorschlägen um die Implementierung von betriebswirtschaftlichen Lenkungsinstrumenten zu Lasten von politischen Zielvorgaben sei es vom Staat oder den Hochschulselbstverwaltungsorganen.
Nur um die Förderung des Wettbewerbsdenkens – diesmal zwischen den Ländern – kann es dem CHE bei dem Anfang November vorgelegten „Länderranking“ gehen. Denn wer hat etwas von diesem Vergleich? Die Studierenden nicht, weil sie nicht erfahren welche Fakultät oder welche Uni in diesem Ranking gut oder schlecht abschneidet. Die Hochschulen und die Hochschullehrer nicht, weil sie nicht ablesen können, wie ihre Arbeit bewertet wird. Die Abnehmer der Hochschulabsolventen nicht, weil sie nicht erfahren, welche Ausbildung an welcher Hochschule als gut oder als weniger gut gilt. Der Zweck dieses Länderrankings kann einzig und allein darin liegen den Wettbewerb zwischen den Ländern anzustacheln. Der Leiter des CHE, Detlev Müller-Böling, gab dies bei der Präsentation der Zahlen auch unumwunden zu: „Der föderale Wettbewerb zwischen den Ländern um die besten Hochschulen ist in vollem Gange. Eine langfristig angelegte beständige Hochschulpolitik mit Reformelementen zahlt sich aus“.

Es versteht sich von selbst an welche Reformelemente Müller-Böling dabei denkt. Das CHE steht selbstverständlich in diesem Wettbewerb den Gewinnern und den Verlierern des Länderrankings mit seinen Reformvorschlägen zur Verfügung. Dazu braucht die Bertelsmann Stiftung also dieses Länderranking, nämlich zur weiteren Stärkung seines ohnehin schon starken politischen und kaum noch kontrollierbaren Einflusses auf die Hochschulpolitik der Länder.